Krisenresilienz trifft Investitionszurückhaltung - Industrie mit historisch schlechter Auftragslage

Leichte konjunkturelle Entspannung bei kleinen Unternehmen ist erkennbar, doch die schwache Industrie-Nachfrage macht den Herbst 2025 zu einer Übergangsphase: Vorsichtiges Aufatmen ohne nachhaltigen Aufschwung. Jetzt kommt es auf verlässliche Rahmenbedingungen, gezielte Investitionsanreize und Fachkräftesicherung an, um die Region wieder dauerhaft in Schwung zu bringen.
Dreimal im Jahr werden Unternehmen in Berlin und Brandenburg von den jeweiligen IHKs zu ihrer aktuellen konjunkturellen Lage und ihren Erwartungen befragt. Sie liefern ein detailliertes Bild der wirtschaftlichen Lage der Unternehmen und zukünftigen Entwicklungen in Ostbrandenburg.
Sie wollen sich an der Umfrage beteiligen? Melden Sie sich gerne unter umfragen@ihk-ostbrandenburg.de

Leichte Erholung, aber Industrieaufträge auf 14-Jahres-Tief

Der „Herbst der Reformen“ bringt bislang nur begrenzten Aufwind: Insgesamt zeigt sich Ostbrandenburg im Herbst 2025 als Region zwischen Stabilität und Zurückhaltung. Kleinere und Kleinstunternehmen beweisen eine spürbare Krisenresilienz: Der Saldo der Lage verbessert sich von +9 auf +16 Prozentpunkte, der Konjunkturklimaindex liegt für diesen Bereich bei 93.
Gleichzeitig bleibt die Stimmung in größeren Betrieben verhalten. Gesamtwirtschaftlich klettert der Konjunkturklimaindex leicht um +2 Punkte auf 90 (Niveau Frühsommer 2023; Durchschnitt = 104), doch dieser Anstieg ist fragil: Hohe Kosten, Fachkräftemangel und fehlende Planungssicherheit dämpfen Investitionsbereitschaft und Innovationskraft.
Ein Alarmzeichen gibt die Industrie. Sie verzeichnet eine historisch niedrige Auftragseingänge mit einem 14-Jahres-Tief: 59 % der Industrieunternehmen melden rückläufige Auftragseingänge; nur 4 % berichten von gut gefüllten Auftragsbüchern.
Als Folge zeigt sich eine Tendenz zu verstärktem Sparen, Rationalisierungen und Zurückhaltung bei langfristigen Investitionen. Die Industrie ist Treiber von Wertschöpfung, Beschäftigung und Investitionen; eine anhaltende Schwäche der Auftragslage wirkt deshalb belastend für die ganze Region. Gleichzeitig hemmen politische Unsicherheiten und kurzfristig notwendige Einsparmaßnahmen den Schritt zu innovations- und klimafreundlichen Investitionen.
(Durch das Anklicken der Branchen und Bereiche können Sie einzelne Graphen an- und abwählen.)
Der Konjunkturklimaindex (KKI) fasst die Salden aus Geschäftslage und Geschäftserwartungen zu einem gemeinsamen Indikator zusammen und ermöglicht so einen schnellen Überblick über die wirtschaftliche Stimmung in verschiedenen Branchen.

