Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung novelliert

Genug Arbeit, nur zu wenig Leute – der Mangel an Fachkräften bremst die deutsche Wirtschaft. Abhilfe schafft das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Es vereinfacht die Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften aus Drittstaaten. Der Bundestag hat am 7. Juli 2023 das reformierte Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen. Zukünftig soll es für Fachkräfte mit Berufsausbildung und berufspraktischen Erfahrungen deutlich einfacher werden nach Deutschland zu kommen. Die neuen Regelungen treten schrittweise bis Juni 2024 in Kraft.

Neuregelungen seit November 2023

In Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie (EU) 2021/1883 hat der deutsche Gesetzgeber die Einwanderungsmöglichkeiten mit einer Blauen Karte EU neugestaltet und erweitert:

Abgesenkte Gehaltsgrenzen

Die Gehaltsschwellen für die Blaue Karte EU in Regel- und Engpassberufen werden deutlich abgesenkt. Künftig gilt ein Mindestgehalt von 45,3 % der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung (im Jahr 2023: 39.682,80 Euro) für die Engpassberufe und Berufsanfängerinnen und -anfänger, sowie 50 % (im Jahr 2023: rund 43.800 Euro) für alle anderen Berufe.

Erweiterter Personenkreis

Berufseinsteigerinnen und -einsteiger: Die Möglichkeit, eine Blaue Karte EU zu erhalten, wird einem größeren Personenkreis eröffnet. Zum Beispiel können ausländische Akademikerinnen und Akademiker, die innerhalb der letzten drei Jahre einen Hochschulabschluss erworben haben, eine Blaue Karte EU erhalten, wenn diese mit dem Job in Deutschland ein Mindestgehalt von 45,3% der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung erreichen. Dies gilt sowohl für Engpass- als auch Regelberufe.
IT-Spezialistinnen und -Spezialisten: IT-Spezialistinnen und -Spezialisten können künftig eine Blaue Karte EU erhalten, wenn sie zwar keinen Hochschulabschluss besitzen, aber mindestens drei Jahre vergleichbare Berufserfahrung nachweisen können. In diesem Fall gilt die niedrigere Gehaltsschwelle für Engpassberufe
Ausweitung der Liste der Engpassberufe: Die Liste der Engpassberufe für die Blaue Karte EU wird deutlich erweitert. Zusätzlich zu den bisherigen Engpassberufen können künftig u.a. auch Fachkräfte in folgenden Berufsgruppen eine Blaue Karte EU erhalten, wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind:
  • Führungskräfte in der Produktion bei der Herstellung von Waren, im Bergbau und im Bau sowie in der Logistik
  • Führungskräfte in der Erbringung von Dienstleistungen im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie
  • Wirtschafts- und Produktionsingenieure
  • Raum-, Stadt- und Verkehrsplaner
Die komplette Liste der Engpassberufe finden Sie hier: Engpassberufe

Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für Fachkräfte und Verzicht auf die Verbindung zwischen Qualifikation und Beschäftigung

Die beiden zentralen Rechtsgrundlagen für Aufenthaltserlaubnisse für Fachkräfte mit Berufsausbildung (§ 18a AufenthG) und Fachkräfte mit akademischer Ausbildung (§ 18b AufenthG) werden in doppelter Hinsicht geändert:
  1. hat man nun einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind.
  2. wird die Beschränkung aufgehoben, dass man nur aufgrund der mit dem Berufsabschluss vermittelten Befähigung arbeiten darf. Wenn man also eine qualifizierte Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluss vorweisen kann, ist man bei der Jobsuche nicht auf Beschäftigungen beschränkt, die in Verbindung mit dieser Ausbildung stehen. Ausnahmen gibt es für reglementierte Berufe.

Beschäftigung von Berufskraftfahrern

Die Zustimmungserteilung der Bundesagentur für Arbeit für die Beschäftigung von Berufskraftfahrenden aus Drittstaaten wird vereinfacht. So wird grundsätzlich nicht mehr geprüft, ob die erforderliche EU- bzw. EWR-Fahrerlaubnis und die Grundqualifikation oder beschleunigte Grundqualifikation vorhanden sind. Zudem wird die Vorrangprüfung gestrichen und es sind keine Sprachkenntnisse mehr vorausgesetzt.

