Gerichtsentscheidungen 2019
- Anleger- und Insolvenzrecht
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Anleger- und Insolvenzrecht
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Insolvenzanfechtung: Dauerhaft schleppende Zahlungsweise kann verschiedene Gründe haben
Der Insolvenzverwalter ist berechtigt, Zahlungen des Insolvenzschuldners anzufechten, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden, der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war und der Zahlungsempfänger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte (§ 130 InsO). Bei vorsätzlicher Benachteiligung beträgt der Anfechtungszeitraum zehn Jahre (§ 133 InsO).Eine dauerhaft schleppende Zahlungsweise ist für das Landgericht Köln nur dann ein Beweisanzeichen für die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und damit dessen Benachteiligungsvorsatz i.S.d. § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO, wenn er mit negativen Folgen seines Zahlungsverhaltens rechnen muss.Kann nämlich die schleppende Zahlungsweise ebenso gut auf eine schlechte Zahlungsmoral zurückzuführen sein, die (auch) dadurch entstanden ist, dass von dem entsprechenden Gläubiger nach dessen bisherigem Verhalten keine Vollstreckungs- oder Inkassomaßnahmen zu befürchten sind, kann nicht ohne Weiteres von der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und damit von dessen Benachteiligungsvorsatz ausgegangen werden.Urteil des LG Köln vom 20.11.201816 O 75/18jurisPR-InsR 13/2019 Anm. 3
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Anforderungen an gerichtlichen Hinweis zur Möglichkeit eines Eigeninsolvenzantrags
Hat eine natürliche Person einen Insolvenzantrag gestellt, hat sie das Insolvenzgericht nach § 20 Abs. 2 InsO (Insolvenzordnung) darauf hinzuweisen, dass sie nach Maßgabe der §§ 286 bis 303a Restschuldbefreiung erlangen kann.Angesichts der weitreichenden Folge der Unterlassung des Eigeninsolvenzantrags sowie des Antrags auf Restschuldbefreiung, insbesondere hinsichtlich der Vorteile der Restschuldbefreiung, muss der Hinweis - so das Landgericht Frankenthal - "klar, vollständig und für einen juristischen Laien verständlich sein". Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, muss das Insolvenzgericht den Eigeninsolvenzantrag auch noch nach der hierfür gesetzten Frist zulassen.Beschluss des LG Frankenthal vom 19.03.20191 T 5/19ZInsO 2019, 858
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Kostentragung bei Gläubigerbefriedigung nach Insolvenzantrag
Der Insolvenzschuldner hat auch dann die Kosten des Insolvenzverfahrens zu tragen, wenn er nach Stellung eines Insolvenzantrags des Gläubigers die diesem Antrag zugrunde liegende Forderung begleicht und daraufhin beide Verfahrensbeteiligte übereinstimmend das Verfahren für erledigt erklären.Beschluss des AG Hannover vom 28.12.2018908 IN 538/18 - 7ZIP 2019, 1080
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Feststellung zur Insolvenztabelle als Abnahme der Werkleistung
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat entschieden, dass in der vorbehaltlosen, uneingeschränkten Feststellung einer Werklohnforderung eines Bauhandwerkers gegen den in Insolvenz geratenen Auftraggeber zur Insolvenztabelle rechtlich die Abnahme der Werkleistung zu sehen ist.Da dadurch die Werklohnforderung fällig wird, eröffnete diese Fiktion der Abnahme in dem konkreten Fall dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit, einen für die Werklohnforderung haftenden Bürgen in Anspruch zu nehmen.Urteil des OLG Frankfurt vom 25.02.201929 U 81/18NZI 2019, 646
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Insolvenzanfechtung: Unpfändbarkeit von Zuschlägen für Sonntags- und Feiertagsarbeit
Nach § 3b EStG sind unter bestimmten zeitlichen Einschränkungen Zuschläge steuerfrei, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden. Der Bundesgerichtshof übernimmt diese Grenzen für die Beurteilung der Unpfändbarkeit von Zuschlägen für Sonntags- und Feiertagsarbeit im Rahmen eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers. Keine Erschwerniszulagen sind folglich Zuschläge für geleistete Samstagsarbeit. Der Insolvenzverwalter kann die hierfür geleisteten Zahlungen daher nachträglich anfechten.Beschluss des BGH vom 20.09.2018IX ZB 41/16DGVZ 2019, 14
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Insolvenzanfechtung: Anforderungen an die Prüfung eines Sanierungskonzepts
Legt ein von der Insolvenz bedrohtes Unternehmen einem Geschäftspartner ein schlüssiges Sanierungskonzept vor und nimmt er daraufhin mehrere Zahlungen entgegen, können diese nach der doch noch eingetretenen Insolvenz vom Insolvenzverwalter nicht im Wege der Anfechtung zurückgefordert werden.In einem derartigen Fall trifft den Gläubiger (hier den Geschäftspartner), der die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und die Benachteiligung der Gläubiger kennt, die Darlegungs- und Beweislast, dass er spätere Zahlungen auf der Grundlage eines schlüssigen Sanierungskonzepts erlangt hat. Der Bundesgerichthof weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein Sanierungskonzept nicht allein deshalb unschlüssig und in einem Anfechtungsprozess unbeachtlich ist, weil es die Ursachen der wirtschaftlichen Lage des Schuldners nicht behandelt. Auch können an die auf die Schlüssigkeit des Sanierungskonzepts bezogene Kenntnis des Anfechtungsgegners nicht die gleich hohen Anforderungen gestellt werden wie an diejenige des Schuldners.Urteil des BGH vom 28.03.2019IX ZR 7/18ZInsO 2019, 1060
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Unzulässiger Insolvenzantrag "ins Blaue hinein"
Begleicht ein Schuldner rückständige Forderungen gegenüber einem Sozialversicherungsträger, kann dieser trotz des - wenn auch verzögerten - Zahlungseingangs nur dann einen Insolvenzantrag stellen, wenn nachweislich die konkrete Gefahr besteht, dass eine weitere wirtschaftliche Tätigkeit des Schuldners neue Verbindlichkeiten beim Sozialversicherungsträger begründen wird, mit deren Ausgleich der Schuldner wiederum in Rückstand geraten kann. Ein Insolvenzantrag "ins Blaue hinein" ohne entsprechende Nachweise ist unzulässig.Beschluss des LG Leipzig vom 04.10.20188 T 633/18NZI 2019, 163
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Zuständiges Insolvenzgericht für ein als "papierloses Büro" geführtes Unternehmen
Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 InsO ist das Insolvenzgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Insolvenzschuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Liegt der Mittelpunkt einer selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an einem anderen Ort, so ist gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 InsO ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Ort liegt. Dieser Gerichtsstand ist gegenüber dem allgemeinen Gerichtsstand nach § 3 Abs. 1 Satz 1 vorrangig.Eine gesetzliche Definition des Mittelpunktes der wirtschaftlichen Tätigkeit gibt es nicht. Der Mittelpunkt einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens liegt in der Regel dort, von wo aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden. Das Zentrum der geschäftlichen Aktivitäten befindet sich an dem Ort, wo die tatsächliche Willensbildung innerhalb eines Unternehmens oder einer Gesellschaft stattfindet, also dort, wo die unternehmensleitenden Entscheidungen getroffen und in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden.In dem vom Amtsgericht Hannover entschiedenen Fall führte das Unternehmen seine Akten ausschließlich elektronisch; sie waren für die Mitarbeiter daher "von überall einsehbar". In Walsrode gab es einen zentralen Posteingang der Unternehmensgruppe. Die Post wurde dort eingescannt, hier befand sich auch der Server. Für das Insolvenzverfahren war somit nicht der Ort der Handelsregistereintragung - hier Hannover - zuständig, sondern das Amtsgericht Walsrode.Beschluss des AG Hannover vom 24.09.2018903 IN 540/18 - 8NZI 2019, 115
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Abgabe der Erklärungen zum Privatinsolvenzverfahren durch Betreuer
Der Betreuer, dem u.a. die Vermögenssorge obliegt, ist berechtigt, für seinen überschuldeten Betreuten einen Antrag auf Eröffnung des Privatinsolvenzverfahrens zu stellen. Rechtlich umstritten ist, wer im Rahmen des Verfahrens die erforderlichen Abtretungs- und Vollständigkeitserklärungen abzugeben hat. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass diese Erklärungen vom Schuldner, also von dem Betreuten selbst unterschrieben werden müssen, sofern er psychisch und physisch dazu in der Lage ist und kein Einwilligungsvorbehalt für den Aufgabenkreis Vermögensangelegenheiten angeordnet ist. Ist dies nicht der Fall, kann der Betreuer die entsprechenden Erklärungen abgeben.Hinweis: Ist nicht eindeutig feststellbar, ob der Betreute zur Abgabe der erforderlichen Erklärungen imstande ist, sollten diese vorsorglich sowohl vom Betreuer als auch vom Betreuten unterschrieben werden.Beschluss des AG Hannover vom 13.11.2018908 IK 784/18 - 4jurisPR-InsR 3/2019 Anm. 4
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Gläubigerbenachteiligung durch die Gewährung eines zinslosen Darlehens
Gewährt ein Unternehmen innerhalb von vier Jahren vor Insolvenzeröffnung einem Dritten ein zinsloses Darlehen, kann dies den Insolvenzverwalter zur Anfechtung des Geschäfts berechtigen, da es sich hinsichtlich des Verzichts auf eine Verzinsung um eine unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO handelt. Allerdings hat der Insolvenzverwalter zu beweisen, dass die Gewährung des zinslosen Darlehens zu einer Benachteiligung der Gläubiger des Insolvenzschuldners geführt hat. Insbesondere bei größeren Darlehensbeträgen wird dieser Nachweis zu führen sein, da die Möglichkeit der anderweitigen Erzielung einer angemessenen Rendite wahrscheinlich ist. Ist die Anfechtung erfolgreich, kann der Insolvenzverwalter von dem Darlehensnehmer nachträglich eine angemessene Verzinsung verlangen.Urteil BGH vom 15.11.2018IX ZR 229/17ZIP 2019, 233
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Arbeitgeberinsolvenz: Rang des Abfindungsanspruchs des Arbeitnehmers
Stellt das Arbeitsgericht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, dem Arbeitnehmer jedoch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann, so muss das Gericht auf dessen Antrag das Arbeitsverhältnis auflösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen (§ 9 Abs. 1und 2 KSchG).Hat im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers erst der Insolvenzverwalter einen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG (Kündigungsschutzgesetz) rechtshängig gemacht und das Gericht das Arbeitsverhältnis daraufhin aufgelöst, so ist der Anspruch auf Abfindung nach § 10 KSchG eine Masseverbindlichkeit, die vorweg zu begleichen, also wie geschuldet in voller Höhe zu erfüllen ist.Urteil des BSG vom 14.03.20196 AZR 4/18BB 2019, 883
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Insolvenz: Haftung des GmbH-Geschäftsführers bei interner Ressortaufteilung
Eine Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Zahlungen nach Insolvenzreife kann dann entfallen, wenn durch die Ressortaufteilung auf der Ebene der Geschäftsführung eine Einflussnahme auf finanzielle Belange der Gesellschaft ausgeschlossen ist. Eine Geschäftsverteilung oder Ressortaufteilung setzt jedoch eine klare und eindeutige Abgrenzung der Geschäftsführungsaufgaben aufgrund einer von allen Mitgliedern des Organs mitgetragenen Aufgabenzuweisung voraus, die die vollständige Wahrnehmung der Aufgaben durch hierfür fachlich und persönlich geeignete Personen sicherstellt und gleichwohl die Zuständigkeit des Gesamtorgans insbesondere für nicht delegierbare Angelegenheiten der Geschäftsführung wahrt. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs erfordert eine Geschäfts- oder Ressortverteilung nicht zwingend die Schriftform oder eine ausdrückliche Absprache, wenngleich die schriftliche Dokumentation regelmäßig das naheliegende und geeignete Mittel für eine klare und eindeutige Aufgabenabgrenzung darstellt.Trotz einer vorliegenden internen Ressortverteilung kann sich der einzelne Geschäftsführer nicht entlasten, wenn er eine ausreichende Kontrolle des für die finanziellen Angelegenheiten der Gesellschaft zuständigen Geschäftsführers unterlassen hat. Die Erkennbarkeit der Insolvenzreife für den beklagten Geschäftsführer entfällt nur dann, wenn ihm diese auch bei ordnungsgemäßer Überwachung des Mitgeschäftsführers nicht aufgefallen wäre. Allein das Überprüfen der Kontostände sowie die Durchführung wöchentlicher Besprechungen, ohne gleichzeitig z.B. konkrete betriebswirtschaftliche Auswertungen vorzunehmen, reichen nicht aus.Urteil des BGH vom 06.11.2018II ZR 11/17ZIP 2019, 261
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Insolvenzverfahren: Gesellschafterhaftung nach Befriedigung eines Bankkredits
Nach § 135 Abs. 2 InsO kann der Insolvenzverwalter eine Rechtshandlung anfechten, mit der eine Gesellschaft einem Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag Befriedigung gewährt hat, wenn ein Gesellschafter für die Forderung eine Sicherheit bestellt hat oder als Bürge haftet.Daher haftet der Gesellschafter gegenüber dem Insolvenzverwalter, wenn er persönlich der Bank Sicherheiten gewährt und die Bank kurz vor Insolvenzantragstellung Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen erlangt hat.Urteil des OLG München vom 15.03.201814 U 2349/16jurisPR-BKR 2/2019 Anm. 5
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Unzulässige Gerichtsstandsvereinbarungen eines Insolvenzverwalters
Ein Insolvenzverwalter ist kein Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuches (HGB) und deshalb nicht befugt, eine Gerichtsstandsvereinbarung nach § 38 Abs. 1 ZPO abzuschließen.Urteil des OLG Zweibrücken vom 16.11.20182 U 68/17NZI 2019, 54
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Informationsrechte des Aufsichtsrats trotz Insolvenz
Ist der Insolvenzschuldner eine juristische Person, z.B. eine Aktiengesellschaft, so haben nach § 276a InsO (Insolvenzordnung) der Aufsichtsrat, die Gesellschafterversammlung oder entsprechende Organe keinen Einfluss auf die Geschäftsführung. In der Insolvenz einer Aktiengesellschaft bleibt wie im Regelverfahren jedoch die Einflussnahme des Aufsichtsrats als Überwachungsorgan der Geschäftsführung auch in der Eigenverwaltung im insolvenzfreien Bereich möglich. Der Aufsichtsrat ist daher trotz der Insolvenz weiterhin berechtigt, seine Auskunfts-, Einsichts-, Informations- und vergleichbaren Rechte auszuüben.Beschluss des OLG München vom 09.08.20187 U 2697/18AG 2019, 49
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Haftung des Geschäftsführers bei Vorauszahlungen auf debitorisches Konto der insolventen Gesellschaft
Der Geschäftsführer einer insolvenzreifen GmbH & Co. KG haftet ausnahmsweise nicht für die Erstattung von Kundenvorauszahlungen auf ein debitorisches Konto der Gesellschaft, wenn die Zahlung auch bei pflichtgemäßem Verhalten nicht zur Masse gelangt wäre, also die Insolvenzmasse nicht geschmälert hätte. Derartige Kundenzahlungen kommen in der Regel nicht der insolvenzreifen Gesellschaft bzw. deren Gläubigern zugute, sondern alleine der kontoführenden Bank. Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg begründete seine Entscheidung damit, dass eine Gesellschaft nicht bessergestellt werden darf, als sie bei einem pflichtgemäßen Verhalten des Geschäftsführers stünde.Urteil des OLG Hamburg vom 09.11.201811 U 136/17ZInsO 2018, 2811
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Insolvenz: Kommanditist haftet nicht für im Eröffnungsverfahren begründete Steuerverbindlichkeiten
Steuerverbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, gelten gemäß § 55 Abs. 4 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als sogenannte Masseverbindlichkeiten und sind vorrangig aus der Insolvenzmasse zu befriedigen.Im Eröffnungsverfahren einer insolventen Kommanditgesellschaft (KG) begründete Steuerverbindlichkeiten können demnach nicht als Insolvenzforderungen behandelt werden, um eine Inanspruchnahme der Kommanditisten zugunsten des Finanzamtes zu ermöglichen, auch wenn der Kommanditist gemäß § 172 Abs. 4 HGB z.B. wegen einer Zurückbezahlung seiner Einlage persönlich für Verbindlichkeiten der KG haftet.Urteil des LG Konstanz vom 16.07.20188 O 19/17 KfHZInsO 2018, 2148
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Abschluss eines Mietvertrags trotz Insolvenzreife
Schließt ein GmbH-Geschäftsführer im Zustand der Insolvenzreife des Unternehmens einen Mietvertrag, liegt darin eine Verletzung der ihm gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG obliegenden Pflichten. Derartiges Handeln führt jedoch dann nicht zur Schadensersatzpflicht gegenüber der GmbH, wenn es, sei es auch mit stillschweigendem Einverständnis mit sämtlichen Gesellschaftern erfolgt ist.Urteil des OLG München vom 09.08.201823 U 2936/17ZInsO 2018, 2310
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Kein Insolvenzgeld bei bereits bestehender Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers
Nach Auffassung des Sozialgerichts Heilbronn soll die Gewährung von Insolvenzgeld nur die Nichterfüllung der Zahlungspflicht eines Arbeitgebers absichern, wenn er in Vermögensverfall geraten ist. Ein Anspruch auf Zahlung von Insolvenzgeld kommt daher dann nicht in Betracht, wenn ein Arbeitgeber bereits zu Beginn einer etwaigen betrieblichen Tätigkeit zahlungsunfähig oder überschuldet gewesen ist.In dem konkreten Fall war eine GmbH & Co. KG nur in der Hoffnung gegründet worden, das Unternehmen mittels erwarteter Investitionen in Milliardenhöhe eines vermeintlichen Prinzen von Benin betreiben zu können. Der "Geschäftsbetrieb" konnte lediglich aufgrund eines aufgenommenen Darlehens i.H.v. 115.000 Euro erfolgen, ohne dass das dubiose Unternehmen über erforderliches Vermögen oder hinreichende Erträge zur Begleichung der Verbindlichkeiten verfügte.Hinweis: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Fünf weitere Mitarbeiter haben Klagen auf Insolvenzgeld bei anderen Sozialgerichten erhoben.Urteil des SG Heilbronn vom 16.10.2018S 1 AL 3799/16Pressemitteilung des SG Heilbronn
Arbeits- und Sozialrecht
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Übernahme von Handwerksleistungen statt Rückzahlung von Fortbildungskosten
Verpflichtet sich ein Arbeitnehmer, der nach einer Eigenkündigung gemäß einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung dem Arbeitgeber Fortbildungskosten zurückzahlen soll, stattdessen eine handwerkliche Leistung zu erbringen, erhöht sich nicht dadurch seine Schuld, dass er die zugesagten Arbeiten nicht erbringt.In dem vom Landesarbeitsgericht Mainz entschiedenen Fall hatte sich der Arbeitnehmer verpflichtet, den Oldtimer des Geschäftsführers zu restaurieren. Als er die Arbeiten einstellte, machte der Arbeitgeber neben der Rückzahlung der Fortbildungskosten noch Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Handwerkerleistung geltend. Hinsichtlich dieser wies das Gericht die Zahlungsklage mit der Begründung ab, die erfüllungshalber übernommene Verpflichtung dürfe nicht über das ursprüngliche Schuldverhältnis hinausgehen. Schließlich erwies sich im Prozess auch der Anspruch auf Rückzahlung der Fortbildungskosten als unbegründet, da sich die zugrunde liegende Vereinbarung als unwirksam erwies.Urteil des LAG Mainz vom 21.03.20195 Sa 287/18ArbR 2019, 307
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Mitnahme eines kranken Kindes zur Arbeit rechtfertigt keine Kündigung
Bringt eine Arbeitnehmerin ihre kranken Kinder, für die ein Arzt die Betreuungsbedürftigkeit attestiert hat und für die keine anderweitige Betreuungsmöglichkeit besteht, entgegen der arbeitgeberseitigen Weisung zur Arbeit mit, rechtfertigt dies nicht den Ausspruch einer fristlosen Kündigung. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts Siegburg hätte der Kündigung zunächst eine Abmahnung vorausgehen müssen.Urteil des ArbG Siegburg vom 04.09.20193 Ca 642/19Pressemitteilung des ArbG Siegburg
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Ausschluss von Ansprüchen auf Vergütung für Umkleidezeiten durch Tarifvertrag
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Ansprüche auf Vergütung für Umkleidezeiten durch einen Tarifvertrag ausgeschlossen werden. Enthält der Tarifvertrag daneben eine Regelung, nach welcher das Ob und Wie einer Vergütung von Umkleidezeiten durch eine Betriebsvereinbarung geregelt werden kann, schuldet der Arbeitgeber keine Vergütung der Umkleidezeiten, wenn die Betriebspartner von dieser Regelungsmöglichkeit keinen Gebrauch machen.Urteil des BAG vom 12.12.20185 AZR 124/18NZA 2019, 549
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Witwenversorgung nur für "Langzeit-Ehen" ist unzulässig
Wird im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Arbeitgebers die Hinterbliebenenversorgung durch eine zehnjährige Mindestehedauerklausel einschränkt, stellt dies eine unangemessene Benachteiligung des unmittelbar versorgungsberechtigten Arbeitnehmers dar. Die entsprechende Klausel ist unwirksam. Eine Zusage, die auf Ehepartner beschränkt ist, die mindestens zehn Jahre mit dem Arbeitnehmer verheiratet waren, knüpft nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts an eine willkürlich gewählte Zeitspanne ohne inneren Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis an.Urteil des BAG vom 19.02.20193 AZR 150/18NZA 2019, 918
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Überstundenzuschläge auch für Teilzeit-Arbeitnehmer
Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts haben auch Teilzeit-Arbeitnehmer Anspruch auf Zuschläge für geleistete Überstunden. Die Zuschläge sind für die Arbeitsstunden zu zahlen, die über die vertraglich geschuldete Arbeitszeit hinausgehen. Dies gilt auch dann, wenn in einem Tarifvertrag festgelegt ist, dass Zuschläge erst bei Überschreiten der Arbeitszeit einer Vollzeitkraft anfallen. Denn eine solche Regelung verstößt gegen § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Gleiches gilt für entsprechende Einschränkungen durch den Arbeitsvertrag.Urteil des BAG vom 19.12.201810 AZR 231/18ArbuR 2019, 98
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Spaziergang in Mittagspause nicht gesetzlich unfallversichert
Die gesetzliche Unfallversicherung ist nicht eintrittspflichtig, wenn ein Versicherter während eines Spaziergangs in der Mittagspause verunglückt (hier Sturz über eine Steinplatte). Der Argumentation des in diesem Fall betroffenen Fondsmanagers bei einer Investmentgesellschaft, der Spaziergang habe der Förderung seiner Arbeitsleistung gedient, schloss sich das Hessische Landessozialgericht nicht an, da eine arbeitsrechtliche Verpflichtung zu gesundheitsfördernden, der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit dienenden Handlungen prinzipiell nicht bestehe.Urteil des Hessischen LSG vom 14.06.2019L 9 U 208/17BB 2019, 1913
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Fristlose Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs
Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, kann den Ausspruch einer fristlosen Kündigung rechtfertigen.Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Kündigung eines (ordentlich nicht kündbaren) Abteilungsleiters eines Staatstheaters, der durch vorsätzlich falsches Erfassen von Überstunden in einem Formular über Jahre hinweg seinen Arbeitgeber monatlich um bis zu sieben Stunden über die erbrachte Arbeitsleistung getäuscht hatte. In einem solchen Fall muss der Kündigung keine Abmahnung vorangehen, da dem Arbeitgeber bei einem derart gravierenden Fehlverhalten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar ist.Urteil des BAG vom 13.12.20182 AZR 370/18BB 2019, 636
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Betriebsrat: Nutzung eines privaten Pkws und Bildung einer Fahrgemeinschaft für Dienstreise
Nach § 40 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. Auf der anderen Seite muss jedoch der Betriebsrat darauf bedacht sein, die durch seine Tätigkeit verursachten Kosten auf das notwendige Maß zu beschränken.Aus dieser Obliegenheit folgert das Bundesarbeitsgericht, dass ein Betriebsratsmitglied für Reisen zu Schulungsveranstaltungen grundsätzlich das kostengünstigste zumutbare Verkehrsmittel in Anspruch zu nehmen hat. Dabei ist der Betriebsrat grundsätzlich nicht verpflichtet, seinen privaten Pkw einzusetzen. Entschließt er sich jedoch, bei einer von mehreren Betriebsratsmitgliedern durchzuführenden Reise seinen Privat-Pkw zu nutzen, ist es für ihn und die anderen Betriebsratsmitglieder grundsätzlich zumutbar, eine Fahrgemeinschaft zu bilden.Etwas anderes gilt nur, wenn eine Fahrgemeinschaft aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall nicht zumutbar ist, weil beispielsweise die begründete Besorgnis besteht, dass Mitfahrende sich in eine besondere Gefahr begeben. Dies ist von dem Betriebsratsmitglied nachvollziehbar darzulegen, das Reisekosten vom Arbeitgeber einfordert.Beschluss des BAG vom 24.10.20187 ABR 23/17jurisPR-ArbR 21/2019 Anm. 3
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Warmwasserzufuhr in Personaltoilette einer Kindertagesstätte
Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat entschieden, dass die Personaltoilette einer Kindertagesstätte zumindest dann mit einem Handwaschbecken mit einer Warm- und Kaltwasserzufuhr auszustatten ist, wenn die Toilette von Personen benutzt wird, die in der Einrichtung mit Lebensmitteln in Kontakt kommen.Urteil des VG Magdeburg vom 08.10.20181 A 51/16jurisPR-ArbR 18/2019 Anm. 6
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Auswertung der E-Mail-Korrespondenz eines Arbeitnehmers bei Verdacht auf Wettbewerbsverstoß
Nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Mainz ist ein Arbeitgeber berechtigt, zur Aufdeckung eines vermuteten Wettbewerbsverstoßes durch einen Arbeitnehmer dessen E-Mail-Korrespondenz auszuwerten, soweit sich die Auswertung auf Kunden beschränkt, die zu einem Wettbewerber des Arbeitgebers gewechselt sind.Demgegenüber stellt die Auswertung privater oder gar höchstpersönlicher E-Mail-Korrespondenz oder privater Unterlagen des in Verdacht geratenen Arbeitnehmers einen schwerwiegenden und damit unzulässigen Eingriff in dessen Persönlichkeitsrecht dar.Urteil des LAG Mainz vom 24.01.20195 Sa 226/18jurisPR-ITR 11/2019 Anm. 5
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Befristete Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis für Personaldienstleister wegen Rechtsverstößen
Hat ein Zeitarbeitsunternehmen über Jahre hinweg gegen die Befristungsvorschriften des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) verstoßen, ist die Bundesagentur für Arbeit berechtigt, eine beantragte unbefristete Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zu verweigern und stattdessen diese nur befristet zu verlängern.Urteil des LSG Hamburg vom 30.01.2019L 2 AL 18/18jurisPR-ArbR 20/2019 Anm. 5
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Unwirksamkeit von Aufhebungsverträgen wegen Verstoßes gegen das Gebot fairen Verhandelns
Ein Aufhebungsvertrag ist unwirksam, wenn er unter Missachtung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen ist. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu folgende Grundsätze aufgestellt:Eine Verhandlungssituation ist dann als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht. Dies kann durch die Schaffung besonders unangenehmer Rahmenbedingungen geschehen, die den betroffenen Arbeitnehmer erheblich ablenken oder sogar den Fluchtinstinkt wecken. Denkbar ist auch die Ausnutzung einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche oder unzureichender Sprachkenntnisse. Die Nutzung eines Überraschungsmoments kann ebenfalls die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners beeinträchtigen (Überrumpelung).Die obersten Arbeitsrichter stellten in ihrer Entscheidung ferner klar, dass ein Arbeitnehmer seine Einwilligung zum Abschluss eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags nicht gemäß § 355 BGB (Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen) widerrufen kann.Urteil des BAG vom 07.02.20196 AZR 75/18NZA 2019, 688
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Ausschlussklausel: Keine schriftliche Geltendmachung vorgeschrieben
Eine arbeitsvertragliche Verfallklausel, nach der die beiderseitigen Ansprüche verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich erhoben werden, verstößt gegen § 309 Nr. 13b BGB, weil sie über die in der Vorschrift angeführte Textform hinausgeht. Eine solche Klausel ist daher wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers unwirksam.Für die Textform genügt bereits eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt wird und die auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben worden ist. Ausreichend ist danach auch eine Übermittlung per E-Mail oder Telefax. Demgegenüber muss bei der Schriftform nach § 126 Abs. 1 BGB die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet werden.Hinweis: Gegen das Urteil wurde beim Landesarbeitsgericht Köln unter dem Aktenzeichen 3 Sa. 766/18 Berufung eingelegt.Urteil des ArbG Köln vom 25.10.201814 Ca 2289/18AE 2019, 49
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Unzulässige verpflichtende Beteiligung des Betriebsrats an Disziplinargesprächen
Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts können die Befugnisse des Betriebsrats nicht wirksam durch eine Betriebsvereinbarung dahingehend erweitert werden, dass vor einem "Disziplinargespräch“ der Betriebsrat informiert wird und an der Unterredung teilnimmt. Eine derartige Betriebsvereinbarung beeinträchtigt in unzulässiger Weise die Freiheitsrechte des Arbeitnehmers und ist daher nach § 75 Abs. 2 BetrVG unwirksam.Beschluss des BAG vom 11.12.20181 ABR 12/17NZA 2019, 480
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Keine Kündigung nach "deftiger" verbaler Auseinandersetzung zwischen Arbeitskollegen
Fallen im Verlauf einer verbalen Auseinandersetzung zwischen Kollegen Ausdrücke wie "Arschloch" und "verpiss dich", rechtfertigt dies keine Kündigung des betreffenden Arbeitnehmers, wenn dies der erste Vorfall dieser Art im knapp dreijährigen Arbeitsverhältnis war, das Verhältnis zwischen den betreffenden Kollegen vor und auch nach dem Vorfall konfliktfrei war und es sich um einen Arbeitsbereich mit eher einfachen Tätigkeiten handelt, in dem es regelmäßig etwas rauer und "deftiger" zugeht als in anderen Bereichen. In einem solchen Fall ist eine Abmahnung des betreffenden Arbeitnehmers die verhältnismäßige und richtige Reaktion des Arbeitgebers.Beschluss des ArbG Bonn vom 19.09.20185 BV 11/18jurisPR-ArbR 26/2019 Anm. 6
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Betriebsrat muss arbeitgeberseits vorgegebenes Seminarabrechnungssystem nutzen
Ein Arbeitgeber kann berechtigt sein, die Übernahme der Kosten für Schulungs- und Bildungsveranstaltungen des Betriebsrats abzulehnen, wenn der Betriebsrat die Verwendung eines arbeitgeberseits vorgegebenen digitalen Abrechnungssystems zur Anmeldung von Seminaren verweigert, sofern dessen Nutzung für den Betriebsrat zumutbar ist.Beschluss des LAG Mainz vom 23.10.20188 TaBV 2/18jurisPR-ITR 11/2019 Anm. 4
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Arbeitgeber müssen auf den drohenden Verfall von Urlaub aus vergangenen Jahren hinweisen
Nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln erlischt der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor über seinen Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt hat. Diese Verpflichtung zur Initiative des Arbeitgebers bezieht sich nicht nur auf das laufende Kalenderjahr, sondern auch auf den Urlaub aus vorangegangenen Kalenderjahren.Unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verfällt der Urlaub eines Arbeitnehmers in der Regel nur, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt. Entsprechende Vorgaben hatte der EuGH am 6. November 2018 unter dem Aktenzeichen C-684/16 gemacht.Urteil des LAG Köln vom 09.04.20194 Sa 242/18AZ 2019, Nr. 28, 2
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Rechtsweg bei Kündigung eines Fremdgeschäftsführers einer GmbH
Fremdgeschäftsführer, also Geschäftsführer einer GmbH, die nicht Gesellschafter sind, sind nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts in aller Regel weder Arbeitnehmer noch arbeitnehmerähnliche Personen, vielmehr "arbeitgeberähnlich". Daher sind im Fall der Kündigung des Geschäftsführerverhältnisses und für die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen nicht die Arbeitsgerichte, sondern die Zivilgerichte (Amtsgericht bzw. Landgericht) sachlich zuständig.Beschluss des BAG vom 21.01.20199 AZB 23/18jurisPR-ArbR 21/2019 Anm. 1
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Betriebsbedingte Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers
Ein Arbeitgeber ist beim ersatzlosen Wegfall eines Arbeitsplatzes im Rahmen einer Umstrukturierung des Betriebs berechtigt, auch gegenüber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer eine betriebsbedingte Kündigung auszusprechen, wenn keine anderweitige geeignete Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, für den Schwerbehinderten einen Arbeitsplatz zu schaffen oder zu erhalten, den er nach seinem Organisationskonzept nicht mehr benötigt.Urteil des BAG vom 16.05.20196 AZR 329/18Pressemitteilung des BAG
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Tariflicher Zuschlag: Ostersonntag und Pfingstsonntag sind "hohe" Feiertage
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass Oster- und Pfingstsonntag sogenannte hohe Feiertage sind. Sieht ein Tarifvertrag eine Staffelung der Zuschläge für gesetzliche Feiertage und hohe Feiertage vor (z.B. § 4 MTV), haben daher Arbeitnehmer, die an diesen Tagen arbeiten, Anspruch auf einen erhöhten Tarifzuschlag.Urteil des LAG Düsseldorf vom 22.02.20196 Sa 996/18ArbRB 2019, 129
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Unzulässige Klausel wegen Kombination eines Freiwilligkeitsvorbehalts mit Widerrufsvorbehalt
Ein Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation, der im Arbeitsvertrag vereinbart worden ist, kann nur durch eine Änderungskündigung oder eine einvernehmliche vertragliche Abrede verschlechtert oder beseitigt werden. Klauseln in Arbeitsverträgen, die die Zahlung von Gratifikationen und anderen Entgeltbestandteilen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum Grundgehalt gewährt, flexibilisieren sollen, sodass die Leistungen nur bei positiver wirtschaftlicher Entwicklung des Unternehmens ausgezahlt werden, sind nur unter eng begrenzten Voraussetzungen wirksam.Ein vereinbarter Freiwilligkeitsvorbehalt - im Streitfall zudem kombiniert mit einem Widerrufsvorbehalt - ist unwirksam, weil er gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstößt. Es ist nämlich widersprüchlich, wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer - wie im vorliegenden Fall - in einem von ihm vorformulierten Anstellungsvertrag ausdrücklich zusagt, jedes Jahr ein Weihnachtsgeld zu zahlen, die Zahlung des Weihnachtsgeldes jedoch in derselben oder in einer anderen Vertragsklausel an einen Freiwilligkeitsvorbehalt bindet.Urteil des LAG Mainz vom 08.08.20184 Sa 433/17EzA-SD 2019, Nr. 9, 9
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Nachträgliche Beteiligung des Betriebsrats nach personeller Einzelmaßnahme
Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat "vor" der Einstellung zu unterrichten und die Zustimmung zu der "geplanten" Einstellung einzuholen. Nach dem Zweck des Mitbestimmungsrechts ist es grundsätzlich erforderlich, dass die Beteiligung des Betriebsrats zu einer Zeit erfolgt, zu der noch keine abschließende und endgültige Entscheidung getroffen worden ist oder doch eine solche noch ohne Schwierigkeiten revidiert werden kann.Eine erst nach Aufnahme der tatsächlichen Beschäftigung im Betrieb erfolgte Unterrichtung des Betriebsrats ist nicht fristgerecht und damit nicht ordnungsgemäß. In diesem Fall ist auch § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht anwendbar, nach dem die Zustimmung als erteilt gilt, wenn der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber schriftlich mitteilt.Beschluss des BAG vom 21.11.20187 ABR 16/17BB 2019, 947
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Arbeitnehmer muss Auskunft über Schmiergeldzahlungen geben
Hat sich ein Arbeitnehmer von einem Geschäftspartner des Arbeitgebers verdeckte Provisionen zahlen lassen, so stehen diesem nach ständiger Rechtsprechung Herausgabe- bzw. Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitnehmer zu.Das Landesarbeitsgericht Köln erleichtert dem Arbeitgeber die Beweisführung über derartige Schmiergeldzahlungen, indem es ihm einen Auskunftsanspruch darüber zubilligt, ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer weitere Schmiergeldzahlungen erhalten hat, die dem Arbeitgeber noch nicht bekannt waren.Urteil des LAG Köln vom 31.10.20186 Sa 652/18FA 2019, 78
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Altersdiskriminierung in Stellenausschreibung (Tätigkeit in "einem jungen dynamischen Team")
Die Formulierung in einer mit "Du" und "Dich" formulierten Stellenausschreibung, wonach den Bewerbenden eine Tätigkeit in einem professionellen Umfeld "mit einem jungen dynamischen Team" geboten wird, kann nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg eine Diskriminierung wegen des Alters eines Stellenbewerbers darstellen.Eine Diskriminierung und damit ein Schadensersatzanspruch eines abgelehnten Bewerbers können allerdings im Einzelfall dadurch entfallen, dass die ausgeschriebene Stelle bereits vor Eingang der Bewerbung besetzt und das Auswahlverfahren somit bereits beendet war.Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 11.10.201826 Sa 681/18NZA-RR 2019, 139
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Kein Mindestlohn für Praktikanten
Ein Praktikant hat keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn, wenn er das Praktikum zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leistet und es eine Dauer von drei Monaten nicht übersteigt. Der Anspruch besteht auch nicht bei einer Unterbrechung des Praktikums durch Krankheits- und Urlaubstage, wenn zwischen den einzelnen Abschnitten ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht und die Höchstdauer von drei Monaten insgesamt nicht überschritten wird.Urteil des BAG vom 30.01.20195 AZR 556/17ArbuR 2019, 146
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Sozialauswahl bei Wiedereinstellung
Vor Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen, die nur einen Teil der Belegschaft betreffen, hat der Arbeitgeber anhand eines Punktesystems eine Sozialauswahl zu treffen, wobei insbesondere auch Gesichtspunkte, wie z.B. Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Familienstand und Anzahl der unterhaltsberechtigten Angehörigen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind. Die hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze gelten analog, wenn der Arbeitgeber eine Auswahlentscheidung treffen muss, welcher zuvor gekündigte Arbeitnehmer aufgrund seiner sozialen Schutzbedürftigkeit wieder eingestellt wird.Für das Bundesarbeitsgericht ist eine hohe Bewertung der Unterhaltspflichten rechtlich nicht zu beanstanden, wenn ältere Arbeitnehmer, die in der Regel keine unterhaltspflichtigen Kinder mehr haben, durch das Abstellen auf die Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter bereits überproportional begünstigt sein können. Die Arbeitsrichter betonen in ihrer Entscheidung, dass dem Arbeitgeber bei der Gewichtung von Lebensalter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung ein gewisser Spielraum zusteht. Das Kündigungsschutzgesetz verlangt nur die "ausreichende Berücksichtigung" dieser Kriterien.Urteil des BAG vom 18.09.20189 AZR 20/18ArbR 2019, 97
