Arbeitsrecht

Scheinselbstständigkeit

1.  Wer ist  Scheinselbstständiger?

Scheinselbstständigkeit liegt vor, wenn jemand zwar nach der zu Grunde liegenden Vertragsgestaltung selbständige Dienst- oder Werkleistungen für ein fremdes Unternehmen erbringt, tatsächlich aber nichtselbstständige Arbeiten in einem Arbeitsverhältnis leistet, obwohl er eine selbstständige Erwerbstätigkeit beim Gewerbeamt und/oder Finanzamt angemeldet hat.

2.    Erfassung Scheinselbstständiger

Die Rentenversicherungsträger sind  für die Betriebsprüfungen zuständig und verpflichtet, jeden Betrieb in der Bundesrepublik Deutschland alle vier Jahre zu prüfen. Die Betriebsprüfer der Deutschen Rentenversicherung kontrollieren hierbei auch die Feststellung der Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit eines Arbeitnehmers. Sie können dabei  auch sämtliche Beschäftigungsverhältnisse, also auch freie Mitarbeiter und Subunternehmer, prüfen.

3.    Statusfeststellungsverfahren

Der Auftraggeber hat – wie auch sonst jeder Arbeitgeber bei seinen Mitarbeitern – zu prüfen, ob ein Auftragnehmer bei ihm abhängig beschäftigt oder für ihn selbstständig tätig ist. Ist ein Auftraggeber der Auffassung, dass im konkreten Einzelfall keine abhängige Beschäftigung vorliegt, ist zwar formal von ihm nichts zu veranlassen. Er geht jedoch das Risiko ein, dass bei einer Betriebsprüfung der Sachverhalt anders bewertet und dadurch die Nachzahlung von GSV-Beiträgen erforderlich wird.
Handelt es sich bei den Auftragnehmern tatsächlich nicht um Selbstständige, so werden diese als Scheinselbständige bezeichnet. Als scheinselbstständige Arbeitnehmer werden Personen bezeichnet, die formal wie selbstständig Tätige (Auftragnehmer) auftreten, tatsächlich jedoch abhängig Beschäftigte im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV sind. Der Auftraggeber gilt sozialversicherungsrechtlich als Arbeitgeber. Er führt die Gesamtsumme der Sozialversicherungsabgaben ab. Diese errechnen sich auf der Grundlage des gezahlten Honorars, das als Nettogehalt betrachtet wird. Ist nun zu der versicherungsrechtlichen Beurteilung der Erwerbstätigkeit ein Verwaltungsverfahren anhängig, gilt der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 20 SGB X). Treffen Merkmale, die für die Beschäftigteneigenschaft sprechen, mit Merkmalen zusammen, die auf Selbstständigkeit hindeuten, hat der Sozialversicherungsträger nach Aufklärung des Sachverhalts im Rahmen der Gesamtwürdigung zu prüfen, in welchem Bereich der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt, und auf Grundlage des § 7 Abs. 1 SGB IV zu entscheiden.
Die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung (ehemals bfA) ist zuständig für das Antragsverfahren, durch das die Beteiligten eine Klärung der Statusfrage erreichen können. Der Antrag kann sowohl vom Auftragnehmer als auch vom Auftraggeber gestellt werden. Das Antragsverfahren durch die Beteiligten ist jedoch nur möglich, wenn die Deutsche Rentenversicherung im Zeitpunkt der Antragstellung selbst noch kein Verfahren eingeleitet hat. Innerhalb des Statusverfahrens wird auf die Gesamtsituation abgestellt. Die Deutsche Rentenversicherung ist gesetzlich dazu verpflichtet, vor ihrer endgültigen Entscheidung, diese vorab bekannt zu machen, um den Beteiligten die Möglichkeit zu geben, weitere für die Entscheidung erhebliche Tatsachen und rechtliche Gesichtspunkte hervorzubringen.
Kontaktdaten der Clearingstelle
Deutsche Rentenversicherung Bund
Clearingstelle für sozialversicherungsrechtliche Statusfragen
10704 Berlin
Service-Telefon: 030 54445602
Hinweis: Das benötigte Antragsformular (V027) sowie Erläuterungen zum Antrag (V028) können auf der Internetseite der Deutschen Rentenversicherung abgerufen werden.