Kleine stabil, große Unternehmen besorgt

Im Herbst zeigt sich ein deutlicher Rollentausch im Vergleich zum Frühsommer. Kleine und Kleinstunternehmen holen auf, während das Vertrauen in mittelgroßen und großen Betrieben merklich schwindet. Insgesamt beurteilen 29 % aller befragten Unternehmen ihre Lage als gut, 19 % als schlecht; mehr als die Hälfte stuft die eigene Situation als mittelmäßig ein.
Bei den großen Betrieben (≥ 50 Beschäftigte) ist die Zuversicht deutlich gesunken (−10 Prozentpunkte) – nur noch 2 % erwarten innerhalb der nächsten zwölf Monate eine Verbesserung ihrer Geschäftsentwicklung. Demgegenüber verzeichnen kleine Unternehmen (≤ 49 Beschäftigte) eine leichte Erholung: Der Saldo liegt +5 Prozentpunkte höher als zuvor, rund ein Drittel berichtet von einer guten Lage.
Die Branchen zeigen unterschiedliche Dynamiken: Bau mit 33 % positiven Einschätzungen und einem Zuwachs von knapp +20 Prozentpunkten weist die deutlichste Erholung auf. Auch das Gastgewerbe verbessert sich auf 36 % (+10 Prozentpunkte). Dienstleister melden weniger schlechte Geschäfte (−6 Prozentpunkte) und halten ein positives Niveau von 36 %. Der Handel bleibt dagegen Sorgenkind: nur 12 % sehen ihre Lage positiv, 46 % berichten von schlechten Geschäften.
Eine Stabilität bei kleineren Betrieben trifft auf wachsende Skepsis bei größeren Unternehmen. Damit zeichnet der Herbst ein ambivalentes Bild, das auf eine fragile Erholung und anhaltende strukturelle Herausforderungen hinweist.

Nur 6 % hoffen auf Aufschwung – Bau & Handel setzen auf Stabilisierung

Die Erw artungen bleiben verhalten: Nur 6 % der Unternehmen rechnen mit einer Verbesserung, 32 % erwarten eine Verschlechterung. Branchenspezifisch zeigen sich deutliche Unterschiede: Bauunternehmen sind optimistischer. Hier rechnen 70 % mit einem stabilen Verlauf, gestützt durch Hoffnungen auf den „Bauturbo“ und öffentliche Aufträge. Der Handel geht überwiegend von einer Seitwärtsbewegung aus (75 %); der Anteil der pessimistischeren Erwartungen ist stark gesunken (−27 Prozentpunkte), die Talsohle könnte erreicht sein: Das Weihnachtsgeschäft weckt Hoffnungen. Verkehrs- und Infrastrukturbetriebe sind ebenfalls verhalten optimistisch: rund 4 % erwarten Besserung, etwa zwei Drittel Stabilisierung. Bei den Umsatzerwartungen rechnen 28 % der Betriebe mit Rückgängen – deutlich weniger als noch im Frühjahr.

Unklarheit trifft Industrie und Handel: Personal- & Kostenprobleme spürbar

Die wirtschaftspolitische Unklarheit bleibt das dominierende Risiko für Industrie und Handel: Trotz vieler Ankündigungen hat sich an der Planungsunsicherheit nichts Wesentliches geändert, sodass Unternehmen Investitionen zurückstellen und kurzfristig sparen. Hinzu kommen hohe Kosten für Rohstoffe, Energie und Arbeit, die die Profitabilität weiter belasten. Besonders deutlich zeigen sich diese Belastungen in Handel und Industrie, wo langfristige politische Strategien und gesetzgeberische Verlässlichkeit vermisst werden.
Der Arbeitsmarkt verschärft die Lage zusätzlich: Planungsunsicherheit 66,3 %, im Handel 84 %, in der Industrie 74 %; Arbeitskosten 57 % (im Bau 77 %). Energie- und Rohstoffpreise bleiben ein wichtiges Thema (Industrie 65 %). Der Fachkräfteengpass nimmt wieder zu: insgesamt 53 %, im Gastgewerbe +21 Prozentpunkte, im Bau 77 % (+15 Prozentpunkte), in der Industrie 53 % (+11 Prozentpunkte).
Als Ergebnis priorisieren viele Betriebe Ersatz- und Rationalisierungsinvestitionen statt Innovations- und Transformationsprojekte. Wo Personal aufgestockt wird, steigt zugleich der Bedarf an gelernten und ungelernten Kräften, was ein klares Signal an die Politik ist, für gezielte Fachkräftesicherung und verlässlichere politische Rahmenbedingungen zu sorgen.

