International

Praxistipps für internationale Verträge

Gerichtsstand, Schiedsklausel und Rechtswahl: Praxistipps für die Verhandlung internationaler Verträge in Zivil- und Handelssachen.
Bei Abschluss eines Vertrages stehen die Bestimmungen zu Gerichtsstand, Schiedsverfahren oder Rechtswahl naturgemäß nicht im Vordergrund. Zunächst fokussieren sich die Parteien zu Recht auf die eigentlichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des abzuschließenden Geschäfts und vergessen oftmals eine Überprüfung der gewählten Schlussbestimmungen.
So kommt es etwa dazu, dass die Parteien meinen, sie hätten die Anwendung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vereinbart, obwohl das UN-Kaufrecht auf den Vertrag anzuwenden wäre. Oder es werden Klauseln aus einem alten Vertrag übernommen, die möglicherweise fehlerhaft und schlimmstenfalls unwirksam sind.
Der ausländischen Vertragspartei wird dadurch eventuell die Möglichkeit eröffnet, die deutsche Vertragspartei vor einem staatlichen Gericht im Ausland zu verklagen, obwohl dies gerade vermieden werden sollte. Solche Überraschungen können im Streitfall erhebliche rechtliche Risiken und Kosten auslösen, die sich vermeiden lassen.

Tipp 1: Mit einer guten Vorbereitung zur erfolgreichen Vertragsverhandlung

Eine vorausschauende Vertragsgestaltung beginnt nicht erst mit der Ausarbeitung des Vertrages, sondern bereits mit der Verhandlungsvorbereitung.
Neben der Klärung juristischer Hauptbestandteile des Vertrages, sollten Sie sich über weitere Aspekte im Vorfeld Klarheit verschaffen.
Hierzu zählen zum Beispiel:
  • Wer ist die potenzielle Vertragspartei / deren stellvertretende Person(en)? Wie steht es um die Bonität?
  • Wie sind die eigenen Bedürfnisse beziehungsweise die der potenziellen Vertragspartei?
  • Wie stark ist die eigene Verhandlungsposition?
  • Wie sind die Geschäftssitten, Rechts- und Verhandlungskultur im Ansässigkeitsstaat der potenziellen Vertragspartei?
  • Wie sind die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Ausland?
  • Welche Chancen und Risiken hat das konkrete Auslandsgeschäft?
  • Welche administrativen oder behördlichen Anforderungen sind zu beachten?
  • Was ist beim Export von Waren zu beachten?

Tipp 2: Achten Sie auf die richtige Rechtswahl

Um spätere unerwartete rechtliche Überraschungen zu vermeiden, ist eine ausdrückliche Rechtswahl (Vereinbarung des auf den Vertrag anwendbaren Rechts) im Vertrag wichtig. Treffen die Parteien keine Rechtswahl, muss im Streitfall anhand der Regelungen des internationalen Privatrechts ermittelt werden, welches Recht auf den Vertrag Anwendung findet.
Innerhalb der Europäischen Union – mit Ausnahme Dänemarks - können Unternehmen bei grenzüberschreitenden Verträgen nach der Rom-I-VO (EG) Nr. 593/2008 (Rom-I-VO) grundsätzlich eine freie Rechtswahl treffen. Das bedeutet, dass die Beteiligten grundsätzlich frei entscheiden können, welches Recht auf ihren Vertrag angewendet werden soll. In der Praxis wird häufig das Recht eines EU-Mitgliedstaates gewählt, in dem eine der Vertragsparteien ihren Sitz hat.
Achtung: Für Dänemark ist im Bereich vertraglicher Schuldverhältnisse das Europäische Schuldvertragsübereinkommen (80/934/EWG) („EVÜ“) maßgeblich.
Der Grundsatz der freien Rechtswahl unterliegt jedoch bestimmten Einschränkungen. So ist es zum Beispiel nicht zulässig, durch vertragliche Vereinbarungen zwingendes nationales oder europäisches Gemeinschaftsrecht zu umgehen. Darüber hinaus gibt es spezielle Zuweisungsregelungen für bestimmte Vertragstypen. So gilt z. B. gemäß Artikel 4 der Rom-I-VO:
  • für Kaufverträge über bewegliche Sachen das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Verkaufenden;
  • für Dienstleistungsverträge das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Dienstleistenden;
  • für Franchiseverträge das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der Franchisenehmerin oder des Franchisenehmers sowie
  • für Vertriebsverträge das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der Vertriebspartei.
Lässt sich keine spezielle Vertragsart bestimmen, so unterliegt der Vertrag nach der Rom-I-VO dem Recht des Staates der Partei, die die für den Vertrag charakteristische Leistung erbringt.
Eine Rechtswahl ist ebenfalls ratsam, wenn eine Vertragspartei ihren Sitz außerhalb der Europäischen Union hat. Dabei ist sicherzustellen, dass die Rechtswahl sowohl in der Europäischen Union als auch im Drittland zulässig ist.

