IT-Personalbedarf decken – Softwareentwicklung in Indien

Indien hat sich in den vergangenen Jahren ein großes Know-How in den Bereichen Softwareentwicklung und IT-Dienstleistungen aufgebaut und sich zu einem wichtigen Investitionsstandort der IT-Branche entwickelt. 

Indische Fachkräfte für deutsche Unternehmen gewinnen

Das Marktvolumen des IT-Sektors in Indien übersteigt das deutsche um ein Vielfaches und entwickelt sich auch weiterhin sehr schnell. Sowohl bei den Gesamterlösen als auch beim Export dominieren IT-Dienstleistungen, aber auch das Prozessmanagement (BPM) gewinnt an Bedeutung. Wichtigster Absatzmarkt für die Leistungen sind die USA, knapp gefolgt von den EU-Märkten. 
Indische IT-Spezialisten und deren Arbeit genießen in Deutschland und der Welt einen guten Ruf, nicht zuletzt wegen ihrer Ausbildung in renommierten, indischen Universitäten. Prinzipiell haben deutsche Unternehmen mehrere Möglichkeiten, qualifizierte indische IT-Fachkräfte für ihr Unternehmen zu gewinnen:
  1. Einstellung indischer Mitarbeiter im deutschen Mutterhaus 
  2. Dienstleistungseinkauf bei einem indischen IT-Unternehmen (bspw. per Geschäftspartnersuche der AHK Indien)
  3. Zusammenarbeit mit indischen IT-Fachkräften auf Freelancer-Basis
  4. Einstellung eigener Mitarbeiter in der einer eigenen Tochtergesellschaft
Im Folgenden wollen wir Ihnen die letzten beiden Optionen und deren Herausforderungen und auch Vorzüge näher bringen.

Gründung einer IT-Tochtergesellschaft

Sie sollten bei der Einstellung eigener Mitarbeiter beachten, dass diese steuerrechtlich als Gründung einer Betriebsstätte gewertet wird (Ausnahme ist die Zusammenarbeit mit Freelancern, siehe Abschnitt Personalmanagement). Es ist also wichtig sich vorher mit dem Thema Gründung und dessen Konsequenzen auseinanderzusetzen. Eine eigene Niederlassung auf dem indischen Markt hat zudem auch Vorteile: Mit einem Vertriebsbüro oder einem Produktionsstandort können Sie beispielsweise neue und bestehende Kundenbeziehungen ausbauen. Außerdem nutzen Sie die Kostenvorteile des Standorts. Allerdings ist der indische Markt nicht einfach. Die Gründung einer Niederlassung ist mit bürokratischen und vielen alltäglichen Hürden verbunden. Umso wichtiger ist es, die Ihrem tatsächlichen Bedarf entsprechende Niederlassungsform zu wählen.
Deutsche Unternehmen können sich als ausländische Gesellschaft in Form einer Repräsentanz in Indien niederlassen. Repräsentanzen benötigen eine Genehmigung durch die Reserve Bank of India (RBI). Geschäftsaktivitäten sind hier nur in eingeschränktem Umfang erlaubt.
Folgende Formen der Repräsentanzen sind möglich:
Darüber hinaus können deutsche Unternehmen eine indische Gesellschaft gründen. Die gängigste Form der Niederlassung deutscher Unternehmen in Indien ist die Private Limited Company (Pvt. Ltd.), die in etwa der deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung entspricht.
Folgende Formen der indischen Gesellschaften sind möglich:
Bei der Entscheidung, welche Niederlassungsform für Ihr Unternehmen und Ihr Geschäftsmodell am besten geeignet ist, unterstützen wir Sie gerne.

