August 2023 | Wirtschaftsfaktor Natur

Technologien für die Landwirtschaft der Zukunft

Die Rostocker Fraunhofer-Institute IGP und IGD arbeiten derzeit gemeinsam an der Entwicklung von Smart-Farming-Lösungen.
Mecklenburg-Vorpommern ist als Flächenland stark abhängig von der Landwirtschaft mit allen ihren Branchenzweigen. Die Unternehmen müssen jedoch immer mehr Herausforderungen stemmen. Sie müssen wachsende Anforderungen an Umweltschutz, Lebensmittelqualität und Nachhaltigkeit berücksichtigen, während Faktoren wie der Fachkräftemangel Druck erzeugen. Hier setzt die Fraunhofer-Gesellschaft mit aktuellen Projekten an.
Das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD und das Fraunhofer-Institut für Großstrukturen in der Produktionstechnik IGP arbeiten gemeinsam an der Entwicklung von Smart-Farming-Technologien als Teil der Fraunhofer-Initiative „Biogene Wertschöpfung und Smart Farming“. In mehreren Projekten erproben sie digitale Lösungen und automatisierte Prozesse, bei denen zum Beispiel Sensoren oder autonome Fahrzeuge zum Einsatz kommen. Funktionieren diese erfolgreich, könnten Industrieunternehmen, die Landwirtschaftsbetriebe beliefern, neue Geschäftsfelder für sich ausbauen, sagt Dr. Philipp Wree, der die Abteilung Smart Farming beim Fraunhofer IGD leitet. Zudem könnte sich daraus Potenzial für die Ansiedlung von Startups entwickeln.

Kameras erkennen Schädlinge

Eines der Fraunhofer-Projekte beschäftigt sich mit der Prozessoptimierung im Erdbeeranbau. Auf den Flächen von Karls Erdbeerhof rund um Rövershagen entwickeln die Institute Technologien, um den Erdbeeranbau in der Region für die nächsten Jahre abzusichern. Konkret geht es um die Früherkennung von Schädlingsbefall und Pflanzenkrankheiten. Philipp Wree erklärt: „Eine Kamera fährt mit und schaut sich jede Pflanze an, um festzustellen, ob Schädlinge oder Krankheiten vorhanden sind. Je früher man das erkennt, desto schneller kann das behandelt werden – und umso weniger  Pflanzenschutzmaßnahmen müssen getroffen werden.“ Diese Sensorik gehe weit über die Leistungsfähigkeit des menschlichen Auges hinaus. „In ein bis zwei Saisons sollten wir schon einen funktionierenden Prototypen haben“, so Wree.
Diese Zeit zu nutzen, ist enorm wichtig, betont Prof. Wilko Flügge, Leiter des Fraunhofer IGP. „Man muss die Abläufe genau trainieren, das geht nur im ständigen Abgleich mit den Experten vor Ort.“

Die Vermessung der Kuh

Die Institute sind nicht nur im Bereich Pflanzen aktiv. In einer Kooperation mit dem Forschungsinstitut für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf beschäftigen sich die Wissenschaftler mit dem Gesundheitszustand von Kühen in der landwirtschaftlichen Haltung. Mittels Sensorik vermessen sie die Tiere, um zu erkennen, ob diese lahmen. „Dafür vermisst ein Kamerasystem den Bewegungsapparat einer Kuh und kann so erkennen ob eine Kuh lahmt – also nicht gesund ist“, erklärt Smart-Farming-Forscher Wree. „So könnte man einen objektiven Indikator für die Komponente Tierwohl generieren. Das schafft für den Verbraucher mehr Transparenz und für den Landwirt objektive Argumente und natürlich die Gewissheit, dass es seinen Tieren gutgeht.“ Mit Menschen, also in diesem Falle Tierärzten, sei das so effizient nicht leistbar.
Das schafft für den Verbraucher mehr Transparenz und für den Landwirt objektive Argumente und natürlich die Gewissheit, dass es seinen Tieren gutgeht.

Dr. Philipp Wree, Fraunhofer IGD


Der Startschuss zu diesem Projekt ist noch nicht mal ein Jahr her, aber auch hier ist Wree zuversichtlich, dass es schnell Ergebnisse gibt. „Wir schaffen es, in der nächsten Saison einen soliden Prototypen auf die Beine zu stellen“, sagt er. Aktuell laufe die Suche nach Industriepartnern, die das Ganze praktisch verwerten können. „Interessierte Unternehmen können sich bei uns melden.”

Ideales Forschungsumfeld

Für diese und alle weiteren Smart-Farming-Forschungsinitiativen bietet MV besonders gute Bedingungen, sagen sowohl Philipp Wree als auch Wilko Flügge. Grund dafür seien die landwirtschaftlichen Strukturen, die ganz anders sind als beispielsweise in Baden-Württemberg oder Bayern. Denn die hiesigen Betriebe sind großstrukturierter, verfügen über mehr zusammenhängende Flächen als Privatbauern. „Dadurch sind viele Daten sammelbar“, sagt Wilko Flügge. Zudem gebe es für jede landwirtschaftliche Abteilung in den Betrieben einen Ansprechpartner, der über das Expertenwissen verfügt, das die Grundlage für die Entwicklung der Smart-Farming-Technologien sei. Sind die gesammelten Daten aber erst einmal digitalisiert, sind die daraus entstehenden Lösungen auch für kleine Strukturen nutzbar, bekräftigt Philipp Wree.