Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte

Was ist der Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP)?

2018 feierte die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ihr 70-jähriges Jubiläum. Im Dezember 1948 war sie von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in Paris genehmigt und verkündet worden. Sahen die UN zunächst vor allem die Nationalstaaten in der Pflicht, die Menschenrechte zu sichern, schrieben sie 2011 mit den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte ausdrücklich auch den Unternehmen Verantwortung im Sinne einer „menschenrechtlichen Sorgfalt“ zu. Die EU-Kommission stellte sich umgehend hinter die Leitprinzipien und forderte ihre Mitgliedsstaaten 2011 auf, Nationale Aktionspläne zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zu entwickeln.
Die deutsche Bundesregierung hat am 21. Dezember 2016 den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet. Der Verabschiedung war ein Konsultationsprozess unter Beteiligung zahlreicher Stakeholder aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft vorausgegangen. Auch die IHKs beteiligten sich an dem Prozess.
Der Nationale Aktionsplan konkretisiert Erwartungen der Bundesregierung an staatliche Institutionen und an Unternehmen in Bezug auf den Schutz und die Achtung der Menschenrechte im Wirtschaftskontext.

Was sind die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte?

Die UN-Leitprinzipien wurden im Rahmen eines Forschungs- und Konsultationsprozesses unter Leitung von Prof. John Ruggie entwickelt und im Juni 2011 durch den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen verabschiedet. In Zeiten einer globalisierten Wirtschaft sollen sie die Rolle von Staaten und Wirtschaft in Bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte definieren. Die Prinzipien zeigen menschenrechtliche Pflichten von Staaten und Verantwortung von Unternehmen in globalen Wertschöpfungs- und Lieferketten auf und basieren auf einem Drei-Säulen-Konzept:
  1. Pflicht des Staates zum Schutz der Menschenrechte
  2. Verantwortung des Unternehmens zur Achtung der Menschenrechte
  3. Zugang zu Abhilfe
Ein zentraler Aspekt des Konzepts ist die Konkretisierung der zweiten Säule im Sinne einer sogenannten „menschenrechtlichen Sorgfalt von Unternehmen“, unter der Unternehmen Schritte einleiten sollen, um Menschenrechte zu achten sowie (potenzielle) negative Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf Menschenrechte zu erkennen, zu verhüten und zu mildern.

Worum geht es im Nationalen Aktionsplan?

Der NAP spricht Maßnahmen auf Seiten der Bundesregierung aus (Säule I, staatliche Schutzpflicht), formuliert eine Erwartungshaltung an deutsche Unternehmen (Säule II, Gestaltung und Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfalt durch Unternehmen), und erläutert, wie Betroffenen Zugang zu Abhilfe und Wiedergutmachung gewährleistet werden soll (Säule III, Zugang zu Abhilfe). Maßnahmen auf Seiten der Bundesregierung zur Umsetzung der staatlichen Schutzpflicht im Wirtschaftskontext betreffen u.a. das öffentliche Beschaffungswesen, die staatliche Förderung von Unternehmen sowie Unternehmen im öffentlichen Eigentum. So soll das Thema Menschenrechte beispielsweise verstärkt bei der öffentlichen Auftragsvergabe, der Außenwirtschaftsförderung und der Subventionsvergabe berücksichtigt werden.

Welche Erwartungen formuliert der NAP an Unternehmen?