Tipp 3: UN-Kaufrecht bewusst wählen oder abwählen

Für internationale Kaufverträge bietet das UN-Kaufrecht eine interessante und flexible Alternative zu nationalem Recht, die auch für deutsche Unternehmen attraktiv sein kann. Vertragsparteien, die diese Vorteile nutzen wollen oder ihren Vertrag schlicht einem internationalen und neutralen Regime unterstellen wollen, sollten deshalb prüfen, ob ihr Vertrag in den Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts fällt. Alternativ können sie auch ein nationales Recht wählen, welches ebenfalls zur Anwendung des UN-Kaufrechts führt.
Sollten die Vertragsparteien dagegen ausschließlich die Anwendung von nationalem Recht wünschen (etwa deutsches Recht), ist ein expliziter Ausschluss des UN-Kaufrechts erforderlich. Andernfalls kann das UN-Kaufrecht auch über das nationale Kollisionsrecht doch wieder zur Anwendung gelangen.
Weitere Informationen zum UN-Kaufrecht finden Sie in unserem Internetartikel Internationaler Kaufvertrag und UN-Kaufrecht.

Tipp 4: Wählen Sie ein passendes Gericht für potenzielle Streitigkeiten

Welche Vertragsklauseln sich im Streitfall durchsetzen lassen, hängt neben der Verhandlungsmacht der Vertragsparteien auch von der Wahl des Gerichts ab.
Deutsche Gerichte genießen international einen guten Ruf und gewährleisten im Regelfall eine relativ kostengünstige, zügige und qualitativ hochwertige Streiterledigung.
Schiedsverfahren bieten dagegen Vorteile, wenn es darum geht, (rechts-)kulturelle und sprachliche Differenzen zu überbrücken, die Neutralität der Streiterledigung und ihre Unabhängigkeit von den Heimatgerichten der Parteien zu betonen. Zudem ermöglichen Schiedsverfahren die Streitigkeit und die zugrunde liegende Geschäftsbeziehung möglichst vertraulich zu halten. Weiterhin bieten Sie den Vorteil, dass Schiedsurteile nahezu weltweit vollstreckbar sind.
Rechtliche Hürden bei der Vollstreckung von Urteilen
Gerichtsurteile deutscher Gerichte können innerhalb der Europäischen Union problemlos vollstreckt werden. Außerhalb der EU ist die Vollstreckung von deutschen Urteilen nur dann möglich, wenn ein bilaterales Vollstreckungsübereinkommen mit dem jeweiligen Land besteht. Solche Abkommen existieren z. B. zwischen Deutschland und der Schweiz, der Ukraine, Israel, Tunesien und Großbritannien. In diesen Staaten lassen sich gerichtliche Entscheidungen gesichert durchsetzen. Für alle anderen Staaten gilt: Urteile deutscher Gerichte müssen im außereuropäischen Ausland weder anerkannt noch vollstreckt werden.
Verglichen mit deutschen Gerichten sind Schiedsverfahren allerdings deutlich teurer und vor allem für hohe Streitwerte im Millionenbereich geeignet. Die konkreten Vertragsumstände und die eigenen Interessen sollten somit die Gestaltung der Streiterledigungsklauseln mit beeinflussen. Im Einzelfall kann auch eine vorgeschaltete Wirtschaftsmediation sinnvoll sein.
Weitere Informationen zur Schiedsgerichtsbarkeit als Methode der Streitbeilegung können Sie dem Internetartikel entnehmen.
Zusammenfassend: Soweit keine besonderen Interessen im Vordergrund stehen, können Faustregeln gewisse Orientierung bieten. Je eher ein voraussichtlicher Streit auf Deutschland beschränkt und je niedriger der Streitwert ist, desto eher sollte die Zuständigkeit eines inländischen Gerichts vereinbart werden. Weitere Informationen finden Sie unter „Bestimmungen zum Gerichtsstand” in Tipp 5.
Je eher ein Vertragsverhältnis über die Grenzen der EU hinausreicht und Bezüge zu einem fremden, unzuverlässigen oder politisch problematischen Rechtssystem aufweist, desto eher sollte ein Schiedsverfahren einer international anerkannten Schiedsinstitution und die Anwendung eines anerkannten materiellen Rechts in Betracht gezogen werden.

