IT-Services aus Indien – hoher Bedarf in allen Branchen

Um den Bedarf an spezialisierten Fachkräften im IT-Bereich zu decken, richten viele Unternehmen ihren Blick auch nach Indien.

Indische IT-Spezialisten gegen Fachkräftemangel

Der Fachkräftemangel im IT-Bereich ist für viele deutsche Unternehmen, von der Software-Branche bis zur klassischen Industrie, ein ernstes Problem. Ende 2023 waren rund 149.000 Stellen für IT-Experten unbesetzt, so die Ergebnisse einer Umfrage des IT-Branchenverbandes BITKOM. Sieben von zehn Unternehmen erwarteten, dass sich der IT-Fachkräftemangel künftig noch verschärfen wird. Die Bitkom-Umfrage unter mehr als 850 Geschäftsführern und Personalverantwortlichen in Unternehmen ab drei Mitarbeitern hat gezeigt, dass es durchschnittlich 7,7 Monate dauert, bis eine IT-Stelle besetzt werden kann. Am gefragtesten sind dabei Software-Entwickler, gefolgt von Programmierern und IT-Anwendungsbetreuern. Gerade kleine und mittlere IT-Unternehmen, aber auch Unternehmen aus der klassischen Industrie haben daher große Probleme, geeignetes Personal zu finden. Viele sehen sich daher gezwungen ins Ausland zu schauen, unter anderem auch nach Indien. Mit einem Anteil von rund 51 Prozent am Weltmarkt ist Indien das weltweit größte Beschaffungsland für die IT-Industrie. 
Und Indiens IT-Wirtschaft brummt. Der Umsatz der IT- und Business Process Management (BPM)-Branche lag 2022 bei 227 Milliarden US-Dollar (US$), wobei der Inlandsumsatz rund 45 Milliarden US$ und der Exportumsatz 150 Milliarden US$ ausmacht. Die IT-BPM-Branche trägt 7,4 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei und soll weiter wachsen. Insgesamt trägt dieser Bereich mit 45 Prozent am meisten zum gesamten Dienstleistungsexport des Landes bei. Rund 5,9 Prozent dieser Ausfuhren hatten Deutschland zum Ziel. Mit fünf Millionen direkten Arbeitsplätzen ist der IT-Sektor der größte private Arbeitgeber in Indien. 
Bengaluru – das Silicon Valley Indiens – ist laut der aktuellen KPMG-Studie “Technology Innovation Hubs” auf Platz acht unter den Städten, die als führende Innovation Hubs gelten. Auf Länderebene befindet sich Indien – wie bereits im vergangenen Jahr – nach den USA und China auf dem dritten Rang als Land mit dem größten Potenzial für die Entwicklung bahnbrechender Technologien. Verschiedene Faktoren beeinflussen den Status einer Stadt als “Tech Hub”, unter anderem renommierte Universitäten, geeignete rechtliche Rahmenbedingungen und staatliche Anreize zur Förderung der IT-Industrie. Indien bietet hierfür sehr gute Voraussetzungen.

Freelancer oder indische Mitarbeiter?

