Bedeutung der Grenzpendler und Handlungsempfehlungen an die Politik
Die in den vorangestellten Karten abgebildete Verteilung der Grenzpendler sowie das vom Land Brandenburg aufgelegte Unterstützungsprogramm verdeutlichen die regionale Bedeutung der Grenzpendler aus Polen. Bezogen auf die Gesamtbeschäftigung weisen sie mittlerweile vor allem in Brandenburg größere Beschäftigungsanteile auf. Damit tragen sie entscheidend dazu bei, die regionale Arbeitskräftenachfrage zu decken (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 2020).
Die Bedeutung der Grenzpendler wird durch den Fachkräftemangel, aktuell große Neuansiedlungen wie die Tesla Gigafactory in Grünheide, die Batteriefabrik von BASF in Schwarzheide, Entwicklungen im Umfeld des BER sowie weitere mit der Strahlkraft dieser Unternehmen zu erwartende Ansiedlungen noch einmal verstärkt. Besonders die Fachkräfte aus dem unmittelbaren Grenzbereich Polens bilden daher eine wichtige Voraussetzung für die hiesige Produktion, die Erbringung von Dienstleistungen und die Absicherung der medizinischen Versorgung, von der sowohl die polnischen als auch die Brandenburger Grenzregionen profitieren.
Schon jetzt sind regionale Unternehmen und Branchen, wie die Industrie sowie das Verkehrs- und Logistikgewerbe, auf die polnischen Arbeitskräfte angewiesen. Auf Grundlage der vorangegangenen Studien sowie der vorliegenden Daten des Unterstützungsprogramms für Grenzpendler des Landes Brandenburg ergeben sich daher verschiedene Herausforderungen und Chancen für das Land und die regionale Wirtschaft. So könnte mit der Steigerung der Attraktivität bestimmter Pendlerverbindungen und Arbeitsbedingungen dem Fachkräftemangel im Land entgegengewirkt werden. Dafür müssen jedoch bestimmte Verkehrsachsen entlastet bzw. ausgebaut werden.
Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen die große Bedeutung der täglich oder wöchentlich pendelnden polnischen Bürger für die Brandenburger Wirtschaft. Darüber hinaus sind sie aber ein Indiz für die funktionierenden grenzüberschreitenden partnerschaftliche Beziehungen beider Länder. Die “Pendler” sind weder aus dem sozialen noch wirtschaftlichen Alltag Brandenburgs wegzudenken. Damit sich diese Verflechtungen reibungslos entwickeln können, ist es an der Politik, gute Rahmenbedingungen zu schaffen.
- Wachsenden Belastungen Rechnung tragen
Brandenburg hat eine ca. 280 Kilometer lange Grenze zum polnischen Nachbarn, die zu großen Teilen durch die Oder markiert ist. Grenzübergänge sind das Nadelöhr, durch das die täglichen Pendlerströme fließen müssen. Aber es sind nicht nur Pendler, die die Grenzübergänge nutzen. Wachsende Touristenzahlen, zunehmende Transit- und Werkverkehre überqueren die deutsch-polnische Grenze und stellen so die infrastrukturellen Voraussetzungen vor gewaltige Probleme.
- Infrastrukturentwicklung vorantreiben
Es sind nicht nur die Grenzübergänge, die für einen reibungslosen Grenzverkehr eine Herausforderung darstellen. Bahnverbindungen, Bundes- und Landesstraßen müssen sich den steigenden Verkehren anpassen.
- Die Studie verdeutlicht die engen wirtschaftlichen Verflechtungen im Norden Brandenburgs. Die Bahn- und Straßenverbindungen in diesem Großraum sind derzeit dem Entwicklungsdruck der Metropolenregion Stettin nicht gewachsen. Deshalb muss der Ausbau der Schienenverbindung Angermünde-Stettin (RB66) mit Hochdruck vorangetrieben werden, aber auch der schon lange geplante Neubau einer neuen Oderbrücke nördlich von Schwedt würde die verkehrlichen Voraussetzungen in dieser Region maßgeblich verbessern und zudem die Stadt Schwedt vom LKW-Verkehr entlasten.
- Für Entlastung bei den grenzüberschreitenden Verkehren kann auch die “Ostbahn/RB26” sorgen. Sie ist die traditionelle Verbindung zwischen Berlin und Küstrin bis in das Landesinnere Polens. Der Ausbau dieser Strecke (Zweigleisigkeit und Elektrifizierung) sowie eine höhere Taktung der Zugverkehre ist wesentlicher Bestandteil eines intelligenten grenzüberschreitenden Verkehrsnetzes. Zugleich schafft der Ausbau der Ostbahn Kapazitäten für den Güterverkehr, die zur Entlastung bzw. neuen Angeboten für den Personenverkehr auf der Strecke Frankfurt (Oder)-Berlin führen. Gleichzeitig sollten umgehend Planungen für eine künftige Verkehrsführung der B1 zwischen Kostrzyn und Müncheberg/Berlin gestartet werden - hier ist auch für die Zeit nach dem Neubau der Straßenbrücke über die Oder für die Leichtigkeit des Verkehrs (Pkw und Lkw) unter Berücksichtigung der Anwohnerinteressen zu sorgen.
- Am deutlichsten wurden die Defizite und die Fragilität des Verkehrsnetzes während der Grenzschließung im Frühjahr 2020 entlang der Bundesautobahn A12 und der Regionalexpresslinie 1 von Berlin nach Frankfurt (Oder). Der Stau von der polnischen Grenze bis an den Berliner Ring drohte das Verkehrsnetz des Metropolenraums zum Erliegen zu bringen. Ein dreispuriger Ausbau der Bundesautobahn und eine Taktverdichtung des RE1 sind erste Maßnahmen, um die zunehmenden Personen- und Güterverkehre in den Griff zu bekommen. Angesichts der hohen Pendlerzahl aus Frankfurts Nachbarstadt Slubice sollte die grenzüberschreitende Buslinie schnellst möglichst wieder ihren Verkehr aufnehmen.
- Brandenburg als Arbeitsort attraktiv gestalten
Auch wenn die Studie nur eine Momentaufnahme aus dem Frühjahr 2020 reflektiert, belegt sie im Zusammenhang mit anderen Daten, dass der Bedarf an polnischen Fachkräften groß ist und stetig wächst. Nicht zuletzt tragen die trotz Corona positiven wirtschaftlichen Entwicklungen und Neuansiedlungen im Land Brandenburg dazu bei, dass in allen Branchen qualifiziertes Personal benötigt wird. Mit Blick auf den Fachkräftebedarf in Brandenburg sollte u. a.
- die betriebliche Weiterbildung auch von Pendlern aus Polen gefördert,
- finanzielle Unterstützungsleistungen für polnische Auszubildende in Brandenburg gewährt und
- Fachkräfteanwerbung in Polen gestartet werden.
- Erneute Grenzschließung vermeiden
Diese Grenzpendlerstudie hat eindrucksvoll die gegenseitige Abhängigkeit beider Wirtschaftssysteme belegt. Deshalb sollten die politisch Verantwortlichen auf beiden Seiten der Grenze eine erneute Grenzschließung vermeiden. Die verausgabten Mittel in Höhe rund 9,3 Millionen Euro sollten künftig für einen langfristigeren Nutzen eingesetzt werden, z. B. dem Ausbau von Infrastruktur und grenzüberschreitenden Verkehrsangeboten im ÖPNV.