4.    Merkmale einer tatsächlichen Selbstständigkeit

Zum 1. April 2017 wird durch das Gesetz zur Änderung der Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und andere Gesetze (BT-Drs. 18/9232) am 21.Oktober 2016 durch den Deutschen Bundestag beschlossene Änderung der Rechtslage in Kraft treten. Danach wird es in § 611a Abs.1 BGB n.F. erstmals eine gesetzliche Definition des Arbeitnehmerbegriffs geben. Arbeitnehmer ist hiernach künftig, wer „auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener. Fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist“. Für die Unterscheidung zwischen einer selbstständigen Tätigkeit und einer abhängigen Beschäftigung sind damit die inhaltliche Ausgestaltung de Vertrages und die tatsächliche Durchführung  und Handhabung ausschlaggebend. Zeigt letztere dass es sich um eine unselbstständige Tätigkeit handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag jedoch nicht mehr an.  
Wichtig! Im Vordergrund dieser Betrachtung steht als Merkmal für eine selbstständige Tätigkeit der Grad der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit und inwiefern ein unternehmerisches Risiko getragen, unternehmerische Chancen wahrgenommen und hierfür beispielsweise Eigenwerbung betrieben wird.

5.    Anhaltspunkte für eine Scheinselbstständigkeit

Diese Rechtsfigur der sog. "Scheinselbstständigkeit" wurde von den Arbeits- und Sozialgerichten durch eine umfangreiche Rechtsprechung entwickelt. Maßgebliches Kriterium ist insoweit vor allem die persönliche Abhängigkeit des Auftragnehmers, d.h. seine Weisungsgebundenheit in zeitlicher, örtlicher und sachlicher Hinsicht sowie die organisatorische Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers. Zu entscheiden ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls. Es gilt uneingeschränkt der Amtsermittlungsgrundsatz. Die Sozialversicherungsträger müssen also von sich aus auf der Basis von § 7 Abs. 1 SGB IV alle für und gegen die abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände ermitteln. Die gesetzliche Vermutungsregelung, bei der unter bestimmten Voraussetzungen auf das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung geschlossen werden konnte, ist durch das zweite „Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt” vom 23. Dezember 2002 entfallen. Eine sanktionierte Mitwirkungspflicht der Beteiligten besteht daher nicht mehr.

