Das Insolvenzverfahren – Hinweise für Schuldner

1. Ziel des Insolvenzverfahrens

Ziel des Insolvenzverfahrens ist es, die Gläubiger in ihrer Gesamtheit bestmöglich und gleichmäßig zu befriedigen. Zu diesem Zweck erfolgt entweder eine Zerschlagung des insolventen Unternehmens, indem das vorhandene Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt wird, oder es wird eine Sanierung durchgeführt, aus deren Erträge die Gläubiger befriedigt werden können. Als Sanierungswege kommen insbesondere die so genannte „übertragende Sanierung“ (der Verkauf des Unternehmens) oder das Insolvenz- planverfahren in Betracht. Im Insolvenzverfahren gilt grundsätzlich das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung. Der Zugriff einzelner Gläubiger auf einzelne Vermögensgegenstände und der damit einsetzende „Wettlauf der Gläubiger“ wird im Insolvenzverfahren ausgeschlossen. Das Insolvenzrecht wurde mit dem am 1. März 2012 in Kraft getretenen „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG) reformiert. Die gesetzlichen Änderungen des ESUG sollen die Rettungschancen für strauchelnde Unternehmen vergrößern, die Gläubiger dabei bestmöglich befriedigen und durch einen Mentalitätswechsel für eine neue Insolvenzkultur sorgen.

2. Insolvenzgericht

Der Insolvenzantrag ist bei den für Insolvenzsachen zuständigen Amtsgerichten zu stellen. Örtlich zuständig ist in der Regel das Insolvenzgericht, in dessen Bezirk das Schuldnerunternehmen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Das ist i.d.R. der Geschäftssitz. Welches Insolvenzgericht für den Insolvenzantrag zuständig ist, kann im Gerichtsverzeichnis unter www.insolvenzbekanntmachungen.de herausgefunden werden.

3. Wer ist insolvenzfähig?

Ein Insolvenzverfahren kann über das Vermögen jeder natürlichen Person und insbesondere folgender Unternehmen eröffnet werden: GmbH, UG haftungsbeschränkt, AG, Genossenschaft, eingetragener Kaufmann (e.K.), Einzelunternehmen, OHG, KG, BGB- Gesellschaften, Partnerschaften, Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung, Societas Europea (SE) und ausländische Gesellschaften (z.B. Ltd.), die ihren Verwaltungssitz und Betrieb in Deutschland haben.

4. Regelinsolvenz

Für alle Unternehmen gilt, dass sie das Regelinsolvenzverfahren durchführen müssen, unabhängig davon, ob sie Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften oder natürliche Personen (z.B. Einzelkaufmann) sind. Vom Regelinsolvenzverfahren zu unterscheiden ist das Verbraucherinsolvenzverfahren, das bis auf wenige Ausnahmen nur natürlichen Personen ohne selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit offen steht (vgl. § 304 InsO). Die Regelinsolvenz richtet sich nach anderen Verfahrensvorschriften als die Verbraucherinsolvenz. Bei beiden Verfahrensarten ist bei natürlichen Personen grundsätzlich eine Restschuldbefreiung möglich.
Das Insolvenzverfahren wird nur auf Antrag eröffnet. Bei bestimmten Unternehmen gibt es eine Insolvenzantragspflicht. Der Antrag ist beim zuständigen Insolvenzgericht schriftlich zu stellen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erklären. Antragsberechtigt sind Gläubiger und der Schuldner selbst. Der Antrag kann zurückgenommen werden, solange das Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet ist. Wird der Antrag zurückgenommen, werden die Verfahrenskosten dem Antragsteller auferlegt. Die Gerichte entscheiden in der Regel binnen ca. 4 bis 12 Wochen über den Insolvenzantrag.

5.1 Gläubigerantrag

Der Fremdantrag eines Gläubigers ist nur dann zulässig, wenn er bestimmte Anforderungen erfüllt (§ 14 InsO). Der Gläubiger muss
  • die ladungsfähige Adresse, ggf. die Rechtsform und den/die Vertreter des Schuldners benennen,
  • ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens darlegen,
  • eine fällige Forderung glaubhaft machen; dabei ist zu beachten: Die Forderung darf nicht völlig unbedeutend sein (rückständige Zinsen und Mahnkosten reichen nicht aus, soweit die Hauptforderung beglichen ist). Der Antrag darf nicht als unlauteres Druckmittel missbraucht werden (z.B. Schädigung des Antragsgegners als Wettbewerber) und
  • einen Eröffnungsgrund  (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) glaubhaft  machen.
Der Antragsteller muss Unterlagen zum Nachweis der Forderung vorlegen. Außerdem ist darzulegen, dass der Schuldner außerstande ist, diese Verbindlichkeit zu erfüllen. Ausreichend dafür ist beispielsweise das Protokoll eines Gerichtsvollziehers über einen erfolglosen Pfändungsversuch (Fruchtlosigkeitsbescheinigung) oder die eidesstattliche Versicherung des Schuldners über seine Vermögenssituation.
Um missbräuchliche Insolvenzanträge zu verhindern, hat das Insolvenzgericht den Schuldner bei einem Gläubigerantrag grundsätzlich anzuhören. Im Rahmen der Anhörung kann der Schuldner die Erklärungen des Gläubigers bestreiten, eine Gegenglaubhaftmachung oder Gegenbeweise vorlegen.