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Kein Anspruch des Betriebsrats auf dauerhafte Überlassung von Gehaltslisten
Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber weder die Überlassung von Gehaltslisten als Excel- oder Textdatei noch die Überlassung von Gehaltslisten in gedruckter Form fordern. Es bleibt - so das Landesarbeitsgericht Düsseldorf - somit beim Recht der Arbeitnehmervertretung lediglich auf Einsichtnahme der Entgeltlisten. Auch das Inkrafttreten des Entgelttransparenzgesetzes führt nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung.Beschluss des LAG Düsseldorf vom 23.10.20188 TaBV 42/18ZTR 2019, 188
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Sozialgericht muss Schreibfehler auch bei Differenz von 8 Cent berichtigen
Das Sozialgerichtsgesetz sieht bei Berichtigungsbeschlüssen keine Wirtschaftlichkeitsprüfung vor. Dies bedeutet in der Praxis, dass ein Verfahrensbeteiligter eine Berichtigung einer fehlerhaften Sozialgerichtsentscheidung auch bei Kleinstbeträgen verlangen kann. In dem vom Sozialgericht Dresden entschiedenen Fall wies eine Entscheidung des Sozialgerichts einen Schreibfehler zulasten einer Krankenkasse in Höhe von 8 Cent auf, der nun berichtigt werden muss. Für das Gericht war ohne Bedeutung, dass durch das Verfahren nicht unerhebliche Ressourcen der ohnehin schon überlasteten Sozialgerichte aufgewendet werden müssen, um der Krankenkasse eine versehentliche Überzahlung von 8 Cent zu ersparen.Beschluss des SG Dresden vom 18.02.2019S 18 SF 350/16Welt der Krankenversicherung 2019, 92
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Dienstreisezeiten sind vergütungspflichtige Arbeitszeiten
Für das Bundesarbeitsgericht sind die bei einer Dienstreise eines Arbeitnehmers ins Ausland erforderlichen Zeiten für die Hin- und Rückreise wie Arbeitszeit zu vergüten.Urteil des BAG vom 17.10.20185 AZR 553/17MDR 2019, 358
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Ausschlussfrist darf Anspruch auf Mindestlohn nicht beschränken
Nach § 3 Abs. 1 MiLoG (Mindestlohngesetz) sind Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam.So erklärte das Bundesarbeitsgericht eine vom Arbeitgeber vorformulierte arbeitsvertragliche Verfallklausel, die auch den gesetzlichen Mindestlohn erfasst, für unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag nach dem Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes im Jahr 2014 geschlossen wurde. Die Vertragsklausel, nach der "alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind", stellt einen Verstoß gegen § 3 Abs. 1 MiLoG dar, soweit sie den Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung des Mindestlohns beschränkt.Urteil des BAG vom 18.09.20189 AZR 162/18BB 2019, 568
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Kein gesetzlicher Urlaubsanspruch während unbezahlten Sonderurlaubs
Ein Arbeitgeber genehmigte einer Arbeitnehmerin wunschgemäß in der Zeit vom 1. September 2013 bis zum 31. August 2015 unbezahlten Sonderurlaub. Nach dessen Beendigung verlangte die Mitarbeiterin die Gewährung des gesetzlichen Mindesturlaubs von 20 Arbeitstagen für das Jahr 2014.Wie bereits die Vorinstanzen verneinte das Bundesarbeitsgericht einen derartigen Urlaubsanspruch. Befindet sich ein Arbeitnehmer im Urlaubsjahr ganz oder teilweise im unbezahlten Sonderurlaub, ist bei der Berechnung der Urlaubsdauer zu berücksichtigen, dass die Arbeitsvertragsparteien ihre Hauptleistungspflichten durch die Vereinbarung von Sonderurlaub vorübergehend ausgesetzt haben. Dies führt dazu, dass einem Arbeitnehmer für ein Kalenderjahr, in dem er sich durchgehend im unbezahlten Sonderurlaub befindet, mangels einer Arbeitspflicht kein Anspruch auf Erholungsurlaub zusteht.Urteil des BAG vom 19.03.20199 AZR 315/17Pressemitteilung des BAG
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Neuer Betriebsrat muss schnell reagieren
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat sich mit der Frage des Mitbestimmungsrechts eines im Unternehmen neu eingerichteten Betriebsrats befasst, wenn der Arbeitgeber zwar schon vor der Wahl des Betriebsrats eine Maßnahme beschlossen, diese aber erst nach Bestehen des Betriebsrats umgesetzt hat.Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist auf den Zeitpunkt des Entstehens der Beteiligungsrechte und auf die Existenz eines Betriebsrats zu diesem Zeitpunkt abzustellen. Grundsätzlich hat der Betriebsrat somit kein Mitbestimmungsrecht, wenn die Maßnahme vor seiner Gründung beschlossen wurde. Ist sie nach seiner Gründung noch nicht umgesetzt (hier Gewährung von Sonderzahlungen), muss der Betriebsrat, wenn er von der Maßnahme erfährt, zeitnah geltend machen, dass er hinsichtlich der Umsetzung von seinem Mitbestimmungsrecht Gebrauch machen will.Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg vom 05.07.201826 TaBV 1146/17ArbR 2019, 132
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Auskunftsanspruch des Betriebsrats über Arbeitsunfälle von Fremdpersonal
Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber verlangen, auch über Arbeitsunfälle unterrichtet zu werden, die Beschäftigte eines anderen Unternehmens im Zusammenhang mit der Nutzung der betrieblichen Infrastruktur des Arbeitgebers erleiden. Das Bundesarbeitsgericht begründet seine Entscheidung damit, dass aus den Arbeitsunfällen des Fremdpersonals arbeitsschutzrelevante Erkenntnisse für die betriebszugehörigen Arbeitnehmer gewonnen werden könnten.Beschluss des BAG vom 12.03.20191 ABR 48/17EzA-SD 2018, Nr. 8, 11
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Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Mehrarbeitsanordnung im Arbeitskampf
Die einseitige Anordnung von vorübergehender Mehrarbeit durch den Arbeitgeber während einer von Warnstreiks begleiteten Verhandlungsphase der Tarifvertragsparteien unterliegt dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Nach Meinung des Bundesarbeitsgerichts handelt es sich bei dieser Maßnahme nicht um eine das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausschließende Arbeitskampfmaßnahme des Arbeitgebers, die den Auswirkungen streikbedingter Arbeitsniederlegungen entgegenwirken soll.Beschluss des BAG vom 20.03.20181 ABR 70/16DB 2018, 1992
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Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf Tarifverträge
Eine Vereinbarung in einem individuell ausgehandelten Arbeitsvertrag, in dem auf die jeweils geltenden Tarifverträge einer bestimmten Branche Bezug genommen wird, ist dahingehend auszulegen, dass es sich dabei in der Regel um eine Bezugnahme auf die entsprechenden Flächentarifverträge handelt. Daher werden Haustarifverträge eines einzelnen Arbeitgebers von dieser Regelung nicht erfasst.Urteil des BAG vom 11.07.20184 AZR 533/17jurisPR-ArbR 8/2019 Anm. 5
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Verfall von Urlaubsansprüchen: Obliegenheiten des Arbeitgebers
Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub erlischt in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahrs, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Das Bundesarbeitsgericht hat mit diesem Grundsatzurteil eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 06.11.2018 (AZ: C-684/16) umgesetzt.Urteil des BAG vom 19.02.20199 AZR 541/15Pressemitteilung des BAG
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Gründungszuschuss entfällt bei Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung
Geht der Bezieher des Gründungszuschusses für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit während der Bezugszeit ein Vollzeitbeschäftigungsverhältnis ein, hat er das der zuständigen Stelle mitzuteilen. Unterlässt er dies, muss er die erhaltene Förderung zurückzahlen.Zweck des Gründungszuschusses ist es, den Lebensunterhalt und die soziale Absicherung des Selbstständigen zu gewährleisten. Dieser Zweck entfällt mit der Aufnahme einer nicht selbstständigen Arbeit, die in dem vom Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen entschiedenen Fall eines Softwareentwicklers mit monatlich circa 5.500 Euro zudem überdurchschnittlich honoriert wurde.Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 29.11.2018L 9 AL 260/17JURIS online
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BAG bestätigt: Erben haben Anspruch auf Urlaubsabgeltung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass Erben Anspruch auf Abgeltung des von dem Erblasser nicht genommenen Urlaubs haben. Der Abgeltungsanspruch der Erben umfasst dabei nicht nur den Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub von 24 Werktagen, sondern auch den Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen sowie den Anspruch auf Urlaub nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD), der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt.Die höchsten deutschen Arbeitsrichter folgen damit der Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu dieser Rechtsfrage (Urteile des EuGH vom 06.11.2018, C-619/16 und C-684/16).Urteil des BAG vom 22.01.20199 AZR 45/16Pressemitteilung des BAG
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Zwangsvollstreckung eines titulierten Beschäftigungsanspruchs
Hat das Arbeitsgericht der Klage eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber, ihn bis zur Abänderung oder Aufhebung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung über eine Kündigung weiterzubeschäftigen, stattgegeben, kann dieser Anspruch im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden (§ 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).Ein Arbeitgeber kann sich dem im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage nicht mit der Begründung erfolgreich widersetzen, ihm sei die Erfüllung eines rechtskräftig zuerkannten Beschäftigungsanspruchs auf einen konkreten Arbeitsplatz wegen dessen Wegfalls unmöglich, wenn er den Beschäftigungsanspruch durch Zuweisung einer anderen vertragsgemäßen Tätigkeit erfüllen könnte.Urteil des BAG vom 21.03.201810 AZR 560/16DB 2018, 1802
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Eingeschränktes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Rauchverbot im Betrieb
Dem Betriebsrat steht bei einseitigen Regelungen des Arbeitgebers zum Rauchen im Betrieb gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7 BetrVG grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht zu. Der Betriebsrat hat jedoch kein Mitbestimmungsrecht, wenn es für den Arbeitgeber keinen Regelungsspielraum gibt, weil sich das Rauchverbot aus zwingenden rechtlichen Vorgaben (z.B. einer Brandschutzverordnung) ergibt oder er aufgrund einer behördlichen Anordnung verpflichtet ist, bestimmte Maßnahmen vorzunehmen bzw. zu unterlassen.Beschluss des LAG Mainz vom 20.09.20185 TaBV 13/18jurisPR-ArbR 4/2019 Anm. 3
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Aufhebungsvertrag in Privatwohnung kein Haustürgeschäft
Der Gesetzgeber hat in § 312 Abs. 1 i.V.m. § 312g BGB Verbrauchern bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden sind (sogenannte Haustürgeschäfte), ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB eingeräumt. Zwar sind auch Arbeitnehmer Verbraucher, im Gesetzgebungsverfahren ist jedoch der Wille des Gesetzgebers deutlich geworden, arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge nicht in den Anwendungsbereich dieser Vorschriften einzubeziehen. Das Bundesarbeitsgericht verneinte daher ein Widerrufsrecht des Arbeitnehmers, wenn der Aufhebungsvertrag krankheitsbedingt in seiner Wohnung abgeschlossen wurde.Allerdings ist stets zu prüfen, ob das Gebot fairen Verhandelns vor Abschluss des Aufhebungsvertrags beachtet wurde. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine krankheitsbedingte Schwäche des Arbeitnehmers bewusst ausgenutzt wird.Urteil des BAG vom 07.02.20196 AZR 75/18Pressemitteilung des BAG
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Einsichtsrecht des Betriebsrats in nicht anonymisierte Lohn- und Gehaltslisten
Zur effektiven Wahrnehmung seiner Überwachungsrechte aus § 80 Abs. 1 BetrVG sind dem Betriebsrat auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. In diesem Rahmen ist der Betriebsrat auch berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen (§ 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG.Für das Landesarbeitsgericht Hannover hat der Betriebsrat nach dieser Regelung auch das Recht, in die nicht anonymisierten Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen.Beschluss des LAG Hannover vom 22.10.201812 TaBV 23/18ArbR 2019, 51
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Keine sachgrundlose Befristung auch bei lange zurückliegendem früherem Arbeitsverhältnis
Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Die frühere Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts, eine erneute Befristung sei nach Ablauf von drei Jahren zulässig, wurde vom Bundesverfassungsgericht (AZ: 1 BvL 7/14 u.a.) gekippt.Nun haben die Richter am Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags selbst dann nicht zulässig ist, wenn zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bereits acht Jahre zuvor ein Arbeitsverhältnis von etwa eineinhalbjähriger Dauer bestanden hat, das eine vergleichbare Arbeitsaufgabe zum Gegenstand hatte. Das Verbot der sachgrundlosen Befristung kann danach nur unzumutbar sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet oder von sehr kurzer Dauer war. Acht Jahre jedenfalls werden nach dieser Entscheidung noch nicht als "sehr lange" angesehen.Urteil des BAG vom 23.01.20197 AZR 733/16Pressemitteilung des BAG
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Offene Videoüberwachung auch nach mehreren Monaten verwertbar
Die Speicherung von Aufnahmen aus einer zulässigen offenen Videoüberwachung, die vorsätzliche Handlungen eines Arbeitnehmers zulasten des Eigentums des Arbeitgebers zeigen, wird nicht durch bloßen Zeitablauf unverhältnismäßig.In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte der Inhaber eines Tabak- und Zeitschriftenladens mit Lottoannahmestelle zum Schutz vor Diebstählen eine offene Videoüberwachung installiert. Die Auswertung von circa vier Monate zurückliegenden Aufnahmesequenzen ergab, dass eine Verkäuferin mehrmals unrechtmäßig "in die Kasse gegriffen" hatte. Das Gericht bestätigte die daraufhin ausgesprochene fristlose Kündigung. Der Umstand, dass die zur Beweisführung herangezogene Videoaufnahme mehrere Monate zurücklag, führte nicht zu einem Verwertungsverbot im Kündigungsschutzverfahren.Urteil des BAG vom 23.08.20182 AZR 133/18NZA 2018, 1329
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"Entwendung" von wertlosem Abfall als Kündigungsgrund
Der Arbeitgeber kann eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung aussprechen, wenn der Arbeitnehmer entgegen einer dienstlichen Weisung an sich "völlig wertlose" Gegenstände, die sonst im Müll entsorgt worden wären, für sich verwendet. In dem vom Landesarbeitsgericht Mainz entschiedenen Fall hatte eine in einem Alten- und Pflegeheim beschäftigte Küchenhilfe gegen die Weisung des Arbeitgebers, wonach von den Heimbewohnern nicht verzehrte Lebensmittel vom Personal nicht für sich verwendet werden dürfen, verstoßen, indem sie zwei von einem Bewohner nicht verzehrte Donuts selbst aß. Das Gericht sah darin ein "erhebliches Fehlverhalten", das das "Vertrauen in die Redlichkeit der Mitarbeiterin zerstört" habe und erklärte die ordentliche Kündigung für wirksam. Die zugleich ausgesprochene außerordentliche Kündigung hatte hingegen keinen Bestand.Hinweis: Das Urteil stößt in Fachkreisen auf erhebliche Kritik. Vielfach wird die Auffassung vertreten, dass die Weisung des Arbeitgebers als unethisch und möglicherweise sogar sittenwidrig anzusehen ist, was vom Landesarbeitsgericht Mainz überhaupt nicht geprüft wurde. Anders als in dem bekannten "Emmely-Fall" handelte es sich nicht nur um "geringwertige" Sachen, sondern unstreitig um "völlig wertlose" Gegenstände, die überdies von einer Geringverdienerin verwendet wurden. Auf völliges Unverständnis stieß zudem die Nichtzulassung der Revision, sodass es zu keiner Überprüfung durch das Bundesarbeitsgericht kommen kann.Urteil des LAG Mainz vom 08.08.20184 Sa 84/17jurisPR-ArbR 5/2019 Anm. 7
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Zulässigkeit einer Streikbruchprämie
Die Zusage einer Streikbruchprämie vor oder während des Arbeitskampfes stellt ein grundsätzlich zulässiges Arbeitskampfmittel dar. Dies gilt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts auch dann, wenn die Streikbruchprämie mit 100 Euro pro Tag den Tagesverdienst des Streikenden erheblich übersteigt.Urteil des BAG vom 14.08.20181 AZR 287/17AuA 2018, 510
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Kein Verfall des Entgeltfortzahlungsanspruchs im Krankheitsfall in Höhe des Mindestlohns wegen Fristablaufs
Nach § 3 Abs. 1 MiLoG (Mindestlohngesetz) sind Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam. Diese Regelung hat auch Auswirkungen auf den Anspruch von Arbeitnehmern auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. So kann der Mindestlohnanspruch nicht wegen einer tarifvertraglich geregelten Ausschlussfrist (hier BRTV-Bau), wonach die Entgeltfortzahlung verfällt, wenn diese nicht innerhalb einer bestimmten Frist geltend gemacht wird, beschränkt werden. Eine derartige Ausschlussfrist ist somit in Höhe des Mindestlohnanspruchs unwirksam.Urteil des BAG vom 20.06.20185 AZR 377/17BB 2018, 2941
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Unfall bei Betriebsfußballturnier am Wochenende
Einem Arbeitnehmer, der bei der Teilnahme an einem Betriebsfußballturnier eine Verletzung erleidet, steht kein Anspruch gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung zu, wenn die Sportveranstaltung am Wochenende und unter nicht unerheblichem finanziellem Eigenaufwand der Teilnehmer stattgefunden hat und auch Betriebsfremden offenstand.Urteil des SG Dresden vom 04.10.2018S 5 U 47/18JURIS online
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Keine einseitige Zuweisung von Telearbeit
Das arbeitsvertragliche Weisungsrecht des Arbeitgebers berechtigt diesen nicht, einem Arbeitnehmer gegen seinen Willen einen Telearbeitsplatz zuzuweisen. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts unterscheidet sich Telearbeit in erheblicher Weise von einer Tätigkeit, die in einer Betriebsstätte zu verrichten ist. Verweigert der betroffene Arbeitnehmer diese gravierende Veränderung seiner Arbeitsbedingungen, kann ihm deshalb nicht gekündigt werden.Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 10.10.201817 Sa 562/18ZBVR online 2019, Nr. 1, 26
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Unzulässiges Teilzeitverlangen eines Arbeitnehmers
Ein angestellter Pilot beantragte bei seinem Arbeitgeber eine Reduzierung seiner Arbeitszeit um 7,7 % auf 92,3 % der Vollarbeitszeit. Die Reduzierung sollte durch eine jährliche Freistellung an 28 zusammenhängenden Tagen, jeweils beginnend mit den jährlichen Sommerschulferien in Nordrhein-Westfalen, erfolgen. Der Arbeitgeber lehnte dies mit dem Hinweis auf das in einer Betriebsvereinbarung zur Urlaubsvergabe niedergelegte betriebliche Organisationskonzept zur gerechten Verteilung von Urlaubs-und Freizeitwünschen auf alle Mitarbeiter ab.Dem Teilzeitbegehren nach § 8 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) stand der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Der Pilot wollte seine formale Rechtsposition dazu ausnutzen, einen Freistellungsanspruch während der als Urlaubszeit besonders begehrten Schulsommerferien durchzusetzen, ohne sich mit den Urlaubswünschen anderer Arbeitnehmer abstimmen zu müssen. Der Arbeitgeber durfte sein Teilzeitverlangen somit ablehnen.Urteil des LAG Köln vom 18.01.20187 Sa 365/17AA 2018, 180
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Vermittlungsprovision des Personaldienstleisters bei Übernahme von Zeitarbeitnehmern
Ein Personaldienstleister schloss mit dem Kunden einen schriftlichen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ab, der u.a. folgende Bestimmung vorsah: "Stellt der Entleiher während der Überlassung oder in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang nach Beendigung der Überlassung den überlassenen Mitarbeiter ein, so gilt dies als Personalvermittlung des Verleihers. Berechnungsgrundlage hierfür ist der Bruttostundenlohn des überlassenen und übernommenen Mitarbeiters zzgl. jeweils gültiger USt." Es folgte eine nach der Überlassungsdauer quartalsweise degressive Staffelung der Höhe der Vermittlungsprovision (bis 3 Monate 2 Bruttomonatsgehälter usw., ab 12 Monate keine Provision).Das Landgericht Aachen entschied, dass nach dieser Vereinbarung der Kunde auch dann verpflichtet ist, dem Personaldienstleister eine Vermittlungsprovision zu zahlen, wenn der Kunde mit dem ihm überlassenen Zeitarbeitnehmer einen Arbeitsvertrag abschließt und der Personaldienstleister das mit dem Zeitarbeitnehmer bestehende Arbeitsverhältnis bereits vorher gekündigt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei derartigen Vereinbarungen zu beachten, dass die Vermittlungsprovision zwei Bruttomonatsgehälter nicht übersteigen darf. Diese Grenze war in dem entschiedenen Fall nicht überschritten.Urteil des LG Aachen vom 06.04.20188 O 243/17jurisPR-ArbR 50/2018 Anm. 4
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Annahmeverzug: Berücksichtigung von Fortbildungskosten auf anderweitigen Erwerb
Gerät der Arbeitgeber z.B. nach Ausspruch einer unwirksamen Kündigung in Annahmeverzug, kann der Arbeitnehmer gleichwohl die vereinbarte Vergütung verlangen. Nach § 11, Nr. 1 KSchG muss er sich allerdings anrechnen lassen, was er anderweitig verdient hat oder hätte verdienen können.Von dem anderweitigen Verdienst kann der Arbeitnehmer jedoch die zur Erzielung des Verdienstes erforderlichen Aufwendungen in Abzug bringen. Dies gilt jedoch nur für Aufwendungen, die im Rahmen der vorhandenen Qualifikation des Arbeitnehmers zur Fortführung einer fachkundigen Erwerbstätigkeit erforderlich sind. Nicht berücksichtigungsfähig sind dagegen Aufwendungen, die seine Qualifikation erhöhen, ohne dass hierfür ein Bedarf hinsichtlich der Ausübung der bisherigen Tätigkeit bestünde.Urteil des BAG vom 02.10.20185 AZR 376/17NZA 2018, 1544
Architekten- und Baurecht
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Bauhandwerker muss Funktionsfähigkeit des Vorgewerks prüfen
Ein Handwerker haftet auch dann für Baumängel, wenn das Werk die vereinbarte Funktion allein aus dem Grunde nicht erfüllt, dass die vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Leistungen anderer Unternehmer, von denen die Funktionsfähigkeit des Werks abhängt, unzureichend sind, er eine ausreichende Prüfung des Vorgewerks unterlassen und dem Auftraggeber die sich daran anschließenden Bedenken nicht mitgeteilt hat.Urteil des OLG Oldenburg vom 21.08.20182 U 62/18BauR 2019, 114
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Haustürgeschäft: Widerrufsrecht bei Werkvertrag
Eine Installationsfirma machte dem Eigentümer eines Einfamilienhauses nach Beseitigung eines Defekts verschiedene Angebote zur Umstellung der Heizung von Öl auf Gas und übergab hierzu mehrere Kostenvoranschläge. Einige Tage später führten die Monteure in dem Anwesen Arbeiten an der bestehenden Heizungsanlage durch, wurden dann jedoch angewiesen, die Arbeiten einzustellen. In der Folge war strittig, ob eine wirksame Auftragserteilung erfolgt war. Diese Frage konnte letztlich offen bleiben. Der Hauseigentümer machte nämlich von seinem Widerrufsrecht Gebrauch, da die fragliche Auftragserteilung bei ihm zu Hause erfolgte, nachdem er die Installationsfirma wegen des Defekts in sein Haus gerufen hatte, und somit ein sogenanntes Haustürgeschäft vorlag.Das Landgericht Coburg vertrat die Auffassung, dass es dem Unternehmer bei Verträgen wie dem hier behaupteten zuzumuten war, zunächst das Ende der Widerrufsfrist abzuwarten und erst dann mit seinen Arbeiten zu beginnen. Zwar gilt das nicht für dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten, die auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers durchgeführt werden. Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall. Da es der Handwerker auch unterlassen hatte, den Kunden auf sein Widerrufsrecht hinzuweisen, konnte das Widerrufsrecht auch noch nach der gesetzlichen 14-Tage-Frist ausgeübt werden. Im Ergebnis wies das Gericht die Zahlungsklage der Installationsfirma ab.Urteil des LG Coburg vom 09.08.201821 O 175/18Justiz Bayern online
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Beweislastverteilung im Bauprozess bei verweigerter Abnahme
Im Verlauf von Bauarbeiten kam es zu Streitigkeiten zwischen dem Bauherrn und einzelnen Unternehmern. Die Durchführung der Bauarbeiten verzögerte sich deutlich gegenüber den ursprünglichen Planungen. Zahlreiche Gewerke konnten den Terminplan und den im jeweiligen Vertrag angegebenen Fertigstellungstermin nicht einhalten. Der Bauherr warf dem beauftragten Architekt vor, die Rechnungen diverser Gewerke nicht pflichtgemäß geprüft zu haben, was dieser bestritt. Im darauffolgenden Prozess verlangte der Architekt die vereinbarte Vergütung. Der Bauherr verlangte den Ersatz des entstandenen Schadens.Das Kammergericht Berlin hatte sich mit der Frage zu befassen, wer in derartigen Fällen die Beweislast zu tragen hat, und dazu Folgendes ausgeführt: Nimmt der Besteller eines Werks den Unternehmer aus §§ 280 oder 281 BGB auf Schadensersatz wegen Mängeln in Anspruch, ohne die Leistung abgenommen zu haben, hat der Unternehmer (hier der Architekt) darzulegen und zu beweisen, dass er den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hat. Kann er diesen Beweis nicht führen, hat der Besteller darzulegen, welcher Schaden ihm daraus entstanden ist.Urteil des KG Berlin vom 28.08.201821 U 24/16BauR 2019, 131
Bankrecht
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Entgeltklausel für Bankauskünfte zulässig
Insbesondere gewerbliche Bankkunden benötigen bisweilen eine Bankauskunft über ihre Zahlungsfähigkeit und Kreditwürdigkeit für eigene Zwecke, insbesondere wenn sie einem Dritten ihre Bonität nachweisen müssen. Hierfür erheben Kreditinstitute in der Regel gesonderte Gebühren.Das Oberlandesgericht Frankfurt hält eine Entgeltklausel für Bankauskünfte in Höhe eines Betrags von 25 Euro für rechtlich unbedenklich, da es sich bei der Auskunftserteilung durch die Bank um eine zusätzliche Leistung handelt, die von sonstigen Gebühren, z.B. für Kontoführung etc., nicht abgedeckt ist.Urteil des OLG Frankfurt vom 24.05.201910 U 5/18JURIS online
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Versteckte Gebühr für Beratungsleistung in Darlehensvertrag
Der Bundesgerichtshof erklärte die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Unternehmensdarlehensvertrags enthaltene Klausel über "als Entgelt für individuelle Beratungsleistung" bezeichnete Bearbeitungsgebühren als mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar und wegen unangemessener Benachteiligung für unwirksam.Im eigentlichen Darlehensvertrag hatten sich keinerlei Hinweise auf die Erhebung zusätzlicher Kosten gefunden. Erst in den AGB war das "einmalige Entgelt i.H.v. … Euro (0,5 % vom Darlehensnennbetrag)" aufgeführt, das auch bei "vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens nicht - auch nicht teilweise erstattet" werden sollte.Urteil des BGH vom 19.02.2019XI ZR 562/17ZIP 2019, 698
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Keine Bankenhaftung bei Fehlbuchung infolge Diskrepanz von IBAN und Empfängername
Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) haftet nach der einschlägigen EU-Richtlinie eine Empfängerbank nicht für eine Fehlleitung einer Überweisung, die darauf beruht, dass in dem Überweisungsauftrag die angegebene IBAN nicht mit dem Empfänger übereinstimmt.Urteil des EuGH vom 21.03.2019C-245/18WM 2019, 1006
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Kein Auskunftsanspruch gegenüber Bank bei Fehlleitung einer Steuererstattung durch Finanzamt
Überweist das Finanzamt infolge der versehentlichen Angabe einer falschen IBAN durch den Steuerpflichtigen eine Steuererstattung an einen unbekannten Dritten, steht dem Berechtigten kein direkter Auskunftsanspruch gegenüber der Empfängerbank über den Empfänger der fehlgeleiteten Zahlung zu, solange er nicht das Finanzamt vergeblich aufgefordert hat, die fehlgeleitete Überweisung zurückzuverlangen.Urteil des LG Frankfurt vom 08.06.20182-15 S 179/17GWR 2018, 375
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Schadensersatzansprüche der Bank nach Kündigung des Darlehensvertrags wegen Zahlungsverzugs
Stellt der Darlehensgeber ein Darlehen wegen Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers fällig und verlangt er die offene Darlehensvaluta in voller Höhe zurück, kann er - neben etwaigen Zahlungsrückständen - nur diese fordern und darauf im Falle des Verzugs nach den allgemeinen Vorschriften Verzugszinsen verlangen.Ist der Darlehensnehmer jedoch kein Verbraucher, ist die kreditgebende Bank auch berechtigt, statt der Rückführung der noch offenen Darlehensvaluta Schadensersatz in Form der Vorfälligkeitsentschädigung geltend zu machen, deren Höhe auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung zu berechnen ist. Der Kreditgeber kann somit die für ihn wirtschaftlich günstigste Abwicklung des gekündigten Darlehens wählen. Er kann verlangen, wirtschaftlich so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn der Darlehensnehmer den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte. Der Bundesgerichtshof weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass eine Vermischung von Rückforderung der offenen Darlehensvaluta und Schadensersatz ausgeschlossen ist.Urteil des BGH vom 20.02.2018XI ZR 445/17ZIP 2018, 821
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Verbraucherbegriff bei Kreditfinanzierung einer Vielzahl von Immobilien
Ein Darlehensnehmer, der Darlehensverträge zum Erwerb mehrerer Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 27 Wohneinheiten abschließt, ist nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Braunschweig nicht als Verbraucher, sondern als Unternehmer anzusehen. Ihm muss die kreditgebende Bank daher kein vertragliches Widerrufsrecht einräumen.Der rechtlichen Einordnung als Unternehmer stand auch nicht entgegen, dass der Darlehensnehmer kein eigenes Büro unterhielt und keine Hausverwaltung mit der Vermietung der Wohneinheiten beauftragt hatte. Der Einsatz von EDV ermöglicht es nämlich zahlreichen Unternehmern, auf die Vorhaltung spezieller Büroräume zu verzichten.Urteil des OLG Braunschweig vom 14.05.201811 U 31/18MDR 2018, 1450
Bau-, Miet- und Immobilienrecht
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Örtliche Zuständigkeit bei Ortsverschiedenheit der Bauvorhaben
Das Oberlandesgericht Hamm hatte sich mit dem zivilprozessualen Problem zu befassen, welches Gericht für die Geltendmachung einer Werklohnforderung örtlich zuständig ist, wenn das Bauvorhaben in verschiedenen Orten mit verschiedenen Gerichten liegt.Wird eine Zahlungsklage mit einer unterschiedliche Bauvorhaben betreffenden Forderung erhoben, bei der (nur) für eines der Bauvorhaben der Gerichtsstand des Erfüllungsortes begründet ist, kann das Gericht die Verfahren trennen und eine Verweisung für den Teil der Forderung veranlassen, für die das Gericht nicht zuständig ist. Erfolgt keine Verfahrenstrennung und verweist das angerufene Gericht den gesamten Rechtsstreit an ein anderes Gericht, kann das für die Gerichtsstandbestimmung zuständige Oberlandesgericht auf Antrag den Verweisungsbeschluss aufheben und die Sache an das zuerst befasste Gericht zurückgeben; es ist nicht an den vorangegangenen Verweisungsbeschluss gebunden.Beschluss des OLG Hamm vom 23.11.201832 SA 51/18jurisPR-PrivBauR 8/2019 Anm. 2
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Keine Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek bei öffentlich-rechtlichem Besteller
Die Vorschriften der §§ 650e, 650f BGB sollen den vorleistungspflichtigen Bauunternehmer durch Sicherheiten vor den Folgen der Insolvenz des zahlungspflichtigen Bestellers schützen, soweit ein Sicherungsinteresse besteht.Der Unternehmer kann für seine Forderungen aus dem Vertrag die Einräumung einer Sicherungshypothek an dem Baugrundstück des Bestellers jedoch dann nicht verlangen, wenn der Auftraggeber (Besteller) eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren unzulässig ist.Beschluss des OLG Köln vom 17.04.201916 U 20/19NJW-Spezial 2019, 430
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Verbindliche Mindest- und Höchstsätze der HOAI mit EU-Recht unvereinbar
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 2g und Abs. 3 der RL 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt dadurch verstoßen hat, dass sie verbindliche Honorare für Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren beibehalten hat.Die Entscheidung hat zur Folge, dass Vertragsparteien seit 2006 an irgendwelche Mindest- oder Höchstsätze, wie sie in der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) enthalten sind, nicht (mehr) gebunden sind; sie können selber wirksam frei vereinbaren, welches Honorar der Architekt/Ingenieur für seine Leistungen erhalten soll.Das Urteil wirft in der Praxis zahlreiche, bislang ungeklärte Rechtsfragen insbesondere über das Schicksal früher getroffener Vereinbarungen und Gerichtsentscheidungen auf, die von der Wirksamkeit der gesetzlichen Mindest- oder Höchstsätze ausgegangen sind. Hier ist die Einholung (fach)anwaltlichen Rates dringend geboten.Urteil des EuGH vom 04.07.2019C-377/17NZBau 2019, 511
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Schriftform des Gewerbemietvertrags
Gewerbemietverträge über eine längere Zeit als ein Jahr bedürfen der Schriftform. Ist diese nicht gewahrt, gilt der Vertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen (§ 550 BGB). Die Schriftform ist nicht eingehalten, wenn auf der Vermieterseite der Vertrag unter dem Firmenstempel der Vertreterin (Hausverwaltung) mit "i.A." unterzeichnet wird.Durch die Unterzeichnung des Mietvertrags mit dem vom Unterzeichnenden verwendete Kürzel "i.A." ist gerade nicht davon auszugehen, dass dieser Vertretende die Verantwortung für den Inhalt des Vertrags übernehmen wollte, sodass dessen Erklärung nur als solche eines reinen Erklärungsboten verstanden werden kann. Denn durch den Zusatz "i.A." ist deutlich gemacht worden, dass der Unterzeichnende keine eigene Erklärung als Vertreter abgeben wollte.Urteil des LG Berlin vom 07.11.201826 O 66/18ZMR 2019, 337
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Widerruf eines Maklervertrags nach vollständig erbrachter Leistung
Hat ein Immobilienmakler über seine Internetseite oder ein Immobilienportal eine Mietwohnung an einen Verbraucher vermittelt, besteht für ihn die Gefahr, dass der Kunde den Vertrag noch wirksam widerruft, nachdem ihm der Vermieter bekannt gegeben wurde. Dem Makler stünde dann keine Vermittlungsprovision zu.Dies kann der Makler nur dadurch vermeiden, dass er den Maklervertrag ohne Fernkommunikationsmittel i.S.v. § 312c Abs. 2 BGB in seinen Geschäftsräumen abschließt (vgl. § 312b Abs. 2 BGB) oder seinen Kunden korrekt über das Widerrufsrecht belehrt oder von einem Tätigwerden (Bekanntgabe des Vermieters) absieht, bevor die vierzehntägige Widerrufsfrist abgelaufen ist.Urteil des BGH vom 13.12.2018I ZR 51/17MDR 2019, 793
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Gerichtszuständigkeit für Klage auf Werklohn
Ein Bauhandwerker nahm seinen Auftraggeber auf Zahlung von Werklohn in Anspruch. Nach eingeleitetem Mahnverfahren und Widerspruch des Antragsgegners wurde der Rechtsstreit antragsgemäß an das Amtsgericht Dortmund verwiesen, den Ort, an dem die Werkleistung erbracht wurde. Das Amtsgericht Dortmund hielt sich jedoch für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Amtsgericht Berlin Tempelhof-Kreuzberg, wo der Auftraggeber seinen Firmensitz hatte. Dieses Gericht hielt sich ebenfalls für unzuständig und legte den Zuständigkeitsstreit dem Oberlandesgericht Hamm, in dessen Bezirk das Amtsgericht Dortmund liegt, zum Zweck der Zuständigkeitsbestimmung vor.Das Oberlandesgericht entschied, dass Erfüllungsort für die beiderseitigen Verpflichtungen aus einem Bauwerkvertrag regelmäßig der Ort des Bauwerks ist. Gleiches gilt für andere ortsbezogene, mit Bauleistungen vergleichbare Werkleistungen, wie z.B. Reparatur und Wartung einer Heizungsanlage. Dies ergibt sich aus der Regelung des besonderen Gerichtsstandes in § 29 ZPO, wonach für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen das Gericht des Ortes zuständig ist, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Die Ortsbezogenheit begründete somit die Gerichtszuständigkeit des Amtsgerichts Dortmund, an dem die Werkleistung erbracht wurde.Beschluss des OLG Hamm vom 18.10.2018I-32 SA 45/18ZAP EN-Nr. 111/2019
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Bemessung einer "Überbaurente"
Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden, es sei denn, dass er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat. Der Nachbar ist allerdings durch eine Geldrente zu entschädigen. Dies ist § in 912 BGB geregelt.Zur Bemessung des zu zahlenden Ausgleichs für die Duldung der Grenzüberschreitung stellt der Bundesgerichtshof klar, dass es nicht auf die konkreten Nutzungseinbußen ankommt, die der Eigentümer des überbauten Grundstücks erleidet. Vielmehr muss die Ermittlung allein auf der Grundlage des Verkehrswerts der überbauten Bodenfläche zur Zeit der Grenzüberschreitung vorgenommen werden. Daraus ist sodann die Rente als angemessene Verzinsung zu ermitteln.Urteil des BGH vom 12.10.2018V ZR 81/18Grundeigentum 2019, 118
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Fehlende CE-Kennzeichnung kein Baumangel
Ein Bauherr machte nach dem Einbau von Fenster- und Türelementen in einen Neubau unter anderem als Mangel geltend, dass die Einbauten keine CE-Kennzeichnung aufwiesen, wie in der Leistungsbeschreibung verlangt.Für das Oberlandesgericht Oldenburg begründet die CE-Kennzeichnung keinen Verwendbarkeitsnachweis für ein bestimmtes Bauprodukt in Bezug auf alle nationalen gesetzlichen Sicherheitsanforderungen. Die CE-Kennzeichnung bietet somit keinerlei Gewähr dafür, dass das Bauprodukt den nationalen durch Gesetz festgelegten Sicherheitsanforderungen entspricht.Nach diesen Grundsätzen folgt aus dem Umstand, dass ein Bauprodukt mit CE-Kennzeichnung verwendet wurde, jedenfalls kein Anscheinsbeweis dahingehend, dass dieses Bauprodukt die in Deutschland im Sinne des § 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BGB "übliche" Beschaffenheit aufweist. Genauso wenig führt aber das Verwenden eines Bauprodukts ohne CE-Kennzeichnung nach dem deutschen Werkvertragsrecht zu der unwiderleglichen Annahme einer mangelhaften Leistung oder einer tatsächlichen Vermutung, dass das Werk nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht.Urteil des OLG Oldenburg vom 04.09.20182 U 58/18NZBau 2019, 302