Personalmanagement 

Mitarbeitersuche 

Da in Indien im Gegensatz zu Deutschland nicht das Geschäft selbst sondern dessen handelnde Personen deutlich stärker im Mittelpunkt stehen, läuft bei der Personalsuche im Subkontinent vieles über persönliche Empfehlungen von Freunden und Geschäftspartnern. Aber auch der traditionelle Weg der Anzeigenschaltung und Bewerbungssichtung ist eine effiziente Möglichkeit, qualifiziertes und von der Persönlichkeit her passendes Personal für ein deutsches Unternehmen zu suchen.
Eine regional beschränkte Anzeigenschaltung, bspw. über Online-Plattformen wie Naukri, führt in der Regel dazu, dass mehrere hundert Bewerbungen pro ausgeschriebener Stelle eingehen. Hier kann man dann über die zugegebenermaßen zeitaufwendige Sichtung der online einsehbaren Lebensläufe einige passende Kandidaten zu Vorstellungsgesprächen einladen. Eine telefonische Kontaktaufnahme mit dem Kandidaten vor dem Bewerbungsgespräch vermittelt einen ersten Eindruck über den Bewerber, nicht zuletzt im Hinblick auf seine englischen und möglicherweise auch deutschen Sprachfertigkeiten. Auch die Art und Weise, wie die zunächst telefonisch übermittelte Einladung zum Vorstellungsgespräch aufgenommen wird, kann durchaus erste Hinweise auf die Ernsthaftigkeit des Bewerbers im Hinblick auf die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle geben.
Schlussendlich findet man in einem fachlich geführten, persönlichen Gespräch heraus, wie groß das technische und organisatorische Repertoire des Bewerbers tatsächlich ist und ob er in ein bereits bestehendes Team passt. In der Regel kann man jedoch aus Gesprächen mit rund zwölf Kandidaten einen Bewerberkreis von zwei bis drei Kandidaten bilden, die für die Übernahme der ausgeschriebenen Position durchaus qualifiziert sind. Unterstützung bei der Personalsuche bietet die AHK Indien.

Personalführung

Indische Mitarbeiter empfinden einen engen Führungsstil nicht als merkwürdig, Kontrolle wird nicht negativ verbucht – eher ist es andersherum, fehlende Kontrolle wird als Desinteresse ausgelegt. Achten Sie darauf, klare Arbeitsaufträge zu geben und Aufgaben/Zuständigkeiten zu definieren. Formulieren Sie gerade am Anfang eher kleinere Schritte und Zwischenziele als eine große Gesamtaufgabe. Definieren Sie zudem zeitliche Erwartungen zur Erfüllung Ihrer Vorgaben. Grundsätzlich gehört zu jeder E-Mail ein Anruf: Halten Sie engen Kontakt auch per Telefon oder Videokonferenz, denn auf persönliche Verbindung wird wert gelegt.
Inder sprechen in der Regel offener über private Dinge als Deutsche. Erkundigen Sie sich ruhig, nach der familiären Situation Ihres Mitarbeiters oder nach den aktuellen Bedingungen in Corona-Zeiten in Indien. Das Zeitmanagement ist in Indien ein anderes als bei uns, auch weil die Lebensbedingungen stark von unseren variieren. Pünktlichkeit wird durch Staus im Berufsverkehr oder unsichere Wetterverhältnisse oft erschwert – im Home-Office beispielsweise auch durch schlechte Internetverbindung und nicht vorhandene Technik. Diese Details sollten Sie vor Beschäftigungsbeginn abklären und ggf. darauf eingehen.

Löhne und Gehälter, Steuern und Abgaben

Die Gehaltsstruktur in Indien ist von vielen Faktoren abhängig. Liegt das Büro beispielsweise in Wirtschaftszentren wie Mumbai, Delhi, Chennai, Bangalore, Hyderabad oder Kolkata, so sind hier die höchsten Gehälter zu erwarten, nicht zuletzt deshalb, weil in diesen Metropolen die Raum- und Lebenshaltungskosten teilweise um ein Vielfaches höher liegen als in eher ländlichen Gegenden auf dem Subkontinent. Mit Gehaltssteigerungen um die 20 Prozent bis 25 Prozent in den letzten Jahren hat sich das Gehaltsniveau stark verbessert, es ist in der Tat ein neuer Mittelstand entstanden. Gehaltserhöhungen in diesem Jahr sind wegen den Auswirkungen der Coronakrise  nicht so hoch wie in den Vorjahren zu erwarten, liegen mit rund zehn Prozent aber immer noch an der Spitze der Gehaltssteigerungen in Südostasien.
Grundsätzlich ist der Arbeitgeber ähnlich wie in Deutschland dazu verpflichtet, die Steuern eines steuerpflichtigen indischen Einkommens für seine Mitarbeiter an den indischen Fiskus abzuführen. Ein soziales Netzwerk aus Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung wie in Deutschland besteht hingegen nicht. Zahlreiche indische Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern trotzdem eine Art Krankenversicherung (mediclaim) und eine Art Rentenversicherung (provident fund) an, in den beide Parteien zu jeweils 50 Prozent einzahlen. Wie umfangreich die Leistungen der jeweiligen Versicherungen ist, ist dabei - abgesehen von den normalen Basisleistungen - von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Zusätzlich gibt es für indische Führungskräfte weitere Vorteile wie ein Auto mit Fahrer und/oder Unterkunft mit Angestellten, die vom Arbeitgeber gestellt werden können. In Bewerbungsgesprächen mit indischen Anwärtern auf Führungspositionen in einem Unternehmen können gerade diese zusätzlichen Vorteile oder eine besser ausgestattete Kranken- oder Rentenversicherung den Ausschlag für eine Zusage bilden.