5.2.1 Wer kann bzw. muss den Eigenantrag stellen?

Bei juristischen Personen und Handelsgesellschaften ist jedes Mitglied des Vertretungsorgans bzw. jeder persönlich haftende Gesellschafter zur Stellung des Insolvenzantrags berechtigt. Wird der Antrag nicht von allen Mitgliedern des Vertretungsorgans bzw. allen persönlich haftenden Gesellschaftern gestellt, muss der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht werden. Im Fall der so genannten Führungslosigkeit (d.h. ohne organschaftliche Vertretung, beispielsweise wenn der Geschäftsführer abgetaucht ist) einer juristischen Person ist jeder Gesellschafter, bei einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft zudem auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Antragstellung berechtigt (§ 15 InsO).
Insolvenzantragspflicht – Vorsicht bei Insolvenzverschleppung!
Wird eine Juristische Person (z.B. GmbH und AG, Genossenschaft) oder eine Personenhandelsgesellschaft, bei der der persönlich haftende Gesellschafter keine natürliche Person ist (GmbH & Co. KG/ oHG), zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Geschäftsführer bzw. Vorstände oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen (§ 15 a InsO). Die dreiwöchige Frist ist lediglich als Höchstfrist zu verstehen, die nicht unbedingt ausgenutzt werden darf.
Gleiches gilt für vergleichbare Auslandsgesellschaften, die ihren Sitz im Inland haben. Ist die GmbH führungslos (d.h. ohne Geschäftsführer), ist auch jeder Gesellschafter, ist die AG/ Genossenschaft führungslos, auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit, der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis.
VORSICHT! Strafrechtliche und zivilrechtliche Haftungsrisiken: Wird die Antragstellungschuldhaft verzögert, unterlassen oder wird der Antrag nicht richtig gestellt, machen sich die Antragspflichtigen sogar strafbar. Außerdem droht eine Haftung mit dem Privatvermögen.
Holen Sie sich deshalb frühzeitig die Hilfe eines im Insolvenzrecht kundigen Rechtsanwalts! Er kann unter anderem dazu beraten, ob bereits Insolvenzreife eingetreten ist und ein Insolvenzantrag gestellt werden muss. Auch bei der Stellung des Insolvenzantrages muss man sehr sorgfältig vorgehen und die erforderlichen Unterlagen und Angaben voll- ständig bei Gericht einreichen. Auch hierbei wird zu einer fachkundigen Unterstützung geraten.
Die Anforderungen an den Insolvenzantrag des Schuldners sind durch das ESUG gestiegen (§ 13 InsO n.F.). Wie bisher schon, muss der Schuldner muss den Insolvenzgrund (Zahlungsunfähigkeit und/ oder insolvenzrechtliche Überschuldung) schlüssig und nachvollziehbar darlegen. Neuerdings ist dem Insolvenzantrag des Schuldners zwingend ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen (Gläubigerverzeichnis) beizufügen. Dem Gläubigerverzeichnis und den ggf. erforderlichen weiteren Angaben ist eine Erklärung beizufügen, dass die enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind.
Ist der Geschäftsbetrieb des Schuldners nicht eingestellt, gelten folgende besondere Anforderungen an dieses Gläubigerverzeichnis:
Bei kleinen Unternehmen sollen grundsätzlich und bei größeren Unternehmen* müssen in dem Gläubigerverzeichnis verpflichtend bestimmte Forderungen besonders kenntlich gemacht werden. Auch für kleine Unternehmen ist dies verpflichtend, sofern eine Eigenverwaltung oder ein vorläufiger Gläubigerausschuss beantragt ist. Folgende Forderungen sollen/ müssen besonders kenntlich gemacht werden:
  • die höchsten Forderungen,
  • die höchsten gesicherten Forderungen,
  • die Forderungen der Finanzverwaltung,
  • die Forderungen der Sozialversicherungsträger sowie
  • die Forderungen aus betrieblicher Altersversorgung.
Der Hintergrund für diese besonderen Anforderungen ist, dass das Gericht bei einem laufenden Geschäftsbetrieb des Schuldnerunternehmens allein schon durch die Angaben im Insolvenzantrag in der Lage sein soll, einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzuberufen. Dazu ist erforderlich, dass das Gericht die Angaben über die Struktur der Gläubiger erhält.
Ist der Geschäftsbetrieb des Schuldners nicht eingestellt, müssen außerdem bei allen Unternehmen – und zwar unabhängig von der Größe – verpflichtend folgende weitere Angaben gemacht werden:
  • zur Bilanzsumme,
  • zu den Umsatzerlösen und
  • zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer des vorangegangenen Geschäftsjahres.
Damit das Gericht den Insolvenzgrund prüfen kann, sollten dem Antrag in der Regel sinnvollerweise folgende Unterlagen/ Angaben beigefügt werden:
  • ein Vermögensverzeichnis, aus dem durch Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva unter Berücksichtigung von Liquidationswerten ein vollständiger Überblick über die Vermögenslage gewonnen werden kann,
  • ein Schuldnerverzeichnis mit genauer Bezeichnung der Schuldner sowie deren Anschriften; bei jeder Forderung sind Betrag und Schuldgrund anzugeben,
  • Angaben zur Fortführung des Geschäftsbetriebes,
  • Angaben zum Tätigkeitsbereich des Unternehmens,
  • Angaben zur Anzahl der Arbeitnehmer,
  • Angaben zum Bestehen von Sanierungsaussichten.
* Um ein größeres Unternehmen handelt es sich (gem. § 22 a Abs. 1 InsO), wenn der Schuldner im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale erfüllt hat:
  1. mindestens € 4.840.000 Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrags im Sinne des § 268 Absatz 3 des Handelsgesetzbuchs;
  2. mindestens € 9.680.000 Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag;
  3. im Jahresdurchschnitt mindestens 50 Arbeitnehmer.
Einige Insolvenzgerichte halten Vordrucke und Antragsformulare bereit.

