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Digitalisierung als Teil der Firmen-DNA
Wo die Reise bei der Digitalisierung hingeht, darüber denkt man auch in Westböhmen intensiv nach. Ein Gespräch mit Jaroslav Follprecht und Roman Žák. Beide sind Gründer der Firma Aimtec in Pilsen, einem international agierenden Dienstleister für Digitalisierungsprojekte in der Industrie und Veranstalter der Fachkonferenz TAL – Trends in Automotive Logistics.
Vor einem Jahrzehnt gab es den Begriff „Industrie 4.0“ noch nicht. Heute ist sie der Standard bei industriellen Prozessen. Warenlager sind vollautomatisiert, Prototypisierung findet virtuell statt, Projektteams arbeiten weltweit „remote“ zusammen. Ist die Industrie 4.0 damit am Ende ihrer Entwicklung?
Jaroslav Follprecht: Der Begriff Industrie 4.0 war vor ein paar Jahren in aller Munde. Heute sprechen wir von der Digitalisierung. Es geht dabei um das Einführen neuer Technologien, genauso, wie es im 18. und 19. Jahrhundert in der Industrie nach und nach zur Einführung von Maschinen und der Elektrifizierung kam. Ich denke, die vierte industrielle Revolution lässt sich kaum mehr aufhalten. Und wenn Industrie 4.0 umgesetzt ist, folgt Industrie 5.0. Meines Erachtens wird dabei massiv Künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz kommen.

Roman Žák: Die Weiterentwicklung der Digitalisierung nimmt kein Ende. In einem stetigen Prozess arbeiten wir mit unseren Kunden aus der Industrie daran, ihre Digitalisierungs- Plattformen weiterzuentwickeln. Dabei ist es wichtig, dass die Firmen verstärkt digitale Kompetenzen aufbauen. Das beginnt beim Top-Management, dessen Aufgabe darin besteht, die Digitalisierung in der DNA der Firma einzupflanzen.
Und wie nimmt man die Mitarbeiter bei der Digitalisierung mit?
Žák: Es kommt eben auf die Firmenkultur an. Wenn das Management selbst die Digitalisierung als strategische Aufgabe verstanden hat, ist das schon die halbe Miete. Wir sagen unseren Kunden, dass Digitalisierungsprojekte „pull“ und nicht „push“ sein sollten. Sie lassen sich nicht von außen aufdrücken, es muss eine starke innere Motivation bestehen. Sobald in einer Firma Hunger nach Digitalisierungslösungen herrscht, können neue Lösungen sowie Know-how ausgerollt werden.
Wie lange dauert es, bis sich Digitalisierungsprojekte bezahlt machen?
Follprecht: Es stellt sich nicht die Frage, ob sich Investitionen in die Automatisierung auszahlen, sondern ob das Unternehmen ohne solche Investitionen überhaupt fortbestehen kann. Dennoch muss sich jede Investition rechnen. Früher lag der Richtwert bei drei bis fünf Jahren. Heute sprechen wir mitunter von einer Amortisierung innerhalb von zwei, einem oder sogar einem halben Jahr. Bei kostenintensiven, komplexen Investitionen dauert die Amortisierung wiederum länger. Wenn aber jemand fragt, ob zehn Jahre Amortisierung lange sind, sollte man sich auch die Frage stellen, ob das Unternehmen in zehn Jahren ohne diese Investition überhaupt noch bestehen wird.
Ihr Sitz ist in Pilsen. Wie bewerten Sie ihren Standort für die internationale Zusammenarbeit?
Follprecht: Wir agieren international und begleiten dabei auch unsere deutschen Partner mit Projekten auf der ganzen Welt. In unserem Geschäft kommt es nicht so sehr auf den Standort an, weil wir auch kritische Dienstleistungen als Remote Service erbringen können und schnell reagieren müssen. Pilsen passt insofern gut, weil es schon immer eine Wiege der Technologie und ein bedeutendes Industriezentrum war. Hier entstand zum Beispiel der erste große Gewerbepark Tschechiens. Selbstverständlich gibt es hier auch eine gute Universität und technische Mittelschulen, aus denen wir neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rekrutieren können.
Was muss getan werden, damit der Wirtschaftsstandort Ostbayern-Westböhmen noch weiter zusammenwächst?
Žák: Ich denke, Bayern ist mit Weltspitze bei den Early Adopters. Viele der Unternehmen dort eignen sich laufend neue Technologien an. Wir in Westböhmen sind gut im praktischen Einsatz bewährter Industrielösungen, ab dem Moment also, wenn neue Technologien zu vernünftigen Kosten für den Mittelstand verfügbar werden. Meines Erachtens wäre es schön, diese Erfahrungen auszutauschen und hier stärker zusammenzuarbeiten.
Industrieunternehmen in Ostbayern und Westböhmen klagen über Personalmangel. Gleichzeitig ist es doch so: Je weiter die Industrie automatisiert wird, umso geringer wird der Personalbedarf. Spielt der Fachkräftemangel künftig keine Rolle mehr?
Follprecht: Den Fachkräftemangel wird es auch in der Produktion immer noch geben, aber weniger akut. Gleichzeitig wächst schon jetzt ein Mangel an IT-Spezialisten.
Žák: Ja, das ist richtig. Mit Sicherheit helfen Automatisierung und Digitalisierung, die Personalabhängigkeit in der Produktion und Logistik zu reduzieren. Die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben gleichzeitig die Chance, von der einfachen Maschinenbedienung zu einer qualifizierten Bedienung von Digitalisierungs- und Automatisierungstechnologien zu wechseln. Daran können die Mitarbeiter beruflich und persönlich wachsen und gleichzeitig ihre Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber stärken.
Worauf fokussieren Sie sich bei der diesjährigen Konferenz Trends in Automotive Logistics (TAL) 2023 und warum?
Žák: Das Leitmotiv lautet „Behind the Scenes at a Digital Factory“. Wir haben dieses Thema gewählt, weil wir eine ganz neue Sicht auf die Logistik in der Automobilbranche werfen möchten. Wir wollen den Konferenzteilnehmern zeigen, was sich hinter dem Vorhang tut und die Teilnehmer zum Nachdenken darüber anregen, wie im eigenen Unternehmen digitalisiert werden kann. Darüber hinaus haben wir das Thema Nachhaltigkeit sowie nachhaltige Technologien ins Programm aufgenommen.
TAL 2023 – Trends in Automotive Logistics
Die Konferenz TAL 2023 thematisiert am 16. Mai in Pilsen neue Technologien in der Digitalen Fabrik und gibt Einblicke in die europäische Automobilindustrie. Die IHK und die AHK Tschechien sind Kooperationspartner. Infos und Anmeldung: www.talconference.com/de
Die Konferenz TAL 2023 thematisiert am 16. Mai in Pilsen neue Technologien in der Digitalen Fabrik und gibt Einblicke in die europäische Automobilindustrie. Die IHK und die AHK Tschechien sind Kooperationspartner. Infos und Anmeldung: www.talconference.com/de
Autor: Peter Burdack
IHK vor Ort in Pilsen
Bei allen Fragen zu wirtschaftlichen Themen im Nachbarland hilft das gemeinsame Regionalbüro Pilsen der IHK Regenburg für Oberpfalz / Kelheim und der Deutsch-Tschechischen IHK gerne weiter.
Bei allen Fragen zu wirtschaftlichen Themen im Nachbarland hilft das gemeinsame Regionalbüro Pilsen der IHK Regenburg für Oberpfalz / Kelheim und der Deutsch-Tschechischen IHK gerne weiter.