Die Saar darf nicht im toten Winkel bleiben!

Der Saar-Pfalz-Kanal - lange geplant, nie verwirklicht

 

Er hätte ein Vorzeigeobjekt werden sollen: Der Saar-Pfalz-Kanal. Knapp 90 Jahre lang gab es mehrfach Versuche, eine direkte Wasserstraßenverbindung zwischen der Saar und dem Rhein zu bauen. Dabei ging es immer auch um wirtschaftliche Chancengleichheit und eine Standortverbesserung des Saargebiets, aber auch um Industrialisierung und wirtschaftlichen Aufschwung für Teile der Pfalz. Anfang der 1970er Jahre war dann klar. Die Wasserstraße wird eine Utopie bleiben.
"Rohstoffstraße der Westmark" und "Friedensgarant" - so vollmundig titulierten die Nationalsozialisten den geplanten Saar-Pfalz-Rhein-Kanal 1936. Die etwa 150 Kilometer lange Wasserstraße sollte die Saar bei Saarbrücken mit dem Rhein bei Ludwigshafen verbinden und ein Vorzeigeobjekt der neuen Machthaber werden. Ein aufwändiges Vorzeigeobjekt, denn für die Überwindung der insgesamt 350 Höhenmeter für die geplante Trasse, die in etwa dem Verlauf der heutigen Autobahn 6 entsprach, hätte man unzählige Schleusen bauen müssen. Die Planer veranschlagten dafür 25.000 Arbeiter und eine Bauzeit von fünf Jahren.
Doch war dieser Vorschlag zur Anbindung des Saargebietes keine Idee des NS-Regimes. Die ersten einer ganzen Reihe umfassender Denkschriften und technischer Untersuchungen für einen Saar-Pfalz-Kanal datieren bereits aus den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts. So forderte die Handelskammer Saarbrücken 1888 den Bau eines zwei Meter tiefen "Kohlenkanals". Pferde oder Esel hätten die bis zu 300 Tonnen schweren Schiffe fortbewegt.

Erste "Kanalversammlung" 1926

 

Mitte der zwanziger Jahre nahmen die Planungen dann erstmals richtig Fahrt auf. Im Oktober 1926 lud die Handelskammer Saarbrücken zu einer ersten "Kanalversammlung". Als Ergebnis vermeldete die Kammer, dass der saarländische Bergbau wie auch die gesamte Wirtschaft an der Saar, allen voran die Hüttenindustrie, zukünftig nur dann lebensfähig seien, wenn eine direkte Wasserstraße die Saarwirtschaft mit ihrem "natürlichen Absatzgebiet in der Pfalz und im übrigen Süddeutschland" verbinde. Dieser Transportweg sei vor allem wichtig, um gegenüber der Ruhrkohle konkurrenzfähig zu bleiben.
Die Handelskammer Ludwigshafen entsandte einen Delegierten zu dem Treffen. Anschließend leitete sie eine Umfrage unter ihren Mitgliedsunternehmen in die Wegen, um die Bedeutung des Kanals für die pfälzische Wirtschaft zu ermitteln. Die Antworten waren ernüchternd: Viele Unternehmen erklärten, ein Transport ihrer Waren auf dem Kanal käme für sie nicht in Frage, da die vielen Schleusen die Fahrtzeit verlängerten und verteuerten. Ein Transport per Bahn sei günstiger und schneller. Auch die IG Farbenindustrie AG als größtes Unternehmen im Kammerbezirk erklärte, kein unmittelbares Interesse an der Wasserstraße zu haben.

