Gerichtsentscheidungen 2020
- Anleger- und Insolvenzrecht
- Arbeits- und Sozialrecht
- Architekten- und Baurecht
- Bankrecht
- Bau-, Miet- und Immobilienrecht
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Arbeits- und Sozialrecht
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Rückzahlung von Fortbildungskosten im Rahmen eines Darlehensvertrags
Wird ein Arbeitnehmer auf Kosten des Arbeitgebers ausgebildet, so behält sich das Unternehmen in der Regel arbeitsvertraglich vor, die Ausbildungskosten ganz oder teilweise zurückzufordern, wenn der Arbeitnehmer bis zu einem bestimmten Zeitpunkt aus dem Betrieb ausscheidet und er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu vertreten hat. Derartige Rückzahlungsklauseln scheitern u.a. häufig daran, dass sie nicht hinreichend nach dem Grund für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses differenzieren.Das Landesarbeitsgericht Kiel weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch eine als Darlehenskonstrukt getroffene Abrede zur Rückzahlung von Fortbildungskosten in Form eines stufenweisen Erlasses einer Darlehensschuld faktisch einer Rückzahlungsabrede gleichkommt und sich an den gleichen (strengen) Maßstäben wie eine allgemeine vertragliche Abrede zur Rückzahlung von Fortbildungskosten messen lassen muss.Urteil des LAG Kiel vom 21.08.20193 Sa 67/19jurisPR-ArbR 43/2019 Anm. 3
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Widerruf einer Versorgungszusage wegen Pflichtverletzung des Geschäftsführers
Der Bundesgerichtshof hatte sich mit der Frage zu befassen, unter welchen Voraussetzungen ein schädigendes Fehlverhalten eines Geschäftsführers den Widerruf von dessen Versorgungsbezügen rechtfertigen kann und stellt hieran äußerst hohe Anforderungen.Mit einem Fehlverhalten, das eine fristlose Kündigung rechtfertigen würde, kann allein der Widerruf einer Versorgungszusage nicht begründet werden. Ein solcher Widerruf ist weder ein Mittel, pflichtwidriges Verhalten zu sanktionieren noch den pflichtwidrig handelnden Mitarbeiter zu disziplinieren. Hat der Arbeitnehmer einmal die Versorgungsanwartschaft auf redliche Weise erlangt, so kann er diese nicht allein durch die Verletzung vertraglicher Pflichten verlieren.Die Karlsruher Richter halten einen Widerruf allenfalls dann für gerichtfertigt, wenn der Versorgungsberechtigte seine Pflichten in so grober Weise verletzt hat, dass sich die in der Vergangenheit bewiesene Betriebstreue nachträglich als wertlos oder zumindest erheblich entwertet herausstellt. Dies setzt voraus, dass das Unternehmen durch das grobe Fehlverhalten in eine seine Existenz bedrohende Lage gebracht wurde. Ist dies nicht der Fall, verbleibt dem Arbeitgeber nur die Möglichkeit der Geltendmachung der ihm zustehenden zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche gegenüber dem Geschäftsführer.Urteil des BGH vom 02.07.2019II ZR 252/16DB 2019, 1954
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Sachgrundlose Befristung bei vorangegangenem Arbeitsverhältnis
Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Trotz einer Vorbeschäftigung ist eine Befristung rechtlich möglich, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet oder von sehr kurzer Dauer war.Liegt ein vorangegangenes Arbeitsverhältnis circa 15 Jahre zurück, ist dies nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht bereits als "sehr lang" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzusehen. Eine erneute sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses mit dem bereits früher befristet beschäftigten Arbeitnehmer ist somit unwirksam.Urteil des BAG vom 17.04.20197 AZR 323/17NZA 2019, 1271
Bau-, Miet- und Immobilienrecht
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Bauvertrag: Streit über wirksame Abnahme
Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis alsbald gerichtlich festgestellt wird. Streiten die Parteien eines Bauvertrags darüber, ob eine Abnahme des Werks erfolgt und damit die Abnahmewirkungen eingetreten sind, ist der Bauherr berechtigt, im Wege der negativen Feststellungsklage gerichtlich klären zu lassen, dass keine wirksame Abnahme erfolgt ist.Urteil des BGH vom 09.05.2019VII ZR 154/18NZBau 2019, 572
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Haftung des Architekten für fehlerhafte Rechnungsprüfung
Ist ein Architekt auch mit der Rechnungsprüfung beauftragt, so hat er bereits die Abschlagsrechnungen der ausführenden Unternehmer daraufhin zu überprüfen, ob die verlangte Zahlung durch den Leistungsstand des Unternehmers gerechtfertigt ist.Unterlässt er dies und leistet der Bauherr daraufhin eine überhöhte Zahlung an den ausführenden Unternehmer, hat er nach einem Urteil des Kammergerichts Berlin dem Bauherrn den durch diese Zahlung entstandenen Schaden zu ersetzen.Urteil des KG Berlin vom 11.06.201921 U 142/18NJW-Spezial 2019, 494
Steuerrecht
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Zuwendung einer "Sensibilisierungswoche" als zu versteuernder Arbeitslohn
Um die Beschäftigungsfähigkeit, Leistungsfähigkeit und Motivation der Belegschaft zu erhalten, bot ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern ein einwöchiges Einführungsseminar zur Vermittlung grundlegender Erkenntnisse über einen gesunden Lebensstil an. Diese sog. Sensibilisierungswoche umfasste u.a. Veranstaltungen, Kurse und Workshops betreffend Ernährung und Bewegung, Körperwahrnehmung und Eigendiagnostik, Herz-Kreislauf-Training und Belastung, Achtsamkeit, Eigenverantwortung und Nachhaltigkeit sowie ein Koordinationstraining für den Alltag.Für den Bundesfinanzhof führen derartige Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands der Arbeitnehmer und zur betrieblichen Gesundheitsförderung dann zu einem der Einkommensteuer unterliegenden Arbeitslohn, wenn sich die Vorteile bei objektiver Würdigung aller Umstände als Entlohnung und nicht lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen.Dies war im vorliegenden Fall gegeben, da es sich bei der Sensibilisierungswoche um eine gesundheitspräventive Maßnahme für die Arbeitnehmer handelte, die keinen Bezug zu berufsspezifisch bedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufwies. Vielmehr wurden Erkenntnisse über einen gesunden Lebensstil vermittelt sowie allgemeine Gesundheitsfragen und Themen wie Burn-out, Stressbewältigung und die Erkennung eigener Defizite behandelt.Urteil des BFH vom 21.11.2018VI R 10/17DB 2019, 946