Polarisierter Arbeitsmarkt: Kleine Firmen stellen ein, Industrie baut ab

Kleine Unternehmen melden wieder Einstellungsabsichten (+3 Prozentpunkte; jetzt 9 %). Dagegen steigt bei größe ren Betrieben der Anteil, der Personal abbaut, deutlich auf 35 % (plus 10 Prozentpunkte). Damit überwiegt dort der Entlassungsdruck das Einstellungsverhalten, das nur moderat zunimmt (+4 Prozentpunkte auf 10 %).
Im Handel ziehen die Aufstockungspläne deutlich an (+10 Prozentpunkte), insbesondere im Großhandel; auch Dienstleister melden leichte Verbesserungen. Industrie und Gastgewerbe setzen verstärkt auf Personalabbau im Zuge von Rationalisierungen. In Bau und Logistik ist der Abbau weitgehend gestoppt; dort zeichnet sich insgesamt ein leicht steigender Personalbedarf ab, begleitet von anhaltender Fluktuation.

Ersatz statt Wachstum: Innovationen werden aufgeschoben

Der Frühjahrs-Investitionsschub ist in der Industrie weitgehend verpufft: nur noch 55 % der Industrieunternehmen investieren, das sind −20 Prozentpunkte gegenüber dem Frühsommer. Auch im Handel geht die Investitionsbereitschaft leicht zurück. Anders das Verkehrs- und Logistikgewerbe: Dort werden die leichte Lageberuhigung und dringende Erneuerungsbedarfe genutzt: 85 % investieren in Ersatzbeschaffungen, und rund ein Viertel tätigt Investitionen mit Umweltbezug (z. B. Elektrifizierung des Fuhrparks, Ladeinfrastruktur). Bei den Dienstleistern steigt der Anteil investierender Unternehmen um +6 Prozentpunkte auf 62 %. Kleine Betriebe zeigen ebenfalls eine Erholung: 14 % planen steigende Investitionsausgaben.
Als Hauptmotive nennen die Unternehmen Ersatzbedarf (64 %), Kapazitätserweiterung (31 %) und Rationalisierung (25 %). Innovations- und Umweltinvestitionen werden aktuell vielfach zurückgestellt. Priorität haben aktuell kurzfristig wirksame und risikominimierende Maßnahmen.

Exportverdopplung, Investitionsstau: Ostbrandenburgs Industrie unter Druck

Schauen wir erneut genauer auf das Verarbeitende Gewerbe: Die Exportentwicklung fiel weniger dramatisch aus als befürchtet. Das geschieht teils wegen starker Binnenmarktorientierung, teils durch Entspannung bei Handelsfragen und Zöllen. Anteil exportierender Betriebe hat sich anteilig von 8 % auf 16 % verdoppelt; zuvor meldete noch eine Mehrheit rückläufige Ausfuhren. Die Hoffnung, dadurch wieder nennende Exportdynamik zu entfachen, bleibt jedoch gedämpft.
Gleichzeitig zeigen sich deutliche Belastungen: Der Anteil investierender Industrieunternehmen ist von 76 % auf 55 % gesunken, und die Auftragseingänge liegen wie oben beschrieben auf einem 14-Jahres-Tief. Besonders die energieintensiven Betriebe spüren diese Zuspitzung.
Insgesamt beweist die ostbrandenburgische Wirtschaft eine bemerkenswerte Resilienz, doch die Ergebnisse für die Industrie signalisieren erheblichen Druck. Das macht schnelle, wirksame Reformen, spürbare Entlastungen und vor allem mehr langfristige Planungs- und Investitionssicherheit dringend erforderlich.
Im Herbst 2025 nahmen von 1629 angeschriebenen Unternehmen in Ostbrandenburg 384 an der Umfrage teil (Rücklaufquote von 32 %). Am häufigsten sind Unternehmen aus den Landkreisen Barnim und Oder-Spree vertreten, gefolgt von Unternehmen aus Märkisch-Oderland und der Uckermark. Entsprechend der wirtschaftlichen Struktur in Ostbrandenburg werden die Ergebnisse nach Branchen und Betriebsgrößenklassen gewichtet. Das heißt Abweichungen in der Umfragebeteiligung werden ausgeglichen.