Neuregelungen ab März 2024

Aufenthalt zur Anerkennung einer ausländischen Berufsqualifikation

Die Möglichkeiten zum Aufenthalt für die Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen in Deutschland werden ausgebaut. Die bisherige 18-monatige Aufenthaltserlaubnis zur Durchführung von Anpassungsmaßnahmen (§16 d Abs. 1 AufenthG) wird nun bei der Ersterteilung für 24 Monate ausgestellt. Eine Verlängerung um weitere 12 Monate bis zu einer Höchstaufenthaltsdauer von drei Jahren ist möglich. Dadurch erhalten Arbeitgeber mehr Flexibilität.
Die Nebenbeschäftigung während der Qualifizierungsmaßnahme wird von 10 auf 20 Stunden in der Woche erhöht. Angehenden Fachkräften wird somit ermöglicht, den Weg in den Arbeitsmarkt leichter zu beschreiten.
Die Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen in Deutschland zielt darauf ab, die volle Gleichwertigkeit der ausländischen Berufsqualifikationen zu erlangen. Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz führt hierfür folgende Zugangswege ein:
  • Einreise und Beschäftigung im Rahmen einer Anerkennungspartnerschaft: Mit der Anerkennungspartnerschaft wird ermöglicht, einen Aufenthaltstitel zur Ausübung einer qualifizierten Beschäftigung zu erhalten und ein erforderliches Anerkennungsverfahren erst nach der Einreise begleitend durchzuführen. Grundvoraussetzungen für die Anerkennungspartnerschaft sind, neben dem Arbeitsvertrag, das Vorliegen einer Berufsqualifikation, die eine mindestens zweijährige Ausbildung erfordert hat oder ein Hochschulabschluss - beides muss vom jeweiligen Ausbildungsstaat anerkannt sein -, sowie deutsche Sprachkenntnisse auf Niveau A2 (GER). Die Aufenthaltserlaubnis wird in der Regel für ein Jahr erteilt und kann auf bis zu drei Jahre verlängert werden.

Beschäftigung von Fach- und Arbeitskräften

Sonderregelung bei berufspraktischer Erfahrung: Die Beschäftigung von Personen mit ausgeprägter berufspraktischer Erfahrung wird erweitert. Die neue Regelung gilt nun für alle nicht-reglementierten Berufe in allen Branchen. Die Anforderung an Personen mit berufspraktischer Erfahrung ist, dass sie einen Berufs- oder Hochschulabschluss, der vom jeweiligen Ausbildungsstaat anerkannt ist, vorweisen können. Im Falle eines Berufsabschlusses ist eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren erforderlich. Zudem sind mindestens zwei Jahre Erfahrung im angestrebten Beruf vorausgesetzt. Die formale Anerkennung des Abschlusses in Deutschland ist nicht erforderlich.
Für IT-Spezialistinnen und -Spezialisten wird der Arbeitsmarktzugang zusätzlich erleichtert: Die notwendige einschlägige Berufserfahrung wird auf zwei Jahre reduziert (vorher drei Jahre). Ein Berufs- oder Hochschulabschluss ist weiterhin nicht erforderlich. Sprachkenntnisse müssen für das Visum nicht mehr nachgewiesen werden.
Niederlassungserlaubnis für Fachkräfte aus dem Ausland: Ausländische Fachkräfte, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18a, § 18b, § 18d oder §18g AufenthG besitzen und weder eine inländische Berufsausbildung noch ein Studium in Deutschland absolviert haben, erhalten bereits nach drei Jahren (vorher vier Jahre) die Niederlassungserlaubnis in Deutschland. Darüber hinaus erhalten Inhaberinnen und Inhaber einer Blauen Karte EU noch schneller eine Niederlassungserlaubnis: Nach 27 Monaten in Beschäftigung mit einer Blauen Karte EU ist ihre Erteilung möglich, bei ausreichenden Deutschkenntnissen (Niveau B1 GER) sind es sogar 21 Monate.
Für Absolventinnen und Absolventen eines Studiums oder einer Berufsausbildung in Deutschland bleibt die aktuelle Sonderbestimmung zur Niederlassungserlaubnis bestehen: Bereits nach zwei Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung als „Fachkraft“ (Aufenthaltstitel nach §§ 18a, 18b oder 18d AufenthG), kann ihnen eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden.
Erleichterungen beim Familiennachzug zu Fachkräften: Wenn Ehegattinnen oder Ehegatten oder minderjährige Kinder zu bestimmten Fachkräften nach Deutschland ziehen, wird künftig auf den Nachweis ausreichenden Wohnraums verzichtet. Zudem können solche Fachkräfte auch ihre Eltern und – wenn die Ehegattin oder der Ehegatte auch dauerhaft im Bundesgebiet ansässig sind – Schwiegereltern zu sich holen, wenn sie ihre Aufenthaltserlaubnis erstmals am oder nach dem 1. März 2024 erhalten.
Aufenthaltserlaubnis für Inhaberinnen und Inhaber von Gründerstipendien: Zur Gründung eines Unternehmens können Fachkräfte im Sinne des § 18 Abs. 3 AufenthG künftig eine Aufenthaltserlaubnis für bis zu 18 Monate erhalten, wenn ihnen zu diesem Zweck ein Stipendium einer deutschen Wissenschaftsorganisation oder öffentlichen Stelle gewährt wird.

