Nachfolge gesucht!

Unternehmensnachfolge in Rhein-Main: Nur jedes fünfte Unternehmen hat konkrete Pläne zur Betriebsübergabe!
6. Februar 2023, Mainz/Frankfurt/Darmstadt.
Die Metropolregion Rhein-Main ist eine bärenstarke Region mit einer Wirtschaftskraft größer als jene Portugals. Damit dies so bleibt, braucht es eine stabile Wirtschaftsstruktur. Die Baby-Boomer-Generation scheidet absehbar auch als Unternehmer aus dem Erwerbsleben, es braucht Nachfolger. Dazu muss der Bürokratieabbau für erfolgreiche Nachfolge von der Politik vorangetrieben werden. Denn es zeigt sich: Unternehmensnachfolge ist wichtiger denn je! Krisen beeinflussen in vielerlei Hinsicht die Unternehmensnachfolge. 
Einerseits spiegeln sich Umsatzrückgänge und niedrigere Erträge in sinkenden Unternehmenswerten wider, andererseits kommt es in einigen Branchen zu massiven Marktveränderungen. Gerade im Bereich des Handels und der Gastronomie sind gravierende Änderungen zu verzeichnen oder zu erwarten. Der Onlinehandel nimmt stark zu, Unternehmen mit Präsenzcharakter haben es zunehmend schwer, eine Unternehmensnachfolge erfolgreich zu gestalten. Hinzu kommen die permanenten krisenbedingten Hürden (Energiekosten, Kontaktbeschränkungen, Hygienevorschriften, Personalkosten), welche die Suche nach einer geeigneten Nachfolgerin oder einem passenden Nachfolger erheblich erschwert haben. Allesamt Faktoren, die den idealtypischen Nachfolgeablauf nachhaltig stören können.
Daten hierzu werden jedoch meist in Bundesland-Strukturen erhoben. Da die Wirtschaftsregion aber nicht an Landesgrenzen endet, haben die Industrie- und Handelskammern Rheinhessen und Darmstadt Rhein-Neckar eine Studie bei der Hochschule Mainz in Auftrag gegeben, um den Wirtschaftsraum Rhein-Main in den Fokus zu nehmen.
„Bundesweit steuert fast jedes dritte Unternehmen auf eine Stilllegung zu, entweder weil diese bereits fest geplant ist, oder weil dies als ernsthafte Option angesehen wird“, sagt Günter Jertz, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen. 
„Diese Zahlen lassen uns keine Ruhe, die Wertschöpfung darf nicht verloren gehen. Deswegen wollten wir wissen, wie sich die Situation in der Metropolregion Rhein Main darstellt“. Die Langzeitstudie zur Unternehmensnachfolge weist auf die wesentlichen Erkenntnisse hin, wie Unternehmerinnen und Unternehmer (ab 55 Jahre) mit dem Thema Nachfolge umgehen, wie die Übergabepläne aussehen und welche Branchenspezifika sich für die Region ergeben.
„Nicht jedes Unternehmen ist für die Ewigkeit gemacht, aber viele Unternehmen verdienen es länger zu überleben, als ihre Gründerinnen und Gründer planen. Eine Unternehmensnachfolge bedarf einer sorgfältigen Vorbereitung, weswegen Unternehmerinnen und Unternehmer sich nicht erst dann mit der Übergabe beschäftigen sollten, wenn sie aussteigen wollen oder müssen“, sagt Dr. Anna Rosinus, Professorin für BWL, Management, Strategie und Entrepreneurship der Hochschule Mainz. „Es ist oft die Rede von einem Mangel an Nachfolgenden – unsere Studie zeigt, dass ein Mangel mindestens genauso oft auf der Seite der Übergebenden besteht – zumindest die frühzeitige Planung betreffend“. Nur 20 Prozent der Befragten haben heute schon konkrete Pläne zur Nachfolge ihrer Unternehmen und etwa die Hälfte hat sich noch gar nicht mit dem Thema beschäftigt. Selbst in der Altersgruppe 65+ hat sich knapp die Hälfte der Befragten noch nicht mit der Nachfolgefrage beschäftigt.
Ein gut geplanter Nachfolgeprozess ist ein komplexes Unterfangen. Es gilt, viele rechtliche, wirtschaftliche sowie steuerliche Entscheidungen zu treffen. Aber auch gerade die emotionale Komponente birgt regelmäßig ein nicht zu unterschätzendes Konfliktpotenzial und Handlungsfeld einer erfolgreichen Unternehmensnachfolge. Die rheinland-pfälzischen Starterzentren haben zum Jahresende 2022 einen Nachfolgereport veröffentlicht, der dokumentiert, dass die Familiennachfolgen nach einer längeren Durststrecke wieder an erste Stelle rücken.
„Unternehmerisches Denken und Handeln kann viele Facetten annehmen“ sagt Prof. Dr. Susanne Weissman, Präsidentin der Hochschule Mainz. „Wir als Hochschule bereiten unsere Absolventinnen und Absolventen auf die verschiedenen Karrierewege vor: auf die Mitarbeit in bestehenden Unternehmen, auf die Gründung ihrer eigenen Unternehmen sowie auf die Übernahme eines etablierten Unternehmens. Nachfolge als Karriereoption sollte als Chance gesehen werden – auch außerhalb des eigenen familiären Kontexts.“
Unternehmen müssen sich frühzeitig Gedanken über ihre Nachfolge und die Zeit danach machen und den Prozess strukturiert angehen. Die rheinland-pfälzischen Wirtschaftskammern bieten dabei zahlreiche Unterstützungsmöglichkeiten, damit die erfolgreiche Unternehmensnachfolge gelingt: www.ihk.de/rheinhessen/starthilfe/unternehmensnachfolge.
Weitere zentrale Ergebnisse: 
  • Nur 20% der Befragten hat heute schon konkrete Pläne zur Nachfolge ihrer Unternehmen. 
  • Etwa die Hälfte hat sich noch gar nicht mit dem Thema beschäftigt. Selbst in der Altersgruppe 65+ hat sich knapp die Hälfte noch NICHT mit der Nachfolgefrage beschäftigt
  • Obwohl die befragten Unternehmerinnen tendenziell jünger sind und eine Nachfolge daher noch weiter in der Zukunft liegt, scheinen sie deutlich besser auf die Nachfolge vorbereitet: konkrete Pläne haben 25% der befragten Unternehmerinnen und nur 19% der befragten Unternehmer.
  • Die „Geschichte“ der Unternehmen hat einen Einfluss auf den Status der Nachfolgeplanung: Unternehmen, die bereits mindestens einmal erfolgreich übergeben wurden, planen deutlich häufiger auch schon frühzeitig die Nachfolge – der Erhalt des Unternehmens über Generationen hinweg führt scheinbar zu einer Art „Perpetuum Mobile“- oder „too good to let go“-Effekt.
  • Größere Unternehmen sowie solche aus dem produzierenden Gewerbe bzw. mit hohem Anlagevermögen haben ebenfalls deutlich häufiger konkrete Pläne.
  • Halten sich Unternehmerinnen und Unternehmer aus dem operativen Tagesgeschäft heraus, sind sie i.d.R. auch besser auf die Nachfolgefrage vorbereitet: Nur rund 1/3 der vorwiegend strategisch tätigen Unternehmerinnen und Unternehmer sind noch ohne Pläne, gegenüber 57% der vorwiegend operativ tätigen bzw. 45% der sowohl strategisch als auch operativ involvierten.
Die komplette Studie findet sich auf der Website der Hochschule Mainz: www.hs-mainz.de/forschung/projekte/aktuelles/