Indische IT-Spezialisten und deren Arbeit genießen in Deutschland und der Welt einen guten Ruf, nicht zuletzt wegen ihrer Ausbildung in renommierten, indischen Universitäten. Prinzipiell haben deutsche Unternehmen mehrere Möglichkeiten, qualifizierte indische IT-Fachkräfte für ihr Unternehmen zu gewinnen:
  1. Zusammenarbeit mit indischen IT-Fachkräften auf Freelancer-Basis
  2. Dienstleistungseinkauf bei einem indischen IT-Unternehmen 
  3. Einstellung eigener Mitarbeiter in der einer eigenen Tochtergesellschaft
  4. Einstellung indischer Mitarbeiter im deutschen Mutterhaus 
Viele IT-Unternehmen entscheiden sich dafür, mit einem indischen IT-Spezialisten auf Basis eines Freelancer-Vertrages zusammenzuarbeiten. Nicht zuletzt Corona hat gezeigt, dass ein erfolgreiches Zusammenarbeiten auch auf großen Distanzen möglich ist. Die Kooperation mit einem indischen Freelancer muss jedoch gründlich vorbereitet sein. Das weiß auch Dr. Timo Karsten, Partner bei Osborne & Clarke in Köln. Der Rechtsanwalt ist spezialisiert auf Verträge mit IT-Freelancern. “Indien kennt auch den Tatbestand der Scheinselbstständigkeit. Deshalb ist es umso wichtiger, die Art der Zusammenarbeit klar zu definieren.”
Bitte beachten Sie auch, dass das Einstellen eines indischen Mitarbeiters zu Begründung einer (ungewollten) Betriebsstätte führen kann. Hinweise zu steuerlichen finden Sie in unserem Artikel “Ungewollte Betriebsstätte in Indien”.
Oft werden deutsche Unternehmen direkt von indischen IT-Spezialisten kontaktiert, die ihre Zusammenarbeit anbieten oder sich auf eine ausgeschriebene Stelle bewerben. Aber wie können deutsche Unternehmen auf die Entfernung prüfen, ob es sich um einen geeigneten und seriösen Bewerber handelt? “Das ist nicht leicht,” weiß Dirk Matter, Geschäftsführer bei der Deutsch-Indischen Handelskammer (AHK Indien) im Büro in Düsseldorf. “Indische Lebensläufe zu lesen und zu interpretieren ist für deutsche Personaler oder Geschäftsführer nur bedingt möglich.” Zum einen ist es in Indien nicht unüblich, den eigenen Lebenslauf an kritischen Stellen etwas aufzuhübschen, zum anderen sind nicht alle Studienabschlüsse in Indien mit denen in Deutschland vergleichbar. Auch schwankt die Qualität der Abschlüsse von Universität zu Universität. Absolventen mit Abschlüssen an den renommierten IITs (Indian Institutes of Technology) sind weltweit begehrte Mitarbeiter. Hier unterstützt die AHK Indien mit ihrem ProRecognition-Programm, indem sie indische Studienabschlüsse mit deutschen vergleichbar macht und eine Einschätzung zur Qualität geben kann. Die Erfahrung der AHK zeigt, dass das Feedback der deutschen Unternehmen zur Qualität der abgelieferten Arbeit von indischen Freelancern in der Regel sehr gut ist.

Gründung einer indischen Tochtergesellschaft 

Einige deutsche IT-Unternehmen sind bereits einen Schritt weiter gegangen und haben eine eigene Tochtergesellschaft in Indien gegründet. Der Gründungsprozess ist relativ überschaubar, mit guter Vorbereitung lässt sich eine Private Limited Company, die gängigste Gesellschaftsform, innerhalb von drei bis sechs Monaten umsetzen. “Der Teufel steckt hier im Detail”, so Dirk Matter. „Büroräume sind gerade in den großen Ballungszentren wie Mumbai oder Bengaluru extrem teuer. Sie müssen hier mit Quadratmeterpreisen von bis zu 50 Euro rechnen. Und Sie brauchen einen Managing Director zu dem Sie volles Vertrauen haben. ‘No Problem, Sir’ wird Sie nicht weiterbringen und als Director der indischen Gesellschaft sind Sie auch schnell in der Haftung. In Indien werden etliche Compliance-Anforderungen an das Board of Directors gestellt.” Aber auch die administrativen Anforderungen dürfen nicht unterschätzt werden. So bedarf es eines externen Company Secretary oder einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die die Einhaltungen aller Compliance-Vorschriften kontrolliert. “Vor diesem Hintergrund macht die Gründung einer eigenen Tochtergesellschaft mit nur zwei bis drei Softwareprogrammierern wenig Sinn”, so Matter. 
Veranstaltungshinweis: 
Sie denken über eine Firmengründung in Indien nach? Informieren Sie sich bei unserer Veranstaltung „Indien: Firmengründung, Vertrieb, Standortwahl“ am 17.4.24 in Mannheim, was es beim Vertriebsausbau und der Gründung einer Tochtergesellschaft in Indien zu beachten gilt. Indien-Experten und Unternehmer berichten von ihren Herausforderungen und ihrer Indien-Strategie.

Indische IT-Dienstleister für Ihr Unternehmen 

Für klar umrissene Projekte ist es sinnvoll, sich eine Dienstleistung bei einem indischen IT-Unternehmen einzukaufen. Die großen indischen IT-Unternehmen wie Infosys, Wirpo, Tata Consultancy Services sind bereits mit eigenen Niederlassungen in Deutschland und Europa ansässig. Sie bieten ihre Dienstleistungen zu den ortsüblichen Preisen an. Für deutsche Mittelständler kann jedoch auch die Zusammenarbeit mit einem kleineren oder mittelgroßen indischen Unternehmen attraktiv sein, um ein Digitalisierungsprojekt umzusetzen oder um für einen großen Auftrag Support aus Indien zu bekommen.
Hier ist es nicht leicht, einen passenden Partner zu finden. Indische Unternehmen neigen nicht selten dazu, sich mehr zuzutrauen als realistisch ist. Wenn Sie Interesse an der Zusammenarbeit mit einem indischen IT-Dienstleister haben, unterstützen wir Sie gerne gemeinsam mit der AHK Indien bei der Suche nach einem geeigneten Partner. Geschäftspartnersuche der AHK Indien

