Editorial IHK-Journal - Ausgabe 11-12/2023

Vom Gewinner zum Verlierer - und zurück?

Waren wir vor kurzer Zeit noch exportstarker Spitzenreiter mit stabilem Wirtschaftswachstum und niedrigen Arbeitslosenzahlen, wird Deutschland in der wirtschaftlichen Entwicklung plötzlich zum Schlusslicht. Sinkende Auftragslage bei gleichzeitigem Kostendruck treffen auf lange ignorierte strukturelle Schwächen und fehlende Planungssicherheit seitens der Politik. Das zeigt auch die aktuelle Konjunkturumfrage der IHK.
Das Problem: keine Investitionen, kein Handlungsspielraum. Nirgendwo eine wirkliche Entlastung. Das wird sich auf die einzigartige mittelständische Struktur auswirken, die unsere deutsche Unternehmenslandschaft prägt – von der Nachfolge in Familienunternehmen über Neugründungen bis hin zum regionalen ehrenamtlichen Engagement.
Vor diesem Hintergrund freuen wir uns besonders über die Neugründung eines Unternehmerinnenausschusses in unserer IHK. Er zeigt, dass ein Abgesang noch zu früh kommt. Und auch die Selbstheilungskräfte der deutschen Wirtschaft sind sicher noch nicht aufgebraucht: Wir haben immer noch eine starke Marktbedeutung sowie Know-how und Innovationskraft.
Das wurde nicht zuletzt bei der Verleihung des Hochschulpreises der Wirtschaft deutlich. Sich auf den Wandel einlassen und vorwärtsdenken – hier sind die Unternehmen der Politik und der Verwaltung um einiges voraus.
Entscheidend ist daher, dass politische Weichenstellungen bei Energieversorgung, Infrastruktur oder Digitalisierung nicht mehr länger auf sich warten lassen. Nur dann werden Schieflagen wie etwa bei den aktuellen Erhöhungen der Grund- und Gewerbesteuern in vielen rheinland-pfälzischen Kommunen vermieden. Denn bisher stehen den höheren Hebesätzen keine verbesserten Standortbedingungen gegenüber, und es wird nur an der Einnahmenseite geschraubt. Doch der Politik muss klar sein: Damit Deutschland wieder auf die Gewinnerstraße kommt, muss alles auf den Tisch.

Susanne Szczesny-Oßing,
Präsidentin der Industrie- und Handelskammer Koblenz