Die von Amts wegen durch die Sozialversicherungsträger zu ermittelnden Abgrenzungskriterien der Rechtsprechung, die Indizien für das Vorliegen der Arbeitnehmereigenschaft sind, stellen sich wie folgt dar:
  • Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit
  • Feste Arbeitszeiten
  • Ausübung der Tätigkeit gleichbleibend an einem bestimmten Ort
  • Feste Bezüge
  • Urlaubsanspruch
  • Anspruch auf sonstige Sozialleistungen
  • Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall
  • Überstundenvergütung
  • Unselbständigkeit in Organisation und Durchführung der Tätigkeit
  • Kein Unternehmerrisiko
  • Keine Unternehmerinitiative
  • Kein Kapitaleinsatz
  • Keine Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln
  • Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern - Vergleich zu anderen Mitarbeitern
  • Schulden der Arbeitskraft und nicht eines Arbeitserfolges
  • Keine Entscheidungsfreiheit, wann und wie viel Betriebsmittel/Produktionsmittel/Transportmittel angeschafft werden und wie die Anschaffung finanziert wird
  • Leistungserbringung nur in eigener Person, nicht durch Möglichkeit der Einschaltung Dritter
  • Verpflichtung, angebotene Aufträge anzunehmen
  • Kein eigenes Betriebskapital ist eingesetzt
  • Keine Entscheidungsfreiheit über die Zahlweise von Kunden
  • Kein Entscheidungsspielraum bezüglich Preiskalkulation
  • Dokumentationspflicht über Arbeit (detaillierte Berichtspflicht)
  •  Keine Möglichkeit, die Arbeit zu delegieren; etwa Verpflichtung, Arbeit selbst zu erbringen
  • Kein Recht, Aufträge abzulehnen
  • Bindung nur an einen Vertragspartner (Ausschließlichkeitsklausel)
  • Keine eigene Kundenakquisition
  • Leistungen werden ausschließlich im Namen und auf Rechnung des Auftraggebers/Arbeitgebers erbracht
  • Unterwerfung unter ein umfangreiches Vertragswerk des Auftraggebers/Arbeitgebers ohne eigenen Gestaltungsspielraum
  • Tätigkeit ist nach der Verkehrsanschauung nicht dem klassischen Bereich der Selbständigkeit zuzuordnen, sondern dem der abhängigen Beschäftigungsverhältnisse
  • Festes Gehalt, keine Umsatzbeteiligung
  • Existenz von Auftragsvertrags- und Überwachungssystemen, die eine laufende Kontrolle (etwa über ein Betriebs-Funksystem) ermöglichen
  • Keine Verwendung eigener Firmenbriefbögen
  • Finanzamt bewertet Einkünfte als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit
  • Keine Gewerbeanmeldung, keine Veranlagung zur Gewerbesteuer
Beispiele:
  • Bindung an nur einen Auftraggeber:  Der Umstand, dass ein Unternehmer auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist, führt nicht automatisch zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung, sondern stellt lediglich ein Indiz für das Vorliegen einer Scheinselbstständigkeit dar. Maßgeblich ist die Gesamtsituation. Selbstständige mit nur einem Auftraggeber können aber rentenversicherungspflichtig sein.
  • Bedeutung der Rechtsform:  Ist der Auftragnehmer eine Gesellschaft (z.B. GmbH, KG oder OHG), schließt dies ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis grundsätzlich aus. Der Ausschluss eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses wirkt jedoch nur auf die Beurteilung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Auftragnehmer und dem Auftraggeber, nicht jedoch auf die Frage, ob die in der Gesellschaft Tätigen Arbeitnehmer dieser Gesellschaft sein können. Dasselbe gilt, sofern er sich bei dem Auftragnehmer um eine Einmann-GmbH handelt. Handelt es sich bei der auftragnehmenden Gesellschaft um eine GbR, ist das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im Einzelfall zu prüfen.
  • Untypische Merkmale unternehmerischen Handelns: Unternehmerisch tritt derjenige auf, der eigene Chancen wahrnehmen kann, Risiken trägt und unternehmerische Entscheidungsfreiheit genießt. Regelmäßig nicht selbstständig tätig, sondern abhängig beschäftigt ist daher, wer über Einkaufs- und Verkaufspreise, Warenbezug, Einsatz von Kapital und Maschinen weitgehend nicht eigenständig entscheiden kann. Weitere Kriterien können sein: das Unternehmen besitzt kein Firmenschild oder keine eigenen Geschäftsräume, es hat kein eigenes Briefpapier oder keine eigenen Visitenkarten.
  • Arbeitnehmertypische Tätigkeit: Mit diesem Kriterium wird von der Annahme ausgegangen, dass es Tätigkeiten gibt, die man nur als Arbeitnehmer ausüben kann. Tätigkeiten wie „selbstständige Kraftfahrer“ (ohne eigenes Fahrzeug), „freiberufliche Sekretärin“ und einfache Arbeiten, wie Regalauffüller eignen sich nicht für ein freies Mitarbeiterverhältnis.

6.    Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung

Ähnliche Fragen stellen sich, wo ein Auftraggeber und ein Auftragnehmer formell einen Dienst- oder Werkvertrag schließen, der durch Arbeitnehmer des Auftragnehmers erfüllt werden soll, tatsächlich aber eine erlaubnispflichtige Überlassung der Arbeitnehmer des Auftragnehmers an den Auftraggeber erfolgt.  Das neue Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) soll den Missbrauch von  Werkverträgen zur Umgehung der strengen Arbeitnehmerüberlassungsvorschrift bekämpfen, indem die Umgehungsmöglichkeiten für Auftraggeber und –nehmer beschränkt und die Abwehrrechte der Arbeitnehmer gestärkt werden. Nach bisheriger Rechtslage konnte der Auftragnehmer durch eine auf Vorrat gehaltene Verleihererlaubnis die negative Rechtsfolge der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses vermeiden. Mit der Neufassung des AÜG entfällt diese Möglichkeit seit dem 1.April 2017. Künftig muss jede Überlassung von Arbeitnehmern im Vertrag zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer als solche bezeichnet werden. Daneben muss der jeweilige Leiharbeitnehmer als solcher benannt werden. Schließlich muss der Auftragnehmer den Arbeitnehmer über die Tatsache, dass er als Leiharbeitnehmer tätig wird, informieren. Ein Verstoß gegen diese Pflicht führt dazu, dass zwischen Auftraggeber und Leiharbeitnehmer ein Arbeitsvertrag fingiert wird. Dies kann nur durch eine an strenge Voraussetzungen geknüpfte Festhaltenserklärung des Arbeitnehmers abgewendet werden, die nur wirksam ist, wenn sie:
  1. der Arbeitgeber vor ihrer Abgabe der Agentur für Arbeit vorlegt,
  2. die Agentur für Arbeit die abzugeben Erklärung mit dem Datum des Tages der Vorlage und dem Hinweis versieht, dass die Identität des Leiharbeitnehmers festgestellt hat, und
  3. die Erklärung spätestens am dritten Tag nach der Vorlage in der Agentur für Arbeit dem Arbeitgeber oder –nehmer zugeht. 
Für die Abgrenzung ist auch hier maßgeblich, ob der Leiharbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert ist und seinen Weisungen unterliegt. Dabei kommt es nicht auf die Bezeichnung im Vertrag, sondern auf dessen tatsächliche Durchführung an. Es Bedarf auch hier einer Gesamtbetrachtung aller tatsächlichen Umstände.