Einstellung von Freelancern

Wie bereits angesprochen, besteht die Möglichkeit, in Indien direkt mit Freelancern zusammenzuarbeiten ohne dafür eine eigene Tochtergesellschaft zu gründen – das ist gerade im IT-Bereich keine seltene Konstruktion. Allerdings kennt das indische Gesetz auch den Tatbestand der Scheinselbständigkeit und diese ist auch in Indien verboten. Deshalb sollten Sie mit Ihrem indischen Geschäftspartner eine Abrechnung auf Stunden- oder Tagebasis vereinbaren und er stellt Ihnen monatlich eine Rechnung, die entsprechend der geleisteten Tage monatsweise variieren sollte.  Auch sollten Sie mit ihm absprechen, welche Ausgaben er Ihnen neben den Lohnkosten in Rechnung stellen kann: Betriebsmittel, Telekommunikationskosten etc. Bitte achten Sie auch darauf, dass er keine E-Mail-Adresse oder Visitenkarte Ihres deutschen Unternehmens verwenden darf, sondern ausschließlich seine eigene.
Steuer und Sozialabgaben führt Ihr indischer Partner selbstständig ab, Mehrwertsteuern ( GST Goods and Services Tax) fallen beim Export von Dienstleistungen für ihn nicht an. Theoretisch ist es einem Freelancer erlaubt, auch noch für andere Unternehmen neben Ihrem zu arbeiten.
Mehr Hinweise zur Einstellung von indischen Mitarbeitern finden Sie in unserem Artikel  ”Personalmanagement”.

Schutz des geistigen Eigentums 

Der Schutz geistigen Eigentums (IP) ist ein wichtiges Thema für das Indien-Geschäft. Weltweit belaufen sich die Schäden durch Plagiate auf geschätzt über 660 Milliarden Euro. Indien hat alle TRIPS-Abkommen (Trade Related Aspects of Intellectual Property Law) unterzeichnet, d.h. es gibt sehr gute Gesetze zum Marken-, Urheberrechts- und Patentschutz. Um diese durchsetzen zu können, ist es jedoch wichtig, alle IP-Rechte vor Ankunft in Indien aktiv zu schützen:
Patentrecht: Basis des indischen Patentrechts ist der Patents Act, 1970. Dieser wurde mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 mit dem Patents (Amendment) Act, 2005 reformiert. Darin wurde unter anderem die Patentfähigkeit von pharmazeutischen und lebensmitteltechnischen Produkten festgeschrieben. Software bleibt ebenso wie in der EU nach wie vor nicht patentfähig, ist jedoch urheberrechtlich geschützt. Ein eingetragenes Patentrecht entfaltet Schutzwirkung für einen Zeitraum von 20 Jahren ab dem Anmeldetag (Art. 53 Patents Act, 1970). Am 17. September 2019 wurde die letzte Überarbeitung der Patent Rules, 2003, die regelmäßig angepasst werden, verabschiedet (Patent (Amendment) Rules, 2019). Zuständig für die Prüfung und Eintragung von Patenten ist das indische Patentamt “Office of the Controller General of Patents, Designs and Trade Marks“ (CGPDTM).
Markenrecht: Das Markenrecht findet seine Rechtsgrundlage im Trade Marks Act, 1999, zuletzt reformiert 2010 (Trade Marks (Amendment) Act, 2010), und den Trade Marks Rules, 2017. Die Schutzdauer für Marken beträgt zunächst zehn Jahre und kann für je weitere zehn Jahre erneuert werden (Art. 25 Trade Marks Act, 1999). Mit Wirkung zum 8. Juli 2013 ist Indien dem Madrider Markenprotokoll beigetreten. Damit entfalten von diesem Zeitpunkt an Markenanmeldungen unter dem Madrider Markensystem auch in Indien Wirkung. Die Trade Marks Rules, 2017 begründen in Art. 124 eine formale Grundlage, Ansprüche aufgrund einer allgemein bekannten Marke geltend zu machen.
Designs: Gewerbliche Muster werden durch den Designs Act, 2000, in Kraft getreten 2001, geschützt. Die Schutzdauer beträgt nach Art. 11 des Gesetzes zehn Jahre ab der Registrierung; es besteht eine Verlängerungsmöglichkeit von weiteren fünf Jahren. Zudem gelten die Designs Rules, 2001, zuletzt überarbeitet 2014 (Designs (Amendment) Rules, 2014). Ein neuer Überarbeitungsentwurf wurde am 18. Oktober 2019 veröffentlicht (Draft Designs (Amendment) Rules, 2019).
Urheberrechte: Urheberrechte unterliegen dem im Jahr 2012 reformierten Copyright Act, 1957. Urheberrechte können im Register of Copyrights beim Copyrights Office eingetragen werden. Die Schutzdauer eines Urheberrechts beträgt 60 Jahre über den Tod des Urhebers hinaus, beginnend mit dem Anfang des Kalenderjahres nach jenem, in dem der Urheber stirbt. An Filmwerken oder Tonaufnahmen besteht das Urheberrecht 60 Jahre ab Beginn des Kalenderjahres nach dem, in welchem sie veröffentlicht wurden. Daneben bestehen die Copyright Rules, 1958 in der Fassung von 2013. (Quelle: GTAI)
Achten Sie auch darauf, dass kein Know-How-Abfluss durch eigene Mitarbeiter stattfindet. Sie sollten Ihre Mitarbeiter diesbezüglich schulen und eine hohe Fluktuation im Unternehmen monetäre und nichtmonetäre Anreize vermeiden. Auch Ihre  IT-Sicherheit sollte gewährleistet sein. Eine Computer- und Internetsicherheitsstruktur sollte unter Einbeziehung der Mitarbeiter implementiert und Leitlinien zum Umgang mit den Geräten eindeutig geregelt werden – auch im Home Office.

