Abgrenzung Industrie und Handwerk

In der Praxis ist es schwierig zu beurteilen, ob eine konkrete Tätigkeit dem Handwerk, einem handwerksähnlichen Gewerbe, der Industrie oder einem anderen nicht handwerklichem Gewerbe zuzuordnen ist. Der Leitfaden bietet zwar eine Orientierungshilfe, kann eine Abstimmung mit der zuständigen Kammer aber nicht ersetzen.
Bei konkreten Fragen zur Abgrenzung wenden Sie sich daher gerne an uns.

Wie komme ich eigentlich zur IHK für Rheinhessen?

Der Weg für Existenzgründer und für Betriebserweiterungen und -veränderungen führt meist zur Gewerbeanmeldung und damit zur zuständigen Gemeinde.
Die Einordnung zu der jeweiligen Kammer und damit zur IHK für Rheinhessen erfolgt durch die Verschlüsselung der bei der Gewerbeanmeldung angegebenen Tätigkeit.

Die Abgrenzung – Wie funktioniert das?

Die Frage der Abgrenzung zum Handwerk stellt sich nicht nur bei Existenzgründern, sondern auch bei Betrieben, die sich im Grenzbereich von Handwerk und Industrie bewegen. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob für die selbständige Ausübung einer Tätigkeit eine handwerkliche Qualifikation erforderlich ist. Die Informationen, die wir in dieser Rubrik für Sie eingestellt haben, sollen Ihnen eine erste Orientierungshilfe zur Abgrenzung geben.
Worin unterscheiden sich das zulassungspflichtige, das zulassungsfreie Handwerk und das handwerksähnliche Gewerbe? Was ist ein Mischbetrieb, ein handwerklicher Nebenbetrieb oder ein Hilfsbetrieb?

Begrifflichkeiten

Zulassungspflichtiges Handwerk
ist ein Handwerk der Anlage A HwO, Handwerksrolleneintragung, Qualifikationsnachweis

HWK-Zugehörigkeit
Zulassungsfreies Handwerk
Handwerk der Anlage B, Abschnitt 1 HwO,
Handwerksverzeichniseintragung nach § 19 HwO, kein Qualifikationsnachweis

HWK-Zugehörigkeit
Handwerksähnliches Gewerbe
Gewerbe der Anlage B, Abschnitt 2 HwO,
Handwerksverzeichniseintragung nach § 19 HwO, kein Qualifikationsnachweis
HWK-Zugehörigkeit

Grundsatz und Grundlagen zur Abgrenzung

Grundsätzlich gehört jedes gewerbliche Unternehmen zur IHK, es sei denn, es ist bei der Handwerkskammer in der Handwerksrolle oder dem Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke oder handwerksähnlichen Gewerbe eingetragen. Maßgeblich für die Abgrenzung ist die konkret ausgeübte Tätigkeit. Werden nichthandwerkliche und handwerkliche Tätigkeiten ausgeübt, ist auch die Zugehörigkeit zu beiden Kammern möglich.

Kriterien für die Entscheidung und Prüfungsreihenfolge

Das Vorliegen einer handwerksmäßigen oder nichthandwerksmäßigen Betriebsform kann nur nach dem Gesamtbild des jeweiligen Betriebs aufgrund des aktuellen Entwicklungsstandes und der jeweiligen Branchenüblichkeit beurteilt werden. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, generelle Festlegungen sind nicht möglich.
Die Frage, ob das Unternehmen gesetzliches Mitglied der IHK oder der HWK – oder auch bei beiden Kammern - wird, entscheidet nicht die Formulierung des Geschäftsgegenstands in der Gewerbemeldung allein, sondern die beiden Organisationen in Zusammenarbeit mit dem Inhaber. Grundlage dafür sind Daten und Informationen, die den Kammern seitens des Betriebs mitgeteilt wurden oder anderweitig vorliegen (z.B. Geschäftsgegenstand und Schwerpunkt des Betriebs oder die Mitarbeiterzahl).
Es ist daher sinnvoll, bei nicht eindeutigen Angaben zur Geschäftstätigkeit eine gemeinsame Abgrenzung vorzunehmen.
1. Welche Tätigkeiten führt das Unternehmen tatsächlich aus?

Im ersten Schritt der Prüfung zur Abgrenzung zwischen Handwerk und Industrie muss die Frage beantwortet werden, ob die betrachteten Tätigkeiten des jeweiligen Unternehmens fachlich zu einem handwerksfähigen Gewerbe gehören. Dazu sollten die Angaben des Unternehmers zu einzelnen Tätigkeitsbereichen mit den Inhalten des jeweils einschlägigen Handwerks abgeglichen werden.