Indische Mitarbeiter im deutschen Mutterhaus

Die Teams gerade bei deutschen IT-Unternehmen werden immer internationaler. Inzwischen sind zahlreiche indische Mitarbeiter direkt im Mutterhaus in Deutschland angestellt. Viele von ihnen sind mit einer Blue Card nach Deutschland gekommen.  Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) waren Ende 2021 rund 70 000 Inhaberinnen und Inhaber einer Blue Card im Ausländerzentralregister erfasst. Mit Abstand die meisten von ihnen kamen aus Indien (28 Prozent bzw. 19900 Personen).
Der Prozess der Mitarbeitersuche ist aufwendig und die anschließende Vorbereitung der erforderlichen Einreisedokumente sehr bürokratisch. Auch hier hilft die AHK Indien. “Wir unterstützen Unternehmen und Bewerber bei der Abwicklung der Formalitäten”, so Isabelle Jenninger, Leiterin des Programms DUALpro & ProRecognition. 

Mitarbeitersuche in Indien

In Indien stehen nicht das Geschäft selbst, sondern dessen handelnde Personen deutlich stärker im Mittelpunkt . Daher läuft bei der Personalsuche im Subkontinent vieles über persönliche Empfehlungen von Freunden und Geschäftspartnern. Aber auch der traditionelle Weg der Anzeigenschaltung und Bewerbungssichtung ist eine effiziente Möglichkeit, qualifiziertes und von der Persönlichkeit her passendes Personal für ein deutsches Unternehmen zu suchen.
Eine regional beschränkte Anzeigenschaltung, bspw. über Online-Plattformen wie Naukri, führt in der Regel dazu, dass mehrere hundert Bewerbungen pro ausgeschriebener Stelle eingehen. Hier kann man dann über die zugegebenermaßen zeitaufwendige Sichtung der online einsehbaren Lebensläufe einige passende Kandidaten zu Vorstellungsgesprächen einladen. Eine telefonische Kontaktaufnahme mit dem Kandidaten vor dem Bewerbungsgespräch vermittelt einen ersten Eindruck über den Bewerber, nicht zuletzt im Hinblick auf seine englischen und möglicherweise auch deutschen Sprachfertigkeiten. Auch die Art und Weise, wie die zunächst telefonisch übermittelte Einladung zum Vorstellungsgespräch aufgenommen wird, kann durchaus erste Hinweise auf die Ernsthaftigkeit des Bewerbers im Hinblick auf die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle geben.
Schlussendlich findet man in einem fachlich geführten, persönlichen Gespräch heraus, wie groß das technische und organisatorische Repertoire des Bewerbers tatsächlich ist und ob er in ein bereits bestehendes Team passt. In der Regel kann man jedoch aus Gesprächen mit rund zwölf Kandidaten einen Bewerberkreis von zwei bis drei Kandidaten bilden, die für die Übernahme der ausgeschriebenen Position durchaus qualifiziert sind. Unterstützung bei der Personalsuche bietet die AHK Indien.

Personalführung in Indien

Indische Mitarbeiter im Team, aber auch die Zusammenarbeit mit indischen Freelancern oder externen Dienstleistern erfordern immer interkulturelle Kenntnisse insbesondere auch der Führungskräfte. Das Erwartungsmanagement muss sehr konkret sein und eher eng überwacht werden. Auch sollte bedacht werden, dass indische Mitarbeiter viel hierarchischer denken und arbeiten, was leicht zu Missverständnissen im Team führen kann. Deshalb macht es Sinn, einen Verantwortlichen im deutschen Team zu haben, der zwischen Freelancern oder auch externem Dienstleister und den deutschen Mitarbeitern vermitteln kann.
Indische Mitarbeiter empfinden einen engen Führungsstil nicht als merkwürdig, Kontrolle wird nicht negativ verbucht – eher ist es andersherum, fehlende Kontrolle wird als Desinteresse ausgelegt. Achten Sie darauf, klare Arbeitsaufträge zu geben und Aufgaben/Zuständigkeiten zu definieren. Formulieren Sie gerade am Anfang eher kleinere Schritte und Zwischenziele als eine große Gesamtaufgabe. Definieren Sie zudem zeitliche Erwartungen zur Erfüllung Ihrer Vorgaben. Grundsätzlich gehört zu jeder E-Mail ein Anruf: Halten Sie engen Kontakt auch per Telefon oder Videokonferenz, denn auf persönliche Verbindung wird wert gelegt.
Inder sprechen in der Regel offener über private Dinge als Deutsche. Erkundigen Sie sich ruhig, nach der familiären Situation Ihres Mitarbeiters oder Geschäftspartners. Das Zeitmanagement ist in Indien ein anderes als bei uns, auch weil die Lebensbedingungen stark von unseren abweichen. Pünktlichkeit wird durch Staus im Berufsverkehr oder unsichere Wetterverhältnisse oft erschwert – im Home-Office beispielsweise auch durch schlechte Internetverbindung und nicht vorhandene Technik. Diese Details sollten Sie vor Beschäftigungsbeginn abklären.

