Wirtschaftsförderung als Mittel gegen Inflation und Arbeitslosigkeit

Die IHK in der Weimarer Republik

Hunger, Armut, Arbeitslosigkeit und Inflation - das waren neben der politischen Instabilität die prägenden Merkmale der Weimarer Republik. In der Pfalz kam erschwerend noch die Besatzung durch die Franzosen hinzu, die bis 1930 andauernd sollte. Mit der Rückgabe von Elsaß-Lothringen an Frankreich durch den Versailler Vertrag und der Abtretung der Saarpfalz mit St. Ingbert, Homburg und Blieskastel sowie der Zollgrenze am Rhein war die Pfalz ihrer gewachsenen Märkte und Rohstoffquellen beraubt. Damit verkleinerte sich auch die Handelskammer Ludwigshafen, denn die Handelsgremien Homburg und St. Ingbert waren nun kein Kammermitglied mehr.
Die Ludwigshafener Geschäftsstelle der Handelskammer war da längst zum Zentrum der pfälzischen Wirtschaft geworden. Denn während des 1. Weltkriegs hatten sich ihre Aufgaben ausgeweitet. Sie war nun zuständig für die Zwangsbewirtschaftung vieler Rohstoffe und Textilien, für laufende Bedarfserhebungen, für Preisbeschränkungen und Kontrollen, den Einsatz eines Schiedsgerichts bei Betrieben mit Zahlungsschwierigkeiten, die Kriegssteuerpolitik und nicht zuletzt auch die Rationierung von Lebensmitteln.
Konnte die Handelskammer Ludwigshafen, die seit 1927 unter dem Namen Pfälzische Industrie- und Handelskammer firmierte, auch gegen Hunger und Armut an sich  nichts ausrichten, so kümmerte sie sich doch um die Förderung der gewerblichen Wirtschaft. Denn diese hatte, wie der damalige Präsident der Kammer, Franz Ritter von Wagner, im September 1925 erklärte, "für das Wohl und Wehe der Pfälzer Bevölkerung eine überragende Bedeutung". Etwa eine Million Menschen lebten in jenem Jahr im Kammerbezirk, von denen über 60 Prozent laut Berufsstatistik in Gewerbe, Handel und Verkehr tätig waren.

Eine "blutleere" Industrie

Doch um eben diese Sektoren stand es in der Weimarer Republik nicht gut. Prosperierende Unternehmen oder Neuansiedlungen gab es kaum, im Gegenteil: "Unsere Industrie ist vielfach blutleer", zeichnete Wagner ein düsteres Bild von der Lage in der französisch besetzten Pfalz. Bei Handel und Handwerk sah es nicht anders aus. Viele Pfälzer Betriebe mussten in diesen Jahren schließen, da sie die Kunden im Rest der Deutschen Reiches und darüber hinaus nicht beliefern konnten.
Die pfälzische Wirtschaft versuchte zu helfen, indem sie sich immer wieder bemühte, neue Unternehmen für eine Ansiedlung in der Pfalz zu gewinnen. Aktiv ging die Kammer dazu auf Unternehmen zu, bot ihnen passende Grundstücke an und forschte bei einer Ablehnung des Angebots nach den Gründen.  Oder sie setzte sich für einzelne Industriezweige wie etwa die Bürstenindustrie ein und erbat von verschiedenen deutschen Konsulaten Informationen über die Absatzmöglichkeiten von Korbwaren im Ausland.

Die Besatzung ist zu Ende

1930 brachte endlich die langersehnte Befreiung der Pfalz "von dem drückenden Joch der Besatzung", wie es im Jahresbericht der Kammer heißt. Zahlreiche deutsche Kammern übersandten der Ludwigshafener Schwesterkammer dazu ihre Glückwünsche. Und die Kammer selbst schaltete einen Aufruf in der Südwestdeutschen Wirtschafts-Zeitung vom 26. Juni 1930, in dem sie mit den Worten "Treue um Treue!" um Aufträge für die Pfalz bat. Dieser Aufruf ging als Sonderdruck in 160.000 Exemplaren an die Mitgliedsfirmen, um deren Geschäftsbriefen beigelegt zu werden. Damit sollte die "große Erwerbslosigkeit, mit der die Pfalz an der Spitze aller deutschen Gebiete steht, nachhaltig eingedämmt werden".
Aufruf in der Südwestdeutsche Wirtschafts-Zeitung
Ein Appell, der - wie wir wissen - erfolglos blieb. Die katastrophale Abwärtsentwicklung des Arbeitsmarktes ließ sich auch mit öffentlichen Mitteln wie dem Westgrenzfonds nicht stoppen und mündete schließlich in die nationalsozialistische Diktatur.