12. März 2021

Innenstädte nur gemeinsam zu retten

IHK-Handelsforum Ruhr online mit über 140 Experten
Ein Jahr nach dem ersten Lockdown wird immer deutlicher, wie sich die Innenstädte im Ruhrgebiet verändern. Was nicht auf den ersten Blick im Stadtbild zu sehen ist, zeigt der neue IHK-Handelsreport Ruhr, der heute (12. März) vorgestellt wurde. Der Report, den die sechs Industrie- und Handelskammern des Ruhrgebiets alle zwei Jahre erstellen, lieferte reichlich Stoff für die Diskussion über die Zukunft der Innenstädte, die über 120 Handelsexperten und Stadtplaner beim IHK-Handelsforum Ruhr online führten.
„Die Corona-Pandemie hat den Handlungsdruck extrem erhöht“, unterstreicht Dr. Fritz Jaeckel, Hauptgeschäftsführer der IHK Nord Westfalen. Der bereits seit einigen Jahren laufende Prozess von Strukturveränderungen im Handel, der sich an leerstehenden oder anderweitig genutzten Ladenlokalen ablesen lasse, sei durch die Pandemie enorm beschleunigt worden. „Auf die Innenstädte im Ruhrgebiet kommen tiefgreifende Veränderungen zu, die wir nicht einfach laufen lassen können, sondern gemeinsam positiv gestalten müssen“, forderte Jaeckel.
Jörg Lehnerdt von der BBE Handelsberatung GmbH (Köln), der die Ergebnisse des IHK-Handelsreports Ruhr präsentierte, unterstützte Jaeckel: „Noch prägen die großen Fashionanbieter die Innenstädte und Shoppingcenter des Ruhrgebiets, allerdings hat der Rückzug aus der Fläche als Folge des boomenden Onlinehandels bereits begonnen. Corona wird diesen Trend beschleunigen.“ Dr. Jan Heinisch, Staatssekretär im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW, warnte vor den weitergehenden Konsequenzen der Entwicklung: „Der Lockdown bedroht zunächst Handel und Dienstleistungen im Stadtzentrum. Wenn dadurch Insolvenzen drohen, könnte die Vitalität der Innenstädte insgesamt zum Erliegen kommen“.
Die Experten waren sich deshalb einig, dass die Innenstädte und Ortszentren der Zukunft multifunktional aufgestellt sein müssten. „Stadt ist nicht nur Handel – Stadt ist Leben! Auch Wohnen, Kultur und Mobilität müssen mitgedacht werden. Vor allem benötigen wir aber eine Stadt als Erlebnisort, als Begegnungsstätte. Die Menschen müssen wieder gerne in die Stadt kommen und dort verweilen“, ist sich Ariane Breuer, Sprecherin der „Stadtretter“-Initiative, sicher. Dem stimmte auch David Schraven zu. Der Mitbegründer der Marktviertel-Initiative aus Bottrop ist überzeugt davon, dass die Zukunft der Zentren von den Kundinnen und Kunden und ihrem Engagement vor Ort abhängt. „Wir brauchen mehr davon in den Innenstädten.“ Er appelliert an die Landesregierung, zukünftige Förderprogramme nicht mehr nur auf die optische Stadtgestaltung auszurichten, sondern den Fokus verstärkt auf die Unterstützung für lokale Marketingmaßnahmen zu richten. Aktuelle Förderprogramme der Landesregierung wie das Sofortprogramm zur Stärkung unserer Innenstädte und Zentren in Nordrhein-Westfalen gingen dabei schon in die richtige Richtung.
„Ad hoc-Hilfen sollen besonders betroffene Kommunen entlasten, während neue Investitionsspielräume, ebenso wie gemeinsam mit Kommunen, Händlern und Stadtplanern entwickelte Zukunftskonzepte, vitale, digitale und kreative Perspektiven schaffen“, so Dr. Jan Heinisch über geplante Unterstützungsmaßnahmen. Er wies darauf hin, dass noch Fördergelder in Höhe von 30 Millionen Euro aus dem Sofortprogramm Innenstadt zur Verfügung stehen. Kommunen könnten noch bis Ende April Anträge stellen.
Zukünftig wird es nach Ansicht der Experten unerlässlich sein, Förderprogramme zu verstetigen und alle Beteiligten mit in den Stadtentwicklungsprozess einzubeziehen. „Niemand schafft es allein, unsere Innenstädte und den Einzelhandel wiederzubeleben“, betonte Ariane Breuer.
IHK-Hauptgeschäftsführer Jaeckel resümierte: „Nur durch eine enge Zusammenarbeit von Politik, Verwaltung, Standortgemeinschaften, Unternehmen sowie die Eigentümer und die lokale Immobilienwirtschaft wird es gelingen, attraktive und zukunftsfähige Innenstädte und Ortszentren zu erhalten oder wiederherzustellen.“ All diese Akteure gelte es nun jeweils vor Ort an einen Tisch zu bringen, um gemeinsam neue Ideen für die Innenstadt von morgen zu entwickeln und umzusetzen. Dabei dürften auch die Verbraucher nicht vergessen werden: „Den Menschen vor Ort muss noch stärker bewusst gemacht werden, dass sie mit ihrem Einkaufsverhalten direkten Einfluss darauf haben, wie ihre Innenstadt oder ihr Ortszentrum in Zukunft aussieht“, betonte der Hauptgeschäftsführer der derzeit federführenden Ruhr-IHK.
Den Handlungsdruck verdeutlichte auch das Ergebnis der abschließenden Umfrage unter den Teilnehmern der Veranstaltung. 77 Prozent der Teilnehmer „machen sich Sorgen“, wenn sie an die Zukunft ihrer Innenstadt denken, nur 15 Prozent sagen, dass sie „gut aufgestellt“ ist.
Internettipp:
Der IHK-Handelsreport Ruhr und später auch eine Aufzeichnung des IHK-Handelsforums Ruhr wird im Internet veröffentlicht.