Schlüsselregionen für IT

Zu den Schlüsselregionen im IT-Sektor gehören allen voran Bangalore und Chennai. Bangalore wird als das indische “Silicon Valley“ gehandelt und ist seit den Achtzigern Heimat multinationaler Tech-Unternehmen, wie beispielsweise Texas Instruments oder inzwischen auch SAP. Dank renommierter IT-Hochschulen zählen die Entwickler aus Bangalore und Chennai zu den besten der Welt. Gleichzeitig ist der Wettbewerb um das Personal in der Region entsprechend hoch. Hyderabad (auch “Cyberabad“ genannt) hat auch deswegen an Bedeutung gewonnen. Rund 16 Prozent der indischen Software-Exporte kommen inzwischen aus der Region. Apple, Amazon, Facebook und Microsoft haben hier ihre größten Niederlassungen außerhalb der USA. Auch die Region um Pune und Mumbai bietet eine gute IT-Infrastruktur: Pune ist Heimat führender Softwareunternehmen wie Infosys oder IBM; Mumbai ist die Finanzhauptstadt Indiens und gleichzeitig Hauptsitz von Indiens größtem IT-Unternehmen TCS. Gründe für die zunehmende Bedeutung der beiden Städte sind neben dem Aufbau zahlreicher IT-Businessparks die junge Bevölkerung, die von der Zahl an berühmten Bildungseinrichtungen profitiert. Für IT-Unternehmen, die auch Vertrieb in Indien erwägen, ist auch die Anzahl potentieller Kunden interessant, denn Pune ist mit der beliebteste Standort für deutsche Unternehmen in Indien. Für Startups ist auch die unternehmensfreundliche Infrastruktur und das aufstrebende Unternehmertum in Delhi interessant: Rund 23 Prozent der Startups in Indien haben ihren Standort hier gewählt. Die Hauptstadt bietet durch Universitäten wie dem IIT, JNU und DTU ebenfalls qualifizierte Arbeitskräfte.

Wachstumsimpulse der Regierung 

Neben der Verfügbarkeit von qualifiziertem IT-Personal und den geringen Personalkosten will auch die indische Regierung weiter Anreize für Techunternehmen bieten. Im jährlichen Finanzhaushalt wird die Digitalisierung immer mit einem großzügigen Budget versorgt. Indien will auch in den kommenden Jahren die digitale Infrastruktur im ganzen Land verbessern und in Forschung für neue Technologien investieren:
  • FY 2018/19: Verdoppelung der Mittel für “Digital India“ auf 472 Mio. USD
  • FY 2019/20: 100.000 Dörfer sollen “Digital Villages“ werden
  • FY 2020/21: 845 Mio. USD für das größte ländliche Breitbandanschluss-Programm
  • Zukunft: Nationale Mission für Quantentechnologien soll mit 1,13 Mrd. USD unterstützt werden
Für deutsche Software-Unternehmen sind aber vor allem die Verpflichtungen der National Policy on Software Products relevant. In der 2019 verabschiedeten Erklärung verpflichtet sich Indien, die Geschäftsfreundlichkeit für Software-Unternehmen nicht nur rechtlich zu verbessern (im Rahmen des Ease of Doing Business und der Intellectual Property Rights), sondern die Unternehmen auch durch Forschung und Ausbildung von Personal zu unterstützen. Das Ministry of Electronics and Information Technology hat zudem eine Initiative für Software Technology Parks (STPI) gestartet, die teilnehmenden Unternehmen Zoll- und Steuerbefreiungen bietet.