7.    Rechtsfolgen

Arbeitsrechtliche Folgen
Der Scheinselbstständige kann seinen Arbeitnehmerstatus ggf. einklagen. Stellt das Gericht den Arbeitnehmerstatus fest, so wird der vermeintlich Selbstständige nun auch rückwirkend als Arbeitnehmer mit Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch und Lohnfortzahlungsanspruch nach dem EntgFG behandelt.
Steuerrechtliche Folgen
Wird der Auftragnehmer für einen Scheinselbstständigen erklärt, so hat dies auch steuerrechtliche Folgen. Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer Schuldner der Lohnsteuer. Allerdings haftet der Arbeitgeber dafür, dass die Lohnsteuer einbehalten und abgeführt wird. Dies trifft auch dann zu, wenn der vermeintliche Auftraggeber, also der eigentliche Arbeitgeber davon ausgeht mit einem Selbstständigen zusammenzuarbeiten. Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer haften für die Nachzahlung als Gesamtschuldner. Sie können also beide zur Zahlung der Außenstände in voller Höhe aufgefordert werden. Die alleinige Inanspruchnahme des Arbeitgebers ist allerdings ermessensfehlerfrei, wenn dieser den Steuerabzug bewusst oder leichtfertig versäumt hat (BFH, Urteil vom 12.02.2009 – VI R 40/07). Dabei können auch wirtschaftliche Gründe eine Rolle spielen, wenn der Arbeitnehmer nicht über die entsprechenden finanziellen Mittel verfügt. Um das Haftungsrisiko des Auftraggebers von vorneherein zu mindern, besteht die Möglichkeit, die Arbeitnehmereigenschaft bestimmter Personen und damit auch deren Lohnsteuerpflichtigkeit beim zuständigen Finanzamt verbindlich zu klären (Auskunftsanspruch). Selbst wenn die Auskunft objektiv unrichtig war, wird der Arbeitgeber von seiner Haftung freigestellt, wenn er sich an die Auskunft gehalten hat. Eine ablehnende Anrufungsauskunft entfaltet auch Indizwirkung für eine sozialversicherungsrechtliche Selbstständigkeit im Rahmen der Gesamtabwägung.
Scheinselbstständige müssen beachten, dass sie als Arbeitnehmer den lohn-/einkommensteuerrechtlichen Regelungen unterliegen und durch diese Tätigkeit fortan keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb mehr erzielen. Ob jemand eine Tätigkeit selbstständig ausübt, ist für das Steuerrecht gesondert und vom Sozialrecht unabhängig zu bestimmen. Natürliche Personen sind nicht selbstständig, soweit diese derart in ein Unternehmen eingegliedert sind, dass sie weisungsungebunden sind. Bei juristischen Personen fehlt es an der Selbstständigkeit, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich oder organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert und somit Organgesellschaften sind. Jedoch schuldet derjenige, der in einer Rechnung einen Steuerbetrag ausweist, obwohl er dazu nicht berechtigt ist, den ausgewiesenen Betrag. Es besteht jedoch die Möglichkeit, die Rechnung für ungültig zu erklären und sie zu berichtigen, wenn die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden. Da der Arbeitgeber im Regelfall einen Vorsteuerabzug durchgeführt hat, liegt grundsätzlich eine Gefährdung des Steueraufkommens vor. Diese kann dadurch beseitigt werden, dass der Arbeitgeber im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung zur Rückzahlung der Vorsteuer aufgefordert wird oder er freiwillig eine Berichtigung des unzutreffenden Ausweises der Vorsteuer in den Rechnungen vornimmt. Sofern die Steuerfestsetzung nicht in einer bestimmten Festsetzungsfrist erfolgt, liegt Festsetzungsverjährung vor. Diese Frist beträgt grundsätzlich vier Jahre seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Im Fall von Steuerhinterziehung oder leichtfertiger Steuerverkürzung beträgt die Festsetzungsfrist zehn bzw. fünf Jahre. Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis unterliegen einer besonderen Zahlungsverjährung und verjähren in fünf Jahren.
Gewerberechtliche Folgen
Spätestens mit Feststellung der Scheinselbstständigkeit endet auch die unternehmerische Tätigkeit für das betreibende Gewerbe. Dies heißt, das Gewerbe muss abgemeldet werden. Auch die gesetzliche Mitgliedschaft in der Handelskammer und die gesetzlichen Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der Berufsgenossenschaft enden zu diesem Zeitpunkt.
Strafrechtliche Folgen
Gemäß § 266a StGB kann sich der Arbeitgeber in diesem Zusammenhang auch strafbar machen, wenn das Arbeitsentgelt vorenthalten oder veruntreut wird. Dies können Beiträge zur Kranken-, Renten- und Sozialversicherung sein. Arbeitgeber in diesem Zusammenhang wird mit Rückgriff auf die aus dem Sozialrecht akzessorische Bestimmung des Arbeitnehmerbegriffs definiert als derjenige, der als Dienstberechtigter aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages von einem anderen (Arbeitnehmer) die Erbringung von Arbeitsleistung in persönlicher Abhängigkeit zu fordern berechtigt und ihm dafür zur Lohnzahlung verpflichtet ist. Zudem kommt daneben auch eine leichtfertige Steuerverkürzung in Betracht, wenn die Steuern nicht in voller Höhe oder gar nicht bezahlt wurde. Sollte die Scheinselbstständigkeit vorsätzlich konstruiert worden sein, liegt sogar eine Steuerhinterziehung gem. § 370 StGB vor. In beiden Fällen besteht allerdings die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige, vgl. § 371 Abs. 1 und 378 Abs. 3 AO. Die Abgabe einer Selbstanzeige scheitert bei Scheinselbstständigkeit allerdings häufig daran, dass mit einer richterlichen Anordnung zur Durchsuchung der Räumlichkeiten des angeschuldigten Arbeitgebers die Einleitung eines Strafverfahrens ihm gegenüber bekannt gegeben ist und damit eine Sperrwirkung eintritt, die einer Straffreiheit entgegensteht.