6. Insolvenzgründe

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt voraus, dass ein Eröffnungsgrund besteht. Es gibt drei Eröffnungsgründe: Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit und bei einer juristischen Person Überschuldung. Bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung kann eine Antragspflicht bestehen.

6.1 Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO)

Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Davon ist in der Regel auszugehen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Maßgeblich für die Frage der Zahlungsunfähigkeit ist die Fälligkeit der Verbindlichkeiten. Gestundete Verbindlichkeiten sind nicht fällig. Ein ernsthaftes Einfordern ist allerdings nicht notwendig, um von der Fälligkeit auszugehen, es muss also keine Mahnung vorliegen.
Von der Zahlungsunfähigkeit zu unterscheiden ist die bloße Zahlungsstockung. Geringfügige Liquiditätslücken führen grundsätzlich noch nicht zur Zahlungsunfähigkeit, hier ist aber Vorsicht geboten: Eine bloße Zahlungsstockung liegt vor,
  • wenn der Schuldner die berechtigte Erwartung hat, er werde die Forderungen der Gläubiger innerhalb eines Zeitraums erfüllen können, der üblicherweise als nur vorübergehend anzusehen ist. Dabei darf der Zeitraum nicht überschritten werden, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu beschaffen. Der Schuldner muss also kurzfristig (Zeitraum einzelfallabhängig, Richtwert: nicht mehr als 2-3 Wochen) imstande sein, sich die erforderlichen flüssigen Mittel zu beschaffen, um die Verbindlichkeiten zu begleichen.
  • wenn zudem der Umfang der offenen Verbindlichkeiten auf weniger als 10 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten begrenzt ist (grundsätzlich, Ausnahme unter bestimmten Voraussetzungen möglich).
Nur unter diesen Voraussetzungen kann von einer bloßen Zahlungsstockung ausgegangen werden, die noch keinen Insolvenzgrund darstellt. Die Abgrenzung kann im Einzelfall sehr schwierig sein. Deshalb wird unbedingt zur Einschaltung von Fachleuten geraten. Es sollte ein Liquiditätsstatus und eine Zeitraumbetrachtung aufgestellt werden.
Typische Indizien für eine Zahlungsunfähigkeit sind:
  • Nichtzahlung von Lieferanten
  • Nichtzahlung von Löhnen, Gehältern und Sozialversicherungsbeiträgen
  • Hingabe ungedeckter Schecks
  • Wechselproteste
  • Zwangsvollstreckungen / Vorliegen von Vollstreckungsanträgen
  • Anträge zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung

6.2 Drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO)

Der Schuldner hat die Möglichkeit, schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag zu stellen. Die Zahlungsunfähigkeit droht, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Von der Möglichkeit des Eigenantrags des Schuldners wegen drohender Zahlungsunfähigkeit sollte besonders dann Gebrauch gemacht werden, wenn Sanierungschancen für das angeschlagene Unternehmen bestehen, da diese umso höher sind, je früher ein Insolvenzantrag gestellt wird.

6.3 Überschuldung (§ 19 InsO)

Bei juristischen Personen (oder wenn bei Personengesellschaften keine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter dahinter steht) kann auch die Überschuldung Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren sein. Durch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) wurde der Überschuldungsbegriff des § 19 Abs. 2 InsO für eine befristete Zeit neu geregelt. Danach liegt Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Neben der Frage der rechnerischen Überschuldung - wenn also das auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesene Vermögen kleiner ist als die auf der Passivseite ausgewiesenen Verbindlichkeiten – ist die Fortführungsprognose für die Beurteilung des Insolvenzgrundes der Überschuldung maßgeblich. Durch die Neuregelung können rechnerisch überschuldete Unternehmen der Insolvenzantragspflicht entgehen, sofern sie eine positive Fortführungsprognose aufstellen und diese belegen können. Die Regelung dieses so genannten zweistufigen Überschuldungsbegriffs gilt seit dem 18.10.2008 und ist zeitlich befristet bis zum 31.12.2013.
Die positive Fortführungsprognose setzt voraus, dass der Wille besteht, das Unternehmen fortzuführen (subjektives Element) und dass die Fortführung objektiv erfolgsversprechend erscheint. Maßgeblich ist, ob ein ordentlicher Geschäftsleiter sich auf der Grundlage einer gewissenhaften, sachkundigen Prüfung aller am Stichtag erkennbaren wesentlichen Umstände für eine Fortführung des Unternehmens entscheiden würde. Objektiv erfolgsversprechend ist die Fortführungsprognose, wenn das Unternehmen im laufenden sowie im nächsten Geschäftsjahr voraussichtlich nicht zahlungsunfähig wird. Dies wiederum ist anhand eines konkreten Unternehmenskonzeptes zu prüfen und zu belegen. Grundsätzlich wird es als unumgänglich angesehen, die Fortführungsprognose durch einen Finanzplan sowie eine Liquiditätsrechnung zu belegen, da nur so ermittelt werden kann, ob die zu- künftige Zahlungsfähigkeit gewährleistet ist. Die wesentlichen Prämissen und Bestandteile der Überschuldungsprüfung, insbesondere die der Fortführungsprognose zugrunde gelegten Tatsachen, Annahmen und Schlussfolgerungen, sollten dokumentiert und erläutert werden. Die Auswirkungen des Unternehmenskonzeptes sind darzulegen. Die ordnungsgemäße Dokumentation ist auch zur Minderung der Haftungsrisiken bedeutsam.

