Rheinhessens Wirtschaft gerät weiter unter Druck

IHK für Rheinhessen stellt Konjunkturumfrage zum Herbst vor: Nachfrageschwäche und Industrieflaute bremsen regionale Wirtschaft
15. Oktober 2025 – Deutschlands Wachstumsschwäche spiegelt sich zunehmend auch in Rheinhessen wider. Der Abwärtstrend der rheinhessischen Wirtschaft setzt sich fort, wie die aktuelle Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen zum Herbst verdeutlicht: Der Konjunkturklimaindex – ein wichtiger Gradmesser für die wirtschaftliche Entwicklung – liegt derzeit bei 92 Punkten und damit weiterhin unter der Wachstumsschwelle von 100 Punkten. Während sich das Dienstleistungsgewerbe positiv entwickelt, geraten Industrie und Handel zunehmend unter Druck. „Die Rückgänge in Industrie und Handel sind alarmierend”, macht IHK-Präsident Dr. Marcus Walden deutlich. „Sie zeigen, dass der angekündigte Bürokratieabbau und die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren endlich in der Wirtschaft ankommen müssen. Unsere Unternehmen leisten Tag für Tag enorm viel – sie investieren, schaffen Arbeitsplätze und halten durch. Sie brauchen auch vor Ort eine spürbare Veränderung der Rahmenbedingungen. Kommunalfinanzen und Verwaltungsalltag müssen grundsätzlich neu aufgestellt werden, um wieder Aufwind in unsere Wirtschaftsregion zu bringen.”
Geschäftslage neutral, Erwartungen pessimistisch
So stehen die rheinhessischen Unternehmen der IHK-Umfrage zufolge an einem Kipppunkt. Die Geschäftslage wird von 21 Prozent positiv, 57 Prozent befriedigend und von 22 Prozent der Betriebe negativ beschrieben. Für die kommenden zwölf Monate bleiben die Geschäftserwartungen pessimistisch: 27 Prozent rechnen mit einer schlechteren Geschäftslage, 60 Prozent mit einer konstanten Entwicklung, während nur 13 Prozent positiv in die Zukunft blicken. Diese Entwicklung spiegelt sich in den Investitionsabsichten und der Personalplanung wider. Zwar gibt ein Fünftel der rheinhessischen Unternehmen an, im nächsten Jahr mehr zu investieren. Demgegenüber steht knapp ein Drittel der Betriebe, die planen, Investitionen zu kürzen. Auch mit Blick auf die Beschäftigung schlägt das Pendel zunehmend negativ aus: 28 Prozent der Betriebe rechnen damit, Stellen abbauen zu müssen, während nur noch 12 Prozent planen, zusätzliche Mitarbeiter einzustellen. „Das sind schlechte Nachrichten. Wenn Investitionen und Personal zurückgefahren werden, kann sich die Wirtschaft auch zukünftig weniger kraftvoll entwickeln“, erläutert IHK-Präsident Walden.
Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen sind weiterhin größtes Risiko
Dabei stehen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen auch weiterhin ganz oben auf der Liste der Geschäftsrisiken: Die meisten Unternehmen, 65 Prozent, sehen hier die größte Herausforderung für ihre Entwicklung. 55 Prozent der Unternehmen nennen den Inlandsabsatz als Geschäftsrisiko, 52 Prozent die Arbeitskosten, 44 Prozent den Fachkräftemangel und 36 Prozent die Energie- und Rohstoffpreise. Die weiter rückläufige Wirtschaftsentwicklung in Rheinhessen ist allerdings nicht allein auf geopolitische Verwerfungen und konjunkturelle Sondereffekte zurückzuführen. „Die Wirtschaft hat keine Zeit für eine Findungsphase der Bundesregierung“, stellt Karina Szwede, Hauptgeschäftsführerin der IHK für Rheinhessen, klar. „Die Geschwindigkeit und Konsequenz des Regierungshandelns muss sich den volkswirtschaftlichen Realitäten anpassen.“
Negativtrend der Industrie auch in Rheinhessen
Besonders in der rheinhessischen Industrie trüben sich Lage und Aussichten: 45 Prozent der Betriebe verzeichnen eine rückläufige Umsatzentwicklung. Gut wird die Geschäftslage nur noch von 14 Prozent bewertet, 35 Prozent beschreiben ihre Lage als negativ. Während nur 10 Prozent von einer positiven Geschäftsentwicklung in den kommenden zwölf Monaten ausgehen, rechnen 30 Prozent mit einem Rückgang. Die Exporterwartungen nähern sich nach Einbrüchen im Frühjahr wieder dem Niveau des Vorjahres. Von einer Steigerung im Auslandsgeschäft gehen 17 Prozent aus, 63 Prozent rechnen mit einer gleichbleibenden Entwicklung und 20 Prozent mit Rückgängen. IHK-Hauptgeschäftsführerin Karina Szwede macht deutlich: „Eine wirtschaftspolitische Trendwende in Bund und Land ist dringender denn je, bevor auch in Rheinhessen aus einer Stagnation eine Rezession wird. Vor allem die Industrie als Rückgrat unserer Wirtschaft muss wieder wettbewerbsfähig agieren können.“
Einbrüche im Einzel- und Großhandel
Auch im Einzel- und Großhandel setzt sich der Negativtrend fort. Die Mehrheit von 55 Prozent der Betriebe verzeichnete Umsatzrückgänge in den letzten zwölf Monaten. Mit Blick auf die kommenden zwölf Monate sieht der Handel ebenfalls mehr Schatten als Licht. Nur 5 Prozent der Händlerinnen und Händler gehen von einer positiven Entwicklung aus. 47 Prozent geben eine negative Prognose ab, während 48 Prozent mit einer konstanten Entwicklung rechnen. Demgegenüber zeigen sich die Befragten mit Blick auf ihre Geschäftslage robust. Als befriedigend wird diese von 69 Prozent beschrieben, in einer guten Lage sehen sich 12 Prozent, während 19 Prozent ihre Geschäftslage als schlecht beurteilen.
Erholung im Gastgewerbe
Dagegen blickt das Gastgewerbe in Rheinhessen auf eine positive Entwicklung. Eine Mehrheit von 54 Prozent der Betriebe konnte die Umsätze in den letzten zwölf Monaten steigern, bei 38 Prozent blieben sie konstant. Die Geschäftslage wird gemischt betrachtet: Als gut wird sie von 29 Prozent bewertet, als befriedigend von 50 Prozent. 21 Prozent beurteilen sie negativ. In die Zukunft blickt die Branche eher verhalten: So gehen 14 Prozent der Betriebe von einer Verschlechterung ihrer Geschäftsentwicklung aus, während alle weiteren befragten Betriebe eine gleichbleibende Entwicklung erwarten.
Dienstleistungsbranche im Aufwärtstrend
Der Dienstleistungssektor baut mit einer Steigerung des Geschäftsklimaindex um fünf Punkte auf 109 seinen Wachstumskurs aus. 29 Prozent der Betriebe sehen sich in einer guten Geschäftslage, für 56 Prozent ist die Geschäftslage befriedigend, während 15 Prozent eine schlechte Lage verzeichnen. Für die kommenden zwölf Monate erwarten 21 Prozent eine positive Geschäftsentwicklung, 61 Prozent erwarten keine Veränderung und 18 Prozent gehen von einer negativen Entwicklung aus.
Im Rahmen der repräsentativen IHK-Konjunkturumfrage zum Herbst 2025 wurden insgesamt 747 Unternehmen aller Größen und Branchen in Rheinhessen befragt.