Schutz des geistigen Eigentums 

Der Schutz geistigen Eigentums (IP) ist ein wichtiges Thema für das Indien-Geschäft. Weltweit belaufen sich die Schäden durch Plagiate auf geschätzt über 660 Milliarden Euro. Indien hat alle TRIPS-Abkommen (Trade Related Aspects of Intellectual Property Law) unterzeichnet, d.h. es gibt sehr gute Gesetze zum Marken-, Urheberrechts- und Patentschutz. Um diese durchsetzen zu können, ist es jedoch wichtig, alle IP-Rechte vor Ankunft in Indien aktiv zu schützen:

Patentrecht

Basis des indischen Patentrechts ist der Patents Act, 1970. Dieser wurde mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 mit dem Patents (Amendment) Act, 2005 reformiert. Darin wurde unter anderem die Patentfähigkeit von pharmazeutischen und lebensmitteltechnischen Produkten festgeschrieben. Software bleibt ebenso wie in der EU nach wie vor nicht patentfähig, ist jedoch urheberrechtlich geschützt. Ein eingetragenes Patentrecht entfaltet Schutzwirkung für einen Zeitraum von 20 Jahren ab dem Anmeldetag (Art. 53 Patents Act, 1970). Am 17. September 2019 wurde die letzte Überarbeitung der Patent Rules, 2003, die regelmäßig angepasst werden, verabschiedet (Patent (Amendment) Rules, 2019). Zuständig für die Prüfung und Eintragung von Patenten ist das indische Patentamt “Office of the Controller General of Patents, Designs and Trade Marks“ (CGPDTM).

Markenrecht

Das Markenrecht findet seine Rechtsgrundlage im Trade Marks Act, 1999, zuletzt reformiert 2010 (Trade Marks (Amendment) Act, 2010), und den Trade Marks Rules, 2017. Die Schutzdauer für Marken beträgt zunächst zehn Jahre und kann für je weitere zehn Jahre erneuert werden (Art. 25 Trade Marks Act, 1999). Mit Wirkung zum 8. Juli 2013 ist Indien dem Madrider Markenprotokoll beigetreten. Damit entfalten von diesem Zeitpunkt an Markenanmeldungen unter dem Madrider Markensystem auch in Indien Wirkung. Die Trade Marks Rules, 2017 begründen in Art. 124 eine formale Grundlage, Ansprüche aufgrund einer allgemein bekannten Marke geltend zu machen.

Designs

Gewerbliche Muster werden durch den Designs Act, 2000, in Kraft getreten 2001, geschützt. Die Schutzdauer beträgt nach Art. 11 des Gesetzes zehn Jahre ab der Registrierung; es besteht eine Verlängerungsmöglichkeit von weiteren fünf Jahren. Zudem gelten die Designs Rules, 2001, zuletzt überarbeitet 2014 (Designs (Amendment) Rules, 2014). Ein neuer Überarbeitungsentwurf wurde am 18. Oktober 2019 veröffentlicht (Draft Designs (Amendment) Rules, 2019).

Urheberrechte

Urheberrechte unterliegen dem im Jahr 2012 reformierten Copyright Act, 1957. Urheberrechte können im Register of Copyrights beim Copyrights Office eingetragen werden. Die Schutzdauer eines Urheberrechts beträgt 60 Jahre über den Tod des Urhebers hinaus, beginnend mit dem Anfang des Kalenderjahres nach jenem, in dem der Urheber stirbt. An Filmwerken oder Tonaufnahmen besteht das Urheberrecht 60 Jahre ab Beginn des Kalenderjahres nach dem, in welchem sie veröffentlicht wurden. Daneben bestehen die Copyright Rules, 1958 in der Fassung von 2013. (Quelle: GTAI)
Achten Sie auch darauf, dass kein Know-How-Abfluss durch eigene Mitarbeiter stattfindet. Sie sollten Ihre Mitarbeiter diesbezüglich schulen und eine hohe Fluktuation im Unternehmen monetäre und nichtmonetäre Anreize vermeiden. Auch Ihre IT-Sicherheit sollte gewährleistet sein. Eine Computer- und Internetsicherheitsstruktur sollte unter Einbeziehung der Mitarbeiter implementiert und Leitlinien zum Umgang mit den Geräten eindeutig geregelt werden – auch im Home Office.