Das Sachverständigenwesen in der IHK zu Rostock

Erklär-Film Sachverständige

Die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen

Die Industrie- und Handelskammern in Deutschland erfüllen bei der öffentlichen Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen einen gesetzlichen Auftrag. Darüber hinaus bemühen sie sich intensiv um die Aus- und Fortbildung, die Betreuung, das Marketing und die Auftragsvermittlung im Sachverständigenbereich. Bundesweit kann auf die beachtliche Anzahl von ca. 8400 durch die 79 Industrie- und Handelskammern öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für über 200 Sachgebiete zurückgegriffen werden.

Mit dem wirtschaftlichen Umbruch in den neuen Bundesländern und dem damit verbundenen Wiederaufbau der Industrie- und Handelskammern war auch das Sachverständigenwesen neu, d. h. nach den rechtsstaatlichen Kriterien der Bundesrepublik Deutschland zu organisieren.

Die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen ist in § 36 der Gewerbeordnung (GewO) geregelt. Danach werden Sachverständige öffentlich bestellt, wenn sie besondere Sachkunde auf einem bestimmten Sachgebiet nachweisen und keine Bedenken gegen ihre persönliche Integrität bestehen. Sie werden darauf vereidigt, dass sie ihre Gutachten und sonstigen Leistungen, unabhängig, unparteiisch, gewissenhaft, weisungsfrei und persönlich erbringen. Jeder dieser Sachverständigen ist in einem aufwendigen Verwaltungsverfahren auf besondere Sachkunde und persönliche Eignung überprüft. Die öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen können von Gerichten, Behörden, Versicherungen, privaten Endverbrauchern und anderen Nachfragern zur Gutachtenerstattung sowie zu anderen Aufgaben wie fachliche Beratung, Schiedsgutachtertätigkeit, Prüfung und Überwachung herangezogen werden. Das Spektrum dieser Sachverständigen umfasst technische und wirtschaftliche Bereiche. Sie ermitteln beispielsweise Schadensursachen, stellen den Schadensumfang und die Schadenshöhe fest, bewerten Maschinen, Anlagen, Grundstücke, Häuser, Hausrat und Kunstgegenstände und betreiben Streitschlichtung und Streitvermeidung durch die Erstattung von Schiedsgutachten.

Die Sachverständigenordnung

Die Vollversammlung der IHK zu Rostock hat eine Sachverständigenordnung (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 315 KB) beschlossen, die sich an der Muster-Sachverständigenordnung des Deutschen Industrie- und Handelstages orientiert und den Forderungen des § 36 GewO gerecht wird. Zu jedem einzelnen Paragraphen der Sachverständigenordnung gibt es Anwendungs- und Auslegungsrichtlinien, welche die Kammer binden und eine bundesweit einheitliche Bestellungspraxis garantieren.
Den Sachverständigen ist mit der Sachverständigenordnung nicht nur der gesetzliche Rahmen vorgegeben, indem die Pflichten gegenüber Auftraggebern und der IHK detailliert aufgezählt werden, sondern sie erhalten auch die geschäftliche Bewegungsfreiheit eingeräumt, die sie im Wettbewerb mit nicht öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigengruppen benötigen, durch das Zulassen aller Gesellschaftsformen einschließlich der GmbH, die Sozietätsbildung mit nicht bestellten Sachverständigen und die öffentliche Bestellung von Angestellten.

Bestellungsvoraussetzungen und Sachverständigenausschuss

Für eine Vielzahl von Sachgebieten existieren bundesweit geltende Bestellungsvoraussetzungen, die das jeweilige Bestellungsgebiet definieren, die Anforderungsprofile festlegen und die erforderlichen Fachkenntnisse aufzählen, so dass bei der Entscheidung über die öffentliche Bestellung eines Bewerbers von einem gleichmäßigen Verwaltungshandeln der Kammern ausgegangen werden kann. Zur Unterstützung des Hauptamtes hat die IHK-Vollversammlung einen Sachverständigenausschuss berufen, der ehrenamtlich bei der Prüfung der persönlichen Eignung von Bewerbern für eine öffentliche Bestellung und Vereidigung als Sachverständiger mitwirkt sowie auch über Beschwerden gegen Sachverständige berät. Die vom Sachverständigenausschuss erarbeiteten Empfehlungen fließen ein in den Entscheidungsprozess der Kammer. Neben Vollversammlungsmitgliedern sowie gesetzlichen Vertretern von Mitgliedsbetrieben wirken im Sachverständigenausschuss der IHK zu Rostock auch Freiberufler und jeweils ein Vertreter der Ingenieurkammer Mecklenburg-Vorpommern und der Architektenkammer Mecklenburg-Vorpommern mit.

Das Sachverständigenverzeichnis

Das von der IHK zu Rostock nach Fachgebieten zusammengestellte Sachverständigenverzeichnis (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 111 KB) der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ist für jedermann zugänglich. Neben schriftlichen Sachverständigenbenennungen gegenüber Gerichten, Behörden, Rechtsanwälten, Notaren, Verbänden, Unternehmen und Privatpersonen erfolgen tagtäglich auf Grund telefonischer Anfragen ungezählte Sachverständigenbenennungen, welche seitens der Kammer als spezifische Dienstleistung aufgefasst werden. Die Benennungspraxis der IHK zu Rostock schließt einen kostenlosen Suchdienst ein, d. h. immer dann, wenn Sachverständigenanforderungen aus dem eigenen Kammerbezirk nicht abgedeckt werden können, wird auch auf die Daten der bei der IHK-Gesellschaft für Informationsverarbeitung in Dortmund zentral gespeicherten Angaben zu den öffentlich bestellten Sachverständigen zurückgegriffen, so dass in der Regel jeder Wunsch nach einer Sachverständigenbenennung befriedigt werden kann. Die dort tagesaktuell auf dem neuesten Stand gehaltenen Daten sind auch über Internet https://svv.ihk.de abrufbar.

