Bayern-Čechy - Ausgabe November 2023

Tschechien sucht den Neustart

Tschechiens Regierung wird seit Langem vorgeworfen, zu wenig Ideen für die Zukunft des Landes zu entwickeln. Vor kurzem hat nun Premierminister Petr Fiala in einer programmatischen Rede einen „Neustart“ verkündet und wichtige Eckpunkte einer Wirtschaftsstrategie erläutert, meldet Germany Trade & Invest.
Tschechiens Premierminister Fiala betonte: „Wir sollten uns als modernes Industrieland präsentieren, das Spitzenprodukte herstellt, über eine hervorragende Verkehrsinfrastruktur und gut ausgebildete Menschen verfügt.“ Das Land habe es seit einem Jahrzehnt versäumt, neue Autobahnen und Kraftwerke zu bauen und sich aus der Abhängigkeit von russischen Energielieferungen zu befreien. Es gebe zu viele Subventionen und zu wenig Förderung für Technologietrends.
Fiala will die geografische Lage nutzen, um Tschechien wieder zu einem wichtigen Drehkreuz in Europa zu machen. Dafür seien strategische Investitionen nötig, welche zugleich die Wirtschaft ankurbeln. In der laufenden Legislaturperiode will die Regierung 200 Kilometer neue Autobahnen bauen. Darüber hinaus müsse Tschechien erstmals Hochgeschwindigkeitsstrecken bauen und sich mit dem europäischen Netz verbinden.

Energie und Technologie

Als weiteres wichtiges Investitionsziel nennt Fiala den Energiesektor. Es seien massive Investitionen in den Ausbau der erneuerbaren Energiequellen und der beiden Atomkraftwerke Dukovany und Temelín nötig. Fiala will die Wärmeversorgung von Kohle auf Gas umstellen, die Energienetze stärken und mehr Speichermöglichkeiten errichten. Der Energieverbund mit Deutschland soll höhere Kapazitäten erreichen. Tschechiens Premier will außerdem die Lithiumvorkommen – Schlüsselrohstoff der Elektromobilität – bis 2026 erschließen. Bei Cínovec im Erzgebirge gibt es eine große Lagerstätte, die bis zu fünf Prozent der Weltreserven enthalten soll.
Gleichzeitig versucht Tschechien, Investoren für eine Gigafactory zur Herstellung von Batterien zu gewinnen. Das würde der einheimischen Automobilindustrie helfen, den Technologiewandel zu bewältigen. Bei Mikrochips habe das Land die Chance, ein bedeutender Teil der europäischen Wertschöpfungskette zu werden, erklärte Fiala bei seiner Rede. Als ein möglicher Wachstumstreiber wird die künstliche Intelligenz (KI) gesehen.

Effiziente Verwaltung

Die Basis für eine erfolgreiche Zukunft sieht Fiala in einem effizienteren Staat. Die Verwaltung sei verknöchert und müsse schlanker werden. Im Bildungssektor strebt Fiala mehr Praxisorientierung an. Der Regierungschef will außerdem Wissenschaft und Forschung stärker mit den Bedürfnissen der Realwirtschaft verzahnen.
Die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer (DTIHK) teilt die Diagnose des Premierministers. „Der Verweis auf die strukturellen Probleme des Landes ist aus unserer Sicht absolut korrekt“, sagt Geschäftsführer Bernard Bauer. In wichtigen Punkten spiegele sich darin auch die Problemlage in Deutschland wider. Die DTIHK sieht in den von Fiala genannten Bereichen für strategische Investitionen wie Infrastruktur, erneuerbare Energien und Chip-Industrie großes Potenzial. „Es muss aber klar sein: Nährboden für innovative Produkte mit höherem Mehrwert bleibt die Industrie“, so Bauer.
IHK vor Ort in Pilsen
Bei allen Fragen zu wirtschaftlichen Themen im Nachbarland hilft das gemeinsame Regionalbüro Pilsen der IHK Regenburg für Oberpfalz / Kelheim und der Deutsch-Tschechischen IHK gerne weiter.