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BGH: Ende der fiktiven Mängelbeseitigungskosten
Der Bundesgerichtshof setzt seine neuere Rechtsprechung zur Geltendmachung fiktiver Mängelbeseitigungskosten dahingehend fort, dass ein Besteller, der den Mangel nicht beseitigen lässt, seinen Schaden nicht nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen kann.In derartigen Fällen kann der Schaden nur in der Weise festgestellt werden, dass im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel ermittelt wird.Urteil des BGH vom 06.12.2018VII ZR 71/15BauR 2019, 668
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Informationspflicht des Maklers bei Immobilienkauf
Der Makler verpflichtet sich in einem Vertrag über die Vermittlung einer Immobilie, dem Kaufinteressenten gegenüber diejenigen Informationen zu vermitteln, die ihn in die Lage versetzen, in konkrete Verhandlungen über den von ihm angestrebten Hauptvertrag zu treten. Durch den Maklervertrag wird zwischen dem Makler und dem Auftraggeber ein besonderes Treueverhältnis begründet, das den Makler verpflichtet, die Interessen des Auftraggebers im Rahmen des Zumutbaren zu wahren.Im Rahmen seiner Tätigkeit muss der Makler sowohl gegenüber dem Auftraggeber wie gegenüber Dritten alles unterlassen, was die Interessen seines Auftraggebers gefährden könnte, und alles vermeiden, was den angestrebten Vertragsschluss behindern würde. Art und Umfang der sich hieraus ergebenden Pflichten richten sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls. Hat der Makler seinem Kunden unzutreffende Angaben hinsichtlich Schallschutzmaßnahmen bei dem Kaufobjekt gemacht, ist er ihm zum Schadensersatz verpflichtet.Urteil des OLG Brandenburg vom 29.01.20196 U 65/17MietRB 2019, 107
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Mietaufhebungsvertrag trotz bestehenden Untermietverhältnisses
Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit können die Mietvertragsparteien unabhängig von der vereinbarten Mietzeit das Mietverhältnis jederzeit durch einen Aufhebungsvertrag vorzeitig beenden. Die Vereinbarung wird trotz eines bestehenden Untermietverhältnisses nicht wegen Sittenwidrigkeit unwirksam, wenn dem Hauptmieter ein Kündigungsrecht gegenüber dem Untermieter zusteht, mit dem er dessen Gebrauchsmöglichkeit zeitnah beenden kann.Urteil des BGH vom 18.04.2018XII ZR 76/17ZMR 2019, 121
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Ausübung einer Verlängerungsoption bei Zwangsverwaltung des vermieteten Gewerbeobjekts
Eine Option zur Verlängerung eines Gewerbemietvertrags ist während der für das vermietete Grundstück im Rahmen der Zwangsvollstreckung angeordneten Zwangsverwaltung gegenüber dem Zwangsverwalter auszuüben. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist die Ausübung einer Verlängerungsoption nicht schriftformbedürftig i.S.d. § 550 Satz 1 BGB. Im konkreten Fall genügte daher auch die Erklärung mittels eines Computerfaxes.Urteil des BGH vom 21.11.2018XII ZR 78/17WM 2019, 182
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Umfang der Mängelbeseitigung durch Bauhandwerker
Maßgeblich für den Umfang der vom Werkunternehmer im Fall eines Baumangels zu erbringenden Mängelbeseitigung ist das vertraglich geschuldete Werk. Diesen Zustand hat der Unternehmer herzustellen. Eine Mängelbeseitigung, die nicht den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführt, muss der Besteller (Bauherr) grundsätzlich nicht akzeptieren. Er muss sich von dem Bauhandwerker nicht darauf verweisen lassen, dass der durch eine nicht vertragsgemäße Nachbesserung verbleibende Minderwert durch einen Minderungsbetrag abgegolten wird.Beschluss des BGH vom 10.10.2018VII ZR 229/17BauR 2019, 255
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Prozessuale Sicherheitsleistung gemäß § 709 ZPO bei Urteil auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit
Will ein Gläubiger aus einem von ihm erwirkten Urteil die Zwangsvollstreckung betreiben, obwohl das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, kann das Gericht auf Antrag das Urteil gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar erklären. Die Sicherheitsleistung soll den Schuldner vor Schäden durch die Vollstreckung bewahren, wenn das Urteil in der Rechtsmittelinstanz wieder aufgehoben wird (§ 709 Satz 1 ZPO).Der Schaden, der durch die Sicherheitsleistung abgedeckt werden soll, ist im Fall der Vollstreckbarkeit eines Urteils auf Stellung einer Sicherheit nach § 650f BGB in Höhe der Bauhandwerkersicherheitsleistung zuzüglich mit rund 10 Prozent als Kostenzuschlag für mögliche weitere Vollstreckungsschäden zu bemessen.Urteil des OLG Hamm vom 09.01.201912 U 123/18NZBau 2019, 176
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Anforderungen an konkludente Abnahme der Architektenleistung (Genehmigungsplanung)
Das Oberlandesgericht Köln hat sich mit der Frage befasst, welche Leistung des Architekten zur Erfüllung der HOAI-Leistungsphase 4 (Genehmigungsplanung) erforderlich und ausreichend ist und wann von einer konkludenten Abnahme der zu erbringenden Leistungen durch den Bauherrn auszugehen ist.Ist der Architekt mit der Planung bis zur Genehmigung des Bauvorhabens beauftragt, so liegt in der Einreichung der Planungsunterlagen durch den Bauherrn im Rahmen des Baugenehmigungsantrages die Abnahme der Architektenleistung. Das gilt jedenfalls dann, wenn dieser die Schlussrechnung des Architekten vorbehaltlos begleicht. Darauf, dass das Bauamt auf der Grundlage der eingereichten und auch genehmigungsfähigen Planungsunterlagen auch tatsächlich eine Baugenehmigung erteilt, hat der Architekt keinen Einfluss. Sofern nichts anderes vereinbart ist, fällt dies in die Risikosphäre des Bauherrn, der seinen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung notfalls im Klageweg durchsetzen muss.Beschluss des OLG Köln vom 21.02.201916 U 140/18NJW-Spezial 2019, 333
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Schadensersatz bei Beschädigung eines Gewerbeobjekts
Der Mieter von Geschäftsräumen hatte eine eingebaute und im Eigentum der Vermieterin stehende Verkaufstheke abgebaut und verkauft. Die Kosten für die Wiederherstellung der Theke in Höhe von etwa 2.500 Euro verlangte der Vermieter von dem Mieter ersetzt.Das Oberlandesgericht Zweibrücken sprach dem Vermieter dem Grunde nach einen Anspruch auf Schadensersatz zu. Dieser besteht jedoch nicht in Höhe der Wiederherstellungskosten. Da die eingebaute und später abgebaute Verkaufstheke ein wesentlicher Bestandteil des Gebäudes war, richtet sich der Schadensersatzanspruch lediglich auf den Ersatz der Wertminderung des Gewerbeobjekts. Der Schaden bemisst sich in diesem Fall nach der Differenz des Verkehrs- bzw. Mietwerts der Räumlichkeiten vor und nach Abbau der Theke.Urteil des OLG Zweibrücken vom 10.04.20191 U 101/17ZInsO 2019, 1073
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Unwirksame Übertragung der Schönheitsreparaturpflicht bei unrenoviert übergebenen Gewerbemieträumen
Eine Klausel in einem Formularmietvertrag, die dem Mieter laufende Schönheitsreparaturen aufbürdet, ist nach ständiger Rechtsprechung dann unwirksam, wenn der Mieter die Wohnung in unrenoviertem bzw. stark renovierungsbedürftigem Zustand übernommen hat.Das Oberlandesgericht Dresden hat entschieden, dass diese Grundsätze auch für gewerbliche Mietverhältnisse gelten. Eine solche Schönheitsreparaturklausel weicht in für den Mieter unangemessener Art und Weise von der vertraglichen Regelung ab, indem sie dem Mieter die Beseitigung von ihm nicht zu vertretender Abnutzungserscheinungen auferlegt, ohne ihm dafür eine Kompensation zu gewähren. Auch ein gewerblicher Mieter kann nicht verpflichtet werden, im Falle der Renovierung die Mieträume in einem besseren Zustand an den Vermieter zurückzugeben, als diese zum Zeitpunkt der Übergabe an ihn hatten.Beschluss des OLG Dresden vom 06.03.20195 U 1613/18Grundeigentum 2019, 597
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Beseitigung eines Baumangels bei Mithaftung des Architekten
Haften Werkunternehmer und Architekt gesamtschuldnerisch für einen Baumangel und wird dieser von dem Unternehmer beseitigt, ohne sich gegenüber dem Besteller auf ein Mitverschulden des planenden Architekten zu berufen, wird dadurch der Architekt von seiner Haftung gegenüber dem Besteller frei. Dem Werkunternehmer steht in diesem Fall gegenüber dem Architekten ein Ausgleichsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu.Urteil des OLG Köln vom 19.12.201811 U 110/16IBR 2019, 204
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Verjährungsfrist bei Beratervertrag über Installation von Fotovoltaikanlagen auf Gebäude
Der Erwerber eines Bürogebäudes schloss im Rahmen der Gebäudesanierung und des Umbaus in ein Studentenwohnheim im Jahr 2001 mit einem Versorgungsunternehmen neben einem Energieberatungsvertrag einen Vertrag über die Planung einer in die Fassade integrierten Fotovoltaikanlage und deren Bauüberwachung. Nach Fertigstellung stellte sich heraus, dass die Anlage nicht den im Energieberatungsbericht prognostizierten Ertrag erbrachte. Im Jahr 2005 erhob der Auftraggeber Schadensersatzklage gegen das Versorgungsunternehmen. Dieses machte die Einrede der Verjährung geltend.Anders als die Vorinstanzen hielt der Bundesgerichtshof die Ansprüche nicht für verjährt. Bei einem Vertrag über Planungs- und Überwachungsleistungen für den Einbau einer in die Fassade integrierten Fotovoltaikanlage im Rahmen der grundlegenden Umgestaltung eines Bürogebäudes ist die Vorschrift des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB anwendbar, nach der bei einem Bauwerk und einem Werk, dessen Erfolg in der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen besteht, Ansprüche des Auftraggebers erst nach fünf Jahren verjähren. Von derartigen Planungs- und Überwachungsleistungen ist dabei nicht nur bei der Neuerrichtung eines Bauwerks, sondern auch - wie hier - bei einer grundlegenden Erneuerung eines Gebäudes auszugehen.Urteil des BGH vom 10.01.2019VII ZR 184/17BauR 2019, 850
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Zeitliche Begrenzung der Anordnung von Nachträgen durch Bauherrn
Das Oberlandesgericht Hamm hatte sich mit den Fragen zu befassen, wie lange durch den Auftraggeber eines Bauvertrags Nachträge angeordnet werden können und wann das Erfüllungsstadium eines Bauvertrags endet, wenn es nicht zur Abnahme kommt.Das in § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B geregelte Anweisungsrecht des Auftraggebers besteht zeitlich nicht unbegrenzt, sondern nur im werkvertraglichen Erfüllungsstadium. Dieses endet regelmäßig mit der Abnahme des Werks. Unterbleibt eine Abnahme, endet die Herstellungsverpflichtung des Werkunternehmers nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, wenn der Auftraggeber zur Abnahme verpflichtet ist und diese grundlos verweigert.Urteil des OLG Hamm vom 18.01.201912 U 54/18NJW-Spezial 2019, 206
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Ersatzansprüche des Auftragnehmers bei Stillstand der Bauarbeiten
Ist bei der Herstellung des Werkes eine Handlung des Bestellers erforderlich, so kann der Unternehmer gemäß § 642 BGB eine angemessene Entschädigung für die Produktionsmittel zur Herstellung der Werkleistung wie Personal, Geräte und Kapital verlangen, wenn der Besteller durch das Unterlassen der Handlung in Verzug der Annahme kommt.Einem Werkunternehmer, der während des Annahmeverzugs des Bestellers (hier wegen einer bauseits verursachten Verzögerung der Bauarbeiten) seine Vergütung nicht wie vorgesehen erwirtschaften kann, steht grundsätzlich keine Entschädigung für diesen Umsatznachteil zu. Macht er einen Schaden für den Vorhalt von Arbeitskräften während dieses Annahmeverzugs geltend, so hat er darzulegen und zu beweisen, dass er die Arbeitskräfte im fraglichen Zeitraum nicht anderweitig einsetzen konnte.Zeigt der Besteller dem Unternehmer die Umstände an, die seinen Annahmeverzug begründen, so ist nach Auffassung des Kammergerichts Berlin eine derartige Verzugsmitteilung in aller Regel rechtlich als eine Leistungsänderung gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B anzusehen, mit der Folge, dass dem Unternehmer ein Mehrvergütungsanspruch nach dieser Vorschrift zustehen kann. Im Unterschied zu § 642 BGB gewährt § 2 Abs. 5 VOB/B auch eine Mehrvergütung für annahmeverzugsbedingte Kostensteigerungen.Urteil des KG Berlin vom 29.01.201921 U 122/18jurisPR-PrivBauR 5/2019 Anm. 1
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Wirksamkeit der Vermieterkündigung eines langfristigen Gewerbemietvertrags
Der Vermieter von Gewerberäumen und ein wirtschaftlicher Verein, dem gemäß § 22 BGB Rechtsfähigkeit erteilt wurde, schlossen im Jahr 2014 einen bis 2019 befristeten Mietvertrag. Der Verein wurde grundsätzlich durch drei Geschäftsführer vertreten. Im Jahr 2017 machte der Vermieter geltend, der Mietvertrag und ein später vereinbarter Nachtrag sei nur von zwei der drei Geschäftsführer unterzeichnet worden, obwohl im Rubrum des Vertrags alle drei Geschäftsführer aufgeführt waren. Dies stelle einen Verstoß gegen die bei langfristigen Mietverträgen zwingende Schriftform dar und erlaube die vorzeitige Kündigung des Vertrags.Das Oberlandesgericht Rostock, das über die Rechtmäßigkeit der vom Vermieter ausgesprochenen vorzeitigen Kündigung zu entscheiden hatte, gab dem Mieter Recht. Bei einer fest vereinbarten Mietzeit steht dem beklagten Vermieter kein Recht zur ordentlichen Kündigung zu. Dass der Mietvertrag und der Nachtrag lediglich von zwei der drei Geschäftsführer des Mieters unterzeichnet wurden, stand hier der Einhaltung der Schriftform nicht entgegen.Beschluss des OLG Rostock vom 12.07.20183 U 23/18JURIS online
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Außerordentliche Kündigung eines Mietvertrags über Hotel
Der Vermieter eines Hotels darf den Mietvertrag außerordentlich kündigen, wenn der Mieter über mehrere Monate keine Miete gezahlt hat, auch wenn der Vermieter seiner vertraglichen Pflicht zur Verlegung eines Laminatbodens in den Hotelzimmern nicht nachgekommen ist. Das Landgericht Koblenz bejahte zwar ein Minderungsrecht des Mieters. Da die Hotelzimmer jedoch auch im Originalzustand, also mit dem vorhandenen Teppichboden - möglicherweise zu einem geringeren Preis - vermietbar gewesen wären, durfte er die Mietzahlungen nicht komplett einstellen. Die ausgesprochene Kündigung des Vermieters erwies sich danach als rechtmäßig.Urteil des LG Koblenz vom 02.04.20199 O 185/18Pressemitteilung des LG Koblenz
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Holzwurm im Gebälk eines Fachwerkhauses
Hat der Eigentümer eines Fachwerkhauses einen Schädlingsbefall im Dachgebälk des Hauses nur unzureichend bekämpft, muss er bei einem 15 Jahre später erfolgten Verkauf den Käufer auf den Schädlingsbefall hinweisen. Unterlässt er dies, liegt nach Auffassung des Oberlandesgerichts Braunschweig ein Fall der arglistigen Täuschung vor, der den Käufer zum Rücktritt vom Vertrag und zum Schadensersatz berechtigt. Der Verkäufer kann sich in diesem Fall auch nicht auf einen vertraglich vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen.Urteil des OLG Braunschweig vom 01.11.20189 U 51/17NJW-RR 2019
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Unwirksame Schriftformvereinbarung in Bauvertrag-AGB
Ein VOB-Bauvertrag über Deckensanierungsarbeiten enthielt in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Auftraggebers eine Schriftformvereinbarung, von der nur durch schriftliche Vereinbarung abgewichen werden konnte. Später berief sich der Auftragnehmer auf eine mündliche Vereinbarung der Änderungsleistungen und der daraus resultierenden Stundenlohnabrechnung. Der Auftraggeber berief sich auf die Unwirksamkeit der Absprache wegen Nichteinhaltung der Schriftform.In dem darauffolgenden Rechtsstreit erklärte das Oberlandesgericht Karlsruhe die Schriftformklausel wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners für unwirksam (§ 307 Abs. 1 BGB). Derartige Klauseln sind unzulässig, soweit sie zum Ausschluss von Ansprüchen aus mündlichen Vereinbarungen der Vertragsparteien führen.Urteil des OLG Karlsruhe vom 12.06.20188 U 102/16jurisPR-PrivBauR 4/2019 Anm. 1
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Unterlassener Hinweis des Notars auf einen wieder gelöschten Zwangsversteigerungsvermerk
Ein Notar ist beim Abschluss eines Kaufvertrags über eine Eigentumswohnung nicht verpflichtet, den Käufer darauf hinzuweisen, dass im Grundbuch zeitweise ein Zwangsversteigerungsvermerk eingetragen war, der jedoch wieder gelöscht wurde. Zu der Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerks war es nach Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern des Bauträgers und Problemen bei der Finanzierung des Bauprojekts gekommen.Der Bundesgerichtshof wies die Schadensersatzklage des Käufers gegen den Notar wegen Verletzung seiner Hinweispflicht ab, nachdem der Bauträger während der Bauphase Insolvenz anmelden musste und der Käufer daher auf einer nur halb fertigen Wohnung sitzenblieb.Urteil des BGH vom 23.08.2018III ZR 506/16DNotZ 2019, 37
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Kein Werkmangel bei Einhaltung der Herstellervorgaben
Für das Oberlandesgericht Hamm liegt kein Werkmangel vor, wenn der Auftragnehmer bei der Erstellung des Werks die Herstellervorgaben eingehalten hat und die allgemein anerkannten Regeln der Technik keine höheren Anforderungen an das Werk stellen.Urteil des OLG Hamm vom 09.11.2018I-12 U 20/18BauR 2019, 682
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Erstattung der Kosten für Privatgutachten
Die Kosten eines auf Veranlassung einer Prozesspartei eingeholten Privatgutachtens sind nur dann notwendig und damit von der unterliegenden Gegenseite zu erstatten, wenn es erforderlich war, vor Beginn oder während des Rechtsstreits einen eigenen Sachverständigen mit der Gutachtenerstellung zu beauftragen.Werden im Rahmen eines Bauprozesses umfangreiche Gutachten, die die beklagte Partei mangels eigener Sachkunde nicht nachvollziehen kann, zur Grundlage einer Klage gemacht, stellt sich für die betroffene Partei bereits die Frage, welche Tatsachen für eine substantiierte Klageerwiderung wesentlich sind. In diesen Fällen ist es einer Partei nicht zumutbar, ohne sachverständige Hilfe einen Prozess zu führen, dessen Grundlagen sie nicht verstehen kann. Im Falle des Obsiegens sind daher die Kosten für das ohne einen gerichtlichen Beweisbeschluss eingeholte Sachverständigengutachten nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO erstattungsfähig.Beschluss des BGH vom 12.09.2018VII ZB 56/15BauR 2019, 146
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Datenschutzrechtliche Anforderung an Videoüberwachung in Arztpraxis
Eine Videoüberwachung im Eingangsbereich einer Zahnarztpraxis, die ungehindert betreten werden kann, unterliegt strengen Anforderungen an die datenschutzrechtliche Erforderlichkeit. Für das Bundesverwaltungsgericht bestanden in dem konkreten Fall keine tatsächlichen Anhaltspunkte, die die Befürchtung rechtfertigten, Personen könnten die Praxis betreten, um dort Straftaten zu begehen. Die Videoüberwachung war auch nicht notwendig, um Patienten, die nach der Behandlung aus medizinischen Gründen noch einige Zeit im Wartezimmer sitzen, in Notfällen betreuen zu können.Schließlich waren die Angaben der betroffenen Zahnärztin, ihr entstünden ohne die Videoüberwachung erheblich höhere Kosten, völlig pauschal geblieben und daher unbeachtlich. Somit erwies sich die Anordnung des zuständigen Landesdatenschutzbeauftragten, die Videokamera so auszurichten, dass der für Patienten und sonstige Besucher zugängliche Bereich vor dem Empfangstresen, der Flur zwischen Tresen und Eingangstür und das Wartezimmer nicht mehr erfasst werden, als rechtmäßig.Urteil des BVerwG vom 27.03.20196 C 2.18Pressemitteilung des BVerwG
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Gewerblicher Mieter muss umfangreiche Umbaumaßnahmen zur Nutzungsänderung nicht dulden
Der Mieter von Büroräumen muss Beeinträchtigungen durch in dem Haus durchgeführte notwendige Renovierungs- und Umbauarbeiten, etwa im Zusammenhang mit einem Mieterwechsel, hinnehmen. Auch sind - wie in Gewerbemietverträgen in der Regel vereinbart - Arbeiten zu dulden, die der "Modernisierung" oder "Verbesserung" dienen.Der Mieter kann dem Vermieter jedoch untersagen, lärm-, erschütterungs- und staubintensive Umbau- und Modernisierungsarbeiten im gesamten Haus zur Ermöglichung einer anderen Nutzung durchzuführen. In dem vom Oberlandesgericht Frankfurt entschiedenen Fall hatte eine Bank ein Bürogebäude erworben, in dem sich eine Rechtsanwaltskanzlei mit einem langfristigen Mietvertrag befand. Als die Rechtsanwälte trotz des Angebots einer Abstandszahlung einen vorzeitigen Auszug ablehnten, hatte der Vermieter durch umfangreiche Umbaumaßnahmen vergeblich versucht, die Mieter zum Auszug zu bewegen.Urteil des OLG Frankfurt vom 12.03.20192 U 3/19JURIS online
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Keine Nebenpflicht des Maklers zur Prüfung steuerrechtlicher Fragen beim Grundstücksverkauf
Einen Makler trifft grundsätzlich keine vertragliche Nebenpflicht, steuerrechtliche Fragen zu prüfen, die sich im Zusammenhang mit einem von ihm vermittelten Grundstückskaufvertrag stellen, und seinen Auftraggeber über die in diesem Zusammenhang relevanten Umstände (hier anfallende Spekulationssteuer bei Verkauf innerhalb von 10 Jahren nach Erwerb der Immobilie) aufzuklären.Etwas anderes gilt für den Bundesgerichtshof nur bei einer entsprechenden Vereinbarung oder wenn sich der Makler hinsichtlich bestimmter Steuerfragen als Fachmann darstellt, er beispielsweise in seiner Werbung eine langjährige Tätigkeit und Erfahrung herausstellt und der Auftraggeber hinsichtlich vertragsrelevanter Umstände erkennbar rechtlichen Beratungsbedarf hat oder wenn er den Auftraggeber zu einem riskanten Vorgehen veranlasst oder ihn sonst zu einem unvorteilhaften und überstürzten Vertragsschluss verleitet. Im vorliegenden Fall lag keine dieser Ausnahmen vor, sodass der Makler nicht für die steuerlichen Nachteile seines Kunden einstehen musste.Urteil des BGH vom 12.07.2018I ZR 152/17Grundeigentum 2019, 120
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Keine Verjährung des Unterlassungsanspruchs wegen vertragswidriger Nutzung
Setzt der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer Abmahnung des Vermieters fort, so kann dieser auf Unterlassung klagen (§ 541 BGB). Einen solchen Unterlassungsanspruch bejahte der Bundesgerichtshof bei der unzulässigen Nutzung von vermieteten Gewerberäumen als Wohnung. Der Anspruch verjährt auch nicht - wie vom Mieter geltend gemacht - mit der Kenntniserlangung der vertragswidrigen Nutzung durch den Vermieter.Grundsätzlich unterliegt der Anspruch des Vermieters aus § 541 BGB der regelmäßigen Verjährung des § 195 BGB mit einer Frist von drei Jahren. Für den Beginn der Verjährung kommt es dabei grundsätzlich auf den der Zuwiderhandlung an. Bei einem andauernden vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache - wie der unerlaubten Nutzung von Gewerberäumen zu Wohnzwecken - kann der Unterlassungsanspruch des Vermieters während des bestehenden Mietverhältnisses nicht verjähren.Urteil des BGH vom 19.12.2018XII ZR 5/18NZM 2019, 143
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Vollständige Räumung von Büroräumen nach Vertragsende
Gibt der Mieter die gemietete Sache nach der Beendigung des Mietverhältnisses nicht rechtzeitig zurück, so kann der Vermieter für die Dauer der Vorenthaltung eine Nutzungsentschädigung verlangen. Als Entschädigung kann der ortsübliche Mietzins geltend gemacht werden.Für das Amtsgericht Düsseldorf besteht kein Anspruch des Vermieters auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung, wenn der Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses in der Küche der vom Vermieter und Mieter gemeinsam genutzten Büroräume lediglich mehrere befüllte Kisten zurückgelassen hat. Dabei war zu berücksichtigen, dass es sich bei der gemeinschaftlich genutzten Büroküche um einen untergeordneten Bestandteil der Büroräume handelte und die Nutzbarkeit der Büroräume durch das Zurücklassen der Kartons nur unerheblich beeinträchtigt wurde.Urteil des AG Düsseldorf vom 10.01.201947 C 128/17Pressemitteilung des AG Düsseldorf
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Abgrenzung von Kauf- und Werkvertrag
Die Abgrenzung der Vertragsarten Kaufvertrag und Werkvertrag ist aufgrund der jeweiligen Besonderheiten und der damit verbundenen erheblichen rechtlichen Konsequenzen hinsichtlich Gewährleistung und Verbraucherrechte (z.B. Widerrufsrecht) von erheblicher praktischer Bedeutung. Der Bundesgerichtshof führt hierzu Folgendes aus:Für die Abgrenzung von Kauf- und Werklieferungsverträgen einerseits und Werkverträgen andererseits ist maßgeblich, auf welcher der Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt. Liegt der Schwerpunkt des Vertrags auf der mit dem Warenumsatz verbundenen Übertragung von Eigentum und Besitz, liegt ein Kauf- oder Werklieferungsvertrag vor. Liegt der Schwerpunkt des Vertrags dagegen nicht auf dem Warenumsatz, sondern schuldet der Unternehmer die Herstellung eines funktionstauglichen Werks, ist von einem Werkvertrag auszugehen.In dem konkreten Fall ging der Bundesgerichtshof bei der Erstellung eines Senkrechtlifts an einem Gebäude von einem Werkvertrag aus, da der Schwerpunkt des Vertrags nicht in einem Warenumsatz, sondern in der Planung des Lifts und der funktionstauglichen Einpassung entsprechend der Planung der für die Errichtung des Lifts zu liefernden Einzelteile an die Außenfassade des Wohnhauses lag.Urteil des BGH vom 30.08.2018VII ZR 243/17BauR 2019, 107
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Vereinbarung einer Kostenobergrenze mit Architekten
Das Oberlandesgericht Oldenburg hatte sich in einem Rechtsstreit zwischen Bauherrn und Architekten mit der Haftung des Architekten für Pflichtverletzungen bei der Ermittlung und Berücksichtigung der Kostenvorstellungen des Auftraggebers zu befassen, wobei es entscheidend darauf ankam, ob die einseitigen Äußerungen des Bauherrn zu Kostenvorstellungen für die Vereinbarung einer Kostenobergrenze als Beschaffenheit des Architektenwerks ausreichend waren.Für die rechtsverbindliche Vereinbarung einer Kostenobergrenze als Beschaffenheitsvereinbarung ist eine Erklärung des Bauherrn erforderlich, die in irgendeiner Art zum Ausdruck bringt, ein bestimmter Maximalbetrag solle nicht überschritten werden. Dabei können auch einseitig seitens des Bauherrn geäußerte Kostenvorstellungen im Rahmen der Grundlagenplanungen eine Beschaffenheitsvereinbarung begründen, wenn der Architekt ihnen nicht widerspricht. Nicht ausreichend ist es jedoch, wenn der Bauherr lediglich Kostenzusammenstellungen entgegennimmt, ohne aber zu erklären, dass ein bestimmter Kostenrahmen nicht überschritten werden soll.Urteil des OLG Oldenburg vom 07.08.20182 U 30/18IBR 2019, 25
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Haftung für Altverbindlichkeiten aus einem Mietverhältnis nach dem Umwandlungsgesetz
Gliedert ein gewerblicher Vermieter vermietete Wohnimmobilien im Wege der rechtlichen Umwandlung an eine Tochtergesellschaft aus, haften sowohl der übertragende als auch der übernehmende Rechtsträger gesamtschuldnerisch für die Verbindlichkeiten, die vor dem Wirksamwerden der Ausgliederung begründet worden sind. Die entsprechende Vorschrift des § 133 UmwG (Umwandlungsgesetz) wird in derartigen Fällen nicht von dem mietrechtlichen Grundsatz "Kauf bricht nicht Miete" (§ 566 BGB) verdrängt.Urteil des LG Berlin vom 03.08.201866 S 26/18WuM 2018, 652
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Keine Verjährungseinrede eines städtischen Bauträgers nach jahrzehntelangen Verhandlungen über Baumängel
Eine städtische Tochtergesellschaft, die eine Reihenhaussiedlung errichtet und jahrzehntelang mit den Hauseigentümern und später der Wohnungseigentümergemeinschaft über Mängel verhandelt, kann sich im Prozess über Gewährleistungsansprüche nicht auf die Einrede der Verjährung berufen, da dies gegen Treu und Glauben verstößt.Das Oberlandesgericht Frankfurt begründete seine Entscheidung damit, dass das städtische Tochterunternehmen mit seiner Arbeit als Bauträgerin auch den Bereich der Daseinsvorsorge berührt. Unter diesen Umständen ist es treuwidrig, wenn es sich erstmals im Prozess auf die Einrede der Verjährung beruft. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.Urteil des OLG Frankfurt vom 10.12.201829 U 123/17JURIS online
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Fälligkeit einer Kündigungsvergütung des Werkunternehmers
Die Kündigungsvergütung des Unternehmers nach § 649 BGB ist grundsätzlich erst fällig, wenn seine Werkleistung durch den Besteller abgenommen wurde oder der Besteller zumindest zur Abnahme verpflichtet ist, die Leistung also abnahmereif ist. Dies gilt für das Kammergericht Berlin aber nur im Grundsatz. Im Einzelfall kommt es entscheidend auf die Auslegung der Kündigungserklärung an, durch die der Umfang der vom Unternehmer geschuldeten Leistungen verringert wird.Bringt der kündigende Besteller eines Werkvertrags zum Ausdruck, keinerlei Maßnahmen zur Nachbesserung oder Nacherfüllung des Unternehmers mehr zu wünschen, entfällt die Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung für die Kündigungsvergütung. Denn aufgrund der Verweigerung der Nachbesserung durch den Besteller ist dem Unternehmer jegliche Möglichkeit genommen, auch bereits erbrachte Leistungen ggf. noch abnahmereif zu machen. Könnte sich der Besteller auch in dieser Situation auf die fehlende Abnahme berufen, könnte er die Fälligkeit der Kündigungsvergütung einseitig dauerhaft verhindern. Deshalb muss die Vergütung des Unternehmers in diesem Fall auch ohne Abnahme fällig sein.Urteil des KG Berlin vom 10.07.201821 U 152/17BauR 2019, 287
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Kein Schriftformerfordernis für Verlängerungsoption
Mietverträge für längere Zeit als ein Jahr müssen gemäß § 550 BGB in schriftlicher Form abgeschlossen werden. Das Schriftformerfordernis gilt jedoch nicht für die Ausübung einer mietvertraglichen Verlängerungsoption. Diese ist danach auch dann wirksam erklärt, wenn sie dem Vermieter per Computerfax ohne Unterschrift übermittelt wurde.Urteil des BGH vom 21.11.2018XII ZR 78/17WM 2019, 182
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Wirksamkeit einer Mehrerlösklausel
Die in einem Grundstückskaufvertrag von einer Gemeinde als Verkäufer verwendete Klausel, dass der Käufer verpflichtet ist, den durch ihn erzielten Mehrerlös abzüglich der getätigten Investitionen an die Gemeinde abzuführen, wenn er das Grundstück in unbebautem Zustand innerhalb von fünf Jahren ab der Beurkundung weiterveräußert, stellt keine unangemessene Benachteiligung des Käufers dar, wenn die Gemeinde hieran ein anerkennenswertes, über die reine Abschöpfung eines Veräußerungsgewinns hinausgehendes Interesse hat. Die Vereinbarung ist als sogenannte Mehrerlösklausel wirksam.Eine Gemeinde ist bei der Erreichung des Ziels, dass bebaubare Grundstücke bebaut werden, nicht auf das Mittel des städtebaulichen Vertrags beschränkt. Sie kann auch andere Instrumente einsetzen; hierzu gehört eine Mehrerlösklausel. Zulässig ist eine solche Klausel, wenn die Gemeinde mit der Verwendung erreichen möchte, dass nur solche Personen das Grundstück erwerben, die es bebauen wollen, und auf diese Weise kurzfristige Spekulationen mit unbebauten Grundstücken zu verhindern sucht. Muss der Erwerber einen Mehrerlös an die Gemeinde abführen, lohnt ein Erwerb lediglich zu Spekulationszwecken mit dem unbebauten Grundstück nicht.Urteil des BGH vom 16.03.2018V ZR 306/16MDR 2018, 1055
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BAG bestätigt Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Allgemeinverbindlicherklärung vom 4. Mai 2016 des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 3. Mai 2013 rechtswirksam ist.Urteil des BAG vom 20.11.201810 ABR 12/18JURIS online
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Voraussetzungen einer konkludenten Abnahme bei Bauträgervertrag
Auf den Anspruch auf Sachmängelhaftung aus einem Bauträgervertrag ist Werkvertragsrecht anzuwenden. Der Erwerber kann daher die Abnahme des Bauwerks wegen wesentlicher Mängel verweigern. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Abnahme auch durch schlüssiges Verhalten, also konkludent erfolgen kann.Für das Oberlandesgericht Oldenburg stellt die bloße Nutzung des Bauwerks keine hinreichende Grundlage für eine konkludente Abnahme dar, wenn der Auftraggeber zuvor die Abnahme zu Recht aufgrund von Mängeln verweigert hat, die zum Zeitpunkt des Einzugs oder der Nutzung nicht beseitigt wurden.Urteil des OLG Oldenburg vom 08.05.20182 U 120/17IBR 2018, 629
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Konkludente Abnahme einer Architektenleistung
Abnahme eines Werks im Sinne von § 640 BGB bedeutet die körperliche Entgegennahme des Werks durch den Besteller, verbunden mit dessen Billigung des Werks als im Wesentlichen vertragsgerecht erbrachte Leistung. Als rechtsgeschäftliche oder geschäftsähnliche Erklärung kann die Billigung der Werkleistung auch konkludent erfolgen. Ob eine konkludente Abnahme vorliegt, beurteilt sich grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalls.Eine konkludente Abnahme kann vorliegen, wenn der Unternehmer aus dem Verhalten des Bestellers nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte schließen konnte und durfte, der Besteller billige seine Leistung als frei von wesentlichen Mängeln. Das kann z.B. bei widerspruchsloser Hinnahme der Fertigstellungsbescheinigung oder bei einer vorbehaltlosen Zahlung des Werklohns der Fall sein. Kommt - wie in dem vom Oberlandesgericht Schleswig entschiedenen Fall - noch hinzu, dass der Bauherr einen (angeblichen) Mangel der Architektenleistung erstmals nach einem Jahr gerügt hat, ist von einer konkludenten Abnahme der Architektenleistung auszugehen.Beschluss des OLG Schleswig vom 02.01.20187 U 90/17IBR 2018, 397
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Unwirksame formularmäßige Vereinbarung der Abnahmen des Gemeinschaftseigentums durch den Erstverwalter
Eine in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Kaufvertrags eines Bauträgers verwendete Klausel, nach der die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch einen mit dem Bauträger rechtlich und wirtschaftlich verbundenen Erstverwalter ermöglicht wird, ist wegen unangemessener Benachteiligung der Erwerber unwirksam. Dies würde im Hinblick auf die Abnahme des Bauwerks für die Erwerber die Gefahr begründen, dass ein solcher Verwalter die Voraussetzungen der Abnahmefähigkeit des Gemeinschaftseigentums nicht neutral prüft, sondern zugunsten des Bauträgers verfährt, wodurch dieser entscheidenden Einfluss auf die Abnahme nehmen könnte.Die von einem nach dieser Regelung bestellten Erstverwalter vorgenommene Werksabnahme ist somit unwirksam mit der Folge, dass die für die Geltendmachung von Baumängeln geltende Verjährungsfrist nicht zu laufen beginnt.Urteil des OLG München vom 24.04.2018
28 U 3042/17 Bau
IBR 2018, 565 -
Wiederherstellung des vorherigen Zustands nach Bauteilöffnung durch Sachverständigen
In den meisten Bauprozessen ist zur Feststellung behaupteter Baumängel die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich. Oftmals ist dann eine Bauteilöffnung nötig, weil anderenfalls der Sachverständige den Mangel gar nicht beurteilen kann. Durch die Bauteilöffnung entsteht in der Regel ein nicht unerheblicher Schaden an dem Bauobjekt.In diesem Zusammenhang hat das Oberlandesgericht Köln entschieden, dass von einem gerichtlichen Sachverständigen, der nach Untersuchungshandlungen an einem Gebäude eine Bauteilöffnung vorgenommen hat, nicht gefordert werden kann, dass er den vorherigen Zustand durch Schließung der Öffnung wiederherstellt. Verweigert die beweisführerende Prozesspartei angesichts der drohenden Schäden die Bauteilöffnung, besteht für sie die Gefahr, dass der Prozess deswegen verloren geht.Beschluss des OLG Köln vom 14.09.2017
I-9 U 194/13
IBR 2018, 598 -
Vorschussanspruch bei Nacherfüllungsangebot des Auftragnehmers erst nach Sachverständigenanhörung
Ein Bauherr nahm einen Handwerksbetrieb auf Zahlung eines Vorschusses zur Durchführung von Sanierungsarbeiten sowie auf Schadensersatz in Anspruch, nachdem der Handwerker für die Kläger einen Anbau in Holzrahmenbauweise inklusive Dacheindeckung errichtet hatte. Durch die mangelhafte Leistung wurden erhebliche Sanierungsmaßnahmen an der Außenwand notwendig. Da der Handwerker die Mängel in Abrede stellte, kam es zum Prozess, in dem ein Gutachter die Auffassung des Bauherrn bestätigte. Erst nach der Anhörung des Sachverständigen räumte der beklagte Handwerker die Mängel ein und bot Nacherfüllung an. Die eingeklagte Vorschusszahlung wies er jedoch mit dem Einwand zurück, von ihm sei keine Nacherfüllung verlangt worden.Das Oberlandesgericht Celle ließ diesen Einwand jedoch nicht gelten. Lässt sich ein Auftragnehmer erst gerichtlich überführen, um anschließend Nacherfüllung anzubieten, kann er das Vorschussbegehren seines Auftraggebers nicht mit der Begründung zurückweisen, von ihm sei keine Nacherfüllung verlangt worden. Das Verhalten dokumentierte für das Gericht vielmehr eindrucksvoll, dass der Handwerker einem Nacherfüllungsverlangen nicht nachgekommen wäre.Urteil des OLG Celle vom 20.03.2018
14 U 96/17
BauR 2018, 1445 -
Beseitigung einer nicht genehmigten Markise
Die Gemeinschaftsordnung einer Eigentumswohnanlage mit gewerblichen und privaten Einheiten enthielt folgende Regelung: "Zur Anbringung von Außenmarkisen bedarf es des Beschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft mit einfacher Mehrheit."Aufgrund dieser Bestimmung ist eine Markise, die ohne den erforderlichen Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft angebracht wurde, zu entfernen. Geklagt hatte der Eigentümer der Gewerbeeinheit über einem Restaurant, dessen Betreiber entgegen der Gemeinschaftsordnung eine 4-5 Meter ausladende motorbetriebene helle Markise angebracht hatte. Der Miteigentümer sah sich durch Motorengeräusche und Vibrationen beim Ein- und Ausfahren sowie durch die Blendwirkung der ausgefahrenen Markise erheblich gestört. Das Amtsgericht München gab ihm Recht und verurteilte den Restaurantbetreiber zur Beseitigung.Urteil des AG München vom 18.04.2018481 C 16896/17 WEGJustiz Bayern online
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Architekt haftet nicht bei Schwarzgeldabrede zwischen Bauherrn und Werkunternehmer
Stehen dem Bauherrn wegen eines aufgrund einer gesetzwidrigen Schwarzgeldabrede nichtigen Vertrags mit dem Bauunternehmer keine Gewährleistungsansprüche gegen diesen zu, entfällt nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) insoweit auch die Haftung des Architekten wegen einer Verletzung seiner Bauaufsicht.Urteil des LG Bonn vom 08.03.201818 O 250/13BauR 2018, 1161
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Kündigung bei Betrieb einer Skiwerkstatt in Doppelhaushälfte
