Nachhaltigkeit

Zukunftspapier "Nachhaltige Wirtschaft Nord-Westfalen"

Die Unternehmen im Münsterland und in der Emscher-Lippe-Region sollen zukünftig vollständig nachhaltig wirtschaften, also ökologisch, ökonomisch und sozial. Dieses langfristige Ziel hat die Vollversammlung der IHK Nord Westfalen am 2. März mit dem Beschluss zum Zukunftspapier „Nachhaltige Wirtschaft Nord-Westfalen“ vorgegeben. 

Unsere Ziele für die nachhaltige Entwicklung der Wirtschaftsregion Nord-Westfalen:

Ziele von besonderer Wirtschaftsrelevanz

Präambel

Die folgenden Eckpunkte bedürfen einer langfristigen Umsetzungsstrategie. Sie schließen während des Transformationsprozesses gegenläufige Maßnahmen etwa zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit nicht aus, um den drei gleichrangigen Säulen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Ökonomie und Soziales – gerecht zu werden. Für die Umsetzung ist die Veränderung vielfältiger Rahmenbedingungen im Einklang mit den SDGs der Vereinten Nationen notwendig.

1. Nachhaltiges Wachstum

Für die nord-westfälischen Unternehmen streben wir eine Vorreiterrolle an, mit der diese bevorzugte Geschäftspartner einer nachhaltigkeitsorientierten Weltwirtschaft werden. Ziel ist eine vorrangig auf qualitatives statt auf quantitatives Wachstum ausgelegte Wertschöpfung der Unternehmen der Region.1)  Ihre Stärke im Wettbewerb ergibt sich dabei aus einer innovationsgetriebenen Ausrichtung auf bessere Produkt- und Verfahrenslösungen.

2. Klimaneutrale Wirtschaft

Es ist unser Ziel, dass die Unternehmen der Region klimaneutral wirtschaften und sich klar zu den SDGs und dem Pariser Klimaabkommen bekennen. Ihr Energiebedarf soll wettbewerbsfähig und versorgungssicher aus regionalen, nationalen und internationalen Quellen kohlenstofffreier, möglichst erneuerbarer Energie gedeckt werden.2)

3. Zirkuläre Wertschöpfung

Wir streben an, dass die Unternehmen der Region im Einklang mit den Erfordernissen der Biodiversität, dem Schutz natürlicher Ressourcen und einer lebenswerten Region wirtschaften. Die Wirtschaft der Zukunft in der Region Nord-Westfalen steht ein für die möglichst konsequente Ausrichtung auf eine zirkuläre Wertschöpfung.3) Durch eine stringente Kreislaufführung von Produkten, Komponenten und Materialien verfolgen wir das Ziel, das wirtschaftliche Wachstum fortwährend vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Verfahren und Geschäftsmodelle werden ganzheitlich darauf ausgerichtet. Die Abhängigkeit der Unternehmen von importierten Primärrohstoffen wird dadurch verringert. Der Einsatz nachwachsender Rohstoffe soll aus nachhaltigem Anbau erfolgen. Prozesse werden möglichst emissions- und schadstofffrei ausgelegt.4)

4. Fairer Wettbewerb durch True-Cost-Ansatz

Faire Wettbewerbsbedingungen für nachhaltige Produkte sollten durch einen international standardisierten True-Cost-Ansatz* sichergestellt werden. Dementsprechend sollte die Nachhaltigkeit von Wirtschaftsaktivitäten auch angemessen in den Finanzierungs- und Förderbedingungen für Unternehmen berücksichtigt werden.5)

* Internalisierung der lebenszyklusbasierten Umweltkosten

5. Nachhaltige Wirtschaft und Gesellschaft

Die nachhaltige Wirtschaft funktioniert, wenn sie von der Gesellschaft, den Belegschaften und Endverbrauchern verstanden, akzeptiert und getragen wird. Entsprechend den SDGs ist sie chancengleich und sozial ausgleichend. Die für eine nachhaltige Wirtschaft erforderlichen Fachkräfte müssen in ausreichender Zahl vorhanden sein.

Hinweise aus dem Beteiligungsprozess

Nachhaltiges Wachstum: 1) Während der Großteil der Unternehmen dieser Zielsetzung zustimmt, sieht eine kleine Minderheit die Abkehr vom quantitativen Wachstum sehr kritisch, insbesondere im globalen Kontext. Vereinzelt wird vertreten, dass die Verwendung nachhaltiger Rohstoff­e bei Umsetzung einer konsequenten Kreislaufwirtschaft quantitatives Wachstum ohne Nachteile für die Umwelt möglich macht.
Klimaneutrale Wirtschaft: 2) Während der größte Teil der Wirtschaft die Zielsetzung zur Klimaneutralität und der SDGs unterstützt, wendet sich eine kleine Minderheit dagegen. Insbesondere werden negative Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit befürchtet.
Zirkuläre Wertschöpfung: 3) Das Ziel der zirkuläre Wertschöpfung tri­tt auf sehr große Zustimmung in der Wirtschaft. Teilweise wird jedoch auf Herausforderungen bei der Umsetzung hingewiesen.
Zirkuläre Wertschöpfung: 4) Die Zielsetzungen zur zirkulären Wertschöpfung, zur Biodiversität, zu Rohstoff­en und Emissionen erfahren in der Wirtschaft insgesamt sehr große Zustimmung. Zum Teil wird auf noch fehlende technische Lösungen, Gefahren für die Wettbewerbsfähigkeit sowie auf Sorgen vor hohen bürokratischen Anforderungen hingewiesen.
Fairer Wettbewerb durch True-Cost-Ansatz: 5) Während eine Mehrheit der Unternehmerinnen und Unternehmer den Gedanken eines True-Cost-Ansatzes eher unterstützen, lehnt eine Minderheit diesen eher ab. Insbesondere wird die Machbarkeit einer weltweit wirksamen Umsetzung angezweifelt, ohne die es zu erheblichen Nachteilen für die heimische Wirtschaft kommen würde. Zudem werden bürokratische Hemmnisse befürchtet. Beide Sorgen werden teilweise auch durch Befürworter des Ansatzes geteilt. Eine kleinere Minderheit sieht zudem die Verknüpfung von Finanzierungsbedingungen mit Nachhaltigkeitskriterien kritisch, wobei insbesondere die Sorge vor bürokratischen Belastungen kleinerer Betriebe und eine mögliche Hemmung der Innovationskraft geäußert wird.

Beschlussgrundlage

Die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen beschließt am 2. März 2023 dieses Zukunftspapier „Nachhaltige Wirtschaft Nord-Westfalen“ unter Berücksichtigung der gesetzlichen Aufgabe der Industrie- und Handelskammern, das Gesamtinteresse ihrer Mitgliedsbetriebe wahrzunehmen,
  • einschließlich der die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung umfassenden Gesamtverantwortung der gewerblichen Wirtschaft und
  • der Wahrung der sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung ihrer Mitgliedsbetriebe,
  • unter abwägender und ausgleichender Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen der Betriebe
und in Anbetracht
  • der durch den Klimawandel und fehlenden Nachhaltigkeit zu erwartenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen,
  • der unter anderem in den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals oder kurz „SDGs“) konkretisierten Verantwortungsfelder sowie der bereits erfolgten und noch anstehenden weiteren Konkretisierungen durch Politik, Normung und Rechtsetzung der Europäischen Union sowie der Bundesrepublik Deutschland,
  • der großen transformatorischen Herausforderungen für die regionale Wirtschaft
nach einem breiten und intensiven Beteiligungsprozess unter den Mitgliedern der IHK Nord Westfalen.