Schneller in der Warteschleife

Der Gesetzgeber hat die Einwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten nach Deutschland erleichtert: Noch 2024 war es durchaus langwierig, eine Auszubildende nach Deutschland zu holen, wie das Beispiel von Eva-Maria Lindemann zeigt.
„Beinahe hätten meine Eltern in Münster gegründet, doch wegen der Kriegszerstörungen fiel die Wahl auf Nottuln“, erzählt Eva-Maria Lindemann, Inhaberin des Geschäftes „Dammann – Alles für ein schönes Zuhause“. Eine gute Standortwahl: „Wir sind stetig gewachsen, haben einen zweites Geschäft mit Wäsche, Mode und Friseur in Nottuln gegründet“, berichtet sie. Klassisches Interieur, Mode und Schmuck: Mit dieser Mischung liegt das Unternehmen seit vielen Jahren auf Erfolgskurs. Seit Oktober ist das Hauptgeschäft auf 400 qm vergrößert und um ein Café erweitert.
Nicht an Ideen und Gestaltungskraft also fehlt es Eva-Maria Lindemann sowie ihrer Tochter und designierten Nachfolgerin Anna. Doch der Fachkräftemangel macht den Unternehmerinnen zu schaffen. „Auch Fachkräfte sind Zukunftsfähigkeit, aber immer weniger Auszubildende möchten in den Verkauf, insbesondere im ländlichen Raum“, bedauert Lindemann, die nur einen Weg sieht, dieses Dilemma aufzulösen: die Einwanderung von Auszubildenden und Fachkräften aus dem Ausland.

Frau Benhamza und Frau Lindemann stehen in dem Geschäft für Inneneinrichtung
Salima Benhamza aus Marokko und Unternehmerin Eva-Maria Lindemann waren sich auf Anhieb sympathisch. Doch bis Benhamza ihre Ausbildung in Nottuln beginnen konnte, musste einige Formulare ausgefüllt werden. © MORSEY & STEPHAN GMBH/IHK Nord Westfalen

Halbes Jahr Bearbeitungszeit

Deshalb hat sie im Juni 2024 mit Salima Benhamza Kontakt aufgenommen. Eine befreundete Unternehmerin hatte den Tipp gegeben, dass die Marokkanerin dem Beispiel ihres Cousins folgen und aus Marrakesch ins Münsterland ziehen möchte, um eine Ausbildung zu absolvieren. Zunächst ging alles schnell. Benhamza hinterlässt im Zuge der ersten Videokonferenz einen bleibenden Eindruck: „Sie war mir spontan sympathisch“, sagt Lindemann. In der digitalen Bewerbungsmappe von Benhamza stecken weitere Argumente: Sie hat in Marokko ein Hochschulstudium im Management abgeschlossen und verfügt über drei Jahre Arbeitserfahrung.
Marokko ist ein Drittstaat, also ein Staat außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums. Für Fachkräfte aus diesen Staaten ist in NRW die Zentralstelle für Fachkräfteeinwanderung NRW zuständig. Lindemann will die junge Marokkanerin rechtzeitig zum Ausbildungsstart im August in den Betrieb holen und beantragt bei dieser Stelle das beschleunigte Fachkräfteverfahren gemäß § 81a AufenthG. Diese Option bieten die zuständigen Ausländerbehörden Arbeitgebern an, die eine noch zügigere Bearbeitung von Aufenthaltstitel für ausländische Fachkräfte wünschen. „Es hieß, dass somit der Bearbeitungsprozess in der Botschaft in Rabat beschleunigt würde, aber so haben wir das nicht empfunden“, berichtet Lindemann.
Anfang April hat sie die „Vorabzustimmung für ausländische Fachkräfte“ bei der Bundesagentur für Arbeit beantragt, damit Benhamza im August mit Aufenthaltstitel im Gepäck im Münsterland durchstarten kann. „Es hat dann aber bis Anfang Dezember mit der Bearbeitung der Unterlagen gedauert“, sagt Lindemann. Hätte sich ihre Firma die Gebühr für den vermeintlichen Behördenturbo sparen können? „Wir wissen ja nicht, wie lange es dann gedauert hätte“, antwortet die Unternehmerin. Das Geschäft Dammann jedenfalls habe schnell geliefert, was gefordert war – angefangen mit den Vollmacht-Formularen für die künftige Auszubildende. Allein die Recherche der entsprechenden Informationen habe sie mehrere Stunden Arbeitszeit gekostet, erzählt Lindemann.
Etliche weitere Anträge hat sie ausgefüllt, zudem immer wieder per E-Mail oder Telefongespräch mit den relevanten offiziellen Stellen Kontakt aufnehmen müssen – neben der Zentralstelle Fachkräfteeinwanderung NRW waren das die Bundesagentur für Arbeit, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Ausländerbehörde des Kreises Coesfeld, die Gemeinde Nottuln, die Berufsschule und die IHK. Einige Anträge hätten einen Umfang von 15 Seiten, und immer wieder seien längere Erklärungen gefordert, berichtet Lindemann. Mehrere Wochen an Arbeitszeit habe sie in das Projekt investiert, bevor sie die Mitarbeiterin in Nottuln begrüßen konnte. Allein das Zusatzblatt A zum Formular „Erklärung zum Beschäftigungsverhältnis“ hat Lindemann einigen Langmut abverlangt.

