Tipps für den Umgang mit wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen

1. Was ist eine Abmahnung?

Die Abmahnung dient der außergerichtlichen Verfolgung von Wettbewerbsverstößen oder anderen Rechtsverstößen (zum Beispiel Marken- bzw. Urheberrechtsverletzungen). Sie ist an keine Form gebunden, erfolgt aus Beweisgründen jedoch in der Regel schriftlich. Die Abmahnung enthält typischerweise folgende Angaben:
  • eine kurze Beschreibung des Sachverhalts und dessen rechtliche Einordnung als Wettbewerbsverstoß
  • die Aufforderung, innerhalb einer bestimmten Frist eine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben
  • die Androhung gerichtlicher Schritte, falls die Frist fruchtlos verstreicht. Abmahnungen sind in der Regel mit einer Aufforderung zur Kostenerstattung (bspw. der Anwaltskosten) verbunden, dienen aber dazu, eine noch kostenintensivere gerichtliche Auseinandersetzung nach Möglichkeit zu vermeiden.

2. Was ist nach Erhalt einer Abmahnung zu tun?

Die Richtigkeit der Abmahnung muss unbedingt geprüft werden, bevor eine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben (unterschrieben) wird. Beim Erhalt einer Abmahnung sollte in Anbetracht der oft kurzen Frist unverzüglich damit begonnen werden, konstruktiv die für die Bewertung der Stichhaltigkeit der behaupteten Rechtsverletzung benötigten Informationen einzuholen. Untätigbleiben oder zögerliches Vorgehen können zu Nachteilen für den Abgemahnten führen, insbesondere zum Erlass einer kostenträchtigen einstweiligen Verfügung durch das zuständige Landgericht. Es ist also sehr empfehlenswert schnell kompetenten Rechtsrat einzuholen und Kontakt mit der örtlich zuständigen IHK oder einem im Wettbewerbsrecht erfahrenen Rechtsanwalt aufzunehmen, um sich beraten zu lassen.

3. Überprüfung der Abmahnung

Nach Erhalt der Abmahnung ist zu prüfen, ob diese berechtigt ist. Dabei sind insbesondere folgende Punkte zu beachten:
3.1 Ist der Absender zur Abmahnung berechtigt?
Der Abmahnende muss befugt sein, den Wettbewerbsverstoß zu verfolgen. Folgende Personen oder Stellen sind berechtigt abzumahnen:
  • Mitbewerber, d.h. Unternehmer, die mit dem Abgemahnten als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen. Entscheidend ist, dass dem Abmahnenden durch den Wettbewerbsverstoß ein Schaden entstehen kann.
  • Rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen, wie zum Beispiel die „Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V.“ (Wettbewerbszentrale). 
  • Qualifizierte Einrichtungen zum Schutz von Verbraucherinteressen, soweit es um eine Handlung geht, durch die Belange der Verbraucher berührt werden (Verbraucherverbände).
  • IHKs sowie Handwerkskammern. Verbraucher dürfen Unternehmer dagegen generell nicht abmahnen. Zur Prüfung, ob ein Verband abmahnbefugt ist, kann Kontakt mit der zuständigen IHK aufgenommen werden. Ergibt sich aus der Abmahnung keine eindeutige Abmahnbefugnis, sollte der Abmahnende schriftlich aufgefordert werden, diese nachzuweisen bzw. bei fehlender anwaltlicher Vollmacht diese nachzureichen.
Bei Verstößen gegen das Urheber- oder Markenrecht ist grundsätzlich der Rechtsinhaber zur Abmahnung berechtigt. Die Berechtigung muss in der Abmahnung dargelegt werden, bzw. bei Zweifeln angefordert werden.
3.2 Plausibilitätsprüfung des vorgeworfenen Verhaltens
Prüfen Sie, ob das in der Abmahnung beschriebene Verhalten tatsächlich von Ihnen bzw. Ihrem Unternehmen ausging! Ist der dargestellte Sachverhalt so korrekt? Falls eindeutig nein, sollte dem Abmahnenden ein kurzer schriftlicher Hinweis gegeben werden. Am besten vorab per Fax (Faxprotokoll aufbewahren!).
3.3 Der Verstoß
Da der Abmahnende einen Wettbewerbsverstoß oder sonstigen Rechtsverstoß beanstandet, ist nun zu überprüfen, ob ein solcher auch vorliegt. In der Praxis kommen häufig folgende Fälle vor:
  • Die Anbieterkennzeichnung nach dem Telemediengesetz (TMG) ist auf den Internetseiten nicht vorhanden bzw. es wurden erforderliche Angaben nicht gemacht. Was für rechtliche Anforderungen und Pflichten für Ihren Internetauftritt bestehen, finden Sie hier.
  • Im Internet werden Verträge mit Verbrauchern angebahnt ohne die Erfüllung der Informationspflichten zu beachten (zum Beispiel Belehrung zum Rückgabe- bzw. Widerrufsrecht).
  • Es wurden Werke (bspw. Bilder, Stadtpläne, Texte und Computerprogramme) von anderen ohne deren Zustimmung genutzt oder verbreitet. Dadurch wurden Urheberrechte und/oder Kennzeichenrechte (Markenrecht) verletzt.
  • Es wurde irreführend geworben (§ 5 UWG) oder Dritte wurden ohne deren Zustimmung mit Werbung per E-Mail, Telefax oder Telefon behelligt (§ 7 UWG).
3.4 Frist beachten!
Falls die bemängelte Handlung von dem abgemahnten Unternehmen ausging, bitte die Frist beachten! Vorsichtshalber sollten Sie innerhalb der gesetzten Frist reagieren, zumindest mit einer plausibel begründeten Bitte um Fristverlängerung.
Grundsätzlich gilt: die Frist zur Abgabe der Erklärung muss angemessen sein. In der Regel liegt eine angemessene Frist bei einer Woche. Ist die Frist zu kurz bemessen, ist die Abmahnung allein deshalb aber noch nicht rechtswidrig. Stattdessen läuft die angemessene Frist.
Der Abgemahnte sollte jedoch den Abmahnenden darauf hinweisen, dass die Frist zu kurz ist und er innerhalb der angemessenen Frist antworten werde. Private Gründe wie Urlaub oder Krankheit ändern nichts an der Frist. Auch aus diesem Grund empfiehlt sich bei Abwesenheit ein Nachsendeauftrag.
3.5 Abmahnenden überprüfen!
Hilfreich ist, wenn Sie über das abmahnende Unternehmen Informationen sammeln. Das Internet ist dafür eine wertvolle Informationsquelle. Es gilt herauszufinden, ob der Abmahnende ein nachvollziehbares Interesse daran hat, dass der Abgemahnte das beanstandete Verhalten künftig unterlässt.
3.6 Vorwurf beweisbar?
Klären Sie mit der zuständigen IHK oder einem Anwalt, ob der in der Abmahnung erhobene Vorwurf gerechtfertigt ist und wie hoch das Risiko ist, dass der Abmahnende den beanstandeten Verstoß auch beweisen kann.