Nach einem Urteil des Amtsgerichts München berechtigt auch ein nur eingeschränkter Betrieb einer Skiwerkstatt in der Garage einer zu Wohnzwecken vermieteten Doppelhaushälfte den Vermieter zur Kündigung des Mietverhältnisses. Skier und Snowboards werden üblicherweise mit dem Auto zum Skiservice gebracht, sodass ein erhöhter Verkehr im Wohngebiet mit erhöhter Parkplatzauslastung und den damit verbundenen Störungen für die Nachbarn des Mieters zu erwarten ist.Urteil des AG München vom 30.11.2017423 C 8953/17Pressemitteilung vom 24.08.2018
Datenschutzrecht
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Löschung des Lichtbilds des Krankenversicherten nach Erstellung der elektronischen Gesundheitskarte
Die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Verarbeitung des von einem Versicherten zur Verfügung gestellten Lichtbilds durch die Krankenkasse beschränkt sich nach § 284 Abs. 1 Nr. 2 SGB V auf die Herstellung der konkreten elektronischen Gesundheitskarte. Eine weitergehende Speicherung der Lichtbilder auf Vorrat ist grundsätzlich rechtswidrig. Der Versicherte kann deren Löschung verlangen.Urteil des BSG vom 18.12.2018B 1 KR 31/17 RPaPfleReQ 2019, 35
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Umfang des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs
Privatpersonen steht gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) ein umfassender Auskunftsanspruch über beim Verantwortlichen gespeicherte bzw. verarbeitete, sie betreffende personenbezogene Daten sowie in dem Gesetz aufgezählte Informationen zu.Für das Landgericht Köln bezieht sich der Auskunftsanspruch eines Versicherungsnehmers gegenüber seiner Versicherung auf personenbezogene Daten wie Namen oder Geburtsdaten sowie z.B. auf Gesundheitsdaten, Kontonummern oder auch auf ärztliche Unterlagen, Gutachten oder sonstige vergleichbare Mitteilungen der Versicherung. Kein Auskunftsanspruch besteht jedoch hinsichtlich interner Vorgänge der Versicherung, wie z.B. interne (Mitarbeiter-)Vermerke oder Beratungsprotokolle, und auf nochmalige Vorlage des dem Versicherungsnehmer bereits bekannten Schriftverkehrs.Urteil des LG Köln vom 18.03.201926 O 25/18GWR 2019, 214
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Auskunftserteilung gegenüber Betriebsrat über Sonderzahlungen
Dem Betriebsrat ist auf Anfrage Auskunft darüber zu erteilen, an welche Arbeitnehmer mit Ausnahme leitender Angestellter Sonderzahlungen geleistet wurden, wenn die Daten zur Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats erforderlich sind. Für das Hessische Landesarbeitsgericht stehen dem Auskunftsanspruch keine datenschutzrechtlichen Bedenken entgegen.Beschluss des Hessischen LAG vom 10.12.201816 TaBV 130/18NZA-RR 2019, 196
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Anspruch auf Zugang der Erben zum Facebook-Account Verstorbener
In einem viel beachteten Grundsatzurteil hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass den Erben Zugriff auf den Facebook-Account Verstorbener zu gewähren ist (Urteil vom 12.07.2018 - III ZR 183/17). Geklagt hatten die Eltern eines 15-jährigen Mädchens, das bei einem U-Bahn-Unfall getötet wurde. Mittels der Chatnachrichten der Verstorbenen wollten die Eltern Gewissheit erlangen, ob ihre Tochter Suizid begangen hatte.Mit der Frage, was "Zugang gewähren“ bedeutet, hat sich nun das Landgericht Berlin befasst und festgestellt, dass der Betreiber des sozialen Internetdienstes das zu tun hat, was es dem Anspruchsberechtigten ermöglicht, den Inhalt des Benutzerkontos so zur Kenntnis zu nehmen, wie es eine Person täte, die sich auf dem sozialen Netzwerk mit ihrem Kennwort anmeldet. Demzufolge reicht die Übergabe eines USB-Sticks an die Erben, auf dem der Inhalt des vollständigen Benutzerkontos abgespeichert sein soll, zur Erfüllung des Anspruchs nicht aus.Beschluss des LG Berlin vom 13.02.201920 O 172/15ErbR 2019, 310
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Auskunftsanspruch eines Arbeitnehmers nach der DSGVO
Eine "betroffene Person" gemäß Art. 15 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hat das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob er betreffende personenbezogene Daten verarbeitet. Diese Vorschrift gilt nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Stuttgart auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses.Der Anspruch eines Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber auf Auskunftserteilung auf personenbezogene Leistungs- und Verhaltensdaten kann jedoch im Einzelfall durch überwiegende berechtigte Interessen Dritter (insbesondere des Arbeitgebers) an einer Geheimhaltung der Daten beschränkt sein. Ob diese Interessen einer Auskunftserteilung entgegenstehen, ist durch eine Interessenabwägung im konkreten Einzelfall zu klären.Urteil des LAG Stuttgart vom 20.12.201817 Sa 11/18jurisPR-ITR 9/2019 Anm. 4
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Influencer muss Werbung kenntlich machen
Sogenannte Influencer gewinnen für das Marketing insbesondere bei Herstellern von Mode- oder Lifestyle-Produkten immer mehr an Bedeutung. Dementsprechend geraten sie auch in den Focus von Wettbewerbshütern und Gerichten. Diese tendieren überwiegend zu der Auffassung, dass Influencer ihre vor allem über Instagram und YouTube verbreiteten Werbebotschaften auch als solche kennzeichnen müssen.So beanstandete auch das Oberlandesgericht Braunschweig den Internetauftritt einer Influencerin in dem sozialen Netzwerk Instagram als verschleierte Werbung, die als unlauter zu unterlassen ist. Die verurteilte Influencerin wies auf die Hersteller von ihr genutzter Produkte (insbesondere Kleidung) hin, indem sie einen Link auf die Onlineshops der Herstellerunternehmen setzte. Das Gericht sah darin ein unzulässiges Verhalten zur Förderung fremden Wettbewerbs und damit eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.Beschluss des OLG Braunschweig vom 08.01.20192 U 89/18GRURPrax 2019, 191
EDV-, IT-, Medien- und Onlinerecht
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Störerhaftung des Domain-Registrars für unzulässige Kundendomains
Eine Organisation beziehungsweise ein Unternehmen, das Registrierungen von Internetdomains durchführt (Domain-Registrar), treffen nach dem Telemediengesetz (TMG) keine allgemeinen Prüfungs- und Überwachungspflichten hinsichtlich der Webseiten, die unter von ihm registrierten Domains betrieben werden.Eine Prüfpflicht kann nach den Grundsätzen der Störerhaftung jedoch dann bestehen, wenn der Domain-Registrar die Rechtsverletzung unschwer erkennen kann oder er von einem Dritten auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen wird und er notendige Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Fortsetzung der Rechtsverletzung unterlässt.Urteil des OLG Saarbrücken vom 19.12.20181 U 128/17CR 2019, 453
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Umfang der Unterlassungsverpflichtung eines nicht gewerblich handelnden Verletzers
Die Verpflichtung eines gewerblich Handelnden zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, ist mangels abweichender Anhaltspunkte regelmäßig dahingehend auszulegen, dass sie nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands umfasst. Bezogen auf Verstöße durch Veröffentlichungen im Internet bedeutet dies, dass der Schuldner durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen hat, dass die beanstandeten Inhalte seiner Webseite nicht mehr im Internet aufgerufen werden können, und zwar weder über die Webseite direkt noch über eine Internetsuchmaschine. Auch bei Auffindbarkeit nur im "Cache" der Suchmaschine, einer Art elektronischem Archiv, liegt eine öffentliche Zugänglichmachung vor. Es kommt nicht darauf an, wie realistisch ein solcher Abruf ist. Entscheidend ist allein die Möglichkeit der Abrufbarkeit, unabhängig davon, von wie vielen Personen diese Möglichkeit genutzt wird.Bei einem nicht in Gewinnabsicht handelnden Unterlassungsschuldner legt das Oberlandesgericht Frankfurt weniger strenge Maßstäbe an. Verpflichtet sich ein nicht gewerblich handelnder Verletzer (hier Kirchengemeinde), es bei Meidung einer festen Vertragsstrafe von 5.100 Euro zu unterlassen, ein auf seiner Webseite widerrechtlich eingestelltes Lichtbild öffentlich zugänglich zu machen, so kann die gebotene Auslegung des Vertragsstrafeversprechens im konkreten Einzelfall ergeben, dass die strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung nicht auch die Löschung des Lichtbildes aus dem Cache von Suchmaschinen umfassen sollte, wenn die Gefahr des Aufrufs über den "Cache" allenfalls als geringfügig einzuschätzen ist.Urteil des OLG Frankfurt vom 12.02.201911 U 156/17ZUM 2019, 589
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Irreführende Preisangabe auf Gebrauchtwagen-Onlineplattform
Ein Kfz-Händler darf ein Auto nicht mit einem Preis bewerben, der davon abhängig ist, dass der Käufer sein altes Fahrzeug in Zahlung gibt, wenn dies für den Verbraucher nicht auf den ersten Blick erkennbar ist.Der von einem Wettbewerbsverband beklagte Kfz-Händler bot auf einer Onlineplattform einen Pkw als "Limousine, Neufahrzeug" zum Preis von 12.490 Euro an. Die Werbung für das angebotene Fahrzeug erstreckte sich über mehrere, durch Herunterscrollen erreichbare Bildschirmseiten. Erst unter dem Punkt "Weiteres" am Ende der Werbung war aufgeführt, dass der Preis nur gelten solle, wenn der Kunde ein zugelassenes Gebrauchtfahrzeug in Zahlung gebe. Darüber hinaus war dort notiert, dass der Preis unter der Bedingung einer Tageszulassung im Folgemonat stand.Das Oberlandesgericht Köln hat entschieden, dass die Preisangabe irreführend und daher unzulässig sei. Die Anzeige erwecke den unzutreffenden Eindruck, das Fahrzeug könne von jedermann zum Preis von 12.490 Euro gekauft werden. Tatsächlich gelte der Preis aber nur für Käufer, die ein zugelassenes Fahrzeug in Zahlung geben könnten und wollten, wobei dessen Wert noch völlig unklar war. Dies stelle eine "dreiste Lüge" dar, die auch durch einen erläuternden Zusatz nicht richtig gestellt werden könne. Preisangaben sollen Klarheit über die Preise gewährleisten und verhindern, dass die Verbraucher ihre Preisvorstellungen anhand nicht vergleichbarer Preise gewinnen müssen.Urteil des OLG Köln vom 05.04.20196 U 179/18jurisPR-WettbR 6/2019 Anm. 5
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Arglistige Täuschung bei Google-Anzeige mit "kostenloser Selbstauskunft"
Wirbt ein Internetanbieter in einer bei Google geschalteten Anzeige für eine "kostenlose" Dienstleistung (hier SCHUFA-Selbstauskunft), darf das Angebot keine versteckten Kosten enthalten. Der Kunde kann den über die Website des Anbieters abgeschlossenen Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten, wenn die Kostenpflicht auf der Internetseite nicht deutlich hervorgehoben wurde.Urteil des AG Landstuhl vom 12.12.20182 C 427/18JURIS online
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Restguthaben muss ohne Rücksendung der SIM-Karte erstattet werden
Mobilfunkanbieter dürfen die Erstattung eines Restguthabens nach Vertragsende nicht von der Rücksendung der SIM-Karte abhängig machen.Das Landgericht Düsseldorf sah keinen sachlichen Grund dafür, warum Kunden erst die SIM-Karte zurückschicken müssen, bevor sie Erstattungsansprüche geltend machen können. Von einer gesperrten oder deaktivierten SIM-Karte geht keine konkrete Gefahr des Datenmissbrauchs aus. Auch die Behauptung des beklagten Unternehmens E-Plus, die unbrauchbaren SIM-Karten sollten dem Wertstoffkreislauf zugeführt werden, war nicht überzeugend. Im Übrigen hatte E-Plus nicht einmal dargelegt, dass es ein solches Recycling-Verfahren eingeführt hat.Urteil des LG Düsseldorf vom 08.05.201912 O 264/18JURIS online
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Anforderungen an einen per E-Mail abgeschlossenen Vorvertrag
Per E-Mail geführte Vertragsverhandlungen sind heutzutage die Regel. Dabei ist es oftmals rechtlich schwer zu beurteilen, ob es sich um bloße Vertragsvorbereitungen, einen verbindlichen Vorvertrag oder gar bereits um einen endgültigen Vertragsschluss handelt.In dem vor dem Landgericht Berlin verhandelten Fall stellte die potenzielle Vermieterin einer Wohnung per E-Mail einen Vertragsschluss in Aussicht und kündigte die Übersendung von entsprechenden Vertragsexemplaren an. Zwei Tage später bat die interessierte Mieterin ebenfalls per E-Mail, ihren Lebensgefährten als weitere Partei in den Mietvertrag aufzunehmen. Sie habe "total vergessen" mitzuteilen, dass dieser mit in die Wohnung einziehen und ebenfalls Vertragspartei werden soll. Letztlich kam es doch nicht zum Abschluss eines schriftlichen Mietvertrags. Daraufhin wollte die Mietinteressentin, die im Vertrauen auf die Zusage der Vermieterin bereits passende Möbel (u.a. eine Einbauküche) angeschafft hatte, eine anderweitige Vermietung der Wohnung per einstweiliger Anordnung gerichtlich verhindern.Das Gericht wies den Antrag mit der Begründung ab, dass auch ein Vorvertrag ein solches Maß an Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit und Vollständigkeit enthalten muss, dass im Streitfall der Inhalt des Vorvertrags richterlich festgestellt werden kann. Dazu gehören bei einem Mietvertrag dessen wesentliche Bestandteile wie Mietobjekt, Mietdauer, Mietzins und Mietvertragsparteien. Im entschiedenen Fall scheiterte die Annahme einer rechtsverbindlichen Zusage bereits daran, dass zum Zeitpunkt der Mitteilung der Vermieterin noch nicht feststand, wer, außer der Empfängerin der E-Mail, Vertragspartei werden sollte.Urteil des LG Berlin vom 09.11.201865 S 87/18Grundeigentum 2019, 59
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"Versehentlicher" eBay-Sofortkauf
Ein eBay-Verkäufer und ein eBay-Nutzer stritten über das Zustandekommen eines sogenannten Sofortkaufs über einen Gebrauchtwagen. Der Teilnehmer machte geltend, der Button "kaufen" sei von ihm nicht aktiv gedrückt worden, sondern dieser sei aufgrund einer Fehlfunktion des Handys trotz Aktivierung der Sperrfunktion betätigt worden. Das Vorbringen erschien dem Amtsgericht Aschaffenburg wenig glaubhaft.Beruft sich der Teilnehmer auf eine Fehlfunktion seines Handys dahingehend, dass die Tastatur trotz Drückens der entsprechenden Taste nicht gesperrt war, ist nicht nachvollziehbar, wie es nach dem Einloggen auf eBay noch zu der erforderlichen zweimaligen Bestätigung des Kaufs gekommen ist. Im Ergebnis wurde der eBay-Teilnehmer zu einer Schadensersatzzahlung verurteilt, da der Anbieter den Gebrauchtwagen später nur unter Marktwert verkaufen konnte.Urteil des AG Aschaffenburg vom 17.04.2019130 C 60/17JurPC Web-Dok. 64/2019
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Facebook muss nach einstweiliger Anordnung gelöschten "Post" wieder einstellen
Der Betreiber des sozialen Netzwerks Facebook ist dazu verpflichtet, einen ursprünglich gelöschten "Post" wieder einzustellen, wenn durch die Löschung das Recht der Meinungsfreiheit des Nutzers in unzulässigem Maße eingeschränkt wurde. Dieser Anspruch kann laut Oberlandesgericht Oldenburg auch im Eilverfahren mittels einstweiliger Anordnung durchgesetzt werden.Urteil des OLG Oldenburg vom 01.07.201913 W 16/19Pressemitteilung des OLG Oldenburg
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EuGH zu Verbraucherrechten bei im Fernabsatz gekaufter mangelhafter Ware
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich mit der Frage befasst, wo der Verbraucher eine im Fernabsatz (Internet, Versandhandel) erworbene und seiner Meinung nach mangelhafte Ware (hier: ein Partyzelt) dem Verkäufer zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bereitzustellen hat.Nach geltendem Recht muss der Kunde die mangelhafte Ware unter Verauslagung der Versandkosten an den Lieferanten zurücksenden, sofern dies für ihn keine Belastung darstellt, die ihn von der Geltendmachung seiner Rechte abhalten könnte. Andererseits schuldet der Verkäufer die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands der Ware am Ort des Käufers.Der EuGH legt die einschlägigen EU-Richtlinien dahingehend aus, dass bei besonders schwerer, zerbrechlicher oder sperriger Ware oder bei ansonsten hohen Transportkosten sich der Kunde darauf beschränken darf, dem Verkäufer die Bereitstellung der Ware zur Nachbesserung oder Abholung mitzuteilen. Es obliegt dann dem Verkäufer, dem Kunden den Ort zu benennen, an dem er ihm die Ware zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bereitstellen muss. Leistet er binnen einer angemessenen Frist keine Abhilfe, kann der Käufer die Vertragsauflösung verlangen.Urteil des EuGH vom 23.05.2019C-52/18BB 2019, 1281
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Gericht untersagt Onlinebestellungen mittels Dash Button
Bei einem sogenannten Dash Button handelt es sich um ein mit dem WLAN der Nutzer verbundenes Gerät, mit dem bestimmte Produkte wie z.B. Haushalts- oder Drogeriewaren ohne weiteres Zutun auf Knopfdruck nachbestellt werden können. Im Anschluss an den Knopfdruck erhält der Verwender - sofern aktiviert - eine sogenannte (Push-)Nachricht auf sein Smartphone über die Bestellung.Für das Oberlandesgericht München verstößt die Verwendung eines Dash Buttons, durch dessen Drücken eine Warenbestellung über das Internet ausgelöst wird, zum einen gegen die Verpflichtung aus § 312j Abs. 3 BGB, dessen Schalter mit den Wörtern "zahlungspflichtig bestellen" oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung zu beschriften, und zum anderen gegen die Verpflichtung aus § 312j Abs. 2 BGB, dem Verbraucher unmittelbar, bevor er seine Bestellung tätigt, Informationen über wesentliche Eigenschaften der bestellten Ware und deren Gesamtpreis zur Verfügung zu stellen. Das von der Entscheidung betroffene Onlinekaufhaus Amazon hat den umstrittenen Dash Button bereits vom Markt genommen.Urteil des OLG München vom 10.01.201929 U 1091/18JurPC Web-Dok. 78/2019
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Unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) nicht zur Entscheidung angenommen.Zwar räumten die Verfassungsrichter ein, dass Vorschriften dieses Gesetzes unmittelbar und gegenwärtig zu einem Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit der Netzwerknutzer führen können. Nutzer sozialer Netzwerke, deren Beiträge gemäß § 3 NetzDG gesperrt oder gelöscht wurden, sind durch diese Vorschrift jedoch nicht unmittelbar betroffen, sondern erst durch den einzelfallbezogenen Vollzugsakt. Von diesem Vollzugsakt (Löschung eines Beitrags) erhalten die Betroffenen auch Kenntnis (§ 3 Abs. 2 Nr. 5 NetzDG). Insoweit sind sie in der Lage, fachgerichtlichen Rechtsschutz gegen die Löschung in Anspruch zu nehmen und den Rechtsweg auszuschöpfen.Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 23.04.20191 BvR 2314/18jurisPR-ITR 12/2019 Anm. 6
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Getarnte Werbung durch "Influencer" auf Instagram
Das Oberlandesgericht Frankfurt untersagte einem sogenannten "Influencer" die Veröffentlichung von getarnter Werbung über den Internetdienst Instagram. Empfiehlt ein "Influencer" ein Produkt, ohne den kommerziellen Zweck kenntlich zu machen, stellt dies verbotene getarnte Werbung dar, wenn er sich hauptberuflich mit dem Geschäftsbereich des Produkts beschäftigt und geschäftliche Beziehungen zu den Unternehmen unterhält, deren Produkte er empfiehlt.Beschluss des OLG Frankfurt vom 28.06.20196 W 35/19JURIS online
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Hotelbuchungsportale dürfen "enge Bestpreisklauseln" verwenden
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 9. Januar 2015 (VI - Kart. 1/14 (V)) Betreibern von Internetportalen, die Hotelunternehmen gegen Zahlung einer Vermittlungsgebühr Hotelkunden vermitteln, die damals gängige Praxis untersagt, die Hotels generell zu verpflichten, auf dem Portal stets die günstigsten Konditionen anzubieten (sogenannte weite Bestpreisklauseln).Dasselbe Gericht hat nun entschieden, dass ein Internetbuchungsportal Hotelbetreiber verpflichten kann, Hotelzimmer auf der eigenen Internetseite nicht günstiger anzubieten als auf der Portalseite (sogenannte enge Bestpreisklauseln). Dies wurde damit begründet, dass Betreiber von Buchungsportalen ein berechtigtes Interesse haben, Vorkehrungen gegen ein illoyales Umlenken von Kundenbuchungen zu treffen und zu verhindern, dass Kunden, die sich unter Inanspruchnahme der Hotelportalseite für das betreffende Hotel entschieden haben, durch niedrigere Zimmerpreise oder bessere Vertragskonditionen von der Buchungsseite des Portalbetreibers auf die Hotelseite umgelenkt werden.Urteil des OLG Düsseldorf vom 04.06.2019VI - Kart 2/16 (V)Pressemitteilung des OLG Düsseldorf
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Irreführung bei der Onlinebestellung von DSL-Tarifen
Ein Telekommunikationsanbieter darf bei der Bestellung von DSL-Tarifen im Internet nicht den Eindruck erwecken, dass für den vom Kunden gewählten Tarif einer der angebotenen Router (Monatsmiete 4,99 Euro) erforderlich ist. Eine derartige Aussage ist irreführend und verstößt sowohl gegen das Telekommunikationsgesetz als auch gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Daran änderte auch nichts, dass Kunden die telefonische Hotline des Anbieters anrufen oder durch Klick auf die Rubrik "Tarif-Details" nähere Informationen über die Hardware-Optionen erhalten konnten.Urteil des LG Koblenz vom 24.05.20194 HK O 35/18Pressemitteilung des LG Koblenz
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Urheberrechtsverletzung durch ausländische E-Book-Plattform
Der Betreiber einer international ausgerichteten Internetplattform, eine "non-for-profit-Corporation" nach US-amerikanischem Recht, auf der kostenfrei literarische Werke veröffentlicht werden, haftet für Urheberrechtsverletzungen in Deutschland, wenn die in deutscher Sprache angebotenen Werke nach deutschem Urheberrecht noch nicht "gemeinfrei" sind und der Betreiber sich die von Dritten auf der Plattform eingestellten Werke zu eigen gemacht hat.Der Plattformbetreiber haftet ebenfalls, wenn er lediglich eine Prüfung US-amerikanischen Urheberrechts veranlasst, obwohl die Webseite auch auf deutsche Nutzer ausgerichtet ist. In diesem Fall ist deutsches Urheberrecht anwendbar, gegen das verstoßen wird, soweit veröffentlichte Titel noch nicht "gemeinfrei" sind. Dies ist bei Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers der Fall.Urteil des OLG Frankfurt vom 30.04.201911 O 27/18Pressemitteilung des OLG Frankfurt
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Internetanbieter darf private Kunden-Router für öffentliches WLAN nutzen
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Aktivierung eines zweiten WLAN-Signals auf dem von einem Telekommunikationsdienstleister seinen Kunden zur Verfügung gestellten WLAN-Router, das von Dritten genutzt werden kann, wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn den Kunden ein Widerspruchsrecht zusteht, die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals ihren Internetzugang nicht beeinträchtigt und auch sonst keine Nachteile, insbesondere keine Sicherheits- und Haftungsrisiken oder Mehrkosten mit sich bringt. Anders als die Vorinstanz sahen die Karlsruher Richter keine unzumutbare Belästigung durch die einseitige Aufschaltung des zweiten WLAN-Signals und auch keine aggressive Geschäftspraktik des Telekommunikationsdienstleisters.Urteil des BGH vom 25.04.2019I ZR 23/18JURIS online
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Anspruch auf Registrierung nach Pfändung einer Domain
Ein Gläubiger erwirkte einen Pfändungsbeschluss des Amtsgerichts, in dem die angeblichen Ansprüche des Schuldners, dem Inhaber der Domain "d...de", aus dem mit der zentralen Registrierungsstelle für Domains (DENIC) abgeschlossenen Registrierungsvertrag gepfändet wurden. Der Gläubiger verlangte daraufhin seine Registrierung als Inhaber unter der Top-Level-Domain "de". Dies lehnte die DENIC ab.Im darauffolgenden Rechtsstreit verurteilte der Bundesgerichtshof die Registrierungsstelle, die Domain "d...de" für das klagende Unternehmen zu registrieren. Dies wurde damit begründet, dass sich die Inhaberschaft an einer Internetdomain unter der Top-Level-Domain "de" auf die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche gründet, die dem Inhaber der Domain aus dem Registrierungsvertrag gegenüber der DENIC eG zustehen.Urteil des BGH vom 11.10.2018VII ZR 288/17K&R 2019, 40
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Umgehung kostenloser Bezahlmöglichkeiten durch Rabatte auf bestimmte Kreditkarten
Der von einem Reiseportal angezeigte günstigste Preis von 239,98 Euro für einen Flug von Berlin nach Sardinien erwies sich im Nachhinein als gar nicht so günstig. Der vermeintlich günstigste Preis enthielt nämlich einen Rabatt von mehr als 40 Euro für die Zahlung mit den in Deutschland seltenen Karten "Viabuy Prepaid Mastercard" und "Visa Entropay". Wenn der Kunde dagegen mit Visa, Mastercard, Giropay oder Sofortüberweisung zahlen wollte, kletterte der Preis auf 282,78 Euro.Auf Klage der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) verurteilte das Landgericht Berlin den Reisevermittler es zu unterlassen, die vorgeschriebene Bereitstellung unentgeltlicher Zahlungsmethoden per Sofortüberweisung, Giropay oder Kreditkarte durch Rabatte für wenig verbreitete Zahlkarten zu umgehen.Urteil des LG Berlin vom 21.03.201952 O 2423/18Pressemitteilung des LG Berlin
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EuGH: Verbraucherwiderruf auch beim Online-Matratzenkauf
Bei sogenannten Fernabsatzverträgen (Versandhandel, Internet) steht dem Verbraucher nach dem Gesetz ein Widerrufs- und Rückgaberecht zu (§ 312d BGB). Dies gilt jedoch nach § 312g Abs. 2 Nr. 4 BGB nicht bei Verträgen zur "Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde".Nun hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass das Widerrufsrecht der Verbraucher im Fall eines Onlinekaufs auch für eine Matratze gilt, deren Schutzfolie nach der Lieferung entfernt wurde. Dies wurde damit begründet, dass wie bei einem Kleidungsstück davon ausgegangen werden kann, dass der Verkäufer in der Lage sei, die Matratze mittels einer Reinigung oder Desinfektion wieder verkaufstauglich zu machen, ohne dass den Erfordernissen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht genügt würde.Urteil des EuGH vom 27.03.2019C-681/17ZIP 2019, 715
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Eltern haften für Urheberrechtsverletzung bei Nichtpreisgabe des verantwortlichen Kindes
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Eltern zwar nicht verpflichtet sind zu offenbaren, welches ihrer Kinder durch unzulässiges Filesharing eines Musikalbums eine Urheberrechtsverletzung begangen hat. Ihr Schweigen hat jedoch zur Folge, dass sie als Anschlussinhaber für die Urheberrechtsverletzung dem Berechtigten Schadensersatz zu leisten haben und auch die außergerichtlichen Abmahnkosten tragen müssen.Das Grundrecht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 6 Abs. 1 GG steht einer prozessualen Obliegenheit des Inhabers eines Internetanschlusses nicht entgegen, preiszugeben, welches Familienmitglied diesen genutzt hat. Außerdem berücksichtigten die Verfassungsrichter, dass Rechteinhaber zur Durchsetzung ihrer Ansprüche in Filesharing-Verfahren in der Regel keine Möglichkeit haben, zu Umständen aus dem ihrem Einblick vollständig entzogenen privaten Bereich des Anschlussinhabers Ausführungen zu machen.Beschluss des BVerfG vom 18.02.2019BvR 2556/17BB 2019, 833
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Paparazzi-Fotos von prominenter Unterstützerin der Fahrradhelmkampagne ohne Helm
Paparazzi-Fotos einer prominenten Moderatorin und Journalistin, die öffentlich eine Kampagne für das Tragen von Fahrradhelmen unterstützt, die sie beim Fahren ohne Fahrradhelm zeigen, dürfen in der Presse veröffentlicht werden. Das Oberlandesgericht Köln untersagte jedoch die Veröffentlichung von Bildern, auf denen auch das noch nicht einmal schulpflichtige Kind der Frau zu sehen war.Urteil des OLG Köln vom 28.03.201915 U 155/18Pressemitteilung des OLG Köln
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Unzureichende Namensangabe im Impressum
Das Impressum einer Internetseite eines Unternehmens genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, wenn der Nachname des Betriebsinhabers nicht genannt wird. Daran ändert auch nichts, dass die Internetseite mit dessen Namen überschrieben ist.In demselben Verfahren beanstandete das Landgericht Frankfurt zudem die Werbung des Unternehmens, das Leistungen (Reinigung von Rechenzentren) in einer bestimmten Stadt bzw. Gebiet erbringt, als irreführend, wenn ein Standort angegeben ist, an dem sich der Inhaber oder ein Mitarbeiter tatsächlich nicht regelmäßig aufhalten.Urteil des LG Frankfurt vom 28.11.20182-06 O 206/18jurisPR-ITR 6/2019 Anm. 5
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Verwendung einer geschützten Marke in Internetdomain ("keine-vorwerk-vertretung.de")
Das Unternehmen Vorwerk, einer der führenden Staubsaugerhersteller, klagte erfolgreich gegen den Inhaber eines Onlineshops, der unter der Domain "keine-vorwerk-vertretung.de" gebrauchte Vorwerk-Staubsauger, Ersatzteile und Zubehör für Vorwerkprodukte, aber auch solche von Drittherstellern vertreibt.Der Bundesgerichtshof sah in der Domain eine unlautere Ausnutzung der Wertschätzung der Marke Vorwerk, die den Markeninhaber gemäß § 24 Abs. 2 MarkenG berechtigt, sich der Markenverwendung zu widersetzen. Macht sich - wie in dem entschiedenen Fall - der Wiederverkäufer durch die Verwendung der bekannten Marke im Rahmen der Domainbezeichnung die aus deren Bekanntheit folgende Werbewirkung bei der Anpreisung seines Onlineshops in einer Weise zunutze, die das für den Hinweis auf den Vertrieb von Markenwaren erforderliche Maß übersteigt, so liegt hierin eine unlautere Ausnutzung der Wertschätzung der geschützten Marke.Urteil des BGH vom 28.06.2018I ZR 236/16K&R 2019, 116
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Angabe von wesentlicher Eigenschaft der angebotenen Ware vor Abgabe der Bestellung
Eine Wettbewerbszentrale hatte beanstandet, dass bei einem auf der Verkaufsplattform Amazon zum Kauf angebotenen Sonnenschirm außer der Abbildung eines Produktfotos nur folgende Produktangaben: "Sonnenschirm Rhodos, natur ca. 300 x 300 cm, 8-teilig, quadratisch, EUR 328,99" gemacht wurden. Dies stelle einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 312j Abs. 2 BGB dar, wonach derartige Informationen dem Verbraucher vor Abgabe seiner Bestellung klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung gestellt werden müssen.Wie die Vorinstanz gab das Oberlandesgericht München der Unterlassungsklage statt. § 312j Abs. 2 BGB dient dem Schutz der Verbraucher und ist somit eine Marktverhaltensregel i.S.d. § 3a UWG. Ein Zurverfügungstellen der Informationen, unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, liegt nur dann vor, wenn sich die Informationen auf der Internetseite befinden, auf der der Kunde den Bestellvorgang abschließt. Nicht ausreichend ist, wenn die Informationen nur über einen Link abrufbar sind oder - wie hier - sogar nur über einen Link auf einer vorgeschalteten Internetseite erreichbar sind.Urteil des OLG München vom 31.01.201929 U 1582/18JurPC Web-Dok. 40/2019
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Unzulässiger Vertrieb von SIM-Karten mit vorinstallierten kostenpflichtigen Diensten
Ein Telekommunikationsanbieter vermarktete SIM-Karten, auf denen bestimmte Dienste, wie Internetzugangs- und Mailboxdienste vorinstalliert und -aktiviert waren, ohne dass der Verbraucher zuvor angemessen hierüber aufgeklärt wurde, welche Kosten dadurch anfallen. Wollte der Kunde diese Dienste nicht in Anspruch nehmen, so musste er sie selbst abschalten.Der Europäische Gerichtshof sah darin eine nach den EU-Richtlinien verbotene Zusendung "unbestellter Waren oder Dienstleistungen". Der italienische Hersteller der SIM-Karten wurde verurteilt, diese aggressive unlautere Geschäftspraxis zu unterlassen.Urteil des EuGH vom 13.09.2018C-54/17 u.a.K&R 2018, 707
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Angabe von wesentlicher Eigenschaft der angebotenen Ware vor Abgabe der Bestellung
Eine Wettbewerbszentrale hatte beanstandet, dass bei einem auf der Verkaufsplattform Amazon zum Kauf angebotenen Sonnenschirm außer der Abbildung eines Produktfotos nur folgende Produktangaben: "Sonnenschirm Rhodos, natur ca. 300 x 300 cm, 8-teilig, quadratisch, EUR 328,99" gemacht wurden. Dies stelle einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 312j Abs. 2 BGB dar, wonach derartige Informationen dem Verbraucher vor Abgabe seiner Bestellung klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung gestellt werden müssen.Wie die Vorinstanz gab das Oberlandesgericht München der Unterlassungsklage statt. § 312j Abs. 2 BGB dient dem Schutz der Verbraucher und ist somit eine Marktverhaltensregel i.S.d. § 3a UWG. Ein Zurverfügungstellen der Informationen, unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, liegt nur dann vor, wenn sich die Informationen auf der Internetseite befinden, auf der der Kunde den Bestellvorgang abschließt. Nicht ausreichend ist, wenn die Informationen nur über einen Link abrufbar sind oder - wie hier - sogar nur über einen Link auf einer vorgeschalteten Internetseite erreichbar sind.Urteil des OLG München vom 31.01.201929 U 1582/18JurPC Web-Dok. 40/2019
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Einschränkung der Meinungsfreiheit durch AGB einer Social-Media-Plattform
Will sich ein registrierter Teilnehmer einer Social-Media-Plattform gegen eine Löschung seines Accounts wegen der angeblichen Verbreitung rechtswidriger Inhalte gerichtlich zur Wehr setzen, ergibt sich die Anspruchsgrundlage für den Verfügungsanspruch aus dem zwischen den Parteien bestehenden Vertrag, durch den sich der Betreiber verpflichtet hat, dem Teilnehmer die Nutzung der von ihr angebotenen "...-Dienste" zu ermöglichen, in Verbindung mit der Vorschrift des § 241 Abs. 2 BGB (Grundsatz von Treu und Glauben).Zwar kann der Plattformbetreiber für alle Nutzer geltende Verhaltensregelungen aufstellen. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts München ist er jedoch nicht berechtigt, das Recht auf Meinungsfreiheit seiner Nutzer über Gebühr einzuschränken. Das Gericht erklärte eine Klausel in den Allgemeinen Nutzungsbedingungen, welche die Löschung des von einem Nutzer geposteten Beitrags wegen eines Verstoßes gegen die vom Plattformbetreiber aufgestellten "Community-Standards" in das Ermessen des Plattformbetreibers stellt, wegen unangemessener Benachteiligung der Nutzer für unwirksam.Beschluss des OLG München vom 17.07.201818 W 858/18ZUM-RD 2019, 15
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Erfolglose Klage gegen Netzwerkdurchsetzungsgesetz
Das Verwaltungsgericht Köln hat die Klage von zwei FDP-Bundestagsabgeordneten gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) als unzulässig abgewiesen. Die Politiker vertraten die Auffassung, das Gesetz, durch das Betreiber sozialer Netzwerke wie Facebook unter bestimmten Voraussetzungen zur Löschung rechtswidriger Inhalte verpflichtet sind und gegen sie im Falle von Zuwiderhandlung Bußgelder verhängt werden können, sei verfassungswidrig.Zum einen fehlte es für die von den beiden FDP-Politikern erhobene vorbeugende Feststellungsklage bereits an einem hinreichend konkreten Rechtsverhältnis zwischen ihnen und dem beklagten Bundesamt für Justiz. Zudem mangelte es den Klägern trotz ihrer Mitgliedschaft bei Facebook an dem erforderlichen qualifizierten Feststellungsinteresse für den von ihnen beanspruchten vorbeugenden Rechtsschutz.Urteil des VG Köln vom 14.02.20196 K 4318/18JURIS online
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Unerwünschte Zusendung presserechtlicher Informationsschreiben
Sogenannte presserechtliche Informationsschreiben dienen dazu, dem von einer befürchteten Rechtsverletzung Betroffenen bereits im Vorfeld Gehör zu gewähren und dadurch persönlichkeitsrechtsverletzende Rechtsverstöße vorbeugend zu verhindern oder jedenfalls ihre Weiterverbreitung einzuschränken. Presseunternehmen können sich gegen die Übersendung derartiger Schreiben (hier durch eine Rechtsanwaltskanzlei, die mehrere Prominente vertritt) nur bedingt zu Wehr setzen.Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs greift die Übermittlung eines solchen presserechtlichen Informationsschreibens in der Regel nicht rechtswidrig in das sogenannte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eines Presseunternehmens ein. Eine andere Beurteilung ist allerdings dann geboten, wenn das übersandte Informationsschreiben von vornherein ungeeignet ist, präventiven Rechtsschutz zu bewirken. Hiervon ist auszugehen, wenn es keine Informationen enthält, die dem Presseunternehmen die Beurteilung erlauben, ob Persönlichkeitsrechte durch eine etwaige Berichterstattung verletzt werden.Urteil des BGH vom 15.01.2019VI ZR 506/17WRP 2019, 336
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Veröffentlichung von Fotos von Museumswerken im Internet
Fertigt der Besucher eines kommunalen Kunstmuseums, in dem ein generelles Fotografierverbot besteht, trotz des deutlichen Hinweises Fotografien von im Museum ausgestellten Werken an und macht er diese Fotografien im Internet öffentlich zugänglich, kann der Museumsbetreiber als Schadensersatz die Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung im Internet verlangen.Der Museumsbetreiber kann sich insoweit einerseits auf die Beeinträchtigung seines Eigentums (§ 1004 BGB) und andererseits auf eine Verletzung der mit dem Museumsbesucher zustande gekommenen vertraglichen Vereinbarung berufen.Urteil des BGH vom 20.12.2018I ZR 104/17GRUR 2019, 284
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Kein Schmerzensgeld für Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung
Für das Amtsgericht Dietz besteht kein Anspruch auf Schmerzensgeld wegen der datenschutzrechtswidrigen Zusendung einer E-Mail. Ein Anspruch auf Schmerzensgeld ist für einen Bagatellverstoß ohne ernsthafte Beeinträchtigung bzw. für jede bloß individuell empfundene Unannehmlichkeit nicht zuzuerkennen. Vielmehr muss dem Betroffenen ein spürbarer Nachteil und eine Beeinträchtigung von persönlichkeitsbezogenen Belangen mit gewissem Gewicht entstanden sein, was bei einem Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in der Regel zu verneinen ist.Urteil des AG Diez vom 07.11.20188 C 130/18DuD 2019, 174
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Verkauf von rezeptfreien, apothekenpflichtigen Medikamenten über Amazon zulässig
Ein Apotheker bot als sogenannter Marktplatzhändler auf der Internetplattform Amazon rezeptfreie, apothekenpflichtige Medikamente an. Das Landgericht Magdeburg sieht in diesem Vertriebsweg keinen Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften. Ein Gesetzesverstoß liegt in derartigen Fällen auch nicht darin, dass Amazon Kundenbewertungen - sowohl der Medikamente als auch der Apotheke - auf seiner Seite veröffentlicht, da für jeden Nutzer der Seite sofort erkennbar ist, dass es sich hierbei nicht um Werbung und Bewertungen der Apotheke selbst, sondern um Meinungen der Verbraucher handelt.Urteil des LG Magdeburg vom 18.01.201936 O 48/18JURIS online
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Gekaufte Bewertungen in Amazon-Shops müssen gekennzeichnet werden