8.    Eintritt der Versicherungspflicht

In der Praxis sollte der Auftraggeber vertraglich regeln, dass die Auftragnehmer ihre Zustimmung zu dem oben genannten Verfahren (§ 7 a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 SGB IV) im Voraus erteilen und bei Vertragsschluss eine private Absicherung (§ 7a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 SGB IV) nachweisen.
Wird eine Scheinselbstständigkeit außerhalb des Anfrageverfahrens festgestellt, z. B. im Rahmen einer Betriebsprüfung, tritt die Versicherungspflicht erst mit dem Tage der Bekanntgabe der Entscheidung ein, wenn der Scheinselbstständige
  • damit einverstanden ist und
  • er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung entspricht und
  • er oder sein Auftraggeber weder vorsätzlich (wider besseren Wissens) noch grob fahrlässig von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen sind.
  • Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, gelten grundsätzlich die allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Haftungsregelungen. Danach haftet der Auftraggeber eines nicht angemeldeten Scheinselbstständigen bis zu vier Jahre rückwirkend ab Aufnahme der Tätigkeit für die gesamten Sozialversicherungsbeiträge inklusive Arbeitnehmeranteil, bei Vorsatz sogar dreißig Jahre.
Beratungsangebote der Arbeitgeberverbände
In arbeitsrechtlichen Fragen gibt es eine gesetzlich vorgegebene Arbeitsteilung zwischen unserer Handelskammer und den Arbeitgeberverbänden. Wir können Ihnen allgemeine Fragestellungen summarisch beantworten. Sobald Sie jedoch verbindliche Auskünfte oder prozessuale Unterstützung benötigen, sollten Sie die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband in Erwägung ziehen. Unabhängig von konkreten Fragestellungen kann Ihnen die Einbindung in einen Arbeitgeberverband hilfreiche Informationsvorteile bieten.
Darüber hinaus können Sie sich auch an eine Rechtsanwältin/einen Rechtsanwalt wenden. Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer hat einen kostenlosen Anwalt-Suchdienst eingerichtet und benennt Ihnen bis zu drei Anwälte mit dem gewünschten Interessenschwerpunkt (Tel.: 3574410, Montag bis Freitag von 9:30 Uhr bis 14 Uhr).
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