Zweiter Weltkrieg verhindert Kanalbau

 

Die Weltwirtschaftskrise 1929 ließ weitere Planungen und geforderte Gutachten zum Erliegen kommen, bis sie von den Nationalsozialisten wieder aufgegriffen wurden. 1936 gründete sich sogar mit dem Saar-Pfalz-Kanal-Verein eine eigene Lobbyorganisation. Am 24. Januar 1936 beauftragte der Reichsverkehrsminister das Reichswasserstraßenamt Saarbrücken mit der Erarbeitung der technischen Grundlagen für den Bau eines Saar-Pfalz-Kanals. Drei Jahre dauerten die Arbeiten, der Vorentwurf wurde im März 1939 vorgelegt. Fast schien der Traum der Saarländer in Erfüllung zu gehen - wenn nicht der Zweite Weltkrieg ausgebrochen wäre.
Kurz nach der Rückgliederung des Saarlandes 1957 griff die Saarbrücker Landesregierung die Kanalbaupläne erneut auf und versuchte, die Bundesregierung zum Bau der Wasserstraße zu bewegen. Es war der erste einer ganzen Reihe von Vorstößen, bei denen es immer um die Reintegration des Saarlandes in die bundesdeutsche Wirtschaft, um bessere Standortfaktoren - insbesondere gegenüber der Montanindustrie des Ruhrgebiets - und natürlich den Anschluss der saarländischen Montanindustrie an des europäische Wasserstraßennetz ging.

Kanal als Garant wirtschaftlicher Chancengleichheit

"Die Benachteiligung der Saar muss aufgehoben werden", brachten die saarländischen Vertreter 1961 in einer Arbeitsgruppe für Standortfragen der Saarwirtschaft auf Bundesebene ihr Anliegen auf den Punkt. Am 29. August 1961 sagte der Bundesminister für Verkehr zu, die "Bauwürdigkeit" des Kanals eingehend zu prüfen. Der Lobbyismus pro Kanal war so stark, dass 1962 sogar ein Buch "weshalb saar-pfalz-kanal" erschien. 1963 gründete sich nochmals ein Kanal-Verein.
Linienführung Saar-Pfalz-Kanal
Die IHK Pfalz unterstützte die saarländischen Forderungen, denn sie erwartete sich von dem Kanal eine nachhaltige Aufwertung der unterentwickelten westpfälzischen Randzonen und die vermehrte Ansiedlung von Industrie. So sprach sich die Vollversammlung der IHK Pfalz im Dezember 1961 für den Kanalbau aus. In einem Memorandum wurde im selben Jahr darauf hingewiesen, dass die Bauausführung durch die Entwicklung der Baumethoden deutlich leichter sei als 1939 angenommen. Als Bauzeit veranschlagte man acht bis zehn Jahre.
Am 11. Februar 1969 beschloss dann die Bundesregierung unter Kurt Georg Kiesinger mit Georg Leber als Verkehrsminister: "Ein Wasserstraßen-Anschluss wird gebaut". Die Landesregierungen des Saarlandes und von Rheinland-Pfalz warfen nun noch einmal all ihre Argumente für den Saar-Pfalz-Kanal in der geplanten Form in die Waagschale: Der Kanal sei die optimale Lösung für die Anbindung des Saarlandes und der Westpfalz an den Rheingraben", der Kanal sei von gesamtwirtschaftlicher Bedeutung für diesen zentraleuropäischen Raum, außerdem ein Bindeglied zum französischen Wasserstraßensystem und unerlässlich für den Erhalt und Ausbau der saarländischen und westpfälzischen Wirtschaft.

Kein volkswirtschaftlicher Nutzen

Allerdings dämpfte ein Gutachten über Kosten und Nutzen des Kanals 1971 die Euphorie der Kanalbefürworter. Heraus kam, dass sowohl der Saar-Pfalz-Kanal als auch die Alternative einer kanalisierten Saar keinen volkswirtschaftlichen Nutzen hätten und nur rote Zahlen schreiben würden. Ungeachtet dieser niederschmetternden Prognose ließen die Kanal-Fans nicht locker und forderten 1972 nochmals vom Bund den Kanalbau.
Am 30. Mai 1973 wurde das Projekt nach über 80 Jahren dann endgültig begraben: Die Entscheidung fiel zugunsten des Ausbaus der Saar von Mosel bis nach Saarbrücken.