Tipp 5: Achten Sie auf Harmonie zwischen Rechtswahl und Gerichtsstand

Falls Sie sich nicht für die Schiedsgerichtsbarkeit als Methode der Streitbeilegung entschieden haben, sollten Sie darauf achten, dass die Rechtswahl zu dem (vertraglich bestimmten) Gerichtsstand passt.
Das hat den Hintergrund, dass staatliche Gerichte in der Regel ihr eigenes materielles Recht anwenden und ein gegebenenfalls anzuwendendes ausländisches Recht aufwändig durch Rechtsgutachten ermitteln müssen.
Eine Vereinbarung, das materielle Recht einer Vertragspartei anzuwenden und dafür die Zuständigkeit der Gerichte der anderen Partei vorzusehen, wäre also wenig praktikabel.

Bestimmungen zum Gerichtsstand

In der Europäischen Union finden sich die relevanten Regelungen zum Gerichtstand in den Artikeln 4 ff. VO (EU) Nr. 1215/2012 („EuGVVO “). Grundsätzlich gilt, dass der Gerichtsstand am Wohnsitz oder Geschäftssitz der beklagten Person liegt. Das bedeutet, dass vor einem Gericht am Wohnsitz der Gegenpartei geklagt werden muss.
Jedoch gibt es Abweichungen von diesem Grundsatz, die in der Verordnung festgelegt sind. Eine wichtige Ausnahme ist die Möglichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung, bei der die Parteien festlegen können, welches Gericht für die Beilegung von Streitigkeiten zuständig ist. Zum Beispiel können die Parteien vereinbaren, dass der ausschließliche Gerichtsstand in Köln liegt. Auch kann eine Vereinbarung über den Erfüllungsort als Gerichtsstandsvereinbarung angesehen werden.
Es existieren jedoch Schutzvorschriften und zwingende Gerichtsstände, die bestimmte Abweichungen einschränken bzw. ausdrücklich verbieten. Ein Beispiel dafür sind Verbraucherverträge gemäß Artikel 18 EuGVVO, wonach Verbraucherinnen und Verbraucher besonders schützenswert sind. Ihnen ist es gestattet sowohl am eigenen Wohnsitz als auch am Geschäftssitz des beklagten Unternehmens Klage einzureichen.
Zusammengefasst: Eine Gerichtsstandsvereinbarung ist grundsätzlich möglich, um einen ausschließlichen Gerichtsstand festzulegen, solange diese Vereinbarung nicht gegen zwingende Vorschriften der EuGVVO verstößt.
Außerhalb der Europäischen Union richtet sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zunächst nach bestehenden Staatsverträgen, die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit enthalten. Fehlt ein solcher Vertrag, so bestimmt sich die Zuständigkeit deutscher Gerichte nach dem nationalen Recht.
Das deutsche Recht kennt keine spezielle Regelung für die internationale Zuständigkeit, sodass die allgemeinen Zuständigkeitsregeln der §§ 12 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend Anwendung finden. Ähnlich wie die EuGVVO, definiert auch die ZPO den Grundsatz des Gerichtsstands am Wohn- bzw. Geschäftssitz der beklagten Person. Auch ist eine Gerichtsstandsvereinbarung grundsätzlich möglich, solange keine zwingenden Vorschriften für einen bestimmten Gerichtsstand bestehen.
Achtung: Bei außereuropäischen Streitigkeiten kann es trotz Harmonie zwischen Rechtswahl und Gerichtsstand sein, dass deutsche Urteile im Ausland nicht anerkannt werden. Dort empfiehlt sich die internationale Schiedsgerichtsbarkeit.

