Die Zukunftswahl
Es geht nicht nur um Rathäuser und Landratsämter, um einzelne Kommunen, Städte oder Landkreise: Wer bei der Kommunalwahl im Herbst gewinnt, übernimmt Verantwortung über die Ortsschilder hinaus. Denn nur mit einer starken Wirtschaft gibt es eine starke Region.
Nach der Bundestagswahl ist vor der Kommunalwahl: Die Bürgerinnen und Bürger im Kammerbezirk haben am 14. September die Wahl, 31 neue (oder alte?) Bürgermeisterinnen oder Bürgermeister, drei Landrätinnen oder Landräte sowie zwei Oberbürgermeisterinnen oder Oberbürgermeister ins Amt zu heben.
Kommunalwahl klingt immer klein. Die Bedeutung ist aber riesig: Denn vor Ort wird gestaltet, was in Berlin oft verwaltet wird. Während wir bei der Bundestagswahl Abgeordnete in die doch weit entfernte Hauptstadt entsenden, ist die Kommunalwahl eine Entscheidung im direkten Sichtfeld der Menschen. Wer in der Lokalpolitik Verantwortung trägt, muss seine Entscheidungen täglich im Supermarkt, Restaurant oder Sportverein erklären. Wer vor Ort regiert, kriegt aber nicht nur das Echo der eigenen Entscheidungen ungefiltert serviert – die Akteure sollten am besten wissen, was den Menschen wirklich hilft. Oder fehlt.
IHK vor Ort! Bei unseren Wahlforen stellen sich die Bürgermeister-Kandidatinnen und -Kandidaten der lokalen Wirtschaft vor, hier in Rösrath. Von links: Miguel Louzao de la Cruz (CDU), Giselher Dick (ZLR/Grüne), Bondina Schulze (parteilos), Yannick Steinbach (Fors-Park/SPD) und Jörg Vennedey (AfD) stellten sich den Fragen von Kim Bauer (3. v.l.), Vorsitzende des Wirtschaftsgremiums Rösrath, und IHK-Chefredakteur Willi Haentjes (r.).
Wahlen sind immer auch Chancen – für alle Beteiligten. Die Kommunalwahl 2025 ist für die Unternehmerinnen und Unternehmer im Bezirk der IHK Köln eine echte Zukunftswahl: für die Zukunft der Region und für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts. Denn vieles, was früher selbstverständlich war, ist es nicht mehr.
Wirtschaft und Politik, das war mal eine äußerst erfolgreiche Kombination in Deutschland. Geprägt von gegenseitigem Verständnis und dem Wissen: Es funktioniert nur gemeinsam. Wohlstand und Wachstum. Starke Wirtschaft. Starke Region!
Nur bröckelt aktuell der Wohlstand und die Wirtschaft wackelt: „Viele Unternehmen müssen ihre Produktion und Neuinvestitionen ins Ausland verlagern, um auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist in Gefahr“, heißt es in der Präambel zu den Wahlprüfsteinen der IHK-Vollversammlung. In dem mit großer Mehrheit beschlossenen Papier werden zehn Themenbereiche mit ganz konkreten Forderungen versehen.
Die Botschaft des Parlaments der Wirtschaft lautet: Was die Kandidatinnen und Kandidaten wollen, können wir alle auf den Wahlplakaten lesen. Andersherum ist es aber genauso wichtig: Wer erfolgreich im Rathaus oder Landratsamt regieren will, muss verstehen, was die Wirtschaft will.
Egal ob in Nümbrecht, Brühl, Leichlingen, Leverkusen oder Köln: Hier sind zehn grundsätzliche Erwartungen an alle, die ab Herbst in der Kommunalpolitik das Sagen haben, damit die Wirtschaft am Standort wieder Vertrauen in die Politik fasst!
Wer wird Landrätin oder Landrat im Rhein-Erft-Kreis? Von links: Amtsinhaber Frank Rock (CDU) (3. v.l.) und seine Herausforderer (v. l.) Karl Heinz Spielmanns (Freie Wähler), Iris Heinisch (SPD), Hans Decruppe (BSW), Jürgen Berger (Linke), Jannis Milios (Piraten) bei unserem Wahlforum.