Formularflut statt „Once-Only-Prinzip“

Nach dem Motto „Nach dem Antrag ist vor dem Antrag“ ging es weiter: Das Unternehmen musste erneut bei den Behörden anklopfen. „Die Aufenthaltsgenehmigung gilt ja nur für ein Jahr, also haben wir mit Salima nach ihrer Ankunft direkt die Verlängerung beantragt“, erzählt Lindemann. Der Antrag auf Beihilfe zur Berufsausbildung, der bei der Agentur für Arbeit zu stellen ist, sei ein Kapitel für sich, fügt sie hinzu. Allein die Lektüre der Formulare habe eine Stunde gedauert. Entsprechend lang sei die Liste an geforderten Informationen und Dokumenten. „Es ist verständlich, dass alles geprüft wird, aber warum muss das immer so kompliziert sein und warum erhalten Auszubildende keine angemessene Aufenthaltsgenehmigung und warum läuft nicht alles auf digitalem Weg?“, so lauten Lindemanns Fragen an Gesetzgeber und Behörden.
Insbesondere für kleinere Unternehmen, aber offensichtlich auch für die Behörden selbst seien die Auflagen eine große Herausforderung. Lindemann würde es begrüßen, wenn im gesamten Verfahren das „Once-Only-Prinzip“ zur Anwendung käme. Alle Informationen könnten dann einmal in eine zentrale Plattform abgelegt werden, und alle relevanten Behörden hätten Zugriff. Zudem würde sie lieber Antworten ankreuzen, statt seitenweise Fließtext zu formulieren. Den hohen Zeiteinsatz für die Einstellung von Salima Benhamza hat sie indes noch keine Minute bereut. „Salima hat viel Energie, ist immer hochmotiviert, und es ist uns eine Freude, mit ihr zu arbeiten. Auch unsere Kunden schätzen sie sehr“, sagt Lindemann.
Und welche Bilanz zieht die Auszubildende nach dem ersten Jahr? „Die Arbeit gefällt mir sehr, die Chefin und die Kolleginnen sind sehr sympathisch“, erwidert Benhamza. Dass es in Nottuln etwas ruhiger zugeht als in Marrakesch, spricht aus ihrer Sicht für den Ort im Münsterland. „Ich bin gern hier und mag die Kultur in Deutschland“, sagt sie. Kann sie sich vorstellen, nach der Ausbildung bei Dammann zu bleiben? „Ja“, sagt Benhamza. Eine kurze Antwort nach einem langen Verfahren.