Produktbewertungen im Internet sind mit Vorsicht zu genießen. Nicht selten werden positive Bewertungen nur für eine Gegenleistung des Herstellers oder Händlers abgegeben. Mittlerweile gibt es auch zahlreiche Dienstleister, die positive Bewertungen oder Testberichte gegen Entgelt erstellen oder verfassen lassen.Das Oberlandesgericht Frankfurt hat nun entschieden, dass der Betreiber der Vertriebsplattform Amazon verlangen kann, dass "gekaufte Bewertungen", die für sogenannte Drittanbieter, die ihre Shops über Amazon betreiben, gegen Entgelt erstellt werden, entsprechend gekennzeichnet werden. Verbraucher erwarten zwar nicht unbedingt eine objektive Bewertung wie in einem redaktionellen Bericht, zumindest aber eine "authentische", eben nicht "gekaufte" Bewertung.Beschluss des OLG Frankfurt vom 22.02.20196 W 9/19JURIS online
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Ordnungsgeld wegen unzulässiger Veröffentlichung eines Fotos im Zusammenhang mit G20-Gipfel
Wird einem Zeitungsverlag gerichtlich die Veröffentlichung eines Fotos, das einen vergrößerten Bildausschnitt mit einer abgebildeten Person zeigt, zur Bebilderung eines Artikels untersagt, verstößt eine Folgeberichterstattung auch dann gegen diese Unterlassungsverpflichtung, wenn nunmehr das komplette Foto veröffentlicht wird.Eine große deutsche Boulevardzeitung hatte im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg einen Artikel: "Zeugen gesucht! Bitte wenden Sie sich an die Polizei" mit dem herangezoomten Bildausschnitt einer Frau veröffentlicht, die daraufhin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gegen die Zeitung erwirkt hatte. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verhängte nun wegen der Veröffentlichung des Fotos in der Originalgröße ein Ordnungsgeld in Höhe von 50.000 Euro, auf dem die Frau - wenn auch kleiner - deutlich erkennbar war.Beschluss des OLG Frankfurt vom 06.01.201916 W 4/19Pressemitteilung des OLG Frankfur
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Kein genereller Ausschluss des Widerrufsrechts durch Online-Apotheke
Online-Apotheken dürfen das Widerrufsrecht bei der Bestellung von Medikamenten nicht generell mit der Begründung ausschließen, Arzneimittel müssten nach einer Rückgabe entsorgt werden. Das Gesetz sieht im Versandhandel nur wenige Ausnahmen vom Widerrufsrecht vor, etwa für Waren, die leicht verderblich oder auf den persönlichen Bedarf des Kunden zugeschnitten sind. Das trifft nach Auffassung des Kammergerichts Berlin auf Medikamente zumindest nicht generell zu.Das Gericht verpflichtete die in dem konkreten Fall beklagte niederländische Online-Apotheke DocMorris zudem dazu, auf ihrer Internetseite die Telefonnummer der Kunden abzufragen, unter der diese im Bedarfsfall für eine kostenlose Beratung durch das pharmazeutische Personal erreichbar sind. Zugleich ist darauf hinzuweisen, dass ohne Angabe der Telefonnummer keine Lieferung von Medikamenten möglich ist.Urteil des KG Berlin vom 09.11.20185 U 185/17AZ 2018, Nr. 52, 3
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Erfassung von Mitarbeiterdaten durch gängige Standardsoftware mitbestimmungspflichtig
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat u.a. bei der Anwendung von technischen Einrichtungen mitzubestimmen, die das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer überwachen sollen. Geklärt ist, dass die Nutzung und der Einsatz spezieller Datenverarbeitungssysteme wie des Programms SAP ERP zur Personalverwaltung der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt.Für das Bundesarbeitsgericht gilt für andere softwarebasierte Personalverwaltungssysteme nichts Abweichendes, auch wenn diesen "alltägliche Standardsoftware" (hier das Tabellenkalkulationsprogramm Microsoft Excel) zugrunde liegt. Denn bei einem SAP-Programm handelt es sich ebenfalls um ein Standardsoftwareprodukt.Beschluss des BAG vom 23.10.20181 ABN 36/18AA 2018, 211
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Von Meinungsfreiheit gedeckte Negativbewertung
Verbraucherkommentare zu Produkten in Bewertungsportalen oder einschlägigen Blogs rufen regelmäßig die betroffenen Unternehmen auf den Plan, die derartige - aus ihrer Sicht rufschädigende - Äußerungen notfalls gerichtlich untersagen lassen wollen. Dabei ist meist die Frage entscheidend, ob die Äußerung als Tatsachenbehauptung oder zulässige Meinungsäußerung zu werten ist. Bei der Beurteilung kommt es stets auf den Zusammenhang an.Das Landgericht Frankfurt hält den Kommentar eines Verbrauchers "Keine Reaktion, Drohung, Beleidigung und Erpressung!" in einem Bewertungsportal von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Bewertung rechtfertigt daher keinen Löschungsanspruch des betroffenen Unternehmens.Beschluss des LG Frankfurt vom 18.10.20182-03 O 375/18jurisPR-ITR 2/2019 Anm. 5
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Vorhandene Servicetelefonnummer muss in Widerrufsbelehrung angegeben werden
Ein Unternehmer, der Waren und Dienstleistungen über das Internet vertreibt und dabei die gesetzlich angebotene Muster-Widerrufsbelehrung verwendet, muss in dieser Belehrung eine bereits eigens für den Kontakt mit bereits vorhandenen Kunden eingerichtete Servicetelefonnummer angeben.Da der Widerruf nach dem Gesetz nicht nur in Textform, sondern auch telefonisch oder mündlich erklärt werden kann, muss der Unternehmer dem Verbraucher die Telefonnummer jedenfalls dann mitteilen, wenn er diese Telefonnummer auch sonst nutzt, um mit seinen Kunden in Kontakt zu treten. Er muss über diesen Kommunikationsweg auch etwaige Widerrufe entgegennehmen. Wird eine vorhandene Servicenummer nicht angegeben, kann das Unternehmen wegen seines wettbewerbswidrigen Verhaltens auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.Urteil des OLG Schleswig vom 10.01.20196 U 37/17Pressemitteilung des OLG Schleswig
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Gericht stoppt Onlinevergleichsportal für Versicherungen wegen Verstoßes gegen das Provisionsabgabeverbot
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main stoppte ein neu gegründetes Onlineportal für Versicherungen, dessen Geschäftsmodell darin besteht, seinen Kunden die Provisionen aus ihren Versicherungsverträgen gegen eine Gebühr zu erstatten oder ihnen direkt Nettotarife, die keine Provisionen für den Vermittler vorsehen, zu vermitteln. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vertrat die Auffassung, dass das Versicherungsaufsichtsgesetz (§ 48b VAG) die Abgabe von Provisionen verbietet und wies zugleich darauf hin, dass Versicherungen, die weiter mit dem Betreiber des Geschäftsmodells und ähnlichen Vermittlern zusammenarbeiteten, eine Untersagungsanordnung droht.Hiergegen wandte sich das Start-up-Unternehmen mit einem Eilantrag, da einige Versicherungen nach Erhalt des Schreibens der Aufsichtsbehörde bereits die Zusammenarbeit mit ihm beendet hätten und ihm Verluste oder gar die Insolvenz drohten. Die Verwaltungsrichter teilten hingegen die Rechtsauffassung der BaFin, wonach das Geschäftsmodell gegen das Provisionsabgabeverbot verstößt, und wiesen den Eilantrag ab.Beschluss des VG Frankfurt vom 28.09.20187 L 3307/18.FVersR 2018, 1431
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"Airbnb" muss Identität von deutschen Gastgebern preisgeben
Insbesondere Kommunen mit zunehmend knapp werdendem bezahlbarem Wohnraum gehen vermehrt gegen die unzulässige zeitweise Vermietung von Wohnraum an Urlauber vor. Derartige Vermietungen werden von diversen Internetplattformen vermittelt, in denen Gastgeber anonym Wohnräume zum zeitweisen Aufenthalt inserieren können. Für die Kommunen bedeutet es einen ganz erheblichen Aufwand, die Vermieter solcher Wohnungen ausfindig zu machen.Die Stadt München hat nun einen Erfolg gegen den Marktführer "Airbnb" mit Sitz in Irland erzielt. Nach dem bayerischen Zweckentfremdungsrecht ist eine Vermietung von privaten Wohnräumen länger als acht Wochen im Kalenderjahr für Zwecke der Fremdbeherbergung genehmigungspflichtig. Das Verwaltungsgericht München verurteilte den Betreiber von Airbnb Ireland, die Daten der Gastgeber von vermittelten Wohnungen im Stadtgebiet an die Landeshauptstadt München herauszugeben. Der Herausgabe der personenbezogenen Daten stehen weder EU-Regelungen noch datenschutzrechtlichen Bedenken entgegen.Urteil des VG München vom 12.12.2018M 9 K 18.4553Justiz Bayern online
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Abbildung mehrerer Marken auf Versandkarton
Einem Händler steht nach dem Erwerb eines markenrechtlich geschützten Produkts das Recht zur unternehmensbezogenen Werbung unter Benutzung der Marke zu (sogenannter Erschöpfungsgrundsatz). Der Händler darf beispielsweise in seinem Laden auf Plakaten die Marken der von ihm vertriebenen Produkte abbilden.Eine vergleichbare Situation liegt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch dann vor, wenn ein Onlinehändler auf einem Versandkarton die Marken der von ihm tatsächlich vertriebenen Produkte abbildet, auch wenn die konkrete Lieferung kein Produkt der abgebildeten Marke enthält. Dass der Händler auf seinen Versandkartons nicht für ein bestimmtes Produkt wirbt, sondern allein die Markennamen ohne Hinweis auf konkrete Produkte aufführt, steht der sogenannten Erschöpfung nicht entgegen.Urteil des BGH vom 28.06.2018I ZR 221/16BB 2018, 2881
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Teilnahme an unlauterer Handlung durch Überlassung von Kontaktdaten an Kunden
Eine Werbeagentur, die für ihre Kunden Onlineplattformen für den Vertrieb von Produkten über das Internet entwickelt und realisiert, haftet als Teilnehmer für Wettbewerbsverstöße ihres Kunden (hier unzulässige Werbung für sog. diätetische Lebensmittel), wenn auf der Homepage und in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Zwecke der Kontaktaufnahme die Daten (Postfach, Telefonnummer) der Werbeagentur angegeben werden und nicht die des Betreibers des Onlineshops.Urteil des LG Köln vom 07.08.201833 O 173/17Magazindienst 2018, 765
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Störerhaftung von Zugangsanbietern nach der Neufassung des TMG
Nach § 8 Abs. 1 TMG (Telemediengesetz) sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie die Übermittlung nicht veranlasst, den Adressaten und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben. Sofern die Diensteanbieter nicht verantwortlich sind, können sie insbesondere nicht wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers auf Schadensersatz oder Beseitigung oder Unterlassung einer Rechtsverletzung in Anspruch genommen werden.Nach der Änderung des Telemediengesetzes im Jahr 2017 sollen nach dieser Vorschrift jedoch lediglich WLAN-Betreiber, nicht aber andere Access-Provider (Zugangsanbieter) von der Störerhaftung ausgenommen werden. Der Regelungsgehalt der dadurch geschaffenen Vorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG ist - so das Oberlandesgericht München - auf diesen Personenkreis beschränkt. Ein Access-Provider kann daher, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, im Falle von Urheberrechtsverletzungen von Nutzern als Störer in Anspruch genommen werden.Urteil des OLG München vom 14.06.201829 U 732/18K&R 2018, 592
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Vollstreckbarkeit eines Urteils
Ein Urteil mit dem Inhalt "dem Antragsgegner wird aufgegeben, die von ihm bei YouTube eingestellten Videos, in denen die Antragstellerin vorkommt, zu löschen", ist nicht vollstreckungsfähig, wenn sich nicht wenigstens aus der Akte und durch Auslegung ergibt, welche Videos vom Urteilstenor erfasst werden sollen. Das Landgericht Frankfurt hält es bei Streitigkeiten über Persönlichkeitsrechtsverletzungen daher für erforderlich, dass diejenigen Videos, die zuvor bei YouTube eingestellt wurden, konkret bezeichnet werden, z.B. durch Beifügung der Videos, durch Abbildungen oder durch die Angabe einer URL (z.B. "www.youtube.de/xyz").Beschluss des LG Frankfurt vom 13.11.20182-03 T 6/18JurPC Web-Dok. 156/2018
Recht der freien Berufe
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Widerruf der Approbation als Arzt wegen Besitz kinderpornografischer Schriften
Der Besitz kinder- und jugendpornografischer Schriften und Dateien führt für das Oberverwaltungsgericht Münster zum Wegfall des für die Ausübung des ärztlichen Berufs unabdingbaren Ansehens und Vertrauens in den Arzt und rechtfertigt daher den Widerruf der Approbation als Arzt.Beschluss des OVG Münster vom 22.11.201813 A 2079/18GesR 2019, 127
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Restauratoren mit akademischer Ausbildung sind keine Handwerker
Ein Restaurator mit akademischer Ausbildung unterfällt mit seinem Betrieb nicht den Tarifverträgen für Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk, wenn die Tätigkeiten durch eine wissenschaftlich-kunsthistorische Herangehens- und Arbeitsweise geprägt sind. Werkzeuge, die er verwendet, wie Mikroskop, Schwamm oder Pinsel, stellen keine Arbeitsmittel des Handwerks dar. Da der Restaurator in dem vom Hessischen Landesarbeitsgericht entschiedenen Fall als freiberuflich Tätiger einzustufen war, muss er keine Auskünfte über den Verdienst seiner Beschäftigten geben und keine Beiträge abführen.Urteil des Hessischen LAG vom 10.05.201910 Sa 275/18 SKPressemitteilung des Hessischen LAG
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Keine gleichzeitige Teilnahme an hausärztlicher und fachärztlicher Versorgung
Die Vorschrift des § 73 Abs. 1a SGB V (Sozialgesetzbuch) regelt die Zuordnung zur haus- und fachärztlichen Versorgung abschließend. Diese grundlegende Trennung beider Versorgungsbereiche schließt es für das Bundessozialgericht grundsätzlich aus, dass ein niedergelassener oder angestellter Arzt gleichzeitig an der hausärztlichen und an der fachärztlichen Versorgung teilnimmt.Urteil des BSG vom 13.02.2019B 6 KA 62/17 RSGb 2019, 222
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Berufsverbot auch bei verjährter Straftat
Bei der Prüfung, ob ein Berufsangehöriger (hier psychologischer Psychotherapeut) durch sein Verhalten, insbesondere eine Straftat (hier sexueller Missbrauch einer minderjährigen Patientin), nicht mehr das für die Ausübung seines Berufs unabdingbare Ansehen und Vertrauen besitzt, ist es rechtlich unerheblich, ob eine strafrechtliche Verurteilung erfolgt oder allein wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung unterblieben ist.Urteil des VGH Kassel vom 23.08.201825 A 1027/17.BDÖV 2019, 116
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Widerruf der Approbation als Apotheker nach Verurteilung wegen Steuerhinterziehung
Das Amtsgericht Aachen bestätigte den Widerruf der Approbation als Apotheker wegen Unwürdigkeit zur Ausübung des Berufs nach Verurteilung wegen Steuerhinterziehung.Der Apotheker hatte über Jahre hinweg mittels einer Manipulationssoftware von ihm entnommene Geldbeträge im System als Minderumsatz "Vergütung Leihgebühr" mit der Folge der Minderung der steuerpflichtigen Barumsätze im Bon- und Tagesabschluss erfasst. Darüber hatte er Kapitalerträge aus Vermögensanlagen nicht erklärt und für die Jahre 2007 bis 2010 jeweils falsche Steuererklärungen abgegeben. Dies führte zu einer Steuerhinterziehung in Höhe von 238.776 Euro. Er wurde deshalb zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Insbesondere die Verwendung von Manipulationssoftware zeigte für das Gericht ein erhebliches Maß an krimineller Energie, welche geeignet ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nachhaltig zu erschüttern.Urteil des VG Aachen vom 10.01.20195 K 4827/17PStR 2019, 49
Speditions- und Transportrecht
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Unzureichender Nachweis für einen Transportschaden
Für den Nachweis eines Transportschadens reicht es nicht aus, wenn lediglich ein Nässeschaden an der äußeren Verpackung einer Luftfrachtsendung dokumentiert ist. Hieraus kann nicht geschlossen werden, dass die in den Kartons befindlichen, noch einmal in Folie eingeschweißten Waren (hier: Textilien) beschädigt sind.Für nicht ausreichend hält es das Amtsgericht Hamburg als Nachweis, wenn der Geschädigte lediglich die Aussage eines Zeugen anbietet, wenn auch andere Beweismittel (Fotos, Gutachten etc.) möglich bzw. zu erwarten sind.Urteil des AG Hamburg vom 21.09.201833a C 73/17NZV 2019, 371
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Pflicht zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns gilt auch für ausländische Speditionen
Das im Januar 2015 in Kraft getretene Mindestlohngesetz ordnet an, dass Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland verpflichtet sind, ihren im Inland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zu zahlen.Dies gilt auch dann, wenn die Tätigkeit im Inland nur kurze Zeit andauert, wie das bei ausländischen Fernfahrern der Fall sein kann. Die Bestimmungen des Mindestlohngesetzes verstoßen insofern weder gegen Europarecht noch gegen Verfassungsrecht. Mit dieser Begründung wies das Finanzgericht Berlin-Brandenburg die Klagen zweier polnischer Speditionen ab, die diese gegen die Geltung des Mindestlohngesetzes und damit zugleich gegen die Kontrollbefugnisse der Zollbehörden erhoben hatten.Urteile des FG Berlin-Brandenburg vom 16.01.20191 K 1161/17 und 1 K 1174/17BB 2019, 405
Steuerrecht
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Kein geldwerter Vorteil für private Nutzung eines Feuerwehreinsatzfahrzeugs
Die Möglichkeit zur privaten Nutzung eines Feuerwehreinsatzfahrzeugs (Kommandowagen) durch den Leiter einer Freiwilligen Feuerwehr stellt dann keinen geldwerten Vorteil dar, wenn der Leiter verpflichtet ist, das Fahrzeug ständig, also auch zu privaten Anlässen mitzuführen, um zeitnah die Einsatzorte zu erreichen. Wird das Fahrzeug tatsächlich für circa 160 Einsätze im Jahr genutzt, überwiegt das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers an der Fahrzeugüberlassung.Urteil des FG Köln vom 29.08.20183 K 1205/18StE 2019, 23
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Ermittlung des angemessenen Pachtzinses durch Finanzamt
Kommt es bei der Entscheidung über anzuerkennende Werbungskosten bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auf die Angemessenheit des vereinbarten Pachtzinses (hier für eine Gaststätte) an, kann das Finanzamt diesen nicht mithilfe des ertragsorientierten Pachtwertes (sogenannte EOP-Methode), z.B. durch Internetrecherchen, ermitteln. Der Wert der Leistung hängt bei Miet- oder Pachtverhältnissen ganz wesentlich von den örtlichen Besonderheiten ab. Deshalb kommt es in rechtlicher Hinsicht auf die ortsübliche Marktmiete oder -pacht an.Lassen sich vergleichbare Objekte nicht finden, muss im Streifall das Gericht einen erfahrenen und mit der konkreten örtlichen Marktsituation vertrauten Sachverständigen, z.B. einen Makler, beurteilen lassen, welchen Miet- oder Pachtzins er für angemessen hält.Urteil des BFH vom 10.10.2018IX R 30/17DStR 2019, 376
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Erbschaftsteuer auf Vermögen einer unselbstständigen Stiftung
Eine vermögende Deutsche richtete zu Lebzeiten eine Stiftung in Liechtenstein ein. Nach ihrem Tod verlangte der deutsche Fiskus von ihrem Sohn als Alleinerben Erbschaftsteuer auf das Vermögen der Stiftung. Dieser wandte ein, das Vermögen der selbstständigen Stiftung sei nicht ihm zuzurechnen. Dem folgte der Bundesgerichtshof nicht. Entscheidend war, dass der Sohn auch die Herrschaftsbefugnisse über die Anlage des Stiftungskapitals geerbt hatte, sodass eine sogenannte unselbstständige Stiftung vorlag. Dies hatte zur Folge, dass der Erbe als uneingeschränkt Verfügungsberechtigter zur Zahlung der Erbschaftsteuer herangezogen werden konnte.Urteil des BFH vom 05.12.2018II R 9/15DStR 2019, 978
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Abgeltungsteuer: Frist für Antrag auf Regelbesteuerung
Steuerpflichtige mit Kapitalerträgen aus einer unternehmerischen Beteiligung müssen den Antrag auf Regelbesteuerung anstelle der Abgeltungsteuer spätestens zusammen mit der Einkommensteuererklärung stellen, um so die anteilige Steuerfreistellung im Rahmen des sog. Teileinkünfteverfahrens zu erlangen. Dies hat der Bundesfinanzhof entschieden. Die Antragsfrist gilt auch, wenn sich das Vorliegen von Kapitalerträgen erst durch die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung im Rahmen einer Außenprüfung ergibt. Hat der Steuerpflichtige keinen vorsorglichen Antrag auf Regelbesteuerung gestellt, besteht dann auch nicht die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 der Abgabenordnung (AO).Urteil des BFH vom 14.05.2019VIII R 20/16DStR 2019, 1736
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Umsatzsteuer: Ferienwohnungsvermietung als Reiseleistung
Die Vermietung von Ferienwohnungen, die ein Unternehmer von anderen Unternehmern angemietet hat, unterliegt der sogenannten Margenbesteuerung nach § 25 Abs. 3 UStG unter Anwendung des Regelsteuersatzes.Nach dieser Vorschrift bemisst sich die sonstige Leistung nach der Differenz zwischen dem Betrag, den der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, und dem Betrag, den der Unternehmer für die Reisevorleistungen aufwendet. Bei dem Differenzbetrag handelt es sich um einen Bruttobetrag, aus dem die Umsatzsteuer herauszurechnen ist.Urteil des BFH vom 27.03.2019V R 10/19 u.a.DStR 2019, 1039
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Umsatzsteuer bei Bruchteilsgemeinschaft
Der Bundesfinanzhof hat seine bisherige langjährige Rechtsprechung zur Unternehmereigenschaft von Bruchteilsgemeinschaften und deren Gemeinschaftern geändert.Danach kann eine Bruchteilsgemeinschaft (hier Personengruppe, die sich für die Vermarktung einer Erfindung als gemeinschaftliche Lizenzgeber zusammengeschlossen hat) nicht Unternehmer sein. Es liegen vielmehr zivil- und umsatzsteuerrechtlich durch die Gemeinschafter als jeweilige Unternehmer anteilig erbrachte Leistungen vor, sodass der Vorsteuerabzug stets nur dem einzelnen Gemeinschafter entsprechend seiner Beteiligungsquote zusteht.Urteil des BFH vom 22.11.2018V R 65/17NZM 2019, 184
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Erstattung nachentrichteter Lohnsteuer für die Privatnutzung eines Dienstwagens
Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Dienstfahrzeug unentgeltlich zur privaten Nutzung überlassen, unterliegt der Nutzungsvorteil der Lohnsteuer. Ist der Arbeitgeber zur Nachentrichtung nicht oder zu gering abgeführter Lohnsteuer verpflichtet, hat er gegenüber dem Arbeitnehmer einen Erstattungsanspruch.Der Arbeitnehmer kann sich hinsichtlich der Nachforderung des Arbeitgebers nur dann auf eine arbeitsvertraglich vereinbarte Verfallklausel berufen, wenn diese neben Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis ausdrücklich auch solche erfasst, die mit dem Arbeitsverhältnis (lediglich) in Verbindung stehen.Urteil des BAG vom 17.10.20185 AZR 538/17DStR 2019, 700
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Umsatzsteuerbefreiung für Zimmervermietung an Prostituierte
Nach einem Urteil des Finanzgerichts Hannover ist die Vermietung von möblierten Zimmern und Wohnungen zum Zwecke der Ausübung der Prostitution und gleichzeitig zum Wohnen gemäß § 4 Nr. 12a UStG von der Umsatzsteuer befreit, soweit vom Vermieter nicht weitere erhebliche Leistungen etwa in Form eines Bordellbetriebes erbracht werden.Urteil des FG Hannover vom 07.03.201911 K 266/16EFG 2019, 1033
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Regelsteuersatz bei Pflanzenlieferungen für Gartenanlage
Die Lieferung von Pflanzen durch ein Garten- und Landschaftsbauunternehmen bildet mit den damit im Zusammenhang stehenden Gartenbauarbeiten eine einheitliche komplexe Leistung, wenn auf der Grundlage eines Gesamtkonzepts eine Gartenanlage geschaffen wird. In diesem Fall unterliegt auch die Pflanzenlieferung dem Regelsteuersatz.Urteil des BFH vom 14.02.2019V R 22/17DStR 2019, 789
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Gewerbesteuer: Keine Hinzurechnung des Mietzinses für einen Messestand
Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb werden u.a. bei der Ermittlung der Gewerbesteuer folgende Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind: Ein Viertel der Summe aus einem Fünftel der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen (§ 8 Nr. 1d GewStG) und ein Viertel der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen (§ 8 Nr. 1e GewStG).Das Finanzgericht Düsseldorf hat entschieden, dass Mietzinsen für einen Messestand, die ein produzierendes Unternehmen für eine alle drei Jahre stattfindende Messe aufwendet, nicht der Hinzurechnung nach § 8 GewStG unterliegen.Urteil des FG Düsseldorf vom 29.01.201910 K 2717/17DStZ 2019, 211
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Urheberrechtliche Abmahnungen sind umsatzsteuerpflichtig
Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass Abmahnungen, die ein Rechteinhaber zur Durchsetzung eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruchs gegenüber Rechtsverletzern vornimmt, umsatzsteuerpflichtig sind. Gegenleistung für die Abmahnleistung ist der vom Rechtsverletzer gezahlte Betrag.Eine Tonträgerherstellerin ließ mithilfe einer beauftragten Rechtsanwaltskanzlei Personen, die Tonaufnahmen im Internet rechtswidrig verbreitet hatten, abmahnen. Gegen Unterzeichnung einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung sowie Zahlung von pauschal 450 Euro (netto) bot sie an, von der gerichtlichen Verfolgung ihrer Ansprüche abzusehen. Sie ging dabei davon aus, dass die erhaltenen Zahlungen als Schadensersatz für die Urheberrechtsverletzungen anzusehen seien und daher keine Umsatzsteuer anfalle. Die ihr von der Rechtsanwaltskanzlei in Rechnung gestellte Umsatzsteuer zog sie gleichzeitig als Vorsteuer ab.Die obersten Finanzrichter folgten dieser Rechtsauffassung nicht und stellten klar, dass - unabhängig von der jeweiligen Bezeichnung durch die Beteiligten und der zivilrechtlichen Anspruchsgrundlage - Abmahnungen zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs als umsatzsteuerpflichtige Leistungen im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Abmahner und den von ihm abgemahnten Personen zu qualifizieren sind. Die Abmahnung erfolgt, so die Urteilsbegründung weiter, zumindest auch im Interesse des jeweiligen Rechtsverletzers, weil er die Möglichkeit erhält, einen kostspieligen Rechtsstreit zu vermeiden. Dies ist als umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistung anzusehen.Urteil des BFH vom 13.02.2019XI R 1/17DB 2019, 1124
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Vorsteuerabzug: Billigkeitserlass bei fehlerhaften Rechnungent
Nach § 163 Satz 1 AO (Abgabenordnung) können vom Finanzamt Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne die Steuer erhöhende Besteuerungsgrundlagen unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen unbillig wäre.Einen solchen Fall nahm der Bundesfinanzhof an, wenn sich zwei Unternehmer ausgehend von den zivilrechtlichen Vereinbarungen aufgrund eines gemeinsamen Irrtums über die zutreffende steuerrechtliche Beurteilung einer höchstrichterlichen noch nicht geklärten Streitfrage ohne Missbrauchs- oder Hinterziehungsabsicht gegenseitig Rechnungen mit unzutreffendem Steuerausweis erteilen und aufgrund der Versteuerung der jeweils zu Unrecht gesondert ausgewiesenen Steuerbeträge keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt.Urteil des BFH vom 27.09.2018V R 32/16DB 2019, 282
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Vorsteuerabzug aus Anschaffungskosten für einen Ferrari
Für das Finanzgericht Hamburg ist der Vorsteuerabzug beim Erwerb eines Luxussportwagens (Ferrari) trotz des damit verbundenen privaten Prestigewertes für den Nutzer und der im Verhältnis zum Umsatz und Gewinn des Unternehmers hohen Anschaffungskosten nicht ausgeschlossen, wenn die Anschaffung entsprechend der Erwartung des Unternehmers nachweislich zur Eröffnung substantieller Geschäftschancen geführt hat.Dies ist der Fall, wenn das Unternehmen nachweist, dass der Geschäftsführer einer GmbH, die mit regenerativen Energieanlagen handelt, für Besuche potenzieller Investoren ein repräsentatives Fahrzeug benötigt. Maßgebend für den Umfang der unternehmerischen Nutzung eines hochpreisigen Geschäftswagens ist nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG die ernsthafte Nutzungsabsicht des Unternehmers im Erwerbszeitpunkt. Die spätere tatsächliche Nutzung ist ein Beweisanzeichen für die entsprechende Absicht beim Erwerb des Fahrzeugs.Urteil des FG Hamburg vom 27.09.20183 K 96/17EFG 2019, 135
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Entgeltliche Garantiezusage eines Kfz-Händlers umsatzsteuerfrei
Die Garantiezusage, durch die der Kfz-Verkäufer als Garantiegeber im Garantiefall eine Geldleistung verspricht, stellt nach Auffassung des Bundesfinanzhofs eine Leistung aufgrund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des Versicherungssteuergesetzes dar, die nach § 4 Nr. 10a UStG von der Umsatzsteuer befreit ist.Urteil des BFH vom 14.11.2018XI R 16/17DStR 2019, 324
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Spendenabzug bei Schenkung unter Ehegatten mit Spendenauflage
Ein Ehegatte kann eine Spende auch dann von der Einkommensteuer absetzen, wenn ihm der Geldbetrag zunächst vom anderen Ehegatten geschenkt wird. Voraussetzung ist hierfür nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs, dass die Ehegatten zusammen veranlagt werden und dass aufgrund einer Auflage im Schenkungsvertrag die Verpflichtung besteht, den Geldbetrag an einen gemeinnützigen Verein weiterzuleiten. In dem entschiedenen Fall hatte der - kurz darauf verstorbene - Ehemann seiner Ehefrau einen Geldbetrag von 400.000 Euro geschenkt. Die Ehefrau gab Teilbeträge von insgesamt 130.000 Euro an zwei gemeinnützige Vereine weiter. Hierzu war sie möglicherweise aufgrund einer Auflage des Schenkers verpflichtet. Die Vereine stellten Zuwendungsbestätigungen auf den Namen der Ehefrau aus.Die erforderliche Freiwilligkeit ist nach Auffassung der obersten Finanzrichter auch dann zu bejahen, wenn die Ehefrau als Spenderin aufgrund einer Auflage des Schenkers zu der Zuwendung zwar rechtlich verpflichtet gewesen ist, diese Verpflichtung - wie hier im Schenkungsvertrag - aber ihrerseits freiwillig eingegangen ist.Urteil des BFH vom 15.01.2019X R 6/17DB 2019, 703
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Fahrschulunterricht kein steuerfreier Schulunterricht
Eine deutsche Fahrschule klagte vor den deutschen Gerichten gegen die Weigerung der deutschen Steuerbehörden, den von ihr erteilten Fahrunterricht von der Umsatzsteuer zu befreien.Die in der Rechtsprechung umstrittene Rechtsfrage haben nun die Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) dahingehend entschieden, dass Fahrschulunterricht für die Fahrerlaubnisklassen B und C1 kein von der Mehrwertsteuer befreiter Schul- und Hochschulunterricht ist.Urteil des EuGH vom 14.03.2019C-449/17BB 2019, 724
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Zurechnung von Ausgaben zum Vorjahr ("Kurze Zeit")
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Klagebefugnis vor Vollbeendigung einer GbR
Will sich eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gerichtlich gegen die Feststellung des laufenden Gesamthandgewinns in einem Gewinnfeststellungsbescheid des Finanzamts zur Wehr setzen, kann nur der zur Vertretung der GbR berufene Geschäftsführer Klage erheben. Solange die Gesellschaft nicht vollständig beendet ist, ist eine von einem einzelnen Gesellschafter erhobene Klage unzulässig.Beschluss des BFH vom 20.11.2018IV B 44/18jurisPR-SteuerR 9/2019 Anm. 5
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Kein Firmenwagen bei "Minijob" im Ehegattenbetrieb
Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung eines Vertrags zwischen Arbeitgeber und nahen Angehörigen ist, dass der Vertrag bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen ist und darüber hinaus sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (sogenannter Fremdvergleich).Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass die Überlassung eines Firmen-Pkws zur uneingeschränkten Privatnutzung ohne Selbstbeteiligung bei einem "Minijob"-Beschäftigungsverhältnis unter Ehegatten einem Fremdvergleich nicht standhält und der Arbeitsvertrag daher steuerlich nicht anzuerkennen ist.Urteile des BFH vom 10.10.2018X R 44/17 und X R 45/17DB 2019, 464
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Umsatzsteuer: Steuerbefreiung für notärztliche Bereitschaftsdienste
Leistungen eines Arztes im Rahmen eines notärztlichen Bereitschaftsdienstes sind nach § 4 Nr. 14a UStG steuerfreie Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin.Urteil des BFH vom 02.08.2018V R 37/17DStR 2019, 102
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Absagen zur Betriebsfeier führen nicht zur Steuerpflicht der Teilnehmer
Aufwendungen des Arbeitgebers aus Anlass einer Betriebsveranstaltung unterliegen nur dann nicht der Lohnsteuerpflicht, wenn die Freigrenze von 110 Euro je teilnehmenden Arbeitnehmer nicht überschritten wird. Selbst bei einer nur geringfügigen Überschreitung ist dann der gesamte Betrag zu versteuern.Für das Finanzgericht Köln ist bei der Ermittlung des Umfangs der lohnsteuerpflichtigen Zuwendungen, die Arbeitnehmern im Rahmen einer Betriebsveranstaltung (hier: Weihnachtsfeier in Form eines gemeinsamen Kochkurses) gewährt werden, auf die Anzahl der angemeldeten Arbeitnehmer abzustellen und nicht auf die Anzahl der tatsächlich teilnehmenden Personen. Daher ist es unschädlich, wenn der Prokopfanteil der Zuwendung durch mehrere Absagen die 110-Euro-Grenze übersteigt. Denn die teilnehmenden Arbeitnehmer haben keinerlei zusätzliche Vorteile durch die Absage der zu der Veranstaltung angemeldeten Kollegen.Urteil des FG Köln vom 27.06.20183 K 870/17DStR 2018, 2199
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1 %-Pauschale auch bei wenigen Fahrten zur Betriebsstätte
Bei der Ermittlung des privaten Nutzungsanteils bei Anwendung der 1 %-Regelung ist auch dann der gesetzliche Faktor von 0,03 % des inländischen Listenpreises des Fahrzeugs je Kalendermonat zugrunde zu legen, wenn der Steuerpflichtige im Monat durchschnittlich weniger als 15 Fahrten zur Betriebsstätte unternommen hat.Urteil des BFH vom 12.06.2018VIII R 14/15DStR 2018, 2195
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Voraussetzungen für Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dürfen Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten nur dann gebildet werden, wenn zum Bilanzstichtag anhand objektiver Kriterien bereits ernsthaft mit der Inanspruchnahme gerechnet werden muss.Wurde der Werkmangel durch den Besteller bis zum Bilanzstichtag noch nicht gerügt und beruhte dies maßgeblich darauf, dass der (objektiv angelegte) Mangel bis zu jenem Stichtag noch keine erkennbare betriebsbeeinträchtigende Wirkung entfaltete und hatten folglich die Vertragsbeteiligten noch keine Kenntnis vom Mangel, liegt es nahe, dass der Werkunternehmer am Bilanzstichtag noch nicht ernsthaft mit einer Inanspruchnahme zur Gewährleistung rechnen musste.Beschluss des BFH vom 28.08.2018X B 48/18BFH/NV 2019, 113
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Gesellschaftereinlage zur Vermeidung einer Bürgschaftsinanspruchnahme
Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass eine Einzahlung in die Kapitalrücklage einer GmbH, die ein Gesellschafter leistet, um seine Inanspruchnahme als Bürge für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu vermeiden, steuerlich als nachträgliche Anschaffungskosten auf seine Beteiligung anzuerkennen sind.Urteil des BFH vom 20.07.2018IX R 5/15DStR 2018, 2470
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Keine Anerkennung eines geringfügigen Ehegatten-Arbeitsverhältnisses mit Pkw-Überlassung
Ein Ehegatten-Arbeitsverhältnis, bei dem die Ehefrau als Bürokraft geringfügig beschäftigt wird, ihr als Teil des Arbeitslohns ein Fahrzeug zur Privatnutzung überlassen wird, die Arbeitszeit sich nach dem Arbeitsanfall richten soll und eine feste Stundenzahl nicht vereinbart ist, kann nicht anerkannt werden. Ein derartiger Arbeitsvertrag hält einem für die steuerliche Anerkennung erforderlichen sogenannten Fremdvergleich nicht stand.Urteil des FG Münster vom 20.11.20182 K 156/18 EStE 2019, 53
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Anforderungen an Rechnungsanschrift beim Vorsteuerabzug
Dem Recht auf Vorsteuerabzug steht nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht entgegen, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten des leistenden Unternehmers nicht unter der Anschrift ausgeübt werden, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist. Bei Leistungen innerhalb der EU ist es ausreichend, dass der leistende Unternehmer unter der von ihm angegebenen Rechnungsanschrift erreichbar ist.Urteil des BFH vom 13.06.2018XI R 20/14DStR 2018, 1967
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Umsatzsteuerfreie Übereignung des Inventars einer Gaststätte
Die Übertragung des Inventars einer Gaststätte ist eine nicht der Umsatzsteuer unterliegende Geschäftsveräußerung, wenn der Erwerber mit dem übertragenen Inventar die Gaststätte dauerhaft fortführen kann.Erforderlich für die Fortführung des Gastronomiebetriebs ist, dass der Erwerber über dasselbe Geschäftslokal wie der Verkäufer verfügen kann. Diese Voraussetzung war im vorliegenden Streitfall erfüllt, weil der Erwerber die Gaststättenräume von einem Dritten gepachtet hatte. Im Ergebnis war er somit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, obwohl der Verkäufer des Inventars in seiner Rechnung die Mehrwertsteuer ausgewiesen hatte.Urteil des BFH vom 29.08.2018XI R 37/17DB 2018, 2676
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Bilanzierung von Provisionsvorauszahlungen an Handelsvertreter
Solange der Provisionsanspruch eines Handelsvertreters noch unter der aufschiebenden Bedingung der Ausführung des zugrunde liegenden Geschäfts steht, ist er nicht zu aktivieren. Provisionsvorschüsse sind daher beim Empfänger als "erhaltene Anzahlungen" gewinnneutral zu passivieren.Urteil des BFH vom 26.04.2018III R 5/16DStR 2018, 1542
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Kosten für "Herrenabende" nur hälftig als Betriebsausgaben abziehbar
Eine Rechtsanwaltskanzlei veranstaltete regelmäßig sogenannte Herrenabende, bei denen Mandanten, Geschäftsfreunde und Persönlichkeiten aus Verwaltung, Politik, öffentlichem Leben und Vereinen bewirtet wurden. Die Kanzlei machte die Bewirtungskosten als Betriebsausgaben geltend, da ihrer Meinung nach die Veranstaltungen der Pflege und Generierung von Mandaten dienten und daher voll abzugsfähig seien.Das Finanzgericht Düsseldorf ließ die Aufwendungen nur hälftig zum Abzug zu, da diese nach seiner Auffassung gemischt veranlasst waren, weil sowohl Gäste aus dem privaten wie auch aus dem beruflichen Umfeld der Partner der Rechtsanwaltskanzlei teilgenommen hatten.Urteil des FG Düsseldorf vom 31.07.201810 K 3355/16 F, UBB 2018, 3030
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Gesellschaftereinlage zur Vermeidung einer Bürgschaftsinanspruchnahme
Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass eine Einzahlung in die Kapitalrücklage einer GmbH, die ein Gesellschafter leistet, um seine Inanspruchnahme als Bürge für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu vermeiden, steuerlich als nachträgliche Anschaffungskosten auf seine Beteiligung anzuerkennen sind.