1. Digitalisierung vorantreiben
Mike Gahn
„Wir brauchen Kommunalpolitik, die Digitalisierung in der Verwaltung vorlebt – und nicht bloß darüber spricht“, fordert Mike Gahn, IHK-Vizepräsident und Geschäftsführer der ownSoft GmbH. Er sagt: „Ohne eine leistungsstarke 5G-Infrastruktur und ohne öffentliche WLAN-Verfügbarkeit im gesamten Kammerbezirk, also insbesondere im Umland von Köln, bleibt der Fortschritt im Kabel stecken. Die Kommunen brauchen deshalb alle Kraft für den Breitbandausbau. Wir brauchen außerdem den offenen Zugang zu kommunalen Daten als Innovationstreiber. Zünden wir endlich den Digital-Turbo!“
2. Mobilität stärken
Tina Gerfer
„Die Sanierung unserer maroden Infrastruktur fängt vor der eigenen Haustür an. Deshalb müssen wir JETZT anpacken und nicht auf Berlin warten“, sagt Tina Gerfer, IHK-Vizepräsidentin und Inhaberin von Solutions & Services. Sie zählt die Baustellen auf: der ÖPNV-Ausbau, das Baustellenmanagement, die vielen wichtigen Brücken im Kammerbezirk … „Das alles klappt nur mit einer selbstbewussten Kommunalpolitik an der Spitze und in den Räten, die die Projekte antreiben. Denn ohne zuverlässige Infrastruktur bremsen wir die Wirtschaft aus. Das kann niemand wollen!“
3. Fachkräfte sichern
Sylvia Fehn-Madaus
„Wer Fachkräfte anlocken will, muss ihnen auch Wohnraum bieten“, sagt Sylvia Fehn-Madaus, Inhaberin und Geschäftsführerin der Em Krützche Gaststätten GmbH. Die Wohnfrage habe schon heute enormen Sprengstoff : „Immer mehr Menschen können sich das Leben an dem Ort, an dem sie arbeiten, nicht mehr leisten.“ Wer Bürgermeisterin oder Bürgermeister werden will, braucht einen klaren Plan, neuen Wohnraum zu schaffen: „Der private und öffentliche Sektor müssen da Hand in Hand arbeiten: Projekte fördern, Verfahren vereinfachen, schneller bauen und bauen lassen.“ Fehn-Madaus ist sich sicher: Das hilft am Ende allen. „Azubis, Familien, Geflüchteten – wer keine Wohnung findet, wird auch nicht arbeiten. Wer den Fachkräftemangel bekämpfen will, muss Wohnen wieder bezahlbar machen.“
4. Niedrige Steuern und Abgaben
Hendrik Pilatzki
„Die Kommunen haben kein Einnahmen-, sondern ein Ausgaben-Problem“, sagt Hendrik Pilatzki, IHK-Vizepräsident und Geschäftsführender Gesellschafter der August Jaeger Nachf. GmbH & Co. KG. Keine neuen Sonderabgaben, keine neuen Gebühren für Unternehmen – die Wucht der finanziellen und bürokratischen Belastung ist eh schon zu hoch. „Jede Unternehmerin und jeder Unternehmer lernt, mit Geld verantwortungsvoll umzugehen. Das erwarten wir auch von der Kommunalpolitik: eine Haushaltspolitik mit Augenmaß und den Anspruch, mit den vorhandenen Ressourcen auszukommen, bevor neue Belastungen beschlossen werden.“
5. Leistungsfähige Verwaltung
Wolfgang Schwade
„Bürokratieabbau beginnt im Rathaus vor Ort“, sagt Wolfgang Schwade, Vorstandsvorsitzender der GVV Kommunalversicherung. „Wir wünschen uns zentrale Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in der Stadtverwaltung, die uns helfen, den Verwaltungsdschungel zu lichten und uns zu unserem Ziel zu lotsen.“ Schwade hat als ehemaliger Bürgermeister von Lippstadt und zuvor als Stadtdirektor von Rietberg umfassende Verwaltungserfahrung und weiß, dass sich Verwaltung immer als Partner von Wirtschaft und damit auch der Bürgerinnen und Bürger verstehen muss: „Anträge dürfen keine Stolpersteine sein. Verwaltung muss den Servicegedanken leben: einfach, schnell und lösungsorientiert. Die Verwaltungsspitze braucht einen klaren Plan: Verfahren vereinfachen, Ergebnisse beschleunigen und vom Kunden her denken.“ Er träumt von einer spürbar verschlankten Verwaltung: „Das geht, man muss es nur einfach machen!“