7. Schutzschirmverfahren

Durch das am 1. März 2012 in Kraft getretene ESUG wurde ein neues Verfahren eingeführt – das so genannte Schutzschirmverfahren-, das ein Schuldner unter bestimmten Umständen im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens gleichzeitig zum Insolvenzantrag beantragen kann. Das Schutzschirmverfahren (§ 270 b InsO n.F.) ist ein Spezialfall der Eigenverwaltung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Es soll dem Schuldner durch frühzeitiges Handeln die Sanierung seines Unternehmens erleichtern. Es handelt sich dabei um ein Verfahren zur Vorbereitung einer Sanierung durch Insolvenzplan in Kombination mit Eigenverwaltung. Eigenverwaltung bedeutet die Fortführung des Unternehmens durch den Schuldner selbst unter Aufsicht eines Sachwalters.
Liegt eine drohende Zahlungsunfähigkeit vor oder ist das Unternehmen überschuldet, ist nun die Möglichkeit eröffnet, innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten in dem so genannten Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung unter Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters und ohne Vollstreckungsmaßnahmen einen Sanierungsplan zu erarbeiten. Dieser kann im Anschluss als Insolvenzplan umgesetzt werden. Die Zahlungsunfähigkeit darf aber noch nicht eingetreten sein, wenn das Schutzschirmverfahren beantragt wird. Zu-dem darf die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos sein. Voraussetzung für das Schutzschirmverfahren ist, dass mit dem Antrag eine mit Gründen versehene Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorgelegt wird. Diese Bescheinigung muss den Inhalt haben, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Dies läuft in der Praxis auf eine Art Gutachten über Ist-Zustand und über die Sanierungsprognose hinaus. Der Aussteller dieser Bescheinigung muss eine andere Person als der einzusetzende Sachwalter sein.
Der Schuldner kann einen vorläufigen Sachwalter vorschlagen, der nur abgelehnt werden darf, wenn die Person offensichtlich für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist. Auch dies soll als Anreiz für eine frühzeitige Beantragung des Schutzschirmverfahrens dienen. Auf Antrag des Schuldners sind Maßnahmen der Zwangsvollstreckung zu untersagen oder einstweilen einzustellen. Es kann auch angeordnet werden, dass der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründen darf, die im Insolvenzverfahren vorrangig befriedigt werden. Dies kann die Fortführung des Betriebes erleichtern. Das Gericht darf während des Schutzschirmverfahrens keinen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen und dem Schuldner auch die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen nicht entziehen. Dem Schuldner wird eine Frist von max. 3 Monaten zur Ausarbeitung eines Insolvenzplans gesetzt. Nach Ablauf der Frist oder nach gerichtlicher Aufhebung der Anordnung des Schutzschirmverfahrens entscheidet das Insolvenzgericht über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. In der Schutzschirmphase ist es typischerweise entscheidend, ob der Schuldner das Vertrauen der Vertragspartner und Gläubiger in die Möglichkeit einer Sanierung gewinnt oder nicht. Eine spätere Aufhebung des Schutzschirmverfahrens ist möglich, wenn der vorläufige Gläubigerausschuss dies mit Kopfmehrheit beantragt.

8. Ablauf des Insolvenzverfahrens

Nach einem Insolvenzantrag beginnt zunächst ein Eröffnungsverfahren, das primär dem Schutz der künftigen Insolvenzmasse dient. Während dieser Phase werden die Verfahrensvoraussetzungen geprüft. Je nach Ausgang dieser Prüfung wird der Insolvenzantrag entweder abgelehnt oder das Insolvenzverfahren wird durch gerichtlichen Beschluss eröffnet. Erst mit dem Insolvenzeröffnungsbeschluss und der Bestellung eines Insolvenzverwalters beginnt das eigentliche Insolvenzverfahren mit der Verwaltung und ggf. Verwertung des schuldnerischen Vermögens oder der Sanierung des Unternehmens.

8.1 Eröffnungsverfahren

Bis zur Entscheidung über den Insolvenzantrag hat das Gericht alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind und alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich scheinen, um eine für die Gläubiger nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhindern. Das Gericht kann insbesondere (vgl. §§ 21 ff. InsO)
  • einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen,
  • dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen oder anordnen, dass die Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind,
  • Zwangsvollstreckungen gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen, soweit nicht in unbewegliches Vermögen vollstreckt wird,
  • eine vorläufige Postsperre anordnen,
  • ein Verwertungs- bzw. Einziehungsverbot in Bezug auf Gegenstände anordnen, an denen im Falle der Insolvenzeröffnung ein Absonderungsrecht oder ein Aussonderungsrecht besteht oder anordnen, dass solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens eingesetzt werden können.
Wird ein Insolvenzgutachter oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, so wird dieser zunächst prüfen, ob das Vermögen des Schuldners die Kosten des Verfahrens decken wird. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird Maßnahmen treffen, um das Vermögen des Schuldners zu sichern und zu erhalten (§ 22 InsO). Ein vorläufiger Insolvenzverwalter hat das Unternehmen bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortzuführen, soweit nicht das Insolvenzgericht einer Stillegung zustimmt, um eine erhebliche Verminderung des Vermögens zu vermeiden. Wird kein allgemeines Verfügungsverbot erlassen, so kommt dem vorläufigen Insolvenzverwalter nach Maßgabe gerichtlicher Bestimmung nur die Aufsicht über den weiterhin verfügungsbefugten Schuldner zu.
Im Eröffnungsverfahren kann ein vorläufiger Gläubigerausschuss einberufen werden (§ 22 a InsO n.F.). Zwingend ist er, wenn der Schuldner im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale erfüllt hat: mindestens € 4.840.000 Bilanz- summe, mindestens € 9.680.000 Umsatz pro Jahr, mindestens 50 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt. Er soll eingesetzt werden, wenn der Schuldner, der vorläufige Insolvenzverwalter oder ein Gläubiger ihn beantragt und Personen benennt, die dafür in Frage kommen.

8.2 Abschluss des Eröffnungsverfahrens

Wenn das Gericht seine Ermittlungen (oft mit Hilfe eines Insolvenzgutachters/ Sachverständigen) abgeschlossen hat, wird es entweder
  • den Insolvenzantrag mangels Eröffnungstatbestand (Zahlungsunfähigkeit, drohender Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung) abweisen,
  • den Insolvenzantrag mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abweisen oder
  • das Insolvenzverfahren eröffnen.
Der Eröffnungsbeschluss und der Abweisungsbeschluss werden öffentlich bekannt gemacht (siehe  www.insolvenzbekanntmachungen.de).
Wird der Antrag als unbegründet abgewiesen, so trägt der Antragsteller die Kosten des Verfahrens. Weitere Konsequenzen für das Unternehmen gibt es nicht.
Die Antragsabweisung mangels Masse führt bei juristischen Personen zu deren Auflösung. Sie werden kraft Gesetzes aus dem Handelsregister gelöscht. Natürliche Personen (z.B. Einzelkaufmann, persönlich haftende Komplementäre, nicht aber Vertreter des Schuldners, wie z.B. Geschäftsführer) werden im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Die Löschungsfrist beträgt 5 Jahre (§ 26 Abs. 2 InsO). Es erfolgen Mitteilungen an Behörden. Die Abweisung kann berufs- oder gewerberechtliche Folgen haben: Bei freien Berufen kann die Abweisung mangels Masse auch zum Widerruf der Zulassung führen. Bei Gewerbetreibenden kann gegebenenfalls eine Gewerbeuntersagung erfolgen. Auch Maklern, Anlageberatern, Bauträgern oder Baubetreuern kann die Erlaubnis entzogen werden. Unter Umständen kommen strafrechtliche Folgen in Betracht, wenn z.B. Insolvenzstraftaten/ Bankrottdelikte (§§ 283 ff. StGB) begangen wurden. Außerdem kann ein Berufsverbot als Geschäftsführer die Folge sein (vgl. § 6 Abs. 2 GmbHG).
Die Abweisung mangels Masse kommt nicht in Betracht, wenn es sich beim Schuldner um eine natürliche Person handelt und die Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens nach § 4a InsO beantragt und bewilligt wurde. Soweit der Schuldner oder ein Gläubiger die Abweisung verhindern will, kann er einen Massekostenvorschuss leisten. Geschäftsführer von GmbHs (und andere Antragspflichtige) können künftig unter Umständen vom vorschießenden Gläubiger auf Erstattung des vorgeschossenen Betrages und vom Insolvenzverwalter in eigene Haftung genommen werden (§ 26 Abs. 3 und 4 InsO n.F.). Wird das Insolvenzverfahren nicht eröffnet, muss der Schuldner die Vergütung und die Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters tragen. Liegen die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vor, erlässt das Gericht einen Insolvenzeröffnungsbeschluss.

