Handel
Zentrenstudie Innenstadt: Handlungsbedarfe und Handlungsempfehlungen
Der Länderbericht Zentrenstudie Niedersachsen & Bremen „Was Menschen künftig in die Innenstädte lockt“ zur Deutschlandstudie Innenstadt 2024 der CIMA Beratung + Management GmbH im Auftrag der niedersächsischen Industrie- und Handelskammern und des Handelsverbandes Niedersachsen-Bremen e.V. zeigt auf, wie die Menschen in Niedersachsen und Bremen ihre Innenstädte und Ortskerne aktuell bewerten und wie deren Zukunft aussehen könnte. Die Ergebnisse aus den Antworten auf die 38 Fragen (30 Fragen der Deutschland-Studie sowie Zusatzfragen zu vier ausgewählten Themenbereichen) wurden entlang der Customer Journey formuliert.
Ausgewählte Ergebnisse im Überblick:
- Die Niedersachsen erschließen sich ihre Informationen für einen gezielten Innenstadt-Besuch vor allem über die Online-Präsenz der lokalen Geschäfte (Shop/Website 41,9 %; Social-Media-Kanäle 39,4 %). Dann folgen digitale Medien der Stadt/Innenstadt und des Stadtmarketings.
- Besuchsgrund Nr. 1 der Niedersachsen, ihre Innenstädte aufzusuchen, ist mit 65,4 Prozent der Einzelhandel/das Shopping. Die Magnetangebote der Innenstädte Deutschlands, Niedersachsens und in Bremen sind dabei Bekleidung und Wäsche sowie Gesundheit und Körperpflege. Am Ende zählt, so die Autoren, der individuelle City-Mix. Aber: „Achtung Innenstädte! Aufgepasst, wenn im Branchenmix Drogeriemärkte sowie Textiler fehlen!“
- Auf Platz 2 folgt mit 51,4 Prozent der Besuch von Cafés oder Restaurants. Jede(r) Zweite (50,2 %) gibt an, zum Bummeln, Leute treffen, Plätze und Stadt zu genießen, in die City zu gehen. Auch Dienstleistungen, Events und Kultur locken zwischen etwa 35-40 Prozent der Antwortenden in die Zentren. Behördengänge (28,2 %), berufliche Anlässe (22,8 %) oder Bildungsanlässe (KiTas, Schulen, Universitäten 13,3 %; Bibliotheken 12,6 %) führen die Menschen eher selten in die Innenstadt.
- Zu denken geben sollte den Verantwortlichen, dass nur ein Viertel der Antwortenden keine Probleme sehen, die sie von einem Besuch der Innenstadt abhalten. Entsprechend aber fallen drei Viertel verschiedenartige potenzielle Hemmnisse ein. Hauptproblem ist die Erreichbarkeit der Innenstädte (Mobilität, Verkehr, Parken) mit 28 Prozent. Mit Abstand folgen dann nahezu gleich der Einzelhandel (22,9 %) und „Stadtbild und Aufenthaltsqualität“ (22,2 %).
- Wie sieht der Modal Split aus? Niedersachsenweit nutzen 32,9 Prozent der Antwortenden das Auto, um in die Innenstadt zu gelangen. Im ländlichen Raum kommt der Pkw auf einen Wert von einem Drittel bis zur Hälfte der Befragten. In den Großstädten werden Werte um 20 Prozent erreicht. Jede(r) Vierte (25,4 %) sucht zu Fuß die Innenstadt auf. Der ÖPNV kommt niedersachsenweit auf einen Wert von 14,2 Prozent. Dieser Wert nimmt mit der Stadtgröße zu. Per Fahrrad/Pedelec kommt knapp jeder Elfte in die Innenstadt. Hinweis der Autoren: Jede Stadt braucht ihr eigenes Verkehrssystem mit individuellem Mix, an dem laufend gearbeitet wird!
- Die Mobilitätspräferenzen können durch die Infrastruktur häufig nicht zufriedenstellend erfüllt werden. Dies zeigt beispielsweise die Bewertung für die Parkplätze am Innenstadtrand (Durchschnitt in Schulnoten Niedersachsen: 3,81), für die Anbindung mit dem ÖPNV (3,58) oder für das Radwegenetz (3,54).
- Parken in der Innenstadt: Sehr differenziert werden die Parkmöglichkeiten in den Innenstädten anhand von neun Merkmalen bewertet. Besser als „ausreichend“ beurteilen mehr als 50 Prozent lediglich die Sichtbarkeit und Verständlichkeit des Parkleitsystems (Durchschnitt: 3,3), den baulichen Zustand und die Ausstattung der Parkhäuser (3,4) sowie das Vorhandensein eines digitalen Parkleitsystems (3,6). Für die schlechtesten Benotungen sorgt die Bewertung der Parkgebühren in der Innenstadt. Dabei liegen alle Großstädte unter dem Niedersachsenschnitt von 3,83. Für die Anzahl der Parkplätze in den Innenstädten wird im Niedersachsenschnitt die Note 3,80 gegeben. Für die Möglichkeit, im Straßenraum der Innenstadt in unmittelbarer Nähe zu den Geschäften zu parken, gibt es einen Wert von 3,7. Auch die Radwegeinfrastruktur wurde anhand von sechs Kriterien bewertet.
- Weitere Fragen zum Parken in der Innenstadt betrafen die Frage, ob Parken teurer gemacht werden sollte, Parkplätze zugunsten von Geh- und Radwegen oder zugunsten von wetterfesten Stellplätzen entfallen sollten, um die Zentren attraktiver zu machen.