Tipp 6: Sie möchten ein Schiedsgericht einschalten? Denken Sie an den neuen Commercial Court in Stuttgart und Mannheim

Insbesondere für Unternehmen in Baden-Württemberg bietet der sogenannte Commercial Court eine attraktive Möglichkeit, verschiedene Vorteile internationaler Schiedsverfahren mit den Stärken des deutschen Justizsystems zu verbinden. Der Commercial Court besteht aus speziellen Kammern an den Landgerichten Stuttgart und Mannheim, die seit November 2020 tätig sind. Die Kammern sind mit wirtschaftsrechtlich erfahrenen Richterinnen und Richtern besetzt und versprechen eine moderne und effiziente Verfahrensführung, die teilweise in englischer Sprache erfolgen kann.
Die mehrsprachige Internetseite des Commercial Court enthält eine gute Zusammenfassung der Funktionsweise und Vorteile, die auch zur Überzeugungsbildung in einer Verhandlungssituation genutzt werden kann.
Um in den Zuständigkeitsbereich des Commercial Court zu gelangen, muss zunächst die Zuständigkeit des Landgerichts Stuttgart oder Mannheim begründet sein, zum Beispiel durch eine entsprechende Gerichtsstandsklausel. Außerdem muss es sich um eine Streitigkeit handeln, die nach dem jeweiligen Geschäftsverteilungsplan dem Commercial Court zugewiesen ist. Darunter fallen insbesondere Streitigkeiten aus dem Bereich des Gesellschaftsrechts, einer Unternehmenstransaktion oder einem beidseitigen Handelsgeschäft (ab 2 Millionen Euro Streitwert). Der Commercial Court kann bei grenzüberschreitenden Transaktionen dieser Art eine attraktive Alternative zu Schiedsgerichten darstellen.

Tipp 7: Verwenden Sie aktuelle Musterschiedsklauseln gängiger Schiedsinstitutionen

Sollen Streitigkeiten aus einem Vertrag durch ein Schiedsgericht entschieden werden, ist eine wirksame Schiedsvereinbarung erforderlich, die regelmäßig in Form einer Schiedsklausel im Vertrag selbst oder in beigefügten AGB abgeschlossen wird. Fehler in solchen Klauseln führen zwar eher selten dazu, dass eine Schiedsvereinbarung tatsächlich als nichtig anzusehen ist. Sie können mit der Aufhebbarkeit oder Nichtvollstreckbarkeit eines späteren Schiedsspruchs aber gravierende Folgen haben.
Schiedsvereinbarungen sollten deshalb stets entsprechend der aktuellen, meist online leicht abrufbaren Musterklausel einer gängigen Schiedsinstitution formuliert sein. Eine Übersicht weiterer gängiger Schiedsinstitutionen und -klauseln finden Sie in unserem Internetartikel Internationale Schiedsgerichte.

Tipp 8: Nutzen Sie Online-Tools

Neben aktuellen Musterklauseln für den Abschluss einer Schiedsvereinbarung enthalten die Internetseiten vieler Schiedsinstitutionen weitere hilfreiche Informationen, die die Auswahl zwischen verschiedenen Schiedsregeln erleichtern oder für die Vorbereitung eines sich abzeichnenden Schiedsverfahrens hilfreich sind.
Zum Beispiel stellen die Internetseiten regelmäßig einen Online-Kostenrechner ebenso zur Verfügung wie die aktuelle Fassung der jeweiligen Schiedsregeln oder Verzeichnisse möglicher Rechtsvertreterinnen und Rechtsvertreter sowie Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter.