Unternehmer mit eigenem Kopf

 

Die unruhigen ersten Jahrzehnte der Kammer

 

Gegründet als eine vom Staat befohlene Zwangsvereinigung, waren die ersten Schritte der neuen Handelskammer noch eher tastender Natur. Doch bald emanzipierten sich die Pfälzer Unternehmen und Gewerbetreibenden und verweigerten der königlichen Regierung die Mitarbeit. Neun Jahre lang gab es keine Interessenvertretung der Wirtschaft in der Pfalz. Ein Streifzug durch die unruhigen Anfangsjahre der Kammer.
Nachdem König Ludwig I. am 7. April 1843 "Sich allergnädigst bewogen gefunden" hatte, die Bildung einer Handelskammer für die Pfalz zu genehmigen, war der Startschuss für die Gründung der Interessenvertretung von Industrie, Handel und Gewerbe in der Pfalz gefallen. Am 30. April 1843 nahmen die 15 von König Ludwig I. benannten Mitglieder in Anwesenheit von Regierungspräsident Carl Theodor Fürst von Wrede ihre Arbeit auf. Die vom Staat befohlene Zwangsvereinigung bestand in dieser Vorm nur bis Ende 1849.

1850-1855: Kammern in vielen Orten

Denn schon am 27. Januar 1850 erließ der König eine neue Verfügung, unter anderem als Reaktion auf die politischen Ereignisse der Jahre 1848/49: Aus der Einheitskammern für den Regierungsbezirk wurden viele Kammern. In allen Städten und Bezirken, die "wegen eines erheblichen gewerblichen und Handelsverkehrs das Bedürfnis einer Vertretung der gewerblichen und Handels-Interessen" hatten, sollten nun auf Antrag Gewerbe- und Handelskammern errichtet werden. Diese waren nochmals in drei selbstständige Abteilungen mit Handels-, Fabrik- und Gewerberäten mit je sieben Mitgliedern aufgeteilt.
Speyer, Frankenthal, Neustadt, Landau, Kaiserslautern, Zweibrücken und Ludwigshafen nutzten die Möglichkeit und richteten solche "kleinen" Kammern ein. Diese erörterten nun nicht mehr das "große Ganze", die Wirtschaftsbelange der Pfalz, sondern befassten sich nur mit lokalen Themen und hatten daher wenig Einfluss - auch wenn sie sich direkt an die königliche Regierung wenden durften.

1855-1867: wieder eine einheitliche Kammern für die Pfalz

Schon fünf Jahre später - am 16. April 1855 - machte König Maximilian diese Zentralisierung der Kammern rückgängig und setzt wieder auf das Einkammersystem für jeden Regierungsbezirk. Die Handelskammer sollte - ohne besondere Wahl - aus den Vorsitzenden und Stellvertretern der bestehenden Gewerbe-, Fabrik- und Handelsräte gebildet werden. Großen Einfluss hatte die Kammer allerdings nicht, durfte sie sich doch nur einmal im Jahr, und zwar genau am 15. Januar, für etwa zehn Tage treffen. Diese Zeit reichte gerade aus, den jährlich in München vorzulegenden Bericht über die Lage von Industrie- und Handel abzustimmen. Außerdem sollte die Kammer nur dann gehört werden, wenn es die Verhältnisse zuließen. Die Kammer betrieb Gelegenheitspolitik. Eine unbefriedigende Situation, die daraufhin 1860 beantragten, einen ständigen Ausschuss einzurichten.

1868-1877: keine Kammer für die Gesamtpfalz

Da die Mühlen der Bürokratie auch damals langsam mahlten, stellte die Regierung erst 1864 eine Änderung in Aussicht. Nochmals vier Jahre später, im Dezember 1868 gewährte Prinzregent Luitpold den Kammern nun endlich die Permanenz. Allerdings waren jetzt nur die am Sitz der Kammer, also in Ludwigshafen, wohnenden Mitglieder wahlberechtigt. Die Vorstände der Bezirksgremien sollten zu jeder Sitzung eingeladen werden und verfügten über Stimmrecht. Wählbar waren außerdem nur bayerische Staatsbürger. Diese Paragrafen stießen in der Pfalz auf starken Widerstand. Die Regelung wurde als ungerecht empfunden, da einerseits Ludwigshafen und die dortigen Unternehmer ein Übergewicht erhalten würden, zudem einflussreiche Unternehmer von der Mitwirkung ausgeschlossen würden. In einer eigens einberufenen Versammlung in Neustadt erklärten die Pfälzer Unternehmer diese Bestimmung für schlicht unannehmbar. Das Königliche Staatsministerium fegte diese Bedenken vom Tisch und bekräftigte mit einer Entschließung vom 26. März 1869 nochmals die Verordnung von 1868.
Verschiedene Namen - eine Kammer
1843-1851 Handelskammer für die Pfalz in Kaiserslautern
1852-1855 Gewerbe- und Handelskammern in Speyer, Frankenthal, Neustadt, Landau, Kaiserslautern, Zweibrücken und Ludwigshafen am Rhein
1856-1858 Pfälzische Gewerbe- und Handelskammer
1859-1867 Kreis-, Gewerbe- und Handelskammer der Pfalz
1868-1877 es besteht keine Kammer für die gesamte Pfalz
1877-1908 Pfälzische Handels- und Gewerbekammer
1909-1926 Handelskammer Ludwigshafen am Rhein
1927-1931 Industrie- und Handelskammer Ludwigshafen am Rhein
1932-1942 Industrie- und Handelskammer für die Pfalz in Ludwigshafen am Rhein
1943-1945 Wirtschaftskammer Ludwigshafen am Rhein
seit 1945 Industrie- und Handelskammer für die Pfalz
Der Unmut über diese Entscheidung muss groß gewesen sein. So groß, dass die Kaufleute und Unternehmer mit den Füßen entschieden: Bei den anstehenden Kammerwahlen gaben sie einfach ihre Stimme nicht ab, so dass neben der Handels- und Gewerbekammer selbst von 14 Bezirksgremien nur drei zustande kamen, und zwar in Speyer, Kirchheimbolanden und Homburg. Die Ludwigshafener Kammer nahm zwar ihre Arbeit auf, doch ohne Unterstützung der Bezirksgremien sah sie sich nicht imstande, die Interessen der Pfälzer Wirtschaft zu vertreten. Folglich zog sie Ende 1871 die Reißleine und kümmerte sich bis 1876 nur noch um die Interessen von Ludwigshafen.
Eine weitere Eingabe an die Regierung mit der Forderung nach Gleichberechtigung, 1873 von Kaiserslauterer Unternehmen initiiert, wurde von München wiederum abgelehnt. Auch die Drohung der Unternehmer, eine "freie Pfälzische Vereinigung" zu gründen, verlief im Sande. Das Innenministerium macht mit einer erneuten Verordnung am 26. Oktober 1876 klar, dass es an der Verordnung von 1868 festhalten werde.

1877-1908: Pfälzische Handels- und Gewerbekammer in Ludwigshafen

Nun überwog bei den Vertretern der pfälzischen Wirtschaft anscheinend doch das Interesse an einer wie auch immer gearteten Interessensvertretung. "Noch ein letzter Versuch sollte gemacht werden, ob es denn so ganz unthunlich sei, auf dem Boden der Verordnung zu einem alle Theile befriedigenden Verhältnis zu gelangen", ist im Jahresbericht der Kammer für 1877 zu lesen. So wurden Wahlen zu den Bezirksgremien ausgeschrieben.
Am 6. März 1877 traten die Vorsitzenden der Gremien und die am Sitz der Kammer gewählten Mitglieder erstmals in Ludwigshafen zusammen und konstiuierten sich - wie von der Regierung schon 1868 gewünscht - als Handels- und Gewerbekammer für die gesamte Pfalz. Das Gremium hatte 40 Mitglieder und trat nun, wie in der Verordnung vorgesehen, aller zwei Monate zusammen.
Nun war die Kammer in ruhigerem Fahrwasser angelangt. Erst 1908 gab es nochmals eine wesentliche Änderung in der Organisation, als in Bayern letztem deutschen Staat die dem Handwerk angehörenden Gewerbetreibenden mit den Handwerkskammern vereinigt wurden. Da hatte sich die Kammer längst zu einem eigenverantwortlichen wirtschaftlichen Selbstverwaltungsorgan entwickelt.