6. Mehr Gewerbeflächen
Harald Goost
„Wirtschaft braucht Platz zum Wachsen“, sagt Harald Goost, Geschäftsführer der Bierbaum-Proenen GmbH & Co. KG. Als Chef eines Textilunternehmens weiß er: „Neue Gewerbeflächen schaffen Jobs. Das gilt nicht für einzelne Kommunen, sondern für den gesamten Kammerbezirk: Für eine starke Wirtschaft brauchen wir eine schnellere Planung, einfachere Genehmigungsverfahren und ein strukturiertes Flächenmanagement.“ Nur wenn Politik und Verwaltung aktive Ansiedlungspolitik betreiben, kommen neue Player mit neuen Investitionen: „Neue Gewerbeflächen heißt, sich Wachstum nicht nur zu wünschen, sondern wirklich auch etwas dafür zu tun.“
7. Sicherheit und Sauberkeit verbessern
Stefan Bisanz
„Sicherheit, Ordnung, Sauberkeit: Die Unternehmen in unseren Städten funken SOS“, so die Botschaft von Stefan Bisanz, IHK-Vizepräsident und geschäftsführender Gesellschafter der Consulting plus GmbH. Der Sicherheitsexperte fordert, dass wir uns nicht an Gewalt und Verwahrlosung gewöhnen dürfen, sondern eine starke Politik brauchen, die sich dem entgegenstellt: „Wenn sich Menschen in ihrer eigenen Stadt nicht mehr sicher fühlen, ist das inakzeptabel – und das Ende von florierenden Innenstädten, von Handel und Gastronomie. Deswegen brauchen wir nicht nur mehr Ordnungskräfte, sondern auch das politische Selbstverständnis, Regeln durchzusetzen. Denn wer sich nicht an Regeln hält, muss die Konsequenzen spüren.“
8. Wirtschaftsförderung fokussieren
Annette Faust
Annette Faust, Geschäftsführerin bei Mobau Selbach, fordert mehr Expertise aus der Wirtschaft bei der Wirtschaftsförderung: „Wir beobachten leider viel zu häufig, dass die Ideen und Konzepte aus der Verwaltung viel zu weit entfernt sind vom Bedarf und der Wirklichkeit.“ Ihr Appell an die kommenden Bürgermeisterinnen und Bürgermeister: „Nutzen Sie unser Wissen und unsere Strukturen in der IHK, beteiligen Sie die lokalen Unternehmen am Prozess und Sie werden sehen: Eine fokussierte Wirtschaftsförderung lässt alle glänzen, die an ihr mitwirken!“
9. Wirtschaft als aktiven Partner zur Erreichung der Klimaziele begreifen
Peter Zens
Peter Zens, Inhaber vom Erlebnisbauernhof Gertrudenhof, beobachtet häufig, dass Unternehmen als Gegner in Klima- und Umweltschutzfragen behandelt werden. „Dabei sind wir doch aktiver Partner der Politik! Wir Unternehmen wollen eingebunden werden in alle Anstrengungen, den Klima- und Umweltschutz in unserer Region voranzutreiben.“ Innovationen entstehen im Wettbewerb, ausschließlich Verbote und Bevormundung seien der falsche Weg, um zum besten Ergebnis zu kommen. „Ökologie und Ökonomie gehören zusammen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten!“
10. Klares Bekenntnis zur regionalen Wirtschaft
Mariska Hoffmann
Riesiges Thema nicht nur auf Bundes-, sondern auch auf Lokalebene: Politikerinnen und -politiker müssen das Vertrauen der Wirtschaft zurückgewinnen – und zwar so schnell wie möglich. „Mehr als die Hälfte der Unternehmen im Kammerbezirk empfindet Politik heute als Risikofaktor“, sagt Mariska Hoffmann, IHK-Vizepräsidentin und Geschäftsführende Gesellschafterin der hoff mannhoff mann.media GmbH. „In den Rathäusern und Landratsämtern muss klar sein: Gewerbe und Industrie sichern Wohlstand, Arbeitsplätze und die Finanzierung der Kommunen. Wir brauchen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, die für Verlässlichkeit und Planungssicherheit stehen. Auf unser Wort in der Wirtschaft ist Verlass: Wir sind bereit, gemeinsam an der Zukunft zu arbeiten, aber brauchen dafür ein wirtschaftsfreundliches Klima.“
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Willi Haentjes
Chefredakteur | Kommunikation