8.3 Das eröffnete Insolvenzverfahren

8.3.1 Auswahl des Insolvenzverwalters:
Die Bestellung des Insolvenzverwalters ist durch das ESUG zum 1. März 2012 neu geregelt worden. Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage können der Schuldner oder ein Gläubiger einen Verwalter vorschlagen, ohne dass dies allein gegen die für das Amt erforderliche Unabhängigkeit sprechen würde. Auch die Tatsache, dass der vorgeschlagene Verwalter den Schuldner vorher allgemein über den Ablauf eines Insolvenzverfahrens und dessen Folgen beraten hat, bedeutet jedenfalls kein Ausschlusskriterium mehr (§ 56 Abs. 1 InsO n.F.). Natürlich führt der Vorschlag nicht automatisch zur Bestellung der vorgeschlagenen Person. Das Gericht kann sie dennoch ablehnen. Der Bestellungsbeschluss braucht vom Gericht weiterhin in der Regel nicht begründet werden. Die Gläubiger werden allerdings deutlich an der Auswahl des Verwalters beteiligt: Dem vorläufigen Gläubigerausschuss ist Gelegenheit zu geben, sich zu den Anforderungen, die an den Verwalter zu stellen sind, und zur Person des Verwalters zu äußern, soweit dies nicht offensichtlich zu einer nachteiligen Veränderung der Vermögenslage des Schuldners führt (§ 56 a InsO n.F.). Das Gericht ist dann grundsätzlich an die vorgegebenen Kriterien gebunden.
8.3.2 Inhalt des Eröffnungsbeschlusses:
Im Eröffnungsbeschluss wird der Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens genau bezeichnet und ein Insolvenzverwalter bestimmt. Mit dem Eröffnungsbeschluss werden die Gläubigeraufgefordert, ihre Forderungen innerhalb einer bestimmten Frist beim Insolvenzverwalter anzumelden. Die Frist beträgt mindestens 2 Wochen, höchstens jedoch 3 Monate. Die Gläubiger werden außerdem aufgefordert, dem Insolvenzverwalter etwaige Sicherungsrechte mitzuteilen. Schuldnern des insolventen Unternehmens wird mitgeteilt, dass sie nicht mehr an dieses, sondern nur noch an den Insolvenzverwalter leisten dürfen. Außer- dem werden der sogenannte Berichtstermin und der Prüfungstermin bestimmt. Im Berichtstermin wird die Situation des Unternehmens dargestellt und entschieden, ob das Vermögen des Schuldners liquidiert wird oder ob Aussichten bestehen, das Unternehmen im Ganzen oder in Teilen zu erhalten und welche Möglichkeiten für einen Insolvenzplan oder eine übertragende Sanierung bestehen. Im späteren Prüfungstermin werden die von den Gläubigern angemeldeten Forderungen ihrem Rang und Betrag nach geprüft. Berichts- und Prüfungstermin können bei einfach gelagerten Fällen verbunden werden.
8.3.3 Allgemeine Wirkungen des Eröffnungsbeschlusses:
Sobald das Insolvenzverfahren eröffnet ist, geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse (§ 35 InsO) gehörige Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, grundsätzlich auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 InsO). Das Vermögen wird also in Beschlag genommen, und der Insolvenzverwalter ist alleine zur Geschäftsführung befugt.
8.3.4 Eigenverwaltung:
Das Insolvenzgericht kann statt der Bestellung eines Insolvenzverwalters auch die Eigenverwaltung anordnen. In dem Fall führt der Schuldner sein Unternehmen unter Kontrolle durch einen Sachwalter selbst weiter. Er kann die Insolvenzmasse selbst verwalten und über sie verfügen. Der Sachwalter prüft die wirtschaftliche Lage und überwacht die Geschäftsführung. Es bedarf seiner Zustimmung zu Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, und im Übrigen hat er ein Widerspruchsrecht gegen Handlungen des Schuldners.
Voraussetzung für die Eigenverwaltung ist ein Antrag des Schuldners und dass keine Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird (§ 270 InsO). Vor der Entscheidung über den Antrag auf Eigenverwaltung ist einem etwaigen vorläufigen Gläubigerausschuss grundsätzlich Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Befürwortet der vorläufige Gläubigerausschuss die Eigenverwaltung einstimmig, ist das Gericht hieran gebunden. Auch eine vorläufige Eigenverwaltung vor Insolvenzeröffnung ist möglich.
Bei einem Eröffnungsantrag des Schuldners wegen drohender Zahlungsunfähigkeit verbunden mit dem Antrag auf Eigenverwaltung ist das Gericht verpflichtet, den Schuldner zu informieren, wenn gegen die Eigenverwaltung Bedenken bestehen. Damit hat der Schuldner die Möglichkeit, den Eröffnungsantrag noch zurückzunehmen. Dies soll als Anreiz dienen, rechtzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen. Der zum Insolvenzantrag Verpflichtete darf den Antrag auf Verfahrenseröffnung allerdings nicht zurück- nehmen, nur weil er befürchtet, dass er die Kontrolle über das Unternehmen ohne die Bewilligung der Eigenverwaltung verliert.
Eine Ablehnung der Eigenverwaltung ist schriftlich vom Gericht zu begründen. Es gibt allerdings kein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung.
Die Möglichkeit zur Eigenverwaltung gab es schon vor Inkrafttreten des ESUG. Allerdings wurden Anträge auf Eigenverwaltung in der Regel abgelehnt. Nun soll die beantragte Eigenverwaltung in der Regel angeordnet werden.
8.3.5 Weitere Wirkungen und weiterer Ablauf des Insolvenzverfahrens:
Zwangsvollstreckungen für einzelne Gläubiger sind im eröffneten Verfahren grundsätzlich nicht mehr zulässig. Weder durch Verfügungen des Schuldners noch durch sonstige Rechtserwerbe können an Gegenständen der Insolvenzmasse noch Rechte erworben werden. Juristische Personen und Personengesellschaften werden mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich aufgelöst, was von Amts wegen in das Handelsregister einzutragen ist.
Laufende Prozesse des insolventen Unternehmens werden automatisch unterbrochen. Der Rechtsstreit kann dann vom Insolvenzverwalter wieder aufgenommen werden. Nur im Ausnahmefall kann der Gläubiger den Prozess wieder aufnehmen, nämlich dann, wenn er eine Masseverbindlichkeit oder Aus- und Absonderungsrechte betrifft. Geht es dagegen um Insolvenzforderungen, so müssen diese zwingend zur Insolvenztabelle angemeldet werden.
Die Tätigkeit des Insolvenzverwalters steht unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts, wobei die Zweckmäßigkeit des Verwalterhandelns nicht überprüft wird. Im Mittelpunkt der Insolvenzverwaltung steht entweder die Sanierung des Unternehmens oder die Verwertung des Vermögens. Soweit keine Sanierung in Betracht kommt, verwertet der Insolvenzverwalter die Gegenstände des Schuldnervermögens mit dem Ziel, etwaige Überschüsse in Form von Zahlungen einer Quote an die Gläubiger zu verteilen. Zur Verwertung gehört neben der Veräußerung von Gegenständen auch das Eintreiben offener Forderungen des Schuldners. Es erfolgen so genannte Insolvenzanfechtungen des Verwalters, durch die unter bestimmten Umständen in der Krise geleistete Zahlungen an Gläubiger wieder zurückgeholt werden können. Bei GmbHs prüft der Verwalter meist Ansprüche gegen den Geschäftsführer und die Gesellschafter und macht sie ggf. geltend. Insbesondere die Beitreibung von Forderungen des Schuldners kann unter Umständen längere Zeit in Anspruch nehmen.
Zunächst wird der Insolvenzverwalter in der Regel eine Reihe von Sofortmaßnahmen zur Sicherung, Inbesitznahme und Inventarisierung der Masse einleiten. Darüber hinaus hat er die Arbeitnehmer über die Insolvenzsituation zu unterrichten und laufende Verträge zu überprüfen und ggf. zu kündigen. Vertragsverhältnisse bleiben grundsätzlich trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehen. Der Verwalter darf wählen, ob er mit Mitteln der Insolvenzmasse einen Vertrag erfüllen oder ihn nicht erfüllen will (§§ 103–107 InsO). Bestimmte langfristig angelegte Verträge (Miet- und Pachtverträge über Grundstücke und Räume, Dienst-/ Arbeitsverträge, Darlehensverträge, wenn Schuldner Darlehensgeber ist, § 108 InsO) unterliegen nicht dem Wahlrecht, sondern geben dem Verwalter ein einseitiges Kündigungsrecht. Vom Schuldner erteilte Aufträge, Geschäftsbesorgungsverträge und Vollmachten erlöschen automatisch durch die Insolvenzeröffnung (§§ 115-117 InsO).
Der Insolvenzverwalter hat das Unternehmen regelmäßig bis zum Berichtstermin fortzuführen (siehe § 157, 158 InsO). Im Berichtstermin beschließt die Gläubigerversammlung, ob der Betrieb still gelegt oder vorläufig fortgeführt wird.
Eine selbstständige Tätigkeit des Schuldners kann grundsätzlich (weiterhin) ausgeübt werden. Prinzipiell führt eine Fortführung des Betriebs zu Masseverbindlichkeiten, für die die Insolvenzmasse haftet. Der Verwalter kann aber auch festlegen, dass der Erwerb aus der selbstständigen Tätigkeit nicht zur Masse gehört und die Masse somit auch nicht für weitere Verpflichtungen haftet. Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, sich zur Haftungszuordnung zu erklären (§ 35 Abs. 2 InsO). Gibt er keine Erklärung ab, duldet er letztlich das Entstehen von Masseverbindlichkeiten aus dem fortgesetzten Betrieb des Schuldners.
Der insolvente Unternehmer ist berechtigt, über den Betrag zu verfügen, den der Insolvenzverwalter ihm und seiner Familie aus der Insolvenzmasse als notwendigen Unterhalt überlässt. Es handelt sich dabei meist um Beträge in Höhe des Pfändungsfreibetrages oder des Sozialhilfesatzes. Darüber hinaus ist eine Freigabe von Gegenständen aus der Insolvenzmasse möglich, die der Insolvenzverwalter ausdrücklich bestätigen sollte.
8.3.6 Einordnung der Gläubiger:
Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben, sind so genannte Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO). Ihre Forderungen sind Insolvenzforderungen, die zur Insolvenztabelle anzumelden sind. Daneben kann es Gläubiger mit Aussonderungs- oder Absonderungsrechten geben (§§ 47, 49 ff. InsO). Von Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) spricht man dann, wenn etwa der Insolvenzverwalter diese selbst oder bei Eigenverwaltung der Schuldner sie begründet hat und auch wenn ein gegenseitiger Vertrag während des Insolvenzverfahrens fortgesetzt wird.