4. Reaktionsmöglichkeiten auf eine Abmahnung

  • 1. Möglichkeit: Abgabe einer Unterlassungserklärung und Kostenübernahme
    Diese Vorgehensweise ist empfehlenswert, wenn der gerügte Verstoß eindeutig vorliegt und nicht von einem Massenabmahner erhoben wurde. Nach Abgabe der Unterlassungserklärung müssen alle notwendigen Schritte unternommen werden um das beanstandete Verhalten zu beseitigen. Verstöße führen zu einer Vertragsstrafe. Bei berechtigten Abmahnungen besteht außerdem für den Abmahnenden ein Kostenerstattungsanspruch.
  • 2. Möglichkeit: Abgabe einer Unterlassungserklärung ohne Kostentragung
    In folgenden Fällen ist dies der richtige Weg:
    1. Vorliegen eines (wettbewerbsrechtlichen) Verstoßes, allerdings ist der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch zu hoch.
    2. Der Abgemahnte hat Zweifel, ob ein (Wettbewerbs)Verstoß vorliegt, möchte jedoch das Risiko einer möglicherweise teuren gerichtlichen Auseinandersetzung darüber nicht eingehen. Es bleibt jedoch ein Restrisiko, auf Kostenerstattung verklagt zu werden.
  • 3. Möglichkeit: Zurückweisen der Abmahnung ohne Kostenübernahme
    Diese Variante kommt in Betracht, wenn sich der Abgemahnte sicher ist, dass die Abmahnung unbegründet bzw. der Absender nicht abmahnberechtigt ist, oder sonstige Gründe vorliegen, die Unterlassungserklärung nicht abzugeben. Der Abmahnende sollte in diesem Fall innerhalb der gesetzten Frist darüber informiert werden, dass die Erklärung nicht unterzeichnet wird. Schweigen signalisiert, dass eine außergerichtliche Lösung abgelehnt wird.
Daneben besteht für den Abgemahnten die Möglichkeit, bei Gericht eine Schutzschrift zu hinterlegen, um zu vermeiden, dass der Abmahnende ohne mündliche Verhandlung eine einstweilige Verfügung gegen ihn erwirkt. Eine Schutzschrift ist ein Schreiben, in dem man dem später mit der einstweiligen Verfügung befassten Gericht den Sachverhalt aus seiner Sicht darstellt.

