23. Mai 2025

Wie die Übergabe im Unternehmen gelingt

9. Nachfolgeforum der IHK in Dorsten ausgebucht

Münsterland / Emscher-Lippe-Region / Dorsten. – In 41.000 Unternehmen in Nord-Westfalen steht in den kommenden zehn Jahren eine Übergabe an. „Davon sind rund 220.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte betroffen“, verdeutlichte gestern (22. Mai) Melanie Baum die gesellschaftliche Dimension des anstehenden Umbruchs. Die hohen Zahlen, die die IHK-Vizepräsidentin nannte, lieferten eine Erklärung für das große Interesse am 9. IHK-Forum Unternehmensnachfolge im CreativQuartier Fürst Leopold in Dorsten. 200 Unternehmerinnen und Unternehmer, aber auch mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger aus der Region informierten sich darüber, wie ein familiengeführter Betrieb in jüngere Hände übergeben werden kann. Was dabei zu beachten ist, darüber berichteten Vertreterinnen und Vertreter aus der Wissenschaft und aus Unternehmen, die die Staffelübergabe erfolgreich geschafft haben.
„Bereiten Sie sich rechtzeitig und professionell auf den Generationswechsel vor“, empfahl Sven Wolf, IHK-Geschäftsbereichsleiter Unternehmensförderung und Weiterbildung, eindringlich. „Der Prozess einer Unternehmensnachfolge sei sehr komplex und selten geradlinig. Wer früh beginnt, verschafft sich die Zeit, um die Optionen sorgfältig abzuwägen“, so Wolf weiter. Den hohen Zeitaufwand sprach auch die IHK-Vizepräsidentin an. Sie unterstrich, dass es den „Familienautomatismus“ längst nicht mehr gebe: „Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass die nächste Generation übernimmt“, so Baum. Laut IHK-Nachfolgereport strebt nur knapp die Hälfte der Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten eine familieninterne Nachfolgelösung an. In der IHK-Studie von 2016 waren es noch 71 Prozent.
Wie die Nachfolgeregelung in der Familie gelingt? „Kommunikation und Familienzusammenhalt ist alles“, betonte Prof. Anne Heider vom Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFU). Erwartungshaltungen müssten früh geklärt werden. Heider riet, schon Kinder früh fürs Thema Nachfolge zu sensibilisieren. „Nehmen Sie sie mit ins Unternehmen oder aufs Betriebsfest.“. Entscheidend seien Motivation und Wille, „Bilanzen lesen kann jeder lernen“, erklärte sie. Besonders richtete sie ihren Blick auf die Töchter: „Auch wenn der älteste Sohn längst nicht mehr immer als Nachfolger gesetzt ist, liegt hier ungenutztes Potenzial für erfolgreiche Nachfolgeregelungen“.
Solche Vorbehalte in Sachen Akzeptanz hatte Helmut Schulte nicht. Der Chef von Werner & Co. Gewürze holte 2018 Johanna, seine jüngste Tochter, ins Gelsenkirchener Unternehmen. Sie hatte dort schon als Jugendliche mitgearbeitet. „Dies half mir dabei, dass mich auch die älteren Mitarbeiter direkt respektiert haben.“ Als die Übergabe anstand, vereinbarte sie mit ihrem Vater ein Probejahr. „Dadurch hatte ich die Chance auszusteigen, falls es mir nicht gefallen hätte“. Es gefiel ihr, weshalb das Unternehmen in der Familie geblieben ist - was auch ihre beiden Geschwister freut.
Das bestätigte Friedbert Menke. Ob es um den Steuerberater, den Anwalt oder die Bank geht, „es muss nicht nur fachlich, sondern auch menschlich passen“. Er war vor fast 20 Jahren als erster Teilnehmer des IHK-Nachfolge-Clubs zur Industrienäherei Schuckenberg in Sassenberg gestoßen, die er dann auch übernahm. Nun steckt er das zweite Mal in einem Nachfolgeprozess, diesmal als Übergebender: Seinen Sohn Robert Menke hat er schrittweise auf seine Rolle als Unternehmer vorbereitet. Mit Erfolg: Eine wirtschaftlich schwierige Situation wurde schon gemeistert, mit dem Segment Gartenmöbel ein neues Geschäftsfeld entwickelt.
Ein Beispiel für eine Übernahme außerhalb der Familie lieferte André Hesseling, Geschäftsführer von Bußkamp & Becker in Südlohn-Oeding. Vorteil dieser Lösung aus seiner Sicht: „Externe gehen mit frischem Blick ins Unternehmen.“ Eine vermeintlich ungünstige Konstellation sieht er als Vorteil: Die frühere Inhaberin ist noch im Unternehmen tätig. Ihre Erfahrung schätzt Hesseling: „Sie arbeitet zu, aber ich entscheide – das funktioniert.“ In der abschließenden Podiumsdiskussion blickte Melanie Baum zurück auf ihre Anfänge als Unternehmerin: 2009 übernahm sie den Familienbetrieb Baum Zerspanungstechnik in Marl, sie erlebte es als „Sprung ins kalte Wasser“. Ihr Rat: „Nutzen sie die Angebote der IHK. Sie bekommen die Informationen und das Netzwerk.“

IHK-Serviceangebot Unternehmensnachfolge

Die IHK Nord Westfalen unterstützt Nachfolgeprozesse in Unternehmen mit Informationsveranstaltungen, fachkundiger Einzelberatung und vertraulicher Vermittlung von potenziellen Nachfolgerinnen und Nachfolgern durch den IHK-Nachfolgepool. Die Nachfolgegeneration kann zudem die vielfältigen Angebote der IHK-Weiterbildung zur Vorbereitung nutzen. Ziel der IHK ist es, den Unternehmensbestand der Region und damit die Arbeitsplätze so weit wie möglich zu erhalten.