- Es ist allen betrachteten Großstädten gelungen, in den Top 10 der attraktivsten Innenstädte Beachtung zu finden. Die Befragten in Niedersachsen besuchen ihre Innenstädte signifikant häufiger als die Befragten in Deutschland insgesamt. 13,4 Prozent besuchen sie täglich, 25,4 Prozent 2-3-mal in der Woche, 21,4 Prozent 1-mal pro Woche und 20,8 Prozent 2-3-mal im Monat.
- Drei Schlüsselbereiche für attraktive Zentren: Die Verbesserung des Stadtbildes und der Aufenthaltsqualität steht mit 33,2 Prozent aus Sicht der Niedersachsen an erster Stelle der Handlungsfelder, um die Innenstädte und Zentren wieder attraktiver zu machen – gleichauf mit Maßnahmen, die den Einzelhandel in den Zentren stärken. Der dritte Schwerpunkt liegt auf Maßnahmen im Bereich Mobilität, Verkehr und Parken (30,4 %).
- Im Bundesdurchschnitt (3,1) werden die Innenstädte tendenziell besser bewertet als die Stadt Bremen (3,2) und die Innenstädte im Raum Niedersachsen (3,36).
- Die niedersächsischen Zentren verzeichnen seit 2022 einen Besucherrückgang und müssen davon ausgehen, dass sich dieser Trend fortsetzt. Im Vergleich zur Deutschland-Studie (häufiger in der Innenstadt: 12,5 Prozent, seltener: 32,2 %, gar nicht mehr: 5,4 %) sehen die Zahlen für Niedersachsen (häufiger in der Innenstadt: 22,0 %, seltener: 28,5 %, gar nicht mehr: 6,1 %) noch etwas positiver aus – auch wenn die Besucherinnen und Besucher auch hier per Saldo eine negative Besuchsbilanz konstatieren. Auf die Frage nach ihrem künftigen Besuchsverhalten, die Zentren betreffend, beantworten die Befragten etwas optimistischer als im Bundesvergleich, dennoch ist auch hier die negative Tendenz unübersehbar.
Über 1.700 Bürgerinnen und Bürger wurden für die repräsentative Studie befragt. Neben den ländlichen Regionen der sieben IHK-Bezirke Niedersachsens sind Aussagen für die Großstädte Hannover, Bremen, Braunschweig, Osnabrück und Oldenburg enthalten.
Die Untersuchung ist eine Sonderauswertung des jüngst veröffentlichten bundesweiten „cima.monitor Deutschlandstudie Innenstadt 2024“.
Aus der Analyse leiten die IHKN und der Handelsverband folgende TOP 5 Handlungsfelder ab:
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Kooperation: Um realistische und umsetzbare Innenstadtentwicklungsstrategien zu entwickeln, ist eine stärkere Zusammenarbeit aller Innenstadtakteure – von der Wirtschaft, über die Politik bis hin zur Verwaltung, Stadtmarketing und Immobilienwirtschaft – erforderlich. Ziel muss es sein, die Frequenz in den Zentren zu erhöhen und ihre Zukunft nachhaltig zu gestalten.
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Erreichbarkeit: Ein zentraler Punkt für die Attraktivität niedersächsischer Zentren ist die Erreichbarkeit. Kostenfreie oder günstige Parkplätze in fußläufiger Entfernung zum Zentrum sind für den Großteil der Niedersachsen ein unverzichtbares Kriterium. Das Thema Erreichbarkeit und Mobilität wird zunehmend emotional diskutiert, vor allem im Zusammenhang mit dem Wegfall von Stellplätzen, mit Pkw-Fahrverboten und Baustellen. Ob Klimaneutralität oder Investitionen in die Infrastruktur - entsprechende Maßnahmen sollten sorgfältig durchdacht und kontinuierlich im Dialog mit den Gewerbetreibenden vor Ort entwickelt werden.
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Wohnraum: Mehr Wohnraum in den Zentren kann verschiedene Vorteile bewirken. Es ist aber darauf zu achten, dass Handel, Gastronomie, Kultureinrichtungen und andere innerstädtische Branchen im Hinblick auf Lärm- und weitere Emissionen nicht zum „schwarzen Schaf“ der vermehrt bewohnten innerstädtischen Quartiere werden.
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Fördermittel: Ein eigenständiges Förderprogramm für Gewerbevereine könnte ihre Motivation und das Engagement für den eigenen Standort maßgeblich befördern. Kommunale Förderprogramme wie „Perspektive Innenstadt“ und „Zukunftsräume Niedersachsen“ sollten weitergeführt und angepasst werden, sodass auch alle Grundzentren profitieren können. Besonders wichtig ist auch die Bereitstellung der Personalkosten für sogenannte „Innenstadt- und Zentrenkümmerer“ als Ansprechpersonen und Koordinatoren der notwendigen Change-Prozesse in den Kommunen.
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Bürokratieabbau und Gleichbehandlung: Handelsbetriebe und weitere innerstädtische Unternehmen sind mit vielfältigen und zunehmend komplexeren gesetzlichen Regelungen und bürokratischen Vorschriften konfrontiert. Diese stellen eine enorme Belastung dar und erschweren es den Betrieben, in „ihre“ Zentren zu investieren oder innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln. Auch ist eine Gleichbehandlung im Wettbewerb mit globalen Anbietern im E-Commerce im Bereich der Umwelt- und Produktsicherheitsstandards dringend geboten.
Den 84 Seiten umfassenden Endbericht (www.ihk-n.de/Zentrenstudie) finden Sie hier zum kostenfreien Download.
Stand: 26.11.2024