Beschäftigung von Studierenden und Auszubildenden

Erweiterte Beschäftigungsmöglichkeiten für ausländische Studierende: Für Drittstaatsangehörige, die in Deutschland mit einem Studentenvisum studieren, werden die Möglichkeiten zur Nebenbeschäftigung erweitert. Das bisherige Jahresarbeitszeitkonto von 120 ganzen bzw. 240 halben Tagen wird auf 140 volle oder 280 halbe Arbeitstage angehoben. Die Neuregelung ermöglicht es alternativ, Werkstudentenjobs bis zu 20 Stunden in der Woche auszuüben. Die Höhe des Gehalts und der Gegenstand der Beschäftigung spielen dabei keine Rolle. Die Nebenbeschäftigung ist künftig auch beim Besuch von studienvorbereitenden Maßnahmen von Beginn an möglich.
Aufenthalt zur Studienplatzsuche mit Arbeitsperspektiven: Die Einreise sowie der Aufenthalt zum Zweck der Studienbewerbung an deutschen Hochschulen bleibt weiterhin für Drittstaatsangehörige möglich. Neu ist, dass die Ausübung einer Nebenbeschäftigung während der Studienplatzsuche im Umfang von 20 Stunden in der Woche ermöglicht wird.
Erweiterte Aufenthaltsmöglichkeiten zur Ausbildungsplatzsuche: Auch zum Zweck der Ausbildungsplatzsuche können Drittstaatsangehörige weiterhin einreisen. Die Altersgrenze für potenzielle Bewerberinnen und Bewerber wird von 25 auf 35 Jahre angehoben, die Anforderungen an deutsche Sprachkenntnisse werden auf Niveau B1 (GER) abgesenkt. Damit wird der Aufenthalt zur Ausbildungsplatzsuche einem größeren Personenkreis von Drittstaatsangehörigen eröffnet. Die bisherige Höchstaufenthaltsdauer von sechs Monaten wird auf neun Monate erhöht. Darüber hinaus können Personen mit diesem Aufenthaltstitel eine Nebenbeschäftigung im Umfang von 20 Stunden in der Woche sowie Probebeschäftigungen von bis zu zwei Wochen ausüben.
Erweiterte Möglichkeiten der Nebenbeschäftigung für Auszubildende: Künftig werden bei allen Berufsausbildungen Nebenbeschäftigungen von bis zu 20 Stunden pro Woche möglich sein.

Neuregelungen ab Juni 2024

Einführung der Chancenkarte zur Jobsuche

Für einen Aufenthalt zur Arbeitsplatzsuche wird eine Chancenkarte eingeführt. Diese kann auf zwei Wegen erlangt werden:
  1. Drittstaatsangehörige, die eine volle Gleichwertigkeit der ausländischen Qualifikation nachweisen und daher als „Fachkräfte“ nach § 18 Abs. 3 AufenthG gelten, können die Chancenkarte ohne weitere besondere Voraussetzungen erhalten.
  2. Alle anderen müssen einen ausländischen Hochschulabschluss, einen mindestens zweijährigen Berufsabschluss (jeweils im Ausbildungsstaat staatlich anerkannt) oder einen von einer deutschen Auslandshandelskammer erteilten Berufsabschluss nachweisen. Zudem sind entweder einfache deutsche (Niveau A1) oder englische Sprachkenntnisse (Niveau B2) erforderlich.
Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann man für Kriterien wie Anerkennung der Qualifikationen in Deutschland, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug sowie das Potenzial der mitziehenden Lebens- oder Ehepartnerinnen und -partner unterschiedliche Punkte sammeln. Um die Chancenkarte zu erhalten, müssen mindestens sechs Punkte erreicht werden.
Die Chancenkarte wird für maximal ein Jahr erteilt, wenn der Lebensunterhalt für diese Zeit gesichert werden kann. Sie bietet während des Aufenthalts in Deutschland Möglichkeiten zur Probearbeit oder Nebenbeschäftigung im Umfang von 20 Stunden in der Woche. Wenn man danach keinen anderen Erwerbstitel aus Abschnitt 4 (§§ 18 bis 21 des Aufenthaltsgesetzes) bekommen kann, aber dennoch ein Angebot für eine qualifizierte Beschäftigung hat, kann die Chancenkarte um weitere zwei Jahre verlängert werden.

Westbalkanregelung

Die Westbalkanregelung eröffnet Staatsangehörigen von Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien für jede Art von Beschäftigung in nicht-reglementierten Berufen einen Arbeitsmarktzugang in Deutschland. Die Regelung war ursprünglich bis Ende 2023 befristet. Mit der Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung wird die Westbalkanregelung entfristet. Ab Juni 2024 beträgt das Kontingent jährlich 50.000.
Quelle: Make-it-in-Germany.com