9. Sanierungswege

Neben der Zerschlagung können in einem Insolvenzverfahren auch Sanierungswege in Betracht kommen. Voraussetzung ist eine Sanierungsfähigkeit. Als Sanierungswege sind die übertragende Sanierung und das Insolvenzplanverfahren möglich. Vorbereitungen hierfür sollten möglichst schon frühzeitig eingeleitet werden. Insbesondere kann sich hierfür das Schutzschirmverfahren vor der Insolvenzeröffnung anbieten.
Unter übertragender Sanierung versteht man den Erwerb eines Unternemens(teils) durch eine neue Person/ Gesellschaft. Das neue Unternehmen ist unbelastet von Altverbindlichkeiten des insolventen Unternehmens (ggf. mit Ausnahme der Arbeitsverhältnisse, § 613 a BGB).
Im Wege eines Insolvenzplanverfahrens kann der bisherige Rechtsträger selbst saniert werden. Es wird nach bestimmten Vorschriften ein Plan aufgestellt, nach dem die Fortführung und Befriedigung der Gläubiger erfolgen soll (§§ 217 ff. InsO).
Ganz entscheidend ist in beiden Fällen eine möglichst frühzeitige Vorbereitung und Kontaktaufnahme zu den wesentlichen Gläubigern (insb. Banken und Sparkassen, Lieferanten).

10. Arbeitsrechtliche Folgen

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt nicht automatisch zur Auflösung der Arbeitsverträge. Diese bestehen vielmehr fort, wobei folgende Besonderheiten gelten:

10.1 Verlust der Arbeitgeberstellung

Wird ein Insolvenzverwalter bestellt, so nimmt dieser sämtliche Arbeitgeberrechte und -pflichten wahr. Das Gleiche gilt auf Anordnung des Insolvenzgerichts für den vorläufigen Insolvenzverwalter.

10.2 Sozialversicherung des Arbeitnehmers

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers berührt nicht die Verpflichtung zur Beitragszahlung zur Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Besonderes Augenmerk ist auf die pünktliche Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge zu richten. Hier droht eine Strafbarkeit nach § 266 a Abs. 1 StGB, wenn sie nicht fristgemäß an die Träger überwiesen werden. Auch im Zusammenhang mit Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung bestehen Aufklärungspflichten und die Pflicht zu richtigen und vollständigen Angaben, vgl. § 266 a Abs. 2 und 3 StGB. Lediglich die Beiträge zur Unfallversicherung können entfallen, wenn die Arbeitnehmer nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur fristgerechten Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses von der Arbeit freigestellt wurden.

10.3 Kündigung

Grundsätzlich kann das Arbeitsverhältnis auch in der Insolvenz nur ordentlich gekündigt werden. In der Regel wird aus betriebsbedingten Gründen gekündigt. Der Insolvenzverwalter muss eine soziale Auswahl durchführen und den Betriebsrat anhören; bei Betriebsänderungen muss mit diesem ein Interessenausgleich angestrebt werden. Die Insolvenzordnung enthält hier besondere Regelungen. Wenn nicht arbeitsvertraglich eine kürzere Kündigungsfrist festgelegt ist, beträgt diese im Insolvenzverfahren 3 Monate zum Monatsende. Diese verkürzte Kündigungsfrist setzt sich gegenüber sämtlichen längeren Kündigungsfristen, Befristungen oder Unkündbarkeitsregelungen durch, gleichgültig, ob diese auf Gesetz, Tarifvertrag oder Einzelarbeitsvertrag beruhen. Bei einer (teilweisen) Veräußerung des Geschäftsbetriebs kann u.U. die Regelung zum Betriebsübergang (§ 613 a BGB) gelten, wo- nach die Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber mit übergehen.