Urteil des BFH vom 20.07.2018IX R 5/15DStR 2018, 2470 -
Steuerabzug einer bis zum 10. Januar geleisteten Umsatzsteuervorauszahlung für das Vorjahr
Entgegen einer allgemeinen Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Umsatzsteuervorauszahlungen, die innerhalb von zehn Tagen nach Ablauf des Kalenderjahres gezahlt werden, auch dann im Vorjahr steuerlich abziehbar sind, wenn der 10. Januar des Folgejahres auf einen Samstag oder Sonntag fällt.Urteil des BFH vom 27.06.2018
X R 44/16
DStR 2018, 2257 -
Kein Abzug von Refinanzierungszinsen nach Verzicht auf Gesellschafterdarlehen
Ein Gesellschafter, der unter der Bedingung der Besserung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft auf die Rückzahlung seines Gesellschafterdarlehens verzichtet, um deren Eigenkapitalbildung und Ertragskraft zu stärken, kann weiterhin anfallende Refinanzierungszinsen nicht als Werbungskosten im Zusammenhang mit früheren Zinseinkünften abziehen.Urteil des BFH vom 24.10.2017
VIII R 19/16
DStR 2018, 2330 -
Beweislast für private Nutzung eines hochwertigen Dienstwagens
Gehört ein Pkw der Premiumklasse (hier Mercedes Benz G500) zum Betriebsvermögen einer GmbH und bestreitet diese, dass das Fahrzeug vom Geschäftsführer auch privat genutzt wird, kann das Finanzamt nicht ohne Weiteres von einer verdeckten Gewinnausschüttung ausgehen.Dies gilt jedenfalls dann, wenn der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer für private Fahrten ein anderes privates Fahrzeug besitzt, das dem betrieblichen Fahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar ist oder gar einen höheren Nutzwert hat. Das Finanzgericht geht in einem solchen Fall davon aus, dass der Anscheinsbeweis für eine private Nutzung des betrieblichen Pkws entkräftet ist, mit der Folge, dass das Finanzamt eine private Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs beweisen muss.Urteil des FG München vom 11.06.2018
7 K 634/17
StE 2018, 519 -
Zeitliche Zuordnung des Veräußerungsgewinns aus Geschäftsanteilsübertragung
Bei der Veräußerung eines Gesellschaftsanteils (hier einer Gemeinschaftspraxis) "mit Wirkung zum Ablauf des 31.12.2012" ist der Veräußerungsgewinn grundsätzlich, sofern die Übertragung nicht tatsächlich später vollzogen wurde, dem Jahr 2012 zuzurechnen. Dass der vereinbarte Kaufpreis erst am 3.1.2013 bezahlt wurde, spielte für das Finanzgericht Nürnberg keine Rolle, da das Zufluss- und Abflussprinzip des § 11 EStG bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 16 Abs. 2 EStG keine Anwendung findet.Urteil des FG Nürnberg vom 04.04.2018
4 K 1453/16
EFG 2018, 1035
Verkehrsrecht
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Personenbeförderungsrechtliche Genehmigung bei Patiententransport zu ambulanter Reha-Einrichtung
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Beförderung von Patienten von ihrer Wohnung zu einer ambulanten Rehabilitationseinrichtung und zurück durch deren eigenen Fahrdienst nach dem Personenbeförderungsgesetz genehmigungspflichtig ist. Daran ändert auch nichts, dass das Gesamtentgelt für die Transporte die Betriebskosten der Fahrt nicht übersteigt. Ein ambulantes Gesundheitszentrum ist weder ein Krankenhaus noch eine Heilanstalt, für die die Freistellungs-Verordnung eine Befreiung von der Genehmigungspflicht vorsieht.Urteil des BVerwG vom 08.05.201910 C 1.19Pressemitteilung des BVerwG
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Fahrverbot für zu schnellen Zahnarzt
Das Gericht kann auch bei einem Verkehrsverstoß, der an sich die Anordnung eines Fahrverbots nach sich zieht, bei gleichzeitiger Anhebung des Bußgeldes ausnahmsweise von der Verhängung eines Fahrverbots u.a. dann absehen, wenn dies für den betroffenen Autofahrer eine besondere Härte (z.B. Arbeitsplatzverlust, Existenzgefährdung) darstellen würde.Das Kammergericht Berlin verneinte einen derartigen außergewöhnlichen Härtefall bei einem freiberuflichen Zahnarzt, der die Höchstgeschwindigkeit innerhalb einer geschlossenen Ortschaft um 33 km/h überschritten hatte. Dass der bereits mehrmals einschlägig vorbelastete Mediziner auch außerhalb der Sprechzeiten seiner Praxis Hausbesuche durchführte, reichte für die Annahme einer Existenzgefährdung nicht annähernd aus.Beschluss des KG Berlin vom 13.05.20193 Ws (B) 111/19 - 162 Ss 46/19VRR 2019, Nr. 8, 3
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Verweigerung der Taxigenehmigung nach schwerwiegenden Straftaten
Rechtskräftige Verurteilungen wegen schwerer Verstöße gegen strafrechtliche Vorschriften begründen im Regelfall die Annahme der Unzuverlässigkeit eines Taxiunternehmers, die die Erteilung einer Taxigenehmigung ausschließt. In dem vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz entschiedenen Fall war ein Taxiunternehmer wegen vorsätzlicher Körperverletzung eines Fahrgastes sowie wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden. Diese Straftaten rechtfertigten die Ablehnung des Antrags auf Wiedererteilung der abgelaufenen Taxigenehmigung.Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 17.12.20187 A 10357/18.OVGPressemitteilung des OVG Rheinland-Pfalz
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Kein Parkausweis in Bewohnerparkzonen für Freiberufler und Gewerbetreibende
Kommunen sind grundsätzlich berechtigt, Bewohnerparkzonen in städtischen Quartieren mit erheblichem Parkraummangel einzurichten. Bewohner in diesem Sinne sind nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen die Personen, die in dem in Betracht kommenden Gebiet tatsächlich wohnen. Personen und Unternehmen, die in dem Bereich einer beruflichen Tätigkeit nachgehen, fallen nach dem Willen des Gesetzgebers nicht unter diesen Kreis der Berechtigten. Insoweit hat auch eine ansässige Rechtsanwaltskanzlei keinen Anspruch auf Erteilung eines Bewohnerparkausweises.Urteil des VG Aachen vom 19.02.20192 K 1550/16JURIS online
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Führerscheinentzug auch bei erheblichen beruflichen Auswirkungen
Einem Autofahrer, der, nachdem er an einer Fahrbahnverengung wegen zwei Fahrradfahrern abbremsen musste, diese aus Verärgerung in erheblichem Maß gefährdete, indem er versuchte, sie gegen parkende Fahrzeuge zu drängen, wurde wegen seines rücksichtslosen Verhaltens der Führerschein entzogen. Der Verurteilte machte geltend, der Entzug der Fahrerlaubnis stelle für ihn eine überdurchschnittliche Härte dar, da er aus beruflichen Gründen in besonderem Maße auf die Fahrerlaubnis angewiesen sei. Das Landgericht Berlin ließ dies jedoch nicht gelten und bestätigte den vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis mit folgender Begründung:Gerade der Personenkreis, der in besonderem Maße auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist, hat "insoweit in erhöhtem Maße Vorsicht walten zu lassen. Die häufige Nutzung des Fahrzeugs kann jedoch nicht maßgebend sein, weil andernfalls trotz Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen gerade solchen Personen die Fahrerlaubnis belassen werden müsste, die in erheblichem Umfang am Verkehr teilnehmen. Ein derart wertungswidersprüchliches Verhalten, das bei konsequenter Anwendung bei wirtschaftlicher Existenzbedrohung für den Betroffenen gleichsam zu einem Freibrief für Fehlverhalten im Straßenverkehr führen müsste, ist vom Gesetzgeber offensichtlich nicht beabsichtigt und entspricht auch nicht der Rechtsprechung".Beschluss des LG Berlin vom 01.03.2018538 Qs 22/18RdW 2018 751
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Taxi ist kein "Lieferverkehr"
Eine Fußgängerzone, die nur für den "Lieferverkehr" freigegeben ist, darf nicht von einem Taxi befahren werden. Das Oberlandesgericht Bamberg begründete dies damit, dass sich aus dem Wortsinn und dem gängigen Gebrauch des Begriffs "Lieferverkehr" ergibt, dass nur der Transport von Gegenständen, insbesondere von Waren und Gütern, jedoch nicht das Abholen oder Bringen von Personen gemeint ist.Beschluss des OLG Bamberg vom 09.07.20183 OLG 130 Ss 58/18Verkehrsrecht aktuell 2018, 193
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Ausnahmeregeln "Lieferverkehr frei" berechtigt nicht zur Postabholung mit Pkw in Fußgängerzone
Gewerbetreibende oder selbstständig Tätige sind nicht berechtigt, mit ihrem Pkw in eine Fußgängerzone einzufahren, um in einer dort gelegenen Postfiliale ihr Postfach zu leeren. Das Oberlandesgericht Köln hält diese Nutzung nicht von der Regelung "Lieferverkehr frei" gedeckt und bestätigte einen von der Ordnungsbehörde gegen einen Rechtsanwalt wegen unbefugten Befahrens der Fußgängerzone verhängten Bußgeldbescheid über 30 Euro.Beschluss des OLG Köln vom 02.05.2018
III-1 RBs 113/18
ZAP EN-Nr. 502/2018
Versicherungsrecht
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Beschädigung eines Kundenfahrzeugs auf öffentlich zugänglichem Parkplatz einer Autowerkstatt
Wird ein von einem Kunden auf dem Parkplatz einer Autowerkstatt abgestellter Pkw beschädigt, haftet der Werkstattinhaber nur für einen während der Standzeit an dem Pkw entstandenen Schaden, wenn der Kunde nachweist, dass ein Mitarbeiter dafür verantwortlich ist.Nach Auffassung des Landgerichts Saarbrücken handelt die Werkstatt jedenfalls dann, wenn der vorhandene abgeschlossene Teil des Betriebsgeländes nicht ausreicht, alle Fahrzeuge unterzubringen, grundsätzlich nicht sorgfaltswidrig, wenn Kundenfahrzeuge auf einem Teil des Betriebsgeländes, der der Öffentlichkeit zugänglich ist, abgestellt werden.Urteil des LG Saarbrücken vom 22.03.201913 S 149/18Wirtschaftswoche Heft 25/2019, Seite 86
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Deckungsschutz in der Betriebshaftpflichtversicherung trotz strafbarer Handlung
Soweit eine Betriebshaftpflichtversicherung keine andere Regelung vorsieht, sind von dem versicherten Risiko auch Schäden umfasst, die in Zusammenhang mit einer strafbaren oder ordnungswidrigen Handlung eintreten, wenn diese Handlung dem Betrieb des Versicherungsnehmers dient und der Schaden vom Versicherungsnehmer nicht vorsätzlich herbeigeführt wurde.Erleidet eine bei einer Schlachtung anwesende Person Verletzungen durch den Versicherungsnehmer, die der versicherte Betreiber einer Fleischerei bei der Schlachtung eines Rinds unter Missachtung tierschutz-, lebensmittel- und waffenrechtlicher Regelungen in fahrlässiger Weise verursacht hat, kann der Unfall nach Auffassung des Oberlandesgerichts Celle von dem Versicherungsschutz umfasst sein.Urteil des OLG Jena vom 26.07.20194 U 50/19jurisPR-VersR 9/2019 Anm. 3
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Betriebsgefahr eines Lkws bei Be- und Entladen
Zwei Männer beluden an einem Lager ihre Lkws. Sie benutzten dabei sogenannte Elektroameisen (eine Art Handhubwagen). Dabei stieß der eine Lkw-Fahrer mit seiner Elektroameise gegen den rechten Fuß des anderen und verletzte ihn. Der Verletzte musste sich bei der Geltendmachung seiner Schadensersatzansprüche eine Minderung von einem Drittel aufgrund der Betriebsgefahr seines Lkws anrechnen lassen.Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Köln gehören Be- und Entladevorgänge zum Betrieb des Fahrzeugs, wenn hierzu spezielle Entladungsvorrichtungen (Elektroameise oder Gabelstapler) genutzt werden. Bei einem Unfall greift daher die verschuldensunabhängige Betriebsgefahr des Lkws, auch wenn sich der Unfall nicht auf einer öffentlichen Fläche ereignete und der Motor des Fahrzeugs nicht lief.Urteil des OLG Köln vom 06.12.20183 U 59/18Pressemitteilung des OLG Köln
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Fremdschaden beim Entladen eines Lkws
Ein Lkw mit aufmontiertem Kran entlud an einer öffentlichen Straße Baumaterial. Während des Abladens platzte am Kran ein Hydraulikschlauch. Dadurch spritzte eine größere Menge Hydrauliköl unkontrolliert u.a. in den Vorgarten eines Nachbargrundstücks sowie an dessen Hauswand. Der Eigentümer verlangte von dem Halter des Fahrzeugs Schadensersatz.Da weder den Halter noch den Fahrer des Lasters ein Verschulden traf, konnte sich die Halterhaftung nur aus der sogenannten Betriebsgefahr des Lkws ergeben, die kein Verschulden voraussetzt. Das mit dem Fall befasste Oberlandesgericht Köln vertrat die Ansicht, dass der Lkw nicht fahren musste, um eine Betriebsgefahr zu verursachen. Denn auch das Entladen gehört zum Betrieb des Fahrzeugs. Zudem war der Kran fest auf dem Lkw montiert und damit ein Teil des Fahrzeugs. Entscheidend war daher, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt der Schadensverursachung im öffentlichen Verkehrsraum stand. Der Halter des Fahrzeugs bzw. dessen Haftpflichtversicherung mussten daher für den Schaden in voller Höhe aufkommen.Beschluss des OLG Köln vom 21.02.201914 U 26/18MDR 2019, 547
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Nutzungsausfallentschädigung bei gewerblich genutzten Fahrzeugen
Wer infolge eines Verkehrsunfalls auf sein Fahrzeug während der Reparatur verzichten muss, kann entweder die Kosten für einen Mietwagen oder sogenannten Nutzungsausfall beanspruchen, sofern ihm in dieser Zeit kein anderes Kraftfahrzeug zur Verfügung steht. Dies gilt auch für gewerblich genutzte Fahrzeuge. Über die Höhe des täglichen Nutzungsausfalls geben normalerweise entsprechende Tabellenwerke (z.B. Sanden/Danner) Aufschluss, die alle gängigen Fahrzeuge abhängig von ihren Anschaffungskosten in Entschädigungsgruppen einteilen.Derartige Tabellenwerke sind jedoch nicht auf ausschließlich gewerblich genutzte Fahrzeuge anwendbar. Vielmehr muss der Halter konkret nachweisen, welcher Schaden ihm durch den unfallbedingten Ausfall der Nutzungsmöglichkeit entstanden ist. Dies gilt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs unabhängig davon, ob das ausgefallene Fahrzeug unmittelbar der Gewinnerzielung dient, weil der Ertrag allein mit Transportleistungen erzielt wird (z.B. Taxi oder Lkw eines Fuhrunternehmens), oder nur mittelbar der Gewinnerzielung dient, weil es zur Unterstützung einer anderen gewerblichen Tätigkeit eingesetzt wird.Urteil des BGH vom 06.12.2018VII ZR 285/17VersR 2019, 368
Wettbewerbsrecht
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Verkauf von unbelegten Brötchen an Sonntagen in Bäckerei mit Café
Befindet sich in einer Bäckerei-Filiale auch ein Café, rechtfertigt dies während der Öffnungszeit an Sonn- und Feiertagen auch den Verkauf von unbelegten Brötchen und Broten länger als in drei gesetzlich zugelassenen Stunden. Ein Café mit Sitzplätzen zum Verzehr von Speisen und Getränken ist als Gaststätte zu behandeln.Nach Auffassung des Oberlandesgerichts München handelt es sich auch bei den von der Bäckerei hergestellten Broten und Brötchen um "zubereitete Speisen" im Sinne des § 1 Abs. 2, Nr. 1 GastG (Gaststättengesetz), die von den Gästen auch im Café-Betrieb bestellt werden können. Im Ergebnis verneinte das Gericht einen Verstoß gegen das Gaststättengesetz.Urteil des OLG München vom 14.02.20196 U 2188/18GRUR-RR 2019, 227
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Berechtigte Gründe für Nichtbenutzung einer Unionsmarke durch Lizenzhändler
Einem auf das Lizenzgeschäft spezialisierten Unternehmen wurde im Rahmen eines Verfahrens auf Nichtigerklärung einer in der EU geschützten Unionsmarke vom Antragsteller vorgehalten, die Marke sei innerhalb der letzten fünf Jahre nicht ernsthaft benutzt worden und sei daher verfallen. Der Lizenzhändler machte demgegenüber berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung der Marke geltend; die Lizenzerteilung sei durch unlautere Maßnahmen eines Dritten dauerhaft torpediert worden.Das Europäische Gericht (EuG) ließ diese Argumentation gelten. Dem Unternehmen, das über keine eigenen Herstellungs- oder Forschungskapazitäten verfügt, sei es nicht zuzumuten, wegen der Verhinderung der Lizenzvergabe selbst die Herstellung und den Vertrieb der Markenware aufzunehmen.Urteil des EuG vom 13.12.2018T-672/16GRURPrax 2019, 83
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Internetverkäufer haftet für fehlende Fundstellenangabe bei Werbung mit Testergebnissen
Die Werbung eines Onlinekaufhauses mit einem Testhinweis ohne Angabe der Fundstelle stellt nach ständiger Rechtsprechung einen Wettbewerbsverstoß dar. Der Betreiber der Internetseite kann sich auch nicht darauf berufen, dass nicht er, sondern ein Dritter (z.B. Lieferant oder Hersteller) den Text der Produktbeschreibung verfasst hat. Er muss sich den Inhalt des wettbewerbswidrigen Verkaufsangebots, das von einem Dritten in die Website eingestellt wurde, als eigenen Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht zurechnen lassen, wenn er erkennbar als Verkäufer auftrat und sich den Angebotstext dadurch zu eigen gemacht hat.Urteil des LG Düsseldorf vom 21.02.201937 O 56/18WRP 2019, 803
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Unzulässige Beschränkung des Lastschriftverfahrens auf in Deutschland wohnende Bahn-Kunden
Die Deutsche Bahn darf nicht vorschreiben, dass Kunden, die Fahrkarten online per Lastschriftverfahren kaufen möchten, einen Wohnsitz in Deutschland haben müssen. Eine solche Vorgabe ist nicht mit den Bestimmungen des Unionsrechts vereinbar, die es Unternehmen verbieten vorzugeben, in welchem Mitgliedstaat das Zahlungskonto des Kunden zu führen ist.Urteil des EuGH vom 05.09.2019C-28/18RdW 2019, 403
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Werbliche Aufwertung durch irreführende Verwendung des Warnhinweises für Arzneimittel
Nach § 4 Abs. 3 S. 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG) ist bei der Werbung für Arzneimittel der Text "Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" gut lesbar und von den übrigen Werbeaussagen deutlich abgesetzt und abgegrenzt anzugeben. Ein gesetzliches Verbot, diesen Hinweis auf Nahrungsergänzungsmitteln oder medizinischen Kosmetikprodukten anzubringen, kann darin nicht gesehen werden. Allerdings kann die Verwendung des Hinweistextes für derartige Produkte für die mit der Werbung angesprochenen Verbraucher eine wettbewerbswidrige Irreführung darstellen.Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Dresden kann der durchschnittliche Interessent für Nahrungsergänzungsmittel oder Kosmetikprodukte durch den gesetzlich nicht gebotenen Warnhinweis zu der irrigen Vorstellung gelangen, die beworbenen Waren wiesen gegenüber üblichen Produkten dieser Art eine erhöhte Wirksamkeit auf.Urteil des OLG Dresden vom 15.01.201914 U 941/18WRP 2019, 636
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Irreführung durch Verwendung eines falschen Namens des Werbeanrufers
Für das Oberlandesgericht Frankfurt macht es einen gravierenden Unterschied, ob sich ein Werber bei einem Telefonat ganz ohne seinen persönlichen Namen meldet oder mit einem Pseudonym. Denn dadurch wird die Identifizierung des Anrufenden erheblich erschwert. In der Verwendung eines falschen Namens durch einen angestellten oder beauftragten Werber ist daher eine wettbewerbswidrige Irreführung des kontaktierten Verbrauchers zu sehen.Urteil des OLG Frankfurt vom 16.05.20196 U 3/19K&R 2019, 516
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Markenverletzung: Strenge Anforderungen an Unverhältnismäßigkeit von Rückruf und Vernichtungsanspruch
Wurde einem Unternehmen wegen eines Verstoßes gegen Markenrechte Dritter gerichtlich untersagt, bestimmte Waren zu bewerben und zu vertreiben, kann der Markeninhaber unter bestimmten Voraussetzungen auch die Verpflichtung verlangen, dass der Unterlassungsschuldner bereits an Dritte ausgelieferte Ware zurückrufen und noch vorhandene Ware vernichten muss (§ 18 MarkenG). Dies bedeutet für das betroffene Unternehmen oftmals einen gravierenden Eingriff in seine Eigentumsrechte und ist zwangsläufig mit erheblichen finanziellen Einbußen verbunden. Daher ist in derartigen Fällen eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen. Hierzu der Bundesgerichtshof:"Die Anordnung der Vernichtung widerrechtlich gekennzeichneter Waren gemäß § 18 Abs. 1 MarkenG sowie die Anordnung des Rückrufs und des endgültigen Entfernens solcher Waren aus den Vertriebswegen hat über die Folgenbeseitigung hinaus eine Art Sanktionscharakter und ist wegen des damit verbundenen Eingriffs in das durch Art. 14 GG geschützte Eigentum in besonderem Maße dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterworfen. Die Frage der Unverhältnismäßigkeit ist deshalb unter umfassender Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beantworten. So sind unter Berücksichtigung des generalpräventiven Zwecks der Vorschrift das Vernichtungsinteresse des Inhabers der Marke und das Erhaltungsinteresse des Verletzers abzuwägen. In die Abwägung einzubeziehen ist ferner der Grad des Verschuldens des Verletzers. Insbesondere bei schuldlosem Handeln des Verletzers werden … entsprechend geringere Anforderungen zu stellen sein. Im Rahmen der Abwägung sind außerdem die Schwere des Eingriffs in das Markenrecht, der Umfang des bei der Vernichtung für den Verletzer entstehenden Schadens im Vergleich zu dem durch die Verletzung eingetretenen wirtschaftlichen Schaden des Rechtsinhabers und Besonderheiten der Beschaffenheit der Ware einzubeziehen. Neben diesen Gesichtspunkten kann auch die Frage von Bedeutung sein, ob im Einzelfall ein milderes Mittel zur Beseitigung der Störung, etwa die sichere und dauerhafte Entfernung der widerrechtlichen Kennzeichnung, zur Verfügung steht."Urteil des BGH vom 11.10.2018I ZR 259/15WRP 2019, 610
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Hohe Anforderungen an Aktivlegitimation eines Wettbewerbsverbands
Die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen steht gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG auch rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen zu, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen, und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt.Im Streifall muss ein Wettbewerbsverband die tatsächliche Verfolgung satzungsgemäßer Zwecke substantiiert darlegen und beweisen. Dabei sind an die Darlegung und den Nachweis der Klagebefugnis grundsätzlich hohe Anforderungen zu stellen. Das Landgericht Berlin sah diese in einem Fall eines Wettbewerbsverbandes, zu dessen Mitgliedern u.a. die Stadtwerke Weimar und die Thüringer Energie AG gehörten, nicht erfüllt.In dem Verfahren stellte sich heraus, dass die Geschäftstätigkeit bei einer Monatsmiete in Höhe von 138,91 Euro in einem nur pro forma geführten Büro ausgeübt wurde. Ein vorgelegtes Foto zeigte als technische Büroausstattung lediglich einen Bildschirm und einen Drucker. Es waren weder Telefon noch Faxgerät erkennbar. Auch die personelle Ausstattung war mehr als dürftig. Eine "Justiziarin" war nach den eigenen Angaben des Verbands im Schnitt nur zwei Stunden pro Tag anwesend. Auch der seit der Gründung geführte Schriftverkehr erwies sich als eher bescheiden. Die angeblich zweijährige Tätigkeit als Wettbewerbsverband reichte im Ergebnis für eine Vermutung für die tatsächliche Erfüllung satzungsmäßiger Aufgaben nicht aus.Urteil des LG Berlin vom 11.03.2019101 O 140/18jurisPR-ITR 10/2019 Anm. 6
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Anforderungen an einstweiligen Rechtsschutz bei Markenrechtsverletzung
Nach § 12 Abs. 2 UWG können zur Sicherung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in der Zivilprozessordnung bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden. Das Oberlandesgericht Nürnberg lehnt eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf einstweilige Verfügungsverfahren wegen Markenrechtsverletzung ab.Der Verfügungskläger muss daher in diesen Fällen die objektiv begründete Besorgnis darlegen, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung seines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird, sodass es aufgrund einer besonderen Dringlichkeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache einer einstweiligen Sicherung seines Anspruchs bedarf. Bei der fortdauernden Verletzung von Schutzrechten ergibt sich die Dringlichkeit regelmäßig aus der Sache selbst. Ist jedoch die Verletzungshandlung eingestellt worden, obliegt es der Antragstellerpartei, Tatsachen dazu vorzutragen, inwieweit dennoch die Angelegenheit so dringlich ist, dass ihr nicht zugemutet werden kann, den Weg des Hauptsacheverfahrens einzuschlagen und in diesem auf den Erlass eines Vollstreckungstitels zu warten.Beschluss des OLG Nürnberg vom 12.10.20183 W 1932/18WRP 2019, 131
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Autohändler muss in Werbung auf Mietwageneigenschaft hinweisen
Ein Autohändler muss in einer Verkaufsanzeige eines Gebrauchtwagens darauf hinweisen, dass es sich um einen ehemaligen Mietwagen handelt. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Oldenburg ist die Mietwageneigenschaft eine wesentliche Information, die für die geschäftliche Entscheidung des Käufers ein erhebliches Gewicht hat. Es verurteilte das Autohaus, in Zukunft keine Anzeigen mehr ohne den Hinweis auf die Mietwageneigenschaft eines Fahrzeugs zu schalten.Urteil des OLG Oldenburg vom 15.03.20196 U 170/18Pressemitteilung des OLG Oldenburg
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Werbeverbot auf Friedhöfen ist streng einzuhalte
Auf den meisten Friedhöfen enthalten entsprechende Satzungen ein generelles Werbeverbot. Bei einem Verstoß kommt es nicht darauf an, wer die Werbebotschaft dort platziert hat.Verkauft ein Friedhofsgärtner an seine Kunden Blumenvasen, die mit einem Werbeaufkleber versehen sind, besteht für das Oberlandesgericht Koblenz die Verpflichtung, die Kunden darauf hinzuweisen, dass die Vasen nicht auf Friedhöfen aufgestellt werden dürfen, in denen per Satzung das Verteilen und Aufstellen von Werbung verboten ist.Beschluss des OLG Koblenz vom 28.01.20199 W 648/18WRP 2019, 789
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Urheberrechtliches Zitatrecht bei umfangreichen schriftlichen Zitaten eines mündlichen Vortrags
Das Oberlandesgericht Frankfurt sprach einem Zeitungsverlag das urheberrechtliche Zitatrecht zu, wenn er in seiner Berichterstattung über eine von einem Gastdozenten gehaltene frei zugängliche Vorlesung in mehreren Textblöcken umfangreiche Zitate aus dieser Rede veröffentlicht. Der Zitierende muss in derartigen Fällen eine innere Verbindung zwischen dem fremden Werk und den eigenen Gedanken herstellen und das Zitat als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbstständige Ausführungen des Zitierenden erscheinen lassen. Diese Voraussetzungen hielt das Gericht hier für erfüllt und wies die Unterlassungsklage des Dozenten gegen den Verlag ab.Urteil des OLG Frankfurt vom 18.04.201911 U 107/18JURIS online
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Keine Urheberrechtsentschädigung für VW-Beetle
Das Landgericht Braunschweig hat die Klage der Erbin eines als Konstrukteur an der Entwicklung des ersten VW-Käfers beteiligten Angestellten abgewiesen. Die Klägerin hat gegenüber dem in Wolfsburg ansässigen Autobauunternehmen geltend gemacht, dass ihr 1966 verstorbener Vater, der ab 1931 bei Porsche gearbeitet hat, der Schöpfer des Ur-Käfers sei und sich sein Werk heute noch in dem VW-Beetle fortsetze. Ihr stehe daher wegen des großen Verkaufserfolges eine weitere Vergütung nach § 32a Urhebergesetz (Fairnessausgleich) zu. Aus Verjährungsgründen hat die Klägerin die Klage zuletzt auf die ab 2014 gebauten Fahrzeuge beschränkt.Das Gericht verneinte die Urheberrechtsfähigkeit der Zeichnungen des Ur-Käfers als Werk der angewandten Kunst. Dabei war insbesondere zu berücksichtigen, dass es zur Zeit der Anfertigung der Zeichnungen bereits zahlreiche Entwürfe gab, die das Konzept des Fahrzeugs mit Heckmotor in stromlinienförmiger Karosse mit herabgezogener Fronthaube und dem in die herabgezogene Motorhaube übergehenden Heck vorweggenommen hatten (Tatra V570, Mercedes Typ 130). Im Übrigen konnte die Erbin auch nicht nachweisen, dass ihr Vater an dem Entwurf in dem früher von Ferdinand Porsche überreichten Exposé für einen Volkswagen (KdF-Wagen) beteiligt gewesen war.Urteil des LG Braunschweig vom 19.06.20199 O 3006/17JURIS online
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Löschung der für Adidas eingetragenen Unionsmarke "Drei Streifen"
Eine Unionsmarke gilt in der gesamten Europäischen Union und besteht neben den nationalen Marken. Unionsmarken werden beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) angemeldet. Dessen Entscheidungen können beim Gericht angefochten werden.Der deutsche Sportartikelhersteller Adidas hat hinsichtlich der Eintragung seiner Marke "Drei Streifen" eine empfindliche Niederlage beim Europäischen Gericht (EuG) erlitten. Die Europarichter haben entschieden, dass das EUIPO zu Recht die Unionsmarke von Adidas, die aus drei parallelen, in beliebiger Richtung angebrachten Streifen besteht, wegen fehlender Unterscheidungskraft gelöscht hat.Adidas konnte in dem Verfahren nicht nachweisen, dass die aus den "Drei Streifen" bestehende Marke bei der Eintragung im gesamten Gebiet der EU benutzt worden ist und dass sie infolge ihrer Benutzung in diesem Gebiet Unterscheidungskraft erlangt hat. Von den von Adidas vorgelegten Beweisen bezogen sich nämlich die einzigen, die von gewisser Relevanz waren, nur auf fünf Mitgliedstaaten und konnten im vorliegenden Fall nicht auf das gesamte Gebiet der EU hochgerechnet werden. Adidas kann gegen die Entscheidung noch Rechtsmittel beim EuGH einlegen.Urteil des EuG vom 19.06.2019T-307/17Pressemitteilung des EuG
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Irreführende Werbung mit "Kinderwunsch-Tee"
Das Oberlandesgericht Köln hat der Unterlassungsklage eines Verbraucherverbandes stattgegeben, die sich gegen die Werbung des Vertreibers eines "Kinderwunsch-Tees" richtete. Dort hieß es u.a., der Tee enthalte Pflanzenstoffe, die in der Erfahrungsheilkunde angewendet werden, um den Zyklus zu harmonisieren und so den Eisprung zu fördern.Auch das Gericht sah darin eine Irreführung der Verbraucherinnen, da der Vertreiber des Tees, gesundheitsbezogene Angaben bezüglich eines Lebensmittels gemacht habe, die er nicht auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen könne. Die Werbung sei so zu verstehen, dass der Kinderwunsch-Tee Probleme, die einer Empfängnis im Wege stünden, lindere und so die Empfängnis ermögliche. Solche gesundheitsbezogenen Angaben sind jedoch nur zulässig, wenn sie auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise gestützt und dadurch abgesichert sind. Einen solchen Nachweis konnte das beklagte Unternehmen im Prozess jedoch nicht vorlegen.Urteil des OLG Köln vom 21.06.20196 U 181/18Pressemitteilung des OLG Köln
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Anforderungen an Zustellung einer wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsverfügung
Hat das Gericht wegen eines Wettbewerbsverstoßes im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens eine Unterlassungsverfügung erlassen, genügt die Zustellung einer beglaubigten Abschrift. Die Zustellung einer gerichtlichen Ausfertigung ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf nicht erforderlich.Die Zustellung muss nur dann an den Prozessbevollmächtigten des Schuldners erfolgen (§ 172 ZPO), wenn sich dieser eindeutig für das gerichtliche Verfahren bestellt hat. Die lediglich vorgerichtliche Mitteilung des Prozessbevollmächtigten an den Gläubiger, vom Schuldner mit der Wahrnehmung dessen rechtlicher Interessen beauftragt worden zu sein, ist hierfür nicht ausreichend.Urteil des OLG Düsseldorf vom 07.02.201920 U 101/18WRP 2019, 490
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Wettbewerbsverein mit zu geringer Mietgliederzahl
Verbände und Vereine sind gemäß § 8 III Nr. 2 UWG nur dann anspruchsberechtigt, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, "die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben". Damit sind solche Unternehmen gemeint, die dem Verletzer wettbewerbsrechtlicher Regeln auf demselben sachlich und räumlich relevanten Markt als Wettbewerber begegnen, also um Kunden konkurrieren können.Bei der für die Klagebefugnis eines Wettbewerbsverbands maßgeblichen Frage, ob diesem eine erhebliche Zahl von Mitbewerbern des Verletzers angehört, sind auch die Bedeutung und das wirtschaftliche Gewicht der in Betracht kommenden Mitglieder auf dem betreffenden Markt zu berücksichtigen. Dabei kommt Mitgliedsunternehmen, die auf einer Verkaufsplattform einen Onlineshop betreiben und dort neben einer Vielzahl unterschiedlicher Artikel in geringem Umfang auch Erzeugnisse anbieten, die ein Wettbewerbsverhältnis mit dem Verletzer begründen, ein eher geringes Gewicht zu. Dem Oberlandesgericht Frankfurt reichten 23 Mitglieder, die überwiegend nur geringfügig im hier relevanten Buchmarkt tätig waren, nicht aus, um die Klagebefugnis eines Wettbewerbsvereins zu bejahen.Urteil des OLG Frankfurt vom 02.05.20196 U 58/18WRP 2019, 908
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Irreführende Werbung bei Eierkartons über regionalen Erzeuger
Für das Oberlandesgericht Stuttgart stellt es eine Irreführung der Verbraucher dar, wenn die Eier in einem Eierkarton nicht von dem Hof ("Haldenhof" in Beuren) kommen, für den auf der Verpackung geworben wird, sondern von einem über 100 Kilometer entfernten Hof. Das Gericht untersagte sowohl dem vermeintlichen Erzeuger "Haldenhof" als auch dem verkaufenden Supermarkt (REWE) den weiteren Vertrieb der Eier in den beanstandeten Kartons.Für Verbraucher, die zunehmend Produkte wegen des kurzen Transportwegs und zur Unterstützung der regionalen Landwirtschaft kaufen, sind Informationen über Herkunft und Transportwege durchaus kaufentscheidend.Urteile des OLG Stuttgart vom 18.04.20192 U 145/18 und 2 U 152/18Pressemitteilung des OLG Stuttgart
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Einstweilige Verfügung: Schnelles Tätigwerden gefordert
Bei einem Wettbewerbsverstoß wird die für die Erwirkung einer einstweiligen Verfügung erforderliche Dringlichkeit nach § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Diese Vermutung ist in der Regel widerlegt, wenn der Antragsteller trotz Kenntnis des Rechtsverstoßes längere Zeit untätig bleibt.Begehrt ein Rechteinhaber von einem Internet-Access-Provider im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung die Sperrung einer Domain, ist die Dringlichkeit nicht mehr gegeben, wenn dem Rechteinhaber die rechtsverletzenden Internetdienste als solche bereits seit mehr als einem Monat bekannt sind. Dass die Rechtsverletzung weiterhin fortdauert, ist dabei unerheblich.Urteil des LG München I vom 22.02.201937 O 18232/18JurPC Web-Dok. 56/2019
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Keine GEMA-Gebühr bei Musikwiedergabe auf Abi-Ball
Bei einem Abiturball ist trotz großer Besucherzahl nicht von einer öffentlichen Wiedergabe auszugehen. Daher ist der Veranstalter nicht zur Zahlung von Lizenzvergütungen an die GEMA für die bei der Veranstaltung gespielten Musiktitel verpflichtet. Voraussetzung ist allerdings, dass nur ein besonderer Personenkreis an dem Ball teilnehmen kann, es sich also um eine "geschlossene Gesellschaft" handelt.Urteil des AG Stuttgart vom 05.02.20194 C 4895/18jurisPR-ITR 8/2019 Anm. 5
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Urheberrechtsverstoß durch Musikrecherchedienst "musicmonster.fm"
Ein Musikverlag nahm den Betreiber des Internetdienstes "musicmonster.fm" auf Unterlassung in Anspruch. Der Verlag sah in dem Geschäftsmodell einen Verstoß gegen seine Urheberrechte. Bei dem entgeltlichen Dienst können registrierte Kunden Musikwünsche hinterlegen, die anschließend mittels einer vollautomatisiert ablaufenden Software in den Sendungen von etwa 400 Internetradios gesucht und, soweit sie gefunden werden, mitgeschnitten und auf einem cloud-basierten individuellen Speicherplatz des Kunden abgelegt werden, wo dieser auf die erstellte Vervielfältigung zugreifen und diese auf seinen Computer herunterladen kann.Das Oberlandesgericht München erklärte die Generierung des vom Nutzer bestimmten Wunschtitels als Verstoß gegen das Urheberrecht des Rechteinhabers. Der Betreiber "musicmonster.fm" konnte sich auch nicht auf die Privilegierung des § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG berufen, der Vervielfältigungen zum ausschließlich privaten Gebrauch gestattet, da bei dem vorliegenden technischen Ablauf Hersteller der gespeicherten Musikdatei nicht der private Nutzer des Musikdienstes ist, sondern der Betreiber. Somit liegt keine zulässige Privatkopie des gewünschten Musiktitels vor. Das Gericht gab im Ergebnis der Unterlassungs- und Schadensersatzklage des Musikverlags statt.Urteil des OLG München vom 22.11.201829 U 3619/17JurPC Web-Dok. 50/2019
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Notwendige Gewichtsangaben bei verpackten Kaffeekapseln
Für den Bundesgerichtshof stellt es einen Verstoß gegen die Preisangabenverordnung dar, wenn auf der Packung mit Kaffeekapseln lediglich die Anzahl der Kapseln angegeben ist. Vielmehr muss für jede Kapsel der Grundpreis, also der Preis je 100 Gramm oder Kilogramm Kaffee aufgeführt werden. Nur so ist es dem Verbraucher möglich, einen Vergleich der Kaffeekapseln mit anderem Kaffee, also auch mit Pulverkaffee in loser Verpackung vorzunehmen.Dieser Vergleich ist nur gewährleistet, wenn auf der Verpackung steht, wie viel Kaffee in der einzelnen Kapsel enthalten ist und wie viel dieser kostet, also unter Angabe des Grundpreises. Die Karlsruher Richter gaben der von der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gegen einen Elektrofachmarkt, der die Kaffekapseln in der beanstandeten Form angeboten hatte, erhobenen Unterlassungsklage statt.Urteil des BGH vom 28.03.2019I ZR 85/18BB 2019, 961