2. Einzelne Abgrenzungsmerkmale – wie werden die Tätigkeiten ausgeführt?

Wann ein Gewerbe handwerksmäßig betrieben wird, ist im Gesetz nicht definiert. Die Rechtsprechung hat Abgrenzungskriterien entwickelt, anhand derer zwischen handwerksmäßigem Betreiben und industrieller Produktion unterschieden werden muss. Jedes Kriterium allein wird im Zweifel nicht als Entscheidungsgrundlage ausreichen, sondern es bedarf der Gesamtschau der Aspekte.
  • Betriebsgröße
  • Betriebsorganisation (Leitung des Betriebs)
  • Arbeitsteilung
  • Technische Betriebsausstattung
  • Fachliche Qualifikation

Ergebnis der vorgenommenen Abgrenzung

Es gibt im Ergebnis drei Möglichkeiten, wie eine vorgenommene Abgrenzung nach den oben genannten Kriterien ausgehen kann:
  1. Industrie, Handel oder Dienstleistungen:
    IHK-zugehörig
  2. Handwerkliche Tätigkeiten:
    HWK-zugehörig
  3. Industrie und Handwerk (sog. Mischbetrieb):
    Betriebe, die sowohl IHK-zugehörige Tätigkeiten (z. B. Industrie, Handel oder Dienstleistungen) als auch handwerkliche Tätigkeiten ausüben, werden als Mischbetriebe bezeichnet. Sie gehören mit ihrem jeweiligen Betriebsteil der IHK und der HWK an

Ausnahmeregelungen

1. Bzgl. Mischbetrieb
Betriebe, in denen sowohl IHK-zugehörige als auch zulassungsfreie handwerkliche bzw. handwerksähnliche Tätigkeiten miteinander wirtschaftlich-technisch verbunden sind, werden nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausschließlich IHK-zugehörig, sofern der nichthandwerkliche Betriebsteil (Hauptbetrieb) den zulassungsfreien bzw. handwerksähnlichen Betriebsteil dominiert. Betriebe werden beiden Kammern zugehörig, wenn die zulassungsfreie handwerkliche bzw. handwerksähnliche Tätigkeit überwiegt. Gleiches gilt, wenn zwischen den Betriebsteilen keinerlei wirtschaftlich-technischer Zusammenhang besteht.

2. Bzgl. handwerklicher Nebenbetrieb
Der handwerkliche Nebenbetrieb ist ein Unterfall des Mischbetriebs. Wenn ein in der Schwerpunkttätigkeit IHK-zugehöriger Betrieb (z. B. des Handels) auch zulassungspflichtige handwerkliche Tätigkeiten in unerheblichem Umfang ausüben will, liegt ein in der Handwerksrolle nicht einzutragender zulassungspflichtiger handwerklicher Nebenbetrieb vor. Der Maßstab der Unerheblichkeit: die durchschnittliche Arbeitszeit eines ohne Hilfskräfte Vollzeit arbeitenden Betriebes des betreffenden Handwerkszweiges darf nicht überschritten werden, und zwar während eines Jahres (ca. 1664 Stunden/Jahr).

3. Bzgl. Hilfsbetrieb
Der Hilfsbetrieb ist ebenfalls mit einem Hauptunternehmen verbunden. Wesentlicher Unterschied zum Nebenbetrieb ist, dass der Hilfsbetrieb seine Leistungen regelmäßig nicht für Dritte, sondern für das Hauptunternehmen erbringt und dass ein Leistungsaustausch mit Dritten nur in Grenzen stattfindet. Ein Hilfsbetrieb muss aber der wirtschaftlichen Zweckbestimmung des Hauptbetriebes dienen.

4. Bzgl. Minderhandwerk
Ein Minderhandwerk ist gegeben, wenn keine wesentliche Tätigkeit vorliegt.
Minderhandwerk unterliegt nicht dem Meisterzwang – es besteht im Ergebnis also kein zulassungspflichtiges Handwerk; für das Minderhandwerk gelten die Bestimmungen der HwO insgesamt, nicht aber für deren Zulassungsregelungen.
Nach der sog. Kernbereichstheorie des BVerwG ist dies der Fall, wenn „es sich um Tätigkeiten handelt, die nicht nur fachlich zu dem betreffenden Handwerk gehören, sondern gerade den Kernbereich dieses Handwerks ausmachen und ihm sein essentielles Gepräge verleihen, während Arbeitsvorgänge, die aus der Sicht des vollhandwerklich arbeitenden Betriebs als untergeordnet erscheinen, also lediglich einen Randbereich des betreffenden Handwerks erfassen, die Annahme eines handwerklichen Betriebs nicht rechtfertigen“.
Einfache Tätigkeiten sind solche Arbeitsvorgänge, die wegen ihrem geringen Schwierigkeitsgrad keiner qualifizierten Kenntnisse und Fähigkeiten bedürfen, um einwandfrei ausgeübt werden zu können. Eine Tätigkeit ist immer dann einfach, wenn sie in kurzer Zeit erlernbar ist, weil ein Berufsanfänger sie in bis zu 3 Monaten einwandfrei beherrschen kann.

Kontaktieren Sie uns gerne, wenn Sie Interesse an der Zusendung des Abgrenzungsleitfadens haben.