10.4 Insolvenzgeld

Zum Schutz der Arbeitnehmer vor dem Lohnausfall wird unter bestimmten Voraussetzungen von der Bundesagentur für Arbeit ein Insolvenzgeld ausgezahlt. Der vom Insolvenzgeld abgedeckte Zeitraum umfasst grundsätzlich die letzten 3 Monate vor dem Gerichtsbeschluss über die Insolvenzeröffnung oder über die Abweisung mangels Masse (so genanntes Insolvenzereignis). Das Insolvenzgeld wird grundsätzlich in Höhe des Nettoarbeitsentgelts geleistet (§ 165 ff. SGB III). Innerhalb einer Ausschlussfrist von 2 Monaten nach dem Insolvenzereignis kann der Arbeitnehmer bei der zuständigen Arbeitsagentur Insolvenzgeld beantragen (§ 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Zuständig ist die Arbeitsagentur, in deren Bezirk die für den Arbeitgeber zuständige Lohnabrechnungsstelle liegt. Hat der Arbeitnehmer aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, die Ausschlussfrist versäumt, kann er innerhalb von 2 Monaten nach Wegfall des Hindernisses den Antrag nachholen.
Um das insolvente Unternehmen fortzuführen und ggf. zu sanieren, gibt es grundsätzlich die Möglichkeit zur Vorfinanzierung des Insolvenzgelds durch ein Kreditinstitut, die i.d.R. durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter für alle Arbeitnehmer gemeinsam eingeleitet wird. Wenn die berechtigte Annahme besteht, dass ein erheblicher Teil der Arbeitsplätze erhalten bleibt, erteilt die Arbeitsagentur ihre dafür notwendige Zustimmung.

11. Verfahrenskosten

Das Insolvenzgericht eröffnet das Insolvenzverfahren nur dann, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich ausreichen wird, um die Verfahrenskosten (Gerichtskosten, Auslagen, Kosten des Insolvenzverwalters) zu decken. Ist der Schuldner eine natürliche Person, mittellos und beabsichtigt er, Restschuldbefreiung zu erlangen, können ihm die Verfahrenskosten gestundet werden. Ansonsten wird der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen. Soweit der Gläubiger die Abweisung mangels Masse verhindern will, kann er einen Massekostenvorschuss leisten, der die gesamten voraussichtlich entstehenden Kosten des Insolvenzverfahrens abdecken muss. Unter Umständen kann der Geschäftsführer bzw. Vorstand oder ein anderer Insolvenzantragsverpflichteter in Haftung genommen werden.
Stellt der Gläubiger den Insolvenzantrag, muss er die Gebühr für das Eröffnungsverfahren zahlen. Wird der Antrag abgewiesen oder zurückgenommen, schuldet er auch die entstandenen Auslagen. Das nähere Verfahren und die Ermittlung der Höhe der Kosten ergeben sich aus der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung (InsVV). Die Kosten eines Insolvenzverfahrenssetzen sich aus den Gerichtskosten sowie aus der Vergütung und den Auslagen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters und der Mitglieder des (vorläufigen) Gläubigerausschusses zusammen. Die Gerichtsgebühren und die Vergütung werden anhand der verfügbaren Insolvenzmasse ermittelt. Die Kosten sind als Masseforderungen vorweg aus der Insolvenzmasse zu berichtigen.

12. Restschuldbefreiung

Natürliche Personen (Unternehmer und Verbraucher) können die Restschuldbefreiung beantragen. Voraussetzung ist, dass der Schuldner (ggf. neben einem Fremdantrag) selbst einen Insolvenzantrag gestellt hat. Die Restschuldbefreiung ist vor allem dann für den Schuldner wichtig, wenn zu erwarten ist, dass er auch nach dem Insolvenzverfahren auf einem Schuldenberg sitzen bleiben wird. Nach einer Wohlverhaltensperiode von 6 Jahren kann einem redlichen Schuldner die Restschuldbefreiung erteilt werden. Diese bewirkt, dass der Schuldner von den restlichen (Alt-)Verbindlichkeiten gegenüber seinen Gläubigern befreit wird. Die 6-jährige Frist beginnt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Zwangs- und Vollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger sind während dieser Phase unzulässig. Während der Wohlverhaltensperiode muss der Schuldner sein pfändbares Arbeitseinkommen oder diesem gleichgestellte Bezüge an einen Treuhänder abtreten. Er muss sich darum bemühen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und seine Gläubiger zumindest teilweise zu befriedigen.
Eine Versagung der Restschuldbefreiung kommt unter anderem dann in Betracht, wenn der Schuldner seine Erwerbsobliegenheiten verletzt, wegen Insolvenzstraftaten verurteilt wird, unter Umständen, wenn er in den letzten 3 Jahren vor dem Insolvenzantrag bzw. da- nach vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, er im letzten Jahr vor dem Antrag bzw. danach Vermögen verschwendet oder auch Auskunfts- und Mitwirkungspflichten verletzt hat. Außerdem nehmen an der Restschuldbefreiung solche Forderungen nicht teil, die aufgrund einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung gegen den Schuldner begründet worden sind. Verstößt der Schuldner gegen seine Pflichten und Obliegenheiten, kann das Gericht bereits während der Dauer der Wohlverhaltensperiode die Restschuldbefreiung versagen.