5. Die Unterlassungserklärung

Die Unterlassungserklärung muss hinsichtlich des (zu unterlassenden) Verhaltens hinreichend konkret sein. Wird das Verhalten zu allgemein beschrieben, ist dies missbräuchlich.
Die mit der Abmahnung versandten Unterlassungserklärungen enthalten oft Verpflichtungen, die nicht übernommen werden müssen. Sie sollten daher den vom Abmahnenden übersandten Entwurf nicht ungeprüft unterzeichnen. Es gilt der Grundsatz: Eine unvermeidbare Erklärung ist auf das notwendige Minimum zu beschränken! Entsprechend notwendige Modifikationen sollten mit der zuständigen IHK oder ihrem Anwalt ausgearbeitet werden.
Modifikationen bzw. Streichungen können mit dem Abmahnenden abgesprochen werden, müssen es aber nicht. Weitgehende Änderungen haben allerdings die Konsequenz, dass der Abmahnende die neue Erklärung ausdrücklich annehmen muss, und für den Abgemahnten auch erst dann wirklich Sicherheit besteht, dass keine Einleitung gerichtlicher Schritte mehr erfolgt.
In der Unterlassungserklärung ist regelmäßig ein Vertragsstrafeversprechen für zukünftige Verstöße enthalten. Nach der Rechtsprechung ist nur bei einer strafbewehrten Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr wirksam ausgeschlossen. Es kann aber natürlich versucht werden, mit dem Abmahnenden einen Verzicht auf die Vertragsstrafe auszuhandeln.
Hinsichtlich der geforderten Höhe der Vertragsstrafe ist zu beachten, dass nur bei einer empfindlichen Strafe die notwendige Ernsthaftigkeit einer Unterlassungserklärung auch von den Gerichten akzeptiert wird. Oft wird von dem Abmahnenden jedoch eine zu hohe Vertragsstrafe angesetzt, die dann entsprechend angepasst werden kann.
Um unter anderem solches Vorgehen von Anfang an zu vermeiden, hat der Bundestag am 27. Juni 2013 das Gesetz über unseriöse Geschäftspraktiken verabschiedet, in dem auch neue Regelungen für Abmahnungen enthalten sind.
Die Mehrfachabmahnung
Eine Mehrfachabmahnung liegt vor, wenn der Abgemahnte eine Abmahnung zu demselben Wettbewerbsverstoß erhält, der schon von einem anderen abgemahnt wurde und hinsichtlich dessen er bereits eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat. In diesem Fall ist der Abgemahnte verpflichtet, dem Abmahnenden alle Informationen zu übermitteln, die erforderlich sind um zu beurteilen, ob die Wiederholungsgefahr beseitigt ist. Ein Verstoß gegen diese Pflicht kann zu einer Ersatzpflicht für die vergeblich aufgewendeten Prozesskosten des zweiten Abmahnenden führen.
Abmahnunwesen & Massenabmahner
Unter Abmahnunwesen versteht man das massenhafte Versenden von Abmahnungen an Gewerbetreibende. Dabei geht es den Abmahnenden weniger um die Ahndung von Wettbewerbsverstößen als vielmehr darum, Gebühren oder Vertragsstrafen zu kassieren. Auch dieses Vorgehen soll durch das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken unterbunden werden.
Indizien für solche Serienschreiben sind:
  • Gegenstand der Abmahnung sind geringfügige Wettbewerbsverstöße (oftmals in Internetauftritten oder Kleinanzeigen).
  • Die Anwälte treten in eigenem Namen auf oder im Namen von Mandanten, bei denen der Mitbewerberstatus nicht eindeutig geklärt ist.
  • Der Gebührenforderung der Anwälte liegt ein überhöhter Streitwert zugrunde. Besonderes Augenmerk sollte der Abgemahnte auf die Prüfung verwenden, ob der Abmahnende auch zum Abmahnen befugt ist. Die IHKs sind dafür eine gute Anlaufstelle, da sie Informationen zu den bekannten Serienabmahnern oder unseriösen Abmahnvereinen sammeln.
Weitere Ansprechpartner ist:

6. Kurze Checkliste zu den Prüfungsschritten nach Erhalt einer Abmahnung

  1. Eingangsdatum festhalten! Zustellart feststellen!
  2. Stimmt die Zustellanschrift? Wenn nicht, unter Hinweis auf den falschen Adressaten zurücksenden!
  3. Abmahnung durch einen Anwalt? Ist eine Vollmacht vorhanden?
  4. Welche Frist wird gesetzt?
  5. Abmahnung berechtigt?
  6. Informationen über den Abmahnenden sammeln!
  7. Berufsverband und IHK informieren, ggf. anwaltlichen Rat einholen!
  8. Wie soll reagiert werden?
    a) Antrag auf Fristverlängerung
    b) Anfordern der anwaltlichen Vollmacht bzw. Nachweisen der Abmahnbefugnis
    c) Abgabe Unterlassungserklärung mit oder ohne Kostenübernahme
    d) Zurückweisen der Abmahnung wegen Rechtsmissbräuchlichkeit, mangelnder Abmahnbefugnis oder mangelndem Verstoß
    f) Hinterlegen einer Schutzschrift
Hinweis: Das Merkblatt ist eine Zusammenfassung der rechtlichen Grundlagen, enthält erste Hinweise und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl das Merkblatt mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.