Die Bundesregierung erwartet generell von allen Unternehmen die Einführung eines Prozesses der unternehmerischen Sorgfalt mit Bezug auf die Achtung der Menschenrechte. Der Prozess soll jedoch der Größe und Branche des Unternehmens sowie seiner Position in der Liefer- und Wertschöpfungskette angemessenen sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn Unternehmen in Ländern tätig sind, in denen rechtsstaatliche Grundsätze nicht oder nur unzureichend durchgesetzt werden.
Die Ausgestaltung und Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfalt sollte in bestehende Unternehmensprozesse integrierbar sein und keine unverhältnismäßigen bürokratischen Belastungen verursachen. Erwartet wird die Implementierung der folgenden Kernelemente menschenrechtlicher Sorgfalt, welche „nicht als starre Abfolge“ zu verstehen sind, sondern als kontinuierlichen Lernprozess im Unternehmen:
  • Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte: Aus der von der Unternehmensleitung verabschiedeten Grundsatzerklärung soll deutlich werden, dass das Unternehmen der Verantwortung zur Achtung der Menschenrechte nachkommt. Darin können auch für das Unternehmen zentrale Menschenrechtsthemen unter Bezug auf internationale Referenzinstrumente erläutert und Verantwortlichkeiten innerhalb des Unternehmens festgelegt werden.
  • Verfahren zur Ermittlung tatsächlicher und potenziell nachteiliger Auswirkungen auf die Menschenrechte: Ein Verfahren, das (mögliche) negative Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf Menschenrechte identifiziert, stellt den Kern der unternehmerischen Sorgfalt dar. Es soll zwischen direkten Auswirkungen, die von dem Unternehmen oder seinen direkten Lieferanten verursacht werden, und indirekten Auswirkungen, die beispielsweise durch die Gewährung von Krediten oder eine Vielzahl von Zwischenhändlern verursacht werden, unterscheiden.
  • Maßnahmen und Wirksamkeitskontrolle: Basierend auf den Ergebnissen der Analyse sollen Maßnahmen zur Abwendung potenzieller und tatsächlicher negativer Auswirkungen identifiziert und in die Geschäftstätigkeit integriert werden. Diese können beispielsweise Schulungen von Mitarbeitern und Lieferanten, Anpassungen von Managementprozessen und den Beitritt zu Brancheninitiativen beinhalten. Die Wirksamkeit der Maßnahmen sollte regelmäßig kontrolliert werden.
  • Berichterstattung: Alle relevanten Informationen, die darlegen, dass die tatsächlichen und potenziellen Auswirkungen des unternehmerischen Handelns auf die Menschenrechte bekannt sind und dass diesen in geeigneter Weise begegnet wird, sollen von Unternehmen bereitgehalten und ggf. extern kommuniziert werden.
  • Beschwerdemechanismus: Ein unternehmensinterner oder externer Beschwerdemechanismus soll die Identifikation von (möglichen) nachteiligen Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf Menschenrechte erleichtern.

Welche Unternehmen sind betroffen?

Generell sollen alle Unternehmen einen Prozess der unternehmerischen Sorgfalt in Bezug auf die Menschenrechte „in einer ihrer Größe, Branche und Position in der Liefer- und Wertschöpfungskette angemessenen Weise“ einführen. Die Bundesregierung hatte die Erwartung, dass bis 2020 mindestens 50 Prozent aller deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern Prozesse zur Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfalt einführen. Es gilt der „Comply or Explain“-Ansatz, d. h. sofern ein betroffenes Unternehmen bestimmte Prozesse nicht umgesetzt hat, muss es erläutern, warum dies der Fall ist.
Unternehmen, die von der Regierung beauftragt, gefördert oder begünstigt werden oder sich in staatlichem Eigentum befinden, müssen verstärkt mit Nachfragen und Prüfungen zu den Kernelementen menschenrechtlicher Sorgfalt durch die Bundesregierung rechnen.

Ist der NAP gesetzlich verpflichtend?

Zum jetzigen Zeitpunkt spricht der Nationale Aktionsplan in Kapitel III allein „Erwartungen“ an die unternehmerische Sorgfalt aus. Damit ist die Implementierung des Prozesses zur Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfalt grundsätzlich noch nicht gesetzlich verpflichtend. Im Juli 2021 ist jedoch das sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Kraft getreten. Dieses verpflichtet zunächst größere Unternehmen, die Sorgfaltspflichten im Sinne des NAP systematisch und konsequent einzuhalten. Die Pflichten aus dem Gesetz werden ab 2023 Unternehmen mit mind. 3.000 Mitarbeitern und ab 2024 auch Unternehmen mit mind. 1.000 Mitarbeitern unmittelbar erfassen. Über deren Lieferketten dürften mittelbar aber auch mittelständische Unternehmen von dem Gesetz betroffen sein.

Erfüllen wir die Anforderungen des NAP durch unsere CSR-Berichterstattung?

Nein, eine CSR-Berichterstattung ist nicht ausreichend. Der NAP formuliert fünf Erwartungen an die Unternehmen (siehe oben). Die Berichterstattung ist nur ein Element.