Aufsichtspflicht der IHK

Die Aufsichtspflicht, welche die Industrie- und Handelskammer für die von ihr öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen wahrnimmt, schließt die Bekämpfung von unseriösen Sachverständigen ein. Öffentlich bestellte Sachverständige, die nachhaltig gegen den Pflichtenkatalog der Sachverständigenordnung verstoßen oder nachweisbar fehlerhafte Gutachten erstatten, können abgemahnt werden, es können Auflagen erteilt werden und es kann der Widerruf der öffentlichen Bestellung ausgesprochen werden. Der Sachverständigenausschuss der IHK zu Rostock befasste sich bislang mit Problemen des unlauteren Wettbewerbs, wie Verletzung des Prinzips der Zurückhaltung in der Werbung oder unberechtigte Verwendung von Sachverständigenrundstempeln. Auch Vorwürfe wegen fehlerhafter Gutachtenerstattung wurden behandelt. Andererseits vermittelt die Kammer auch Hilfestellung und Betreuung für die Sachverständigen in Form von: Seminarangeboten zur Aus- und Fortbildung, Angeboten zum Erfahrungsaustausch, Literaturangeboten, Beantwortung von Anfragen bei Problemen in der Tagesarbeit, Marketing und Vermittlung von Gutachtenaufträgen. Hervorzuheben ist hierbei die Unterstützung, welche die Kammer durch den DIHK und seinen Arbeitskreis "Sachverständigenwesen" sowie durch das Institut für Sachverständigenwesen, Köln, erfährt. Die bislang im Bereich Sachverständigenwesen der IHK zu Rostock erzielten Ergebnisse können nur als ein erster Schritt gewertet werden.
Die öffentliche Bestellung von Sachverständigen ist weiter zu intensivieren mit der Zielstellung zur Erweiterung der Sachgebietsbreite, damit den Bedarfswünschen auf der Nachfragerseite noch besser entsprochen werden kann. Die IHK zu Rostock wird sich in diesem Zusammenhang in die nachhaltigen Bemühungen der Deutschen Industrie- und Handelskammer und der Schwesterkammern um die Begründung neuer Zuständigkeiten für öffentlich bestellte Sachverständige im Prüf-, Überwachungs- und Gutachtenbereich einreihen.

Institut für Sachverständigenwesen (lfS)

Im Jahre 1974 wurde von den Industrie- und Handelskammern das Institut für Sachverständigenwesen in Hannover als Verein zur Förderung des Sachverständigenwesens gegründet. Inzwischen sind diesem Verein Handwerkskammern, Architektenkammern, Landwirtschaftskammern und Ingenieurkammern beigetreten. Auch TÜV, DEKRA, GTÜ und zahlreiche Sachverständigenverbände sind Mitglieder geworden.
Das IfS veranstaltet im Jahr circa 200 Seminare zur Aus- und Fortbildung von Sachverständigen, gibt Merkblätter und Broschüren heraus und vergibt Aufträge zur wissenschaftlichen Erforschung des Sachverständigenwesens. Außerdem wird dort der bereits erwähnte Informationsdienst für Sachverständige redigiert, gedruckt und verkauft. Schließlich führt das IfS im Auftrag der IHKs Sachkundeprüfungen durch und erarbeitet die dafür notwendigen Bestellungsvoraussetzungen. Damit unterstützt das IfS sowohl die gesetzlichen Bestellungsaufgaben als auch die freiwillig übernommenen Betreuungsaufgaben der Industrie- und Handelskammern in wichtigen Feldern.
Neuester Aufgabenbereich ist die Zertifizierung von Sachverständigen im Rahmen der Norm EN DIN 45.013. Dazu hat das IfS die IfS-Zert GmbH gegründet und ist von der Trägergemeinschaft für Akkreditierung (TGA) als akkreditierte Stelle für die Zertifizierung von Sachverständigen in folgenden Bereichen anerkannt:
  • Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken
  • Kraftfahrzeugschäden und Kraftfahrzeugbewertung
  • Altautoverwertung
Weitere Bereiche werden vorbereitet, um den Sachverständigen dieses neue und europaweit eingeführte Anerkennungssystem nutzbar zu machen. Gleichzeitig wurde in Zusammenarbeit mit DIHK und IHKs erreicht, dass die Systeme der Zertifizierung und öffentlichen Bestellung in den erwähnten Sachbereichen durch Angleichung der Sachgebietsbezeichnungen, Anforderungsprofile und Fachkenntnisse inhaltlich übereinstimmen, um die gegenseitige Durchlässigkeit zu gewährleisten. Jeder öffentlich bestellte Sachverständige kann auf diese Weise ohne weitere Sachkundeprüfung die Zertifizierung erlangen. Gleichzeitig hat die TGA, die im nichtregulierten Bereich Zertifizierungsorganisationen akkreditiert, auf Vorschlag des DIHK und des IfS einen bundesweit geltenden Pflichtenkatalog für alle zertifizierten Sachverständigen beschlossen, der mit dem Inhalt der Sachverständigenordnungen der IHKs weit gehend deckungsgleich ist. Die Vereinheitlichung des Sachverständigenwesens schreitet also mit Hilfe der IHKs voran und zwar unabhängig von den jeweils zuständigen Anerkennungsstellen. (Quelle: IHK Schleswig-Holstein)