Interessenvertretung - Ausgabe 11-12/2023

"Wer Wind sät..." - Die Folgen des neuen kommunalen Finanzausgleichs

Von der Reform des kommunalen Finanzausgleichs, die die Landesregierung im Herbst 2022 auf den Weg brachte, hatten sich viele in der Landespolitik Spielraum für kommunale Investitionen erhofft. Doch nun zeigen sich die negativen Folgen – auch für Unternehmen.
80 Prozent der Gemeinden und Städte in Rheinland-Pfalz gehen von einer Erhöhung des Hebesatzes der Gewerbesteuer aus, 93 Prozent von einer Erhöhung des Hebesatzes der Grundsteuer für Grundvermögen (Grundsteuer B). Das zeigt eine gemeinsame Umfrage der rheinland-pfälzischen Industrie- und Handelskammern, der Handwerkskammern und des DGB Rheinland-Pfalz/Saarland. In Zeiten, in denen Energiepreise, Arbeitskosten und Zinsen ohnehin hoch sind, ist das für Betriebe ein „dickes Brett“.

Was steckt dahinter?

Im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs empfiehlt das Land den Kommunen seit diesem Jahr höhere Mindesthebesätze (sogenannte Nivellierungssätze), um ihr Einnahmepotenzial angemessen auszuschöpfen. Das Problem: Liegen die Steuersätze einer Gemeinde unterhalb der Nivellierungssätze des Landes, so führt dies dazu, dass sie von einer fiktiv erhöhten Steuerkraft Umlagen in den kommunalen Finanzausgleich einzahlen muss, die sie überhaupt nicht vereinnahmt hat. Denn die Zahllast der Umlage wird nicht anhand der tatsächlichen Realsteuerhebesätze und deren Einnahmen ermittelt, sondern anhand der auf Grundlage der Nivellierungssätze berechneten Steuereinnahmen. Einfach gesagt: Die Kommune wird reicher gerechnet als sie ist. Für die Kommunen führt das zu einem Zielkonflikt: Attraktive Standortbedingungen bei mäßigen Steuerhebesätzen? Oder ausgeglichene Haushalte ohne neue Schulden?
Den Kommunen in Rheinland-Pfalz – im Flächenvergleich eher steuerschwach und hoch verschuldet – bleibt meist keine wirkliche Wahl. Zumal auch Fördermittel des Landes nur dann beantragt werden können, wenn die vom Land vorgegebenen Mindesthebesätze angewendet werden, und auch die Genehmigung von Kreditaufnahmen seitens der Kommunalaufsicht davon abhängig ist.

Die Folgen für die Unternehmen

Sicherlich sind gesunde Kommunalfinanzen Grundlage, um die Wirtschaftsbedingungen vor Ort aktiv gestalten zu können. Doch die Abgaben bedeuten auch eine Mehrbelastung zur Unzeit: für die Group Schumacher in Eichelhardt zum Beispiel. An zwei Standorten werden hier Schnitt- und Antriebstechnologien von Erntemaschinen produziert.
„Nach derzeitigem Kenntnisstand beträgt die Steuererhöhung im Bereich der Gewerbesteuer rund 53.000 Euro oder 10,5 Prozent und bei der Grundsteuer rund 5.000 Euro oder 29 Prozent“, sagt uns Moritz Schumacher, CEO des Familienunternehmens Group Schumacher.
Da auch die Stadt Bendorf die Grundsteuer B erhöht, berichtet Andreas Normann, Geschäftsführer der Mathias Normann Spedition GmbH & Co. KG, von ähnlichen Sorgen: „Bei gleichem Geschäftsergebnis rechnen wir mit einem sechsstelligen Mehrbetrag, der für unsere acht Hektar große Lagerhalle zu zahlen ist.“

Diese Zahlen lassen erahnen, welche negativen Konsequenzen aus der Reform des kommunalen Finanzausgleichs nun zu befürchten sind: von einer weiteren Verschlechterung der Stimmung in der Wirtschaft über Geschäftsverlagerungen ins Ausland bis hin zum Wohlstandsverlust in Rheinland-Pfalz.

Stimmungsbild kommunaler Gebietskörperschaften

Gemeinsame Umfrage der rheinland-pfälzischen Industrie- und Handelskammern, der Handwerkskammern und des DGB Rheinland-Pfalz/Saarland:
  • 80 % der Gemeinden und Städte in Rheinland-Pfalz gehen von einer Erhöhung des Hebesatzes der Gewerbesteuer aus, 47 % sogar von einer deutlichen Erhöhung.
  • 93 % der Gemeinden und Städte in Rheinland-Pfalz gehen von einer Erhöhung des Hebesatzes der Grundsteuer B aus, 86 % sogar von einer deutlichen Erhöhung.
  • 72 % der Gemeinden, Städte und Landkreise in Rheinland-Pfalz gehen nicht davon aus, dass der Kommunale Finanzausgleich und die Teilentschuldung dabei helfen, ihre notwendigen Investitionen zu steigern.
  • In 4 von 5 kommunalen Gebietskörperschaften wird durch den KFA und die Teilentschuldung (PEK) keine Erhöhung der freiwilligen Ausgaben erwartet. Lediglich ein Drittel geht davon aus, dass sich dadurch deren Pflichtaufgaben besser ausfinanzieren lassen.
Die vom Statistischen Landesamt veröffentlichten Grund- und Gewerbesteuerhebesätze der rheinland-pfälzischen Kommunen finden Sie hier.