Zugang zu Abhilfe: Welche Rolle nimmt die Nationale Kontaktstelle für die OECD-Leitsätze ein?

Zudem sieht der NAP auch vor, dass die Rechte von Betroffenen in Zukunft ausgebaut werden. Eine besondere Rolle wird in diesem Kontext der Nationalen Kontaktstelle (NKS) für die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen zugewiesen. Seit 2001 fördert die NKS, angesiedelt im Bundeswirtschaftsministerium, die Bekanntheit und die Einhaltung der OECD-Leitsätze und damit auch der menschenrechtlichen Sorgfalt, da Achtung und Schutz der Menschenrechte in Kapitel IV der OECD-Leitsätze thematisiert werden. Die NKS fungiert bereits als außergerichtlicher Beschwerdemechanismus, der bei Beschwerden und Hinweisen auf Verstöße gegen die Leitsätze zwischen den Parteien vermittelt und sich um eine gemeinsame Lösung bemüht. Inzwischen wurde die NKS organisatorisch und personell verstärkt und dient auch als zentraler Beschwerdemechanismus für Projekte der Außenwirtschaftsförderung.

Welcher Zusammenhang besteht zu anderen Standards / Richtlinien?

Das Thema „Wirtschaft und Menschenrechte“ findet in der Öffentlichkeit immer größere Aufmerksamkeit und schlägt sich auch zunehmend in politischen Entscheidungen nieder. Eine Vielzahl von nationalen und internationalen Richtlinien und Standards wie beispielsweise die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, die ILO-Kernarbeitsnormen, die EU-Richtlinie zur CSR-Berichterstattung, der UK Modern Slavery Act und der Dodd-Frank Act der USA greifen das Thema bereits auf.

Wo bekomme ich als Unternehmen Hilfestellung in der Umsetzung?

Handlungsempfehlungen der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat angekündigt, die im NAP beschriebenen möglichen Maßnahmen zur Gestaltung und Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfalt in Unternehmensprozessen durch branchenspezifische Handlungsempfehlungen sowie Best-Practice-Beispiele weiter zu konkretisieren. Die Website des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales www.csr-in-deutschland.de informiert dabei über die zentralen Aktivitäten und Maßnahmen der Bundesregierung im Bereich CSR und bietet Unterstützungsangebote für Unternehmen.
Helpdesk der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung des BMZ
Die im April 2016 geschaffene Agentur für Wirtschaft und Entwicklung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) dient Unternehmen als erste Anlaufstelle und zeigt bestehende Angebote, Ansprechpartner und Netzwerke auf.
Helpdesk der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO)
Der Helpdesk der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) unterstützt Unternehmen bei der Anwendung internationaler Arbeits-und Sozialstandards. Neben dem Informationsangebot auf der Website soll es bald auch ein individuelles Beratungs- und Schulungsangebot geben.
Deutsches Global Compact Netzwerk (DGCN)
Das DGCN hat sein Beratungs- und Schulungsangebot zur Umsetzung der menschenrechtlichen Verantwortung von Unternehmen weiter ausgebaut und durch neue Angebote wie Qualifizierungsmaßnahmen, Webinare und Praxisbeispiele ergänzt. Ein neues Informationsportal des DGCN zum Thema Menschenrechte bündelt zudem alle Informationen zu dem Thema: www.mr-sorgfalt.de.
Business and Human Rights Resource Center
Die von der Bundesregierung unterstützte Informationsplattform Business and Human Rights Resource Center sammelt Informationen zu menschenrechtlichen Herausforderungen nach Themen, Regionen, Risikogruppen und Unternehmen.
Unterstützung durch das IHK-AHK-Netzwerk:
Auslandshandelskammern (AHKs)
Die deutschen Auslandshandelskammern (AHKs) informieren über die menschenrechtliche und tatsächliche Lage im Ausland. In einigen Ländern betreiben sie in Kooperation mit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit „CSR-Kompetenzzentren“, die über CSR-Maßnahmen beraten“. Einen Überblick zu den Angeboten der AHKs gibt es unter www.deinternational.de.
Industrie- und Handelskammern
Unternehmen aus Rheinhessen können sich gerne an uns wenden. Als Ihre IHK geben wir Ihnen gerne Informationen und Tipps zum Umgang mit diesem Thema.