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Skizzen-Diebstahl aus Müll des Künstlers Gerhard Richter
Das Amtsgericht Köln hat einen Mann, der auf dem Anwesen von Gerhard Richter, dem derzeitig höchst dotierten lebenden Maler, in der Nähe der Altpapiertonne auf dem Boden liegende Skizzen des Künstlers an sich genommen hat, wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 35 Euro verurteilt.Das Gericht ging davon aus, dass keine Eigentumsaufgabe durch den Künstler durch die Entsorgung der Bilder vorlag. Dem Angeklagten sei - so die Urteilsbegründung - bewusst gewesen, dass die Zeichnungen dem Künstler zuzuordnen waren und auch einen nicht nur geringfügigen Wert hatten. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass der Angeklagte die Skizzenblätter einem Auktionshaus in München zum Verkauf angeboten habe.Urteil des AG Köln vom 24.04.2019539 Ds 48/18Pressemitteilung des AG Köln
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Unzulässiger Ausschluss des Widerrufsrechts bei Bestellung von Treppenliften
Bei sogenannten Haustürgeschäften steht dem Verbraucher nach dem Gesetz ein Widerrufs- und Rückgaberecht zu. Dies gilt jedoch nicht bei Verträgen zur "Lieferung nicht vorgefertigter Waren, die auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind".Nach einem Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth darf ein Verbraucher auch die Bestellung eines Treppenlifts widerrufen, wenn er den Vertrag in der eigenen Wohnung oder zum Beispiel telefonisch oder brieflich abgeschlossen hat. Dies wurde damit begründet, dass die Ausnahmeregelung von vornherein nicht für einen Vertrag über die Lieferung und Montage eines Treppenlifts anwendbar ist. In diesem Fall steht nämlich nicht die Übertragung des Eigentums an einer Ware im Vordergrund, sondern die Herstellung einer funktionierenden Einheit. Es handelt sich daher vorwiegend um einen Werkvertrag, für den das Gesetz keinen Ausschluss des Widerrufsrechts kennt. Ein Ausschluss des Widerrufsrechts in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Unternehmers ist unzulässig. Dem Lieferanten wurde auf Klage eines Verbraucherschutzverbands die weitere Verwendung der Ausschlusskausel untersagt.Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom 08.02.20197 O 5463/18Justiz Bayern online
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Kostenentscheidung nach Anerkenntnis bei unterbliebener Abmahnung
Wird ein Unternehmen wegen eines rechtswidrigen Marktverhaltens (hier Veröffentlichung von Bewertungen bei Google) im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Unterlassung in Anspruch genommen, muss der Antragsgegner vom Gericht angehört werden, wenn es der Antragsteller - aus welchem Grunde auch immer - unterlassen hat, vorher eine Abmahnung auszusprechen. Erklärt der Antragsgegner daraufhin ein Anerkenntnis, kann das Gericht gegen ihn ein Anerkenntnisurteil ohne mündliche Verhandlung erlassen.In einem solchen Fall stellt sich die Frage, wer für die Kosten des Verfahrens aufkommen muss. Das Landgericht Frankfurt wendet hier die Vorschrift des § 93 ZPO an, die besagt, dass der Kläger die Prozesskosten zu tragen hat, wenn der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat und er den Anspruch sofort anerkennt. Dementsprechend legte das Gericht im vorliegenden Fall dem Antragsteller nach dem erfolgten Anerkenntnis die gesamten Kosten des Verfahrens auf.Urteil des LG Frankfurt vom 06.02.20192-03 O 414/18GRURPrax 2019, 124
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Keine apothekenpflichtigen Arzneimittel am Automaten
Das Verwaltungsgericht Karlsruhe bestätigte das gegenüber einer niederländischen Versandapotheke ausgesprochene behördliche Verbot, apothekenpflichtige Arzneimittel mittels eines Automaten in den Verkehr zu bringen.Der Verkaufsvorgang lief in der Weise ab, dass der Kunde in den Räumen einer ehemaligen Apotheke über ein Videoterminal mit einem in den Niederlanden befindlichen Apotheker bzw. Pharmazeutisch Technischen Assistenten verbunden wurde. Dieser entschied dann u.a. nach Kontrolle des eingescannten ärztlichen Rezepts über die Ausgabe des von dem Kunden gewünschten Medikaments durch den mit einem Medikamentenlager verbundenen Arzneimittelautomaten. Das Gericht sah in dieser Verkaufsmethode einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz, das den Verkauf apothekenpflichtiger Arzneimittel außerhalb einer Apotheke und außerhalb eines zugelassenen Onlineversandhandels untersagt.Urteil des VG Karlsruhe vom 04.04.20193 K 5393/17Pressemitteilung des VG Karlsruhe
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BGH erklärt Mietwagen-App "UBER Black" für unzulässig
Ein Berliner Taxiunternehmer klagte gegen den in den Niederlanden ansässigen Anbieter einer Smartphone-App "UBER Black", über die Mietwagen mit Fahrer bestellt werden können. Dabei erhält der Fahrer, dessen freies Mietfahrzeug sich zum Zeitpunkt des Auftrags am nächsten zum Fahrgast befindet, den Fahrauftrag unmittelbar vom Server des App-Anbieters, der wiederum zeitgleich das Mietwagenunternehmen per E-Mail unterrichtet.In letzter Instanz hat nun der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Verwendung der beanstandeten Version der App "UBER Black" gegen § 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG (Personenbeförderungsgesetz) verstößt. Nach dieser Bestimmung dürfen mit Mietwagen nur Fahraufträge ausgeführt werden, die zuvor am Betriebssitz des Unternehmens eingegangen sind. Dagegen können Fahrgäste den Fahrern von Taxen unmittelbar Fahraufträge erteilen. Die Bedingung, dass Fahraufträge für Mietwagen zunächst am Betriebssitz des Unternehmers eingehen müssen, ist nicht erfüllt, wenn - wie bei Nutzung der beanstandeten App - der Fahrer den Fahrauftrag direkt erhält, auch wenn das Unternehmen, das den Mietwagen betreibt, zugleich unterrichtet wird. Die als wettbewerbswidrig beanstandete App darf nicht mehr verwendet werden.Urteil des BGH vom 13.12.2018I ZR 3/16jurisPR-WettbR 3/2019 Anm. 3
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Gastronomiekonzept vor Nachahmung geschützt
Die Nachahmung wesentlicher Teile eines Gastronomiekonzepts kann eine wettbewerbswidrige Herkunftstäuschung i.S.v. § 4 Nr. 3a UWG darstellen. In dem vom Oberlandesgericht Düsseldorf entschiedenen Fall imitierte der Betreiber eines Fast-Food-Lokals die einheitliche Präsentation sämtlicher Lokale einer bekannten Fast-Food-Kette nahezu bis ins letzte Detail.So waren die Speisekarten und Menütafeln in Gestaltung und Inhalt sowie die verwendeten braunen Kartonschalen als Speiseunterlage nahezu identisch. Auch die Innenausstattung (rote Klinkersteine in Kombination mit schwarzen Metro-Keramikfliesen und Holzvertäfelung) wies verblüffende Ähnlichkeit auf. In der Gesamtschau erwies sich das Lokal des beklagten Unternehmens als eindeutige Kopie der Lokale der Fast-Food-Kette. Das Gericht gab folglich der Unterlassungsklage des Inhabers der Kette statt.Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.11.2018I-15 U 74/17GRUR-RR 2019, 112
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Unzulässige Schleichwerbung durch "Taggen" von Fotos einer Influencerin
Die Aktivitäten sogenannter Influencer im Internet beschäftigen zunehmend die Gerichte. Streitpunkt ist regelmäßig die Kennzeichnungspflicht der Produktempfehlungen als Werbung. Im vorliegenden Fall veröffentlichte eine Influencerin Modefotos von sich selbst mit Begleittext. Klickte man auf das Foto, erschienen sogenannte Tags, die den Namen der Marke der getragenen Kleidung oder Accessoires enthielten. Mit einem Klick auf einen solchen Tag gelangte man zum Instagram-Account des jeweiligen Markenherstellers.Das Landgericht Karlsruhe beanstandete, dass die sogenannten Posts nicht als Werbung gekennzeichnet waren. Diese würden das Interesse an den getragenen Kleidungsstücken wecken. Indem die Nutzer durch nur zwei Klicks auf die Herstellerseite gelangen könnten, werden Image und Absatz des jeweiligen Herstellers gefördert. An dieser Beurteilung änderte auch die (scheinbare) Privatheit mancher Posts und auch der Umstand nichts, dass die Influencerin nicht für alle bezahlt wurde. Denn auch durch die nicht vergüteten Posts wird letztlich das Geschäftsmodell der Influencer gefördert. Das Gericht betonte zudem die Schutzwürdigkeit insbesondere der teils sehr jungen Abonnenten, da diese keinesfalls den werblichen Charakter des Auftretens von Influencern einzuschätzen wissen. Im Ergebnis wurde die Influencerin verurteilt, sämtliche Beiträge als Werbung zu kennzeichnen.Urteil des LG Karlsruhe vom 21.03.201913 O 38/18 KfHJURIS online
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BGH schränkt Schutz für die Marke "Olympia" ein
Die Verwertungsrechte an dem Begriff "Olympia" stehen dem Internationalen Olympischen Komitee (IOK) und in Deutschland dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) zu. Nach mehreren Oberlandesgerichten zeigt nun auch der Bundesgerichtshof dem Schutz des Namensrechts an den Olympischen Spielen Grenzen auf.Die Karlsruher Richter vertreten die Auffassung, dass die Verwendung der Bezeichnungen "olympiaverdächtig" und "olympiareif" im geschäftlichen Verkehr für die Bewerbung von Sporttextilien als solche nicht gegen das Olympia-Schutzgesetz verstößt. Die Werbung für Sportbekleidung ist nicht geeignet, die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen mit den vom Olympischen Komitee erbrachten Dienstleistungen oder vertriebenen Produkten hervorzurufen. Die Werbung stellt auch kein unlauteres Ausnutzen der Wertschätzung der Olympischen Spiele dar, da ein enger Bezug zu den Olympischen Spielen nicht allein dadurch hergestellt wird, dass Wörter wie "olympiareif" und "olympiaverdächtig" produktbezogen als Synonym für eine außergewöhnlich gute Leistung benutzt werden.Urteil des BGH vom 07.03.2019I ZR 225/17JURIS online
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Billigfluggesellschaft muss über schwankende Preise bei Gepäckbuchungen informieren
Bei Billigflugangeboten kann es durchaus vorkommen, dass die Zusatzkosten für Gepäck, Sitzplatz oder Servicegebühr den eigentlichen Flugpreis übersteigen. Verbraucher haben daher ein schützenswertes Interesse daran, bei der Buchung über die Höhe der zusätzlich anfallenden Kosten genau informiert zu werden.Nach einem Urteil des Landgerichts Berlin muss die Fluggesellschaft ihre Kunden darüber in Kenntnis setzen, dass die angegebenen Gepäckpreise nur für den aktuellen Buchungsvorgang gelten und sich bei späteren Zubuchungen ändern können.Urteil des LG Berlin vom 02.08.201852 O 365/17RdW Heft 24/2018, Seite V
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Bausparkasse darf Möglichkeit einer Kündigung nicht untersagt werden
Bausparkassen versuchen seit geraumer Zeit durch eine Vielzahl von Kündigungen, die oft seit Jahren vollständig angesparten und zuteilungsreifen Bausparverträge vorzeitig zu beenden, da diese angesichts der anhaltenden Tiefzinsphase für sie zunehmend verlustbringend sind. In vielen, jedoch bei Weitem nicht allen Fällen, erklärten die mit derartigen Fällen befassten Gerichte die Kündigung für unwirksam. Nun versuchte ein Verbraucherverband, die Kündigungspraxis einer Bausparkasse sozusagen im Keim zu ersticken, indem er eine entsprechende Unterlassungsklage gegen sie erhob, mit der die Wettbewerbshüter jedoch scheiterten.Für das Oberlandesgericht Köln fehlt es einem Unterlassungsantrag, der darauf gerichtet ist, einer Bausparkasse zu verbieten, Bausparverträge aufgrund einer nach Vertragsschluss eingetretenen Veränderung der finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen aus wichtigem Grund und/oder wegen Störung der Geschäftsgrundlage zu kündigen, am Rechtsschutzbedürfnis. Dies wurde damit begründet, dass der Unterlassungsantrag nicht nur die beanstandete außergerichtliche Kündigung, sondern auch die Rechtsverteidigung der Bausparkasse in Prozessen mit ihren Kunden erfassen würde. Im Falle der Verurteilung wäre die Bausparkasse gehindert, Ansprüche der Kunden aus dem jeweiligen Bausparvertrag abzulehnen, weil eine Kündigung der Bausparverträge unzulässig war, sodass die Verträge fortbestünden und die Beklagte gegenüber ihren Kunden zu den jeweiligen vertraglichen Leistungen verpflichtet wäre. Die Erklärung der Kündigung muss einer Auseinandersetzung über ihre Berechtigung in jedem Fall vorangehen.Urteil des OLG Köln vom 18.01.20196 U 74/18JurPC Web-Dok. 24/2019
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Werbeangabe der Diagonale eines Plüschtiers als dessen Größe
Ein Importeur von Plüschtieren nahm einen Konkurrenten auf Unterlassung in Anspruch, weil dieser in Internetwerbeanzeigen die Größe der angebotenen Teddybären mit der Diagonale gemessen vom linken Ohr bis zum rechten Fuß angegeben hatte. Er vertrat die Ansicht, die Darstellung der Größen sei irreführend. Verbraucher würden erwarten, dass die ihnen offerierten Teddybären tatsächlich so groß seien wie angegeben. Die angegebenen Diagonalen seien aber tatsächlich jeweils rund 15 Prozent größer als die Stehhöhe.Das Oberlandesgericht Köln sah in der Größenangabe jedoch keine Irreführung der Verbraucher. Diesen sei bekannt, dass eine Diagonale länger sei als die bloße Höhe. Dies ergebe sich beispielsweise aus der Werbung für TV-Geräte, bei denen stets die Diagonale angegeben werde. Im Übrigen ergebe sich die Erkenntnis, dass die Diagonale länger ist als die Höhe, schon aus mathematischen Grundkenntnissen.Urteil des OLG Köln vom 06.02.20196 U 141/18JURIS online
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Irreführende Werbung mit Garantieleistung
Wirbt ein Unternehmen in einer Broschüre mit einer "Garantie bis zu fünf Jahre", muss es in unmittelbarer Nähe dieses Hinweises auch die vollständigen Garantiebedingungen abdrucken, insbesondere dann, wenn sie die tatsächliche Garantie deutlich einschränken.Das Landgericht Düsseldorf beanstandete die Werbung eines Fahrradhändlers für E-Bikes, die auf Seite 2 der Broschüre optisch besonders hervorgehoben den Hinweis "Garantie bis zu fünf Jahre!" enthielt. Auf Seite 3 waren die Garantiebedingungen quer zur Leserichtung abgedruckt. Darin wurde die Gewährleistung für Akku und Motor, also die wichtigsten Teile eines E-Bikes, auf zwei Jahre verkürzt und auch noch auf Fälle normaler Nutzung und Pflege eingeschränkt. Das Gericht wertete diese Art der Werbung als irreführend und damit wettbewerbswidrig.Urteil des LG Düsseldorf vom 05.09.201812 O 204/17Magazindienst 2018, 873
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Markenverletzende Benutzung durch Parodie eines geschützten Werbeslogans
Benutzt ein Mitbewerber aus dem identischen Warensektor einen als Marke geschützten Werbeslogan im Rahmen einer als beabsichtigte Parodie abwertenden Aussage zur Bewerbung seines Produkts, kann die Kunstfreiheit des Werbenden hinter dem Eigentumsrecht des Markeninhabers zurücktreten.Das Landgericht Hamburg bestätigte eine auf Antrag des Brauseherstellers Red Bull erlassene einstweilige Unterlassungsverfügung gegen einen Konkurrenten, der den geschützten Slogan Red Bull "verleiht Flügel" zu eigenen Werbezwecken mit dem Slogan "Verleiht keine Flügel, wozu auch?" zur Kennzeichnung von Erfrischungsgetränken parodiert hatte.Urteil des LG Hamburg vom 01.08.2018416 HKO 75/18LMuR 2019, 20
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Keine Werbung auf Grabsteinen
Ein Unternehmen, das Grabmale herstellt und auf Friedhöfen aufstellt, handelt wettbewerbswidrig, wenn es entgegen der gemeindlichen Friedhofssatzung, die das Anbieten von Waren und Dienstleistungen auf dem Friedhof verbietet, auf den von ihm aufgestellten Grabmalen Firmenschilder (Größe 9 cm x 2 cm) mit der Angabe seines Unternehmensnamens und -sitzes sowie seiner Telefonnummer anbringt.Urteil des OLG Stuttgart vom 05.07.20182 U 167/17WRP 2018, 1252
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Gegneranwalt darf nicht übergangen werden
Hat eine Privatperson in einem Rechtsstreit mit einem Unternehmen einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt und sich eine unmittelbare Kontaktaufnahme in dieser Angelegenheit verbeten, muss sich die Gegenseite daran halten.So untersagte das Amtsgericht Tauberbischofsheim einer Bank die unmittelbare Kontaktaufnahme ihrer Mitarbeiter mit einem Privatkunden, der im Zusammenhang mit einer Geldanlage, die ihm von der Bank vermittelt worden war, bereits einen Rechtsanwalt mit der Vertretung seiner Interessen beauftragt hatte, der ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass künftiger Schriftverkehr ausschließlich mit seiner Kanzlei zu führen sei. Das Gericht sah in der gleichwohl erfolgten telefonischen Kontaktaufnahme zu dem Kunden einen rechtswidrigen Eingriff in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht.Urteil des AG Tauberbischofsheim vom 21.08.20181 C 137/18jurisPR-BKR 2/2019 Anm. 6
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EU-Generalanwalt bejaht rechtsverletzende Benutzung der Marke ÖKO-TEST durch Warenhersteller
Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof hat in seinem Schlussantrag in einem Rechtsstreit zwischen der ÖKO-Test Verlag GmbH und einem Zahncremehersteller die Auffassung vertreten, dass die Verwendung des ÖKO-TEST-Labels in der Werbung ohne Zustimmung des Markeninhabers eine Markenverletzung darstellt. Der ÖKO-Test Verlag ist daher als Inhaber der Marke ÖKO-TEST, die aus einem Testsiegel besteht und für eine Reihe von Dienstleistungen eingetragen wurde, berechtigt, ihre Benutzung durch den Zahncremehersteller zu verbieten, der sie ohne seine Zustimmung auf der Verpackung einer Zahncreme verwendet.Hinweis: In aller Regel folgen die Richter am Europäischen Gerichtshof der Auffassung des Generalanwalts. Die Rechtsfrage wurde dem EuGH vom Oberlandesgericht Düsseldorf vorgelegt.Schlussantrag des Generalanwalts am EuGH vom 17.01.2019C-690/17Pressemitteilung des EuGH
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Gerichtszuständigkeit bei Urheberrechtsstreitigkeiten (Konzentrationsregelung)
Nach § 105 UrhG (Urheberrechtsgesetz) werden die Landesregierungen ermächtigt, , durch Rechtsverordnung Urheberrechtsstreitsachen, für die das Landgericht in erster Instanz oder in der Berufungsinstanz zuständig ist, für die Bezirke mehrerer Landgerichte einem von ihnen zuzuweisen, wenn dies der Rechtspflege dienlich ist.Besteht für eine Rechtsmittelzuständigkeit eine landesgesetzliche Konzentration für Urheberrechtsstreitsachen und erteilt das erstinstanzliche Gericht eine unzutreffende Belehrung über das für das Rechtsmittelverfahren zuständige Gericht, kann die Prozesspartei bei dem in der Rechtsmittelbelehrung angeführten Gericht fristwahrend Rechtsmittel einlegen, auch wenn dessen Zuständigkeit tatsächlich nicht gegeben ist. Das funktional nicht zuständige Gericht hat die Sache dann an das nach der Konzentrationsregelung zuständige Rechtsmittelgericht zu verweisen.Beschluss des BGH vom 07.06.2018I ZB 48/17WRP 2019, 80
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Unzulässige Anspielung auf geschütztes Produkt ("Culatello di Parma")
"Prosciutto di Parma" ist eine seit vielen Jahren europaweit geschützte Ursprungsbezeichnung. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Köln spielt die Bezeichnung "Culatello di Parma" für in Deutschland vertriebenen Schinken unzulässig auf "Prosciutto di Parma" an. Dafür sprachen u.a. die starke Ähnlichkeit der Produktbezeichnungen und der Produkte sowie der Produktetiketten. Das Gericht gab damit der von der Vereinigung italienischer Hersteller von Parmaschinken erhobenen Unterlassungsklage gegen den deutschen Konkurrenten statt.Urteil des OLG Köln vom 18.01.20196 U 61/18JURIS online
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Gericht beanstandet Check24-Werbung "Nirgendwo Günstiger Garantie"
Das Landgericht Köln erklärte die Werbung des bekannten Vergleichsportals Check24 in TV-Spots und auf der Webseite unter der Rubrik Kfz-Versicherungen mit dem Slogan "Nirgendwo Günstiger Garantie" für irreführend und damit wettbewerbswidrig. Die klagende Versicherungsgesellschaft konnte nachweisen, dass sie zumindest teilweise günstigere Policen anbietet.Verbraucher gehen - so die Urteilsbegründung - davon aus, dass ein Vergleichsportal darauf gerichtet ist, einen möglichst weitgehenden Marktüberblick zu geben. Folglich werden Verbraucher auch die versprochene Garantie auf den gesamten Markt beziehen und nicht nur auf die vom Portal dargestellten Tarife. Sie gehen daher davon aus, dass sie sich weitere Recherchen zu Versicherungstarifen ersparen und sich auf den angebotenen Vergleich verlassen können.Urteil des LG Köln vom 18.09.201831 O 376/17K&R 2019, 65
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Unzulässige Arbeitnehmerabwerbung am Arbeitsplatz durch Telefonanruf auf Privathandy
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Abwerben von Arbeitnehmern grundsätzlich zulässig. Eine unzumutbare Belästigung des von dem Abwerbeversuch betroffenen Unternehmens liegt gemäß § 7 Abs. 1 UWG dann vor, wenn sich ein Headhunter oder ein Konkurrent bei der telefonischen Abwerbung von Arbeitnehmern verwerflicher Mittel oder Methoden bedient.Dies bejahte das Oberlandesgericht in einem Fall, in dem ein Konkurrent in einem Zeitraum von fünf Tagen insgesamt siebenmal auf dem privaten Handy eines Arbeitnehmers angerufen hatte, um ihn dazu zu bewegen, seinen bisherigen Arbeitgeber zu verlassen und zu ihm überzuwechseln. Das Verbot, Arbeitnehmer zum Zwecke der Abwerbung - über eine erste Kontaktaufnahme hinaus - an ihrem Arbeitsplatz anzurufen, besteht auch bei Anrufen unter einer privaten Mobilfunknummer, soweit der Anrufer sich nicht zu Beginn des Gesprächs vergewissert hat, dass der Arbeitnehmer sich nicht an seinem Arbeitsplatz oder sonst bei der Arbeit befindet.Urteil des OLG Frankfurt vom 09.08.20186 U 51/18WRP 2018, 1497
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Ersatzfähigkeit von Abmahnkosten bei Beanstandung einer Werbeanzeige unter mehreren Gesichtspunkten
Der Bundesgerichtshof hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, in welcher Höhe ein Abmahnender die durch die wettbewerbsrechtliche Abmahnung entstandenen Kosten erstattet verlangen kann, wenn sich nur ein Teil der geltend gemachten Ansprüche als begründet erweist.Wendet sich der Gläubiger in einer Abmahnung gegen ein konkret umschriebenes Verhalten (wie etwa eine bestimmte Werbeanzeige), das er unter mehreren Gesichtspunkten als wettbewerbswidrig beanstandet, sind die für die Abmahnung anfallenden Kosten bereits dann in vollem Umfang ersatzfähig, wenn sich der Anspruch unter einem der genannten Gesichtspunkte als begründet erweist.Dies kann für den Bundesgerichtshof dann anders zu beurteilen sein, wenn der Gläubiger die einzelnen Beanstandungen zum Gegenstand gesonderter Angriffe macht. So kann es sich etwa verhalten, wenn der Abmahnende im Hinblick auf verschiedene Werbeaussagen in einer Werbeanzeige gesonderte Unterlassungsansprüche erhebt. In einem solchen Fall ist die Abmahnung nur insoweit berechtigt und die Kosten der Abmahnung sind einem Mitbewerber nur insoweit zu ersetzen, wie die einzelnen Beanstandungen begründet sind.Urteil des BGH vom 31.10.2018I ZR 73/17GRUR 2019, 82
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Gewerbliche Blogger und Influencer müssen Beiträge in den sozialen Medien als Werbung kennzeichnen
Das Kammergericht Berlin hat gegen eine sogenannte Bloggerin und Influencerin eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der ihr verboten wurde, Posts mit Links auf eine Internetpräsenz von Produktanbietern ohne Werbekennzeichnung zu veröffentlichen.Nach Auffassung Gerichts ist es zwar nicht gerechtfertigt, Beiträge eines Influencers, die Links auf Internetauftritte von Produktanbietern enthalten, generell als kennzeichnungspflichtige Werbung anzusehen. Zu prüfen sind vielmehr stets der konkrete Inhalt und die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Geht es in den Blogs nicht allein oder vorrangig um die Information und Meinungsbildung der sogenannten Follower, sondern - wie im konkreten Fall - um offene oder verdeckte Werbung, die vom Hersteller des Produkts entsprechend honoriert wird, handelt es sich um eine kennzeichnungspflichtige Werbung.Beschluss des KG Berlin vom 08.01.20195 U 83/18Pressemitteilung des KG Berlin
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Anforderungen an Lizenzvergabe bei Miterfindergemeinschaften
Haben mehrere Personen ein neues technisches Verfahren entwickelt, bilden die Miterfinder eine sogenannte Bruchteilsgemeinschaft, soweit nichts anderes vereinbart ist. Besteht eine solche Miterfindergemeinschaft, berechtigt § 743 Abs. 2 BGB einen einzelnen Miterfinder nicht, Dritten eine Lizenz an der Erfindung zu erteilen. Die Lizenzierung eines gemeinsamen Schutzrechts stellt eine Maßnahme der Verwaltung dar und bedarf nach den Vorschriften der §§ 744, 745 BGB zumindest einer Mehrheitsentscheidung der Miterfinder.Urteil des OLG Düsseldorf vom 26.07.201815 U 2/17GRUR 2018, 1037
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Unzulässigkeit einer prozessfinanzierten Gewinnabschöpfungsklage
Die Prozessfinanzierung ist eine juristische Finanzdienstleistung. Der gewerbliche Prozessfinanzierer übernimmt dabei die notwendigen Kosten und damit das Risiko einer außergerichtlichen oder gerichtlichen Verfolgung privater oder gewerblicher Ansprüche. Dafür erhält das Unternehmen im Erfolgsfall einen Teil des erzielten Erlöses.Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die auf die Herausgabe des durch das wettbewerbswidrige Verhalten erzielten Erlöses gerichtete Gewinnabschöpfungsklage eines Verbraucherverbands, für die ein gewerblicher Prozessfinanzierer die Kosten übernommen hat und dem eine Vergütung in Form eines Anteils am abgeschöpften Gewinn zugesagt wurde, gegen das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 BGB verstößt und daher unzulässig ist.Urteil des BGH vom 13.09.2018I ZR 26/17WRP 2018, 1452
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Produktspezifische Kennzeichnungspflichten gelten auch für Werbevideos der Autobranche
Der Bundesgerichtshof hat nun die Rechtsauffassung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 21.02.2018, AZ: C-132/17) umgesetzt, wonach auf der Videoplattform YouTube ausgestrahlte Werbevideos über neue Fahrzeugmodelle nicht von dem Begriff "audiovisueller Mediendienst" erfasst werden, da hier rein kommerzielle Interessen verfolgt werden.Hersteller und Autohändler, die derartige Werbevideos verbreiten, sind daher verpflichtet, die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben zum Kraftstoffverbrauch und zu den CO2-Emissionen des beworbenen Fahrzeugs zu machen. Die Informationen zum Kraftstoffverbrauch und zu den CO2-Emissionen müssen "automatisch in dem Augenblick" erscheinen, in dem erstmalig Angaben zur Motorisierung, z.B. zu Motorleistung, Hubraum oder Beschleunigung, auf der Internetseite angezeigt werden.Urteil des BGH vom 13.09.2018I ZR 117/15WRP 2018, 1476
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Onlinereisevermittler muss auch Extrakosten für die Gepäckaufgabe angeben
Die Luftverkehrsdienste-Verordnung der Europäischen Union schreibt vor, dass bei Flugpreisen auch die Kosten für wählbare Zusatzleistungen anzugeben sind. Die Angaben müssen klar, transparent und eindeutig bereits am Beginn jedes Buchungsvorgangs erkennbar sein.Danach ist ein Onlinereisevermittler verpflichtet, vor Vertragsabschluss neben dem Flugpreis auch Extrakosten für die Gepäckaufgabe anzugeben. Die Gepäckpreise sind auch zu nennen, wenn die Gepäckaufgabe nicht auf dem Portal des Vermittlers, sondern nur bei der Airline gebucht werden kann.Urteil des OLG Dresden vom 13.11.201814 U 751/18JURIS online
Wirtschaftsrecht
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Wirksamer Vergleich über Zurücknahme einer Nichtzulassungsbeschwerde
Die Revision ist zuzulassen, wenn eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sie erfordert oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Gegen die Nichtzulassung der Revision zum nächsthöheren Gericht können die Parteien eines Zivilprozesses den Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.Der Bundesgerichtshof hat keine rechtlichen Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit einer außergerichtlichen Vereinbarung, in der sich eine Prozesspartei - voraussetzungslos - zur Zurücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde verpflichtet. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde abredewidrig gleichwohl aufrecht erhalten, ist sie vom Gericht als unzulässig zu verwerfen.Beschluss des BGH vom 22.05.2019
VII ZR 180/18
MDR 2019, 953 -
"Falscher" Patentanwalt
Ein Rechtsanwalt, der seine Kanzlei in einem Branchenverzeichnis in der Rubrik "Patentanwälte" führen lässt, ohne dass er oder die in seiner Kanzlei angestellten Rechtsanwälte zugleich auch als Patentanwälte zugelassen sind, verstößt gegen das standesrechtliche Verbot unsachlicher Werbung.Urteil des BGH vom 25.04.2019AnwZ (Brfg) 57/18JURIS online
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Gericht muss Antrag auf Ladung des Sachverständigen Folge leisten
Hat das Gericht im Rahmen eines Zivilprozesses ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt, kann jede der Prozessparteien eine Ladung des Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung beantragen. Das Gericht hat dem Folge zu leisten, wenn der Antragsteller allgemein angibt, in welchen Punkten er durch seine Fragen eine weitere Aufklärung herbeiführen will. Von ihm darf nicht verlangt werden, dass er die Fragen, die er an den Sachverständigen zu richten beabsichtigt, im Voraus konkret formuliert. Auch kommt es nicht darauf an, ob das Gericht noch Erläuterungsbedarf sieht.Beschluss des BGH vom 07.05.2019VI ZR 257/17MDR 2019, 1013
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Keinen Anspruch auf Einsicht in Akten über Schweinezuchtbetrieb für Tierschutzvereinigung
Nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen hat eine Tierschutzvereinigung keinen Anspruch auf Einsicht in die bei der Tierschutzbehörde geführten Akten über einen Schweinezuchtbetrieb oder auf Beteiligung an einem eingeleiteten oder noch einzuleitenden Verwaltungsverfahren in Bezug auf von der Tierschutzbehörde vorzunehmende Maßnahmen nach dem Tierschutzgesetz.Urteil des OVG Münster vom 18.07.201920 A 1165/16JURIS online
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Widerruf einer Gaststättenerlaubnis wegen erheblicher Steuerrückstände
Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Münster können erhebliche Betriebssteuerrückstände die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden entfallen lassen und zu einer Gewerbeuntersagung führen. Dabei ist es für die Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit ohne Belang, ob die Steuerschulden auf Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen beruhen oder den Gewerbetreibenden beim Zustandekommen der Steuerschulden ein Verschulden trifft. Mit der Übermittlung der Steuerrückstände an die Gewerbebehörde verstößt das Finanzamt auch nicht gegen das Steuergeheimnis.Beschluss des OVG Münster vom 20.03.20194 B 1844/18jurisPR-SteuerR 32/2019 Anm. 1
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Rückgaberecht hinsichtlich der Ersatzteile bei Beendigung eines Vertragshändlervertrags
Enthält der Vertragshändlervertrag mit einem KFZ-Generalimporteur einer japanischen Automarke eine allgemeine Pflicht zu angemessener Bevorratung von Ersatzteilen, so steht dem Vertragshändler bei Vertragsbeendigung ein Rückgaberecht hinsichtlich der vom Hersteller erworbenen Ersatzteile zu.Dem standen die im Händlervertrag verwendeten Formulierungen zur Verpflichtung zu einer "angemessenen" oder "empfohlenen" Lagerhaltung nicht entgegen. Nach den Gesamtumständen musste der Generalimporteur beim Ankauf der Teile durch den Vertragspartner davon ausgehen, hinsichtlich aller Ersatzteile dazu verpflichtet zu sein, diese bei Vertragsbeendigung gegen entsprechende Kostenerstattung zurückzunehmen. Die unklare Formulierung der "angemessenen" oder "empfohlenen" Lagerhaltung ging zulasten des Generalimporteurs.Urteil des OLG Frankfurt vom 13.03.201912 U 37/18jurisPR-HaGesR 7/2019 Anm. 4
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Haftung einer Firma bei Verkehrssicherung im staatlichen Auftrag
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Der Staatsdiener kann nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit persönlich für den verursachten Schaden in Anspruch genommen werden. Dies ist in Art. 34 GG geregelt.Der Bundesgerichtshof hatte sich mit der Frage zu befassen, ob dieses Haftungsprivileg auch in Fällen des Handelns privater Dritter (Firmen) der jeweils beauftragenden öffentlichen Hand (Staat oder Kommune) anwendbar ist. Bei der Beurteilung ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion und auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen.Die Mitarbeiter eines privaten Unternehmens, das vom zuständigen Bundesland mit der Verkehrssicherung einer Baustelle auf der Bundesautobahn durch Aufstellen von Verkehrsschildern beauftragt wurde, handeln als Verwaltungshelfer und damit als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne. Kommt es wegen eines nicht ordnungsgemäß befestigten Verkehrsschildes zu einem Drittschaden, scheidet eine persönliche Haftung gegenüber dem Geschädigten daher gemäß Art. 34 GG aus.Urteil des BGH vom 06.06.2019III ZR 124/18MDR 2019, 989
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Lebensmittelmarkt kann Auskunft über Ergebnis von Lebensmittelkontrollen nicht verhindern
Verbraucher haben einen Anspruch auf Auskunft über festgestellte und von einschlägigen Internetdiensten (z.B. "Topf Secret") veröffentlichte Hygienemängel bei Lebensmittelgeschäften, die anlässlich von Kontrollen dort ermittelt worden sind. Das Verwaltungsgericht Gießen lehnte deshalb den Antrag eines Lebensmittelmarktbetreibers auf vorläufigen Rechtsschutz ab, mit dem dieser die Herausgabe entsprechender Informationen durch den zuständigen Landkreis Gießen verhindern wollte.Beschluss des VG Gießen vom 18.06.20194 L 1902/19.GIJURIS online
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Fahrradvermieter darf Kunden nicht wegen Bagatellen von der Nutzung ausschließen
Das Landgericht Leipzig hat dem Fahrradvermieter Nextbike die Verwendung von Vertragsklauseln untersagt, wonach Kunden wegen jeder "unsachgemäßen Nutzung" eines Mietfahrrads bzw. aus "begründetem Anlass" von der Nutzung ausgeschlossen werden können. Derartige Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind nicht klar und verständlich und daher wegen unangemessener Benachteiligung der Kunden unwirksam.Urteil des LG Leipzig vom 19.02.201908 O 2124/18Pressemitteilung des LG Leipzig
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Höchstaltersgrenze von 70 Jahren für öffentlich bestellte Vermessungsingenieure rechtens
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat entschieden, dass die in § 13 Abs. 1 Nr. 2 VermG (Vermessungsgesetz) festgesetzte Höchstaltersgrenze von 70 Jahren für öffentlich bestellte Vermessungsingenieure (ÖbV) nicht gegen höherrangiges Recht verstößt und insbesondere mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vereinbar ist.Das Gesetz verfolgt nach Auffassung des Gerichts nachvollziehbare und anzuerkennende sozialpolitische Ziele in Form der Schaffung beziehungsweise Beibehaltung einer ausgewogenen Altersstruktur durch eine landesweit flächendeckende Versorgung mit hoheitlichen Vermessungsdienstleistungen. Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Sozialpolitische Ziele wie solche aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt oder berufliche Bildung sind legitime Ziele im Sinne des § 10 AGG, die eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen aus Gründen des Alters rechtfertigen können.Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 26.02.20199 S 2567/17JURIS online
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Vertretung einer AG gegenüber einem Unternehmen eines Vorstandsmitglieds
Bei Geschäften zwischen einer Aktiengesellschaft (AG) und einem Vorstandsmitglied oder dessen Unternehmen kann es insbesondere bei Anteilsverkäufen zu Interessenskonflikten kommen. In derartigen Fällen stellt sich die Frage, wer die AG rechtwirksam vertreten kann. Hierzu der Bundesgerichtshof:Gemäß § 112 Satz 1 AktG vertritt der Aufsichtsrat die Aktiengesellschaft nicht nur bei Rechtsgeschäften, die mit dem Vorstandsmitglied selbst geschlossen werden, sondern auch bei Rechtsgeschäften mit einer Gesellschaft, deren alleiniger Gesellschafter das Vorstandsmitglied ist.Urteil des BGH vom 15.01.2019II ZR 392/17ZIP 2019, 564
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Nur ausnahmsweise gerichtliche Bestellung eines Liquidators
Nach § 66 Abs. 1 GmbHG erfolgt in den Fällen der Auflösung einer Gesellschaft außer dem Fall des Insolvenzverfahrens die Liquidation durch den oder die Geschäftsführer, wenn nicht die Liquidation durch den Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluss der Gesellschafter anderen Personen übertragen wird.Für eine gerichtliche Bestellung eines Liquidators ist erst dann Raum, wenn eine ordentliche Liquidatorenbestimmung nicht gelingt und eine wirksame Bestellung durch die Gesellschafterversammlung auch nicht zu erwarten ist. Für das Oberlandesgericht Düsseldorf sind die Erfolgsaussichten eines ordentlichen Bestellungsverfahrens nicht bereits dann zu verneinen, wenn der benennungspflichtige Geschäftsführer lediglich vorbringt, er kenne keine zur Übernahme des Amtes des Liquidators bereite und geeignete neutrale Person, sofern er nicht zugleich darlegt, welche Maßnahmen er ergriffen hat, um eine solche zu finden.Beschluss des OLG Düsseldorf vom 22.02.20193 Wx 167/18ZIP 2019, 659
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Unzulässige Gesellschafterklage
Das Recht des einzelnen Gesellschafters, im Wege der Gesellschafterklage gegen einen Mitgesellschafter vorzugehen, ist beschränkt durch die Grundsätze der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht und kann sich unter diesem Blickwinkel als rechtsmissbräuchlich darstellen.So hielt der Bundesgerichtshof die Klage eines Gesellschafters gegen einen anderen Gesellschafter auf Einzahlung seines Anteils an einer beschlossenen Kapitalerhöhung für unzulässig, da zugleich auch die Gesellschaft eine gleichgerichtete Klage eingereicht hatte, der auch vollumfänglich stattgegeben wurde. Für die Erhebung einer zusätzlichen Gesellschafterklage bestand somit kein Rechtsschutzbedürfnis.Urteil des BGH vom 22.01.2019II ZR 143/17DB 2019, 1145
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Zu langsame Verpackungsmaschine
Der Käufer einer Verpackungsmaschine rügte nach der Inbetriebnahme eine zu geringe Produktionsgeschwindigkeit der Maschine, weil diese lediglich neun statt der geforderten 20 Beutel je Minute produzierte. Eine Beschaffenheitsvereinbarung - insbesondere hinsichtlich einer bestimmten Produktionsgeschwindigkeit der Maschine - hatten die Vertragsparteien nicht getroffen. Der Bundesgerichtshof lehnte einen Sachmangel ab.Die maßgebliche Vorschrift des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB zielt mit dem Merkmal der "nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung" nicht auf konkrete Eigenschaften der Kaufsache ab, die sich der Käufer vorstellt, sondern darauf, ob die Sache für die dem Verkäufer erkennbare Verwendung (Nutzungsart) durch den Käufer geeignet ist. Da die vom Käufer erwartete Nutzungsart weder im Vertrag festgelegt noch vom Verkäufer in sonstiger Weise erkennbar war, standen dem Käufer keine Gewährleistungsansprüche zu.Urteil des BGH vom 20.03.2019VIII ZR 213/18MDR 2019, 597
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Auch BGH weist auf Unzulässigkeit von Containersignaturen hin
Seit dem 1. Januar 2018 ist gesetzlich geregelt, dass mehrere elektronische Dokumente nicht mit einer gemeinsamen qualifizierten elektronischen Signatur (Containersignatur) übermittelt werden dürfen (§ 4 Abs. 2 ERVV). Es hat fatale Folgen, wenn ein wichtiger Schriftsatz auf diesem Wege zum Gericht oder zu einer Behörde gelangt. Nach dem Bundessozialgericht, Bundesverwaltungsgericht und Bundesarbeitsgericht bestätigte nun auch der Bundesgerichtshof diese geänderte Rechtslage. Bei Nichtbeachten der Regelung droht die Versäumung einer einzuhaltenden Schriftsatz- oder Rechtsmittelfrist.Beschluss des BGH vom 15.05.2019XII ZR 573/18BGH online
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Zustimmung der Gesellschafterversammlung bei Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens
Die Verpflichtung zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens einer GmbH ist ein besonders bedeutsames Geschäft, zu dessen Vornahme der Geschäftsführer einen zustimmenden Beschluss der Gesellschafterversammlung herbeiführen muss, selbst wenn der Gesellschaftsvertrag einen entsprechenden Zustimmungsvorbehalt nicht enthält.Missachtet der Geschäftsführer bei der Verpflichtung zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens einer GmbH einen im Gesellschaftsvertrag geregelten oder aus der besonderen Bedeutsamkeit des Geschäfts abgeleiteten Zustimmungsvorbehalt der Gesellschafterversammlung, kann der Vertragspartner der GmbH wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht aus dem Geschäft keine vertraglichen Rechte oder Einwendungen herleiten, wenn er das missbräuchliche Verhalten des Geschäftsführers kennt oder es sich ihm geradezu aufdrängen muss.Urteil des BGH vom 08.01.2019II ZR 364/18DB 2019, 776
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"Mischform" aus Partnerschaft und GmbH eintragungsfähig
Eine GmbH wollte sich umfirmieren in "... partners Steuerberatungsgesellschaft mbH". Das zuständige Registergericht lehnte die Eintragung mit dem Hinweis ab, eine Mischform aus Partnerschaft und GmbH sei im Gesetz nicht vorgesehen und könne zu Verwechslungen führen.Das Oberlandesgericht Hamburg sah dies anders. Durch den Zusatz "partners" drohe keine Verwechslung der tatsächlichen Rechtsform der Beteiligten als GmbH mit einer Partnerschaft im Sinne des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes (PartGG). Insbesondere sei der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 PartGG kein über die Vermeidung einer Verwechslungsgefahr hinausgehender Zweck, wie die Verhinderung einer "merkwürdigen Mischform" - so das Registergericht - aus Partnerschaft und GmbH zu entnehmen.Beschluss des OLG Hamburg vom 10.05.201911 W 35/19NZG 2019, 744
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Kein Zwang zur Zahlung der Stromrechnung per Lastschrift
Das Energiewirtschaftsgesetz schreibt für Energielieferungsverträge außerhalb der Grundversorgung vor, dass den Haushaltskunden vor Vertragsabschluss verschiedene Zahlungsmöglichkeiten anzubieten sind. Hiergegen verstößt ein Versorgungsunternehmen, das bei der Bestellung eines Stromtarifs im Internet ausschließlich einen Tarif anbietet, bei dem sich Verbraucher für die Bezahlung per Lastschrift entscheiden müssen.Der Bundesgerichtshof sah in dem Onlineangebot außerdem eine unzulässige Diskriminierung, da es sämtliche Kunden vom Vertragsabschluss ausschließt, die nicht über ein Bankkonto verfügen oder die nicht per Lastschrift zahlen wollen, weil sie eine ausreichende Kontodeckung zum jeweiligen Abbuchungstermin nicht sicherstellen können.Urteil des BGH vom 10.04.2019VIII ZR 56/18WM 2019, 963
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Internationale Rechtswahl trotz drohenden Brexits gültig
Eine zwischen internationalen Unternehmen geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung, in der die Parteien die Zuständigkeit der englischen Gerichtsbarkeit vereinbart haben, bleibt trotz des bevorstehenden Brexits wirksam. Das Landgericht Koblenz begründete dies damit, dass derzeit nicht absehbar ist, dass deutsche Behörden britische Entscheidungen nach dem Brexit nicht anerkennen würden.Urteil des LG Koblenz vom 07.05.20191 O 38/19JURIS online
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Zivilprozess: Beweisführung durch Ausdrucke von Screenshots
Sogenannte Screenshots von Computerbildschirmen sind in der zivilgerichtlichen Praxis eher schwache Beweismittel. Beweisrechtlich ist ein Screenshot weder als ein elektronisches Dokument i.S.d. § 371 Abs. 1 Satz 2 ZPO noch als eine Urkunde zu behandeln, sondern als ein Augenscheinobjekt i.S.v. § 371 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Form einer Objektabbildung (Augenscheinsurrogat). Seine Beweiskraft unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung im Rahmen einer umfassenden Würdigung der vorgetragenen Tatsachen, der ansonsten vorgelegten und erhobenen Beweise und des gesamten Prozessstoffes.Urteil des OLG Jena vom 28.11.20182 U 524/17jurisPR-ITR 12/2019 Anm. 4
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Beteiligung von Landeskirche bei Bewilligung von Sonntagsarbeit in Callcentern
Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) bestimmt, dass Arbeitnehmer an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0 bis 24 Uhr grundsätzlich nicht beschäftigt werden dürfen. Ausnahmen hiervon können u.a. im öffentlichen Interesse sowie aus Gründen der Konkurrenzfähigkeit eines Unternehmens bewilligt werden. An dem Verfahren bei der Bewilligung von Ausnahmeregelungen sind auch betroffene kirchliche Einrichtungen zu beteiligen.So entschied das Sächsische Oberverwaltungsgericht, dass der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen ein Anspruch auf Beteiligung bei Verfahren über die Bewilligung von Sonntagsarbeit in Callcentern zusteht, da sie hierdurch im Grundrecht der Religionsfreiheit aus Art. 4 GG betroffen ist. Sonntage und staatlich anerkannte Feiertage sind als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Der darin enthaltene Schutzauftrag richtet sich nicht nur an den Gesetzgeber, sondern ist auch von Behörden bei der Bewilligung von Ausnahmen von der sonntäglichen Arbeitsruhe zu beachten.Urteil des Sächsischen OVG vom 11.04.20193 A 505/17JURIS online
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Kommanditgesellschaft: Vertretungsbefugnis bei einer "Einheitsgesellschaft"
Ist eine Kommanditgesellschaft (KG) zugleich einzige Gesellschafterin ihrer Komplementär-GmbH (sog. Einheitsgesellschaft), stellt sich die Frage, wer die KG in der Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH vertritt. Sofern in der Satzung keine anderweitige Regelung getroffen wurde, wird die KG in der Gesellschafterversammlung durch deren Geschäftsführer vertreten. Einer Beteiligung der Kommanditisten (hier bei der Geschäftsführerbestellung bei der Komplementär-GmbH) bedarf es daher nicht.Beschluss des KG Berlin vom 21.12.201822 W 84/18GmbHR 2019, 286
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Lkw-Käufer steht Schadensersatz gegen einen am Lkw-Kartell beteiligten Hersteller zu
Mehrere führende Lkw-Hersteller hatten sich in einem von 1997 bis 2011 bestehenden Kartell zusammengeschlossen, um u.a. untereinander Bruttopreislisten und Informationen über Bruttopreise auszutauschen. Ein von der EU-Kommission gegen die Lkw-Hersteller geführtes Kartellverfahren endete im Juli 2016 mit einem Vergleich und der Verhängung von Bußgeldern.Ein Unternehmer klagte nun gegen einen der Lkw-Hersteller mit der Begründung, dass die von ihren Tochterfirmen bezahlten Kaufpreise für die im Zeitraum 1997 bis 2011 gekauften Lkws aufgrund des Kartells überhöht gewesen seien, und verlangte Schadensersatz. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in dem Rechtsstreit zwischen dem Käufer mehrerer Lkws und der Daimler AG als am Lkw-Kartell beteiligter Verkäuferin entschieden, dass dem Käufer Schadensersatzansprüche dem Grunde nach zustehen. Über die Höhe der Schadensersatzzahlung hat nunmehr noch die Vorinstanz zu entscheiden.Urteil des OLG Stuttgart vom 04.04.20192 U 101/18JURIS online
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Steuerrückstände rechtfertigen Gewerbeuntersagung
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen können erhebliche Betriebssteuerrückstände und die wiederholte Nichtabgabe bzw. verspätete Abgabe von Steuererklärungen und -anmeldungen zu Betriebssteuern die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden entfallen lassen und zu einer Gewerbeuntersagung führen.Urteil des VG Gelsenkirchen vom 18.12.20187 K 4859/18jurisPR-SteuerR 16/2019 Anm. 6
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Übermittlung eines Telefaxes mit "blasser" Unterschrift
Muss der Übersender eines Schriftsatzes an das Gericht damit rechnen, dass bei dem am Gericht eingegangenen und sodann ausgedruckten Telefax seine Unterschrift nicht erscheint, weil diese bereits auf dem Originalschriftsatz wegen der blassen Schrift kaum sichtbar ist, liegt eine schuldhafte Fristversäumung im Sinne von § 233 Satz 1 ZPO vor. Eine sogenannte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher in diesem Fall nicht möglich.Beschluss des BGH vom 31.01.2019III ZB 88/18WM 2019, 723
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Ausschluss vom Vergabeverfahren wegen Verstoßes gegen Tarifvertrag
Öffentliche Auftraggeber können gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 1 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an diesem ausschließen, wenn es bei der Ausführung öffentlicher Aufträge nachweislich gegen geltende umwelt-, sozial- oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen verstoßen hat.Ein Ausschluss wegen Verstoßes gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen aus einem Tarifvertrag setzt allerdings voraus, dass das betreffende Unternehmen auch tatsächlich tarifgebunden ist oder der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wurde.Beschluss der Vergabekammer München vom 21.12.2018Z3-3-3194-1-32-09/18jurisPR-ArbR 14/2019 Anm. 2
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Übermittlung eines Telefaxes mit "blasser" Unterschrift
Muss der Übersender eines Schriftsatzes an das Gericht damit rechnen, dass bei dem am Gericht eingegangenen und sodann ausgedruckten Telefax seine Unterschrift nicht erscheint, weil diese bereits auf dem Originalschriftsatz wegen der blassen Schrift kaum sichtbar ist, liegt eine schuldhafte Fristversäumung im Sinne von § 233 Satz 1 ZPO vor. Eine sogenannte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher in diesem Fall nicht möglich.Beschluss des BGH vom 31.01.2019III ZB 88/18WM 2019, 723
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Kündigung des Kooperationsvertrags zwischen Drogeriemarktkette und Lieferanten
Bei der Frage der Berechtigung der Kündigung eines Kooperationsvertrags kommt es nicht nur auf die Schwere einzelner Vertragsverletzungen durch den Vertragspartner an. Die Kündigung kann auch dann berechtigt sein, wenn die Gesamtsituation eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses als unzumutbar erscheinen lässt.So sprach das Oberlandesgericht Frankfurt einem Lieferanten das Recht zu, den bestehenden Kooperationsvertrag mit einer Drogeriemarktkette wegen ständiger Kürzungen der Rechnungen, der Ankündigung weiterer Rückforderungen, der Auslistung von Produkten bei Fortgeltung der Exklusivbindung und der Einführung einer eigenen Bio-Lebensmittelmarke seitens der Drogeriemarktkette zu kündigen.Urteil des OLG Frankfurt vom 13.02.201912 U 13/17JURIS online
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Verspätete Klage gegen Gebührenbescheid mittels Telefax
Mit der Übermittlung einer Klage gegen einen Behördenbescheid mittels Telefax wird die Klagefrist nicht gewahrt. Das Verwaltungsgericht Dresden weist darauf hin, dass ein solcher Schriftsatz mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von dieser signiert und auf einem sicheren Übertragungsweg bei Gericht eingereicht werden muss. Auch bei einem Telefax handelt es sich um ein elektronisches Dokument. Ein Telefax wird technisch wie eine E-Mail elektronisch dem Gericht als Empfänger über das Internet oder ein Web-Interface übertragen, sodass die Anforderungen des § 55a VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung) erfüllt sein müssen.Urteil des VG Dresden vom 02.10.20182 K 302/18NVwZ 2019, 93
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Wichtiger Grund zur Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds
Nach § 103 Abs. 3 AktG hat das Gericht auf Antrag des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft ein Aufsichtsratsmitglied abzuberufen, wenn in dessen Person ein wichtiger Grund vorliegt. Der Aufsichtsrat beschließt über die Antragstellung mit einfacher Mehrheit.Hinsichtlich des Vorliegens eines wichtigen Grundes ist entscheidend, dass das weitere Verbleiben des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds im Amt die Funktionsfähigkeit des gesamten Aufsichtsrats nicht unerheblich beeinträchtigt oder eine sonstige Schädigung der Gesellschaft erwarten lässt, also für die Gesellschaft unzumutbar ist. Dies ist bei grober Pflichtverletzung des Aufsichtsratsmitglieds oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Wahrnehmung der Aufsichtsratsaufgaben regelmäßig zu bejahen. Ein wichtiger Grund kann gegeben sein, wenn das Mitglied die Zusammenarbeit im Aufsichtsrat behindert, durch sein intrigantes Verhalten das Vertrauensverhältnis zerstört oder wiederholt unentschuldigt den Aufsichtsratssitzungen fernbleibt. Darüber hinaus kann ein wichtiger Grund auch dann vorliegen, wenn das Aufsichtsratsmitglied gegen seine Verschwiegenheitspflicht verstößt.Das Fernbleiben von Aufsichtsratssitzungen kann nach Auffassung des Oberlandesgerichts München erst dann einen wichtigen Grund zur Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds darstellen, wenn es auf eine Boykotthaltung des Mitglieds schließen lässt. Soweit der betroffene Aufsichtsrat berufs- oder urlaubsbedingt verhindert war, an den Sitzungen teilzunehmen, ist eine Boykotthaltung zu verneinen.Beschluss des OLG München vom 28.08.201831 Wx 61/17AG 2019, 97
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Schadensersatzanspruch gegen einen Aufsichtsrat wegen Verjährenlassens von Ersatzansprüchen gegen den Vorstand
Mitglieder des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft, welche schuldhaft die Prüfung und - bei entsprechender Erfolgsaussicht - die Geltendmachung von Ansprüchen gegen Vorstandsmitglieder unterlassen, können sich selbst gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig machen, wenn das Verhalten zu einer Verjährung der Ansprüche gegenüber dem Vorstand führt.Die Verjährung von Schadensersatzansprüchen der Aktiengesellschaft gegen ein Aufsichtsratsmitglied wegen Verjährenlassens von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied beginnt mit dem Zeitpunkt der Verjährung des Ersatzanspruchs der Gesellschaft gegen das Vorstandsmitglied.Urteil des BGH vom 18.09.2018II ZR 152/17BB 2018, 2764
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An der Mosel abgefüllter Frankenwein
Einer in Franken ansässigen Weinkellerei darf nicht verboten werden, einen Wein als "Qualitätswein Franken" zu bezeichnen, nur weil er in Zell an der Mosel abgefüllt worden ist. Weder das Weingesetz noch die einschlägige Weinverordnung enthalten rechtliche Bestimmungen zum Abfüllort. Für das Verwaltungsgericht Würzburg gab es daher keinen erkennbaren Grund, zur Sicherung der Qualität des Weines einen Transport nach Zell in Rheinland-Pfalz zu verbieten und damit den freien Warenverkehr einzuschränken.Urteil des VG Würzburg vom 04.04.2019W 3 K 18.821Pressemitteilung des VG Würzburg
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Keine Beteiligung einer Briefkastenfirma an einer grundbesitzenden Personengesellschaft
Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass eine im Inland weder als Kapital- noch als Personengesellschaft rechtsfähige Briefkastengesellschaft keine Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft erwerben kann. Die Entscheidung der obersten Finanzrichter erging in einem Verfahren über die Festsetzung der Grunderwerbsteuer gegen eine Kommanditgesellschaft, an der sich die Briefkastenfirma beteiligen wollte.Beschluss des BFH vom 08.01.2019II B 62/18GmbHR 2019, 304
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Fristlose Kündigung der Gesellschaftsbeteiligung auch nach Verjährung des Schadensersatzanspruchs möglich
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass das Recht zur fristlosen Kündigung einer Gesellschaftsbeteiligung wegen fehlerhaften Beitritts infolge einer Aufklärungspflichtverletzung unabhängig von der Verjährung des durch dieselbe Verletzungshandlung begründeten Schadensersatzanspruchs besteht.In dem entschiedenen Fall machte ein stiller Gesellschafter geltend, er sei vor Abgabe der Beitrittserklärung von dem Anlageberater, der die Unternehmensbeteiligung vermittelt hatte, unzureichend über die Risiken unterrichtet worden. Das berechtigte ihn zur fristlosen Kündigung der Beteiligung, obwohl die Schadensersatzansprüche gegenüber dem Anlageberater bereits verjährt waren.Urteil des BGH vom 06.11.2018II ZR 57/16ZIP 2019, 22
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GmbH-Gesellschafterliste: Prüfungspflicht des Registergerichts
Der beim Registergericht einzureichenden Gesellschafterliste kommt erhebliche Bedeutung zu. Sie begründet die unwiderrufliche Vermutung gegenüber der Gesellschaft, dass die in der Liste eingetragene Person Inhaber des betreffenden Geschäftsanteils ist (vgl. § 16 Abs. 1 GmbHG), und ist somit Anknüpfungspunkt einer Haftung für rückständige Einlagen (vgl. § 16 Abs. 2 GmbHG).Für das Kammergericht Berlin schließt die Prüfungspflicht des Registergerichts in Bezug auf eine GmbH-Gesellschafterliste auch die Prüfung ein, ob diese von einem Einreichungsberechtigten erstellt und unterschrieben worden ist. Einreichungsberechtigt ist gemäß § 40 GmbHG der im Register eingetragene Geschäftsführer.Beschluss des KG Berlin vom 12.06.201822 W 15/18StuB 2019, 96
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Zivilprozess: Ausreichende Substantiierung des Klageanspruchs
Gerichte sind im Rahmen von Zivilverfahren nicht verpflichtet, von den Prozessparteien vorgelegte umfangreiche und ungeordnete Anlagenkonvolute von sich aus durchzuarbeiten, um so die erhobenen Ansprüche zu konkretisieren. Auch kann der erforderliche Sachvortrag nicht durch die bloße Vorlage von Anlagen ersetzt werden.Eine solche Fallgestaltung liegt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs jedoch dann nicht vor, wenn der Kläger zur Substantiierung seines Anspruchs eine aus sich heraus verständliche und auf eine - wie im Streitfall - nicht einmal eine Seite umfassende Darstellung in den Anlagen konkret Bezug nimmt und die Berücksichtigung der in Bezug genommenen Anlage vom Tatrichter keine unzumutbare Sucharbeit verlangt.Beschluss des BGH vom 02.10.2018VI ZR 213/17MDR 2019, 182
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Verstoß gegen angeordnetes Erscheinen im Zivilprozess
Hat das Zivilgericht (hier in einem Bauprozess) das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet und erscheint eine Partei unentschuldigt nicht zum Verhandlungstermin, kann gegen sie nur dann ein Ordnungsgeld festgesetzt werden, wenn das unentschuldigte Ausbleiben der Partei die Sachaufklärung erschwert und dadurch den Prozess verzögert.Das Oberlandesgericht Hamm wies in seinem Urteil ferner darauf hin, dass die Androhung und Verhängung eines Ordnungsgeldes nicht dazu verwendet werden darf, einen Vergleichsabschluss zu erzwingen bzw. das Nichtzustandekommen eines Vergleichs zu sanktionieren.Beschluss des OLG Hamm vom 31.07.2018I-21 W 16/18IBR 2018, 722
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Einseitige Leistungsänderung unwirksam
Unternehmen dürfen sich in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht das uneingeschränkte Recht vorbehalten, die vertraglich vereinbarten Leistungen beliebig zu ändern oder einzuschränken. Derartige Klauseln sind regelmäßig wegen unangemessener Benachteiligung der Kunden unwirksam.Über einen solchen Fall hatte das Landgericht München zu entscheiden. Es beanstandete eine entsprechende Klausel in den Geschäftsbedingungen des Bezahlsenders Sky Deutschland, mit der sich dieser das Recht vorbehielt, das vereinbarte Programmangebot beliebig zu ändern oder einzuschränken. Das Gericht räumte zwar ein, dass das Unternehmen ein berechtigtes Interesse an einer Änderung der Programmpakete habe, da es die Verfügbarkeit von Programmen und Lizenzen teilweise nicht beeinflussen könne. Die beanstandete Klausel enthielt jedoch keinerlei Einschränkungen hinsichtlich des Umfangs der Änderungen. Ihr Wortlaut ließ es zu, den Programminhalt in unzumutbarer Weise zu reduzieren.Urteil des LG München I vom 17.01.201912 O 1982/18Justiz Bayern online
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Genehmigungspflicht des Beitritts eines Minderjährigen zu einer Familiengesellschaft
Der schenkungsweise Beitritt eines Minderjährigen in eine Vermögensverwaltungs-KG unterliegt nur dann der familiengerichtlichen Genehmigung nach § 1822 Nr. 3 Alt. 2 BGB, wenn die Gesellschaft den Betrieb eines Erwerbsgeschäfts bezweckt. Entscheidend ist daher nicht die Rechtsform der Gesellschaft, sondern allein, ob der Gesellschaftsvertrag inhaltlich auf den Betrieb eines Erwerbsgeschäfts ausgerichtet ist.Eine familiengerichtliche Genehmigung ist daher bei einem Beitritt zu einer lediglich vermögensverwaltenden Familiengesellschaft in Form einer Kommanditgesellschaft zumindest dann nicht erforderlich, wenn keine erheblichen Vermögenswerte, insbesondere mehrere Immobilien, verwaltet und dem Minderjährigen keine zusätzlichen Pflichten auferlegt werden, die den Beitritt nicht als rein rechtlich vorteilhaft bewerten lassen.Beschluss des OLG Dresden vom 25.04.201817 W 160/18NJW-RR 2019, 29
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Hohe Anforderung an Zulässigkeit einer öffentlichen Zustellung
Die Zustellung eines Schriftstücks an eine juristische Person, die zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Handelsregister verpflichtet ist, kann durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn eine Zustellung weder unter der eingetragenen noch unter einer im Handelsregister eingetragenen Anschrift einer für Zustellungen empfangsberechtigten Person oder einer ohne Ermittlungen bekannten anderen inländischen Anschrift möglich ist. An die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung sind hohe Anforderungen zu stellen, da sie zwingend stets mit einer Beschränkung des rechtlichen Gehörs des Adressaten verbunden ist.So weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass vor der Bewilligung einer öffentlichen Zustellung von einem erneuten Zustellversuch an die im Handelsregister eingetragene Geschäftsanschrift nicht deswegen abgesehen werden darf, weil über ein halbes Jahr zuvor unter derselben Anschrift ein Schriftstück nicht hatte zugestellt werden können.Urteil des BGH vom 31.10.2018I ZR 20/18DB 2019, 57
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Unzutreffender Hinweis zum Erscheinen zur Gesellschafterversammlung
Wird einem Gesellschafter mit dem falschen Hinweis, er sei nach § 47 Abs. 4 GmbHG nicht stimmberechtigt, suggeriert, sein Erscheinen zur Gesellschafterversammlung wäre mangels Stimmrecht nicht erforderlich und erscheint der Gesellschafter daraufhin tatsächlich nicht zu der Versammlung, kann ein dann gefasster Gesellschafterbeschluss wegen Verstoßes gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht rechtswidrig und damit anfechtbar sein.Ein Stimmrechtsausschluss nach § 47 Abs. 4 GmbHG eines Gesellschafters, der durch die Beschlussfassung entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll, lag im vorliegenden Fall tatsächlich nicht vor. Denn bei der Freistellung handelte es sich um eine innergesellschaftliche Angelegenheit, auf die das Stimmverbot keine Anwendung findet.Urteil des OLG Hamm vom 19.07.201827 U 14/17BB 2018, 2832
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Hinweispflicht des Zivilgerichts bei drohender Unzulässigkeit einer Klage
Ist eine Gesellschaft in einem Zivilprozess nicht ordnungsgemäß vertreten und droht daher eine Abweisung der Klage als unzulässig, muss das Gericht einen Hinweis geben, dass die Partei für eine ordnungsgemäße Vertretung zu sorgen hat. Vor Erlass des Prozessurteils muss der Partei zudem die nötige Zeit eingeräumt werden, den Mangel durch Herbeiführung eines wirksamen Gesellschafterbeschlusses zu beheben. Fehlt bei Klageerhebung ein förmlicher Gesellschafterbeschluss und hat das Gericht in erster Instanz diesen Hinweis unterlassen, so ist die Nachholung der nötigen Beschlussfassung auch noch in der Berufungsinstanz möglich.Urteil des OLG Hamm vom 19.11.20188 U 41/18JURIS online
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"Partners" darf nicht Bestandteil einer GmbH-Firma sein
Eine GmbH darf die Bezeichnung "Partners" oder "Partner" nicht in ihrem Firmennamen verwenden. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Bezeichnung als Hinweis auf einen Zusammenschluss mehrerer Personen verstanden werden kann. Derartige Begriffe sind der Gesellschaftsform der Partnerschaft vorbehalten. Das Kammergericht Berlin untersagte im konkreten Fall die Firmierung unter "Capital Partners ... GmbH".Beschluss des KG Berlin vom 17.09.201822 W 57/18MDR 2019, 111
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Ladung zur Gesellschafterversammlung durch fristgerechte E-Mail und verspätetes Einschreiben
Wird ein Gesellschafter durch eine Ladung per E-Mail rechtzeitig über Ort und Zeit der Gesellschafterversammlung sowie über die Tagesordnung in Kenntnis gesetzt und ist er dadurch in die Lage versetzt worden, an der Versammlung teilzunehmen und seine Teilhaberechte auszuüben, führt ein anschließend nicht mehr fristgerechter Zugang einer schriftlichen Ladung mittels Einschreiben nicht zu einer Nichtigkeit der auf dieser Versammlung gefassten Beschlüsse.Eine Anfechtbarkeit der Beschlüsse ist in einem derartigen Fall nur möglich, wenn der Gesellschafter nachweist, durch die fehlerhafte Ladung selbst in seinem Partizipationsinteresse beeinträchtigt worden zu sein. Die Beeinträchtigung fremder Partizipationsinteressen eines oder mehrerer Mitgesellschafter scheidet daher als Anfechtungsgrund aus.Urteil des OLG Stuttgart vom 27.06.201814 U 33/17GmbHR 2019, 67
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Prozessvergleich: Nachträgliche Regelung eines Widerrufsrechts ohne gerichtliche Mitwirkung
Schließen die Parteien im Rahmen eines Zivilprozesses einen Vergleich, behalten sie sich oftmals den Widerruf der Vereinbarung innerhalb einer bestimmten Überlegungsfrist vor. Wird von keinem Beteiligten der Widerruf erklärt, ist das Verfahren beendet. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass die Prozessparteien eine in einem Prozessvergleich wirksam vereinbarte Widerrufsfrist vor deren Ablauf ohne gerichtliche Protokollierung einvernehmlich verlängern können.Enthält der Prozessvergleich hingegen kein Widerrufsrecht, kann ein solches von den Parteien nachträglich nur wirksam vereinbart werden, wenn die für den Prozessvergleich geltenden Förmlichkeiten, also die gerichtliche Protokollierung, eingehalten werden und die prozessbeendende Wirkung des Vergleichs noch nicht eingetreten ist.Urteil des BGH vom 19.04.2018IX ZR 222/17jurisPR-PrivBauR 1/2019 Anm. 5
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Stimmrechtsausschluss eines KG-Gesellschafters wegen eigener Betroffenheit
Dem Gesellschafter einer GmbH steht bei der Beschlussfassung, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäfts ihm gegenüber betrifft, kein Stimmrecht zu und er darf ein solches auch nicht für andere ausüben.Dieser in § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG zum Ausdruck gebrachte allgemeine Grundgedanke, dass von einem selbst am Geschäft beteiligten Gesellschafter nicht zu erwarten ist, er werde bei der Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung die eigenen Belange hinter die der Gesellschaft zurückstellen oder diesen unterordnen, gilt nach einem Urteil des Oberlandesgerichts München auch für Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft (KG).Urteil des OLG München vom 18.07.20187 U 4225/17GmbHR 2018, 1011
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Löschung eines Geschäftsführers im Handelsregister nach Strafbefehl
Nach § 6 Abs. 2 S. 2 GmbH-Gesetz darf ein Geschäftsführer "aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder einer vollziehbaren Entscheidung einer Verwaltungsbehörde einen Beruf, einen Berufszweig, ein Gewerbe oder einen Gewerbezweig nicht ausüben, sofern der Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimmt."Das Kammergericht Berlin stellt einem gerichtlichen Urteil den Erlass eines gegen den GmbH-Geschäftsführer erlassenen Strafbefehls gleich. Das Registergericht ist somit zur Löschung eines GmbH-Geschäftsführers im Handelsregister berechtigt, wenn gegen diesen - wie hier - ein rechtskräftiger Strafbefehl wegen Insolvenzverschleppung, Vorenthalten von Arbeitsentgelt und Bankrott ergangen ist.Beschluss des KG Berlin vom 17.07.201822 W 34/18GmbHR 2018, 1206
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Vertragsschluss durch GmbH-Geschäftsführer ohne Vertretungszusatz
Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe kommt ein Vertrag mit einer GmbH bei einem unternehmensbezogenen Geschäft im Regelfall auch zustande, wenn der Geschäftsführer keinen ausdrücklichen Vertretungszusatz verwendet, aus dem sich ergibt, dass er für die GmbH und nicht im eigenen Namen handelt. Bei unternehmensbezogenen Geschäften besteht die Vermutung, dass das Unternehmen oder dessen Inhaber und nicht der Unterzeichnende persönlich Vertragspartner werden soll.Etwas anderes ist nur dann anzunehmen, wenn ein Interesse des Unterzeichners - im vorliegenden Fall der Geschäftsführer der GmbH - an der persönlichen Haftung ersichtlich ist, wie beispielsweise bei schlechter Bonität des Unternehmens.Urteil des OLG Karlsruhe vom 25.09.20189 U 117/16ZInsO 2018, 2763
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Kauf von Mitgliedschaftsrechten an einer GmbH als Rechtskauf
Der Bundesgerichtshof hält auch nach Einführung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes an seiner Rechtsprechung fest, dass der Kauf von Gesellschaftsanteilen grundsätzlich kein Sachkauf, sondern ein Rechtskauf ist. Dies hat insbesondere erhebliche Auswirkungen auf die Gewährleistungsrechte des Erwerbers, dem danach keine Rechte bei Sachmängeln einzelner Unternehmensgegenstände zustehen. Das Sachmängelrecht soll jedoch in den Fällen entsprechend herangezogen werden, in denen sich der Erwerb dieses Rechts sowohl nach der Vorstellung der Parteien als auch objektiv als Kauf des Unternehmens selbst und damit bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Sachkauf darstellt.Eine Haftung auch für Mängel des Unternehmens selbst ist somit weiterhin sach- und interessengerecht, wenn im Grunde das "gesamte" Unternehmen verkauft wird, es sich bei dem betreffenden Anteilskauf also faktisch um einen Kauf des "ganzen" Gesellschaftsvermögens und damit wirtschaftlich betrachtet um einen Sachkauf handelt.Urteil des BGH vom 26.09.2018VIII ZR 187/17DB 2018, 2690
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Unzulässige Finanzierung des Einziehungsentgelts mit stillen Reserven
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Einziehungsbeschluss einer GmbH entsprechend § 241 Nr. 3 AktG nichtig, wenn bereits bei der Beschlussfassung feststeht, dass das Einziehungsentgelt nicht aus freiem, die Stammkapitalziffer nicht beeinträchtigendem Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden kann. Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft über stille Reserven verfügt, deren Auflösung ihr die Bezahlung des Einziehungsentgeltes ermöglichen würde.Urteil des BGH vom 26.06.2018II ZR 65/16GmbHR 2018, 961
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Falsche Versicherung des GmbH-Geschäftsführers über Vorstrafen
In seiner Anmeldung zum Handelsregister hat ein Geschäftsführer u.a. zu versichern, dass er keine Straftaten begangen hat, die seiner Bestellung als Geschäftsführer entgegenstehen (§§ 8, 6 GmbHG).Die abzugebende Versicherung muss jedoch keine Angaben zu Vorfällen außerhalb der gesetzlichen Fünfjahresfrist machen. Versichert der Geschäftsführer aber in einer von ihm selbst formulierten eidesstattlichen Versicherung, "niemals" wegen einer der in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GmbHG aufgeführten Straftaten (insb. Insolvenzstraftaten) verurteilt worden zu sein, so ist die Anmeldung auch dann falsch, wenn die Verurteilung wegen einer solchen Straftat mehr als fünf Jahre zurückliegt und bereits aus dem Bundeszentralregister getilgt worden ist.Beschluss des OLG Oldenburg vom 03.04.201812 W 39/18jurisPR-HaGesR 11/2018 Anm. 3
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Richterablehnung wegen Tätigkeit seiner Ehefrau als Sekretärin des Gegneranwalts
Ein Richter kann von einer Prozesspartei wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn seine Ehefrau als Sekretärin der Rechtsanwaltskanzlei tätig ist, die den Gegner in dem Verfahren vertritt. Der Bundesgerichtshof hält es durchaus für nachvollziehbar, wenn aus der Sicht einer Prozesspartei unter Berücksichtigung der Umstände die Besorgnis besteht, dass der als Einzelanwalt tätige Prozessbevollmächtigte des Gegners auf die Ehefrau und diese wiederum auf den Richter unzulässig Einfluss nimmt.Beschluss des BGH vom 21.06.2018I ZB 58/17Magazindienst 2019, 20