Marktgerechte Unternehmensbewertung

Viele Nachfolgen scheitern, weil Verkäufer und Käufer unterschiedliche Vorstellungen über den Kaufpreis haben. Laut Deutschem Industrie- und Handelstag DIHK sind bei einem Drittel aller Fälle die Preisvorstellungen der Verkäufer zu hoch.

Methoden der Unternehmensbewertung

Einen objektiven Unternehmenswert gibt es in der Praxis nicht. Während Unternehmer, die ihr Unternehmen verkaufen wollen, neben den Sachwerten auch die Arbeit sehen, die sie in der Vergangenheit in das Unternehmen investiert haben, denkt der Erwerber daran, was er mit dem Unternehmen in Zukunft erwirtschaften und wie er den Kaufpreis finanzieren kann. Beide kommen daher nicht selten zu unterschiedlichen Wert- und Preisvorstellungen, wenn es um den Kaufpreis geht. Eine rechtlich verbindliche Vorgehensweise für die Unternehmensbewertung existiert nicht.
Wissenschaft und Praxis haben daher unterschiedliche Methoden entwickelt, um den Unternehmenswert zu ermitteln. Jedes Verfahren kann nur Anhaltspunkte für die Ermittlung des Wertes und damit des Preises geben. Nachfolgend haben wir für Sie die gängigsten Bewertungsverfahren dargestellt.

A) Ertragswertverfahren

Das Ertragswertverfahren ist die meist verbreitete Methode zur Ermittlung des Unternehmenswertes. Bei dem reinen Ertragswertverfahren entspricht der Wert des Unternehmens dem Barwert aller zukünftigen Einnahme-Überschüsse. Der Ertragswert wird somit bestimmt durch den erwarteten Unternehmenserfolg in den folgenden Jahren und durch einen Kapitalisierungszinsfuß, mit dem die zukünftigen Überschüsse auf den Zeitpunkt des Verkaufs abgezinst werden. Die Prognose der zukünftige Erträge baut in der Regel auf den Werten der Vergangenheit auf. Die Erträge aus der Vergangenheit sind jedoch nur ein Indikator unter vielen für die zukünftige Entwicklung des zu bewertenden Unternehmens. Für den Erwerber des Unternehmens ist entscheidend, wie viel Gewinn er in Zukunft mit dem Unternehmen erwirtschaften kann.
Schritte zur Ermittlung des Ertragswertes:
  • Aufstellen einer Prognose für den relevanten Markt auf der Basis der Entwicklung in der Vergangenheit und einer Chancen-/Risiken-Analyse
  • Entwurf einer langfristigen Umsatz-, Kosten-, Ergebnis-, Investitionsplanung (fünf Jahre, davon drei detailliert)
  • Ermittlung des nachhaltig erzielbaren Ertrags/Cashflows: 
=BE1
Betriebsergebnis vor Zinsen und Ertragsteuern
./.
Ertragssteuern
=BE2
Betriebsergebnis vor Zinsen und nach Ertragssteuern
+
Abschreibungen
-
Investitionen
+/-
Veränderungen des Nettoumlaufvermögens
=CF
Cashflow
  • Bestimmung des Kapitalisierungszinsfußes
    Der Kapitalisierungszinsfuß hat maßgeblichen Einfluss auf den Ertragswert. Zur Ermittlung des richtigen Kapitalisierungszinsfußes gibt es umfangreiche Literatur. Er wird gebildet durch einen Basiszinssatz zuzüglich eines Risikoaufschlages. Der Kapitalisierungszinsfuß hängt kaum vom Kapitalmarktzins ab. Anderenfalls müssten in Phasen mit niedrigen Zinsen die Preise für Unternehmen erheblich steigen. Tatsächlich schwankt der bei kleinen und mittleren Unternehmen angesetzte Kapitalisierungszinsfuß in der Praxis zwischen sieben und zehn Prozent.
Beispielrechnung:
Der nachhaltige Ertrag/Cashflow des zu veräußernden Unternehmens beträgt 100.000 Euro. Der Veräußerer unterstellt eine Kapitalverzinsung von sechs Prozent. Er muss also ermitteln, wie viel Kapital ein Käufer anlegen müsste, um bei einer sechsprozentigen Verzinsung 100.000 Euro Zinsen zu erhalten.
Die Rechnung hierzu wird aus der Zinsformel Z = K x i / 100 abgeleitet und lautet:
K = Z / i x 100 (K= Kapital, i = Zinssatz, Z = Zinsbetrag))
Mit den oben genannten Werten: 100.000 Euro / 6 x 100 = 1.666.666 Euro
Strebt also ein Käufer eine Kapitalverzinsung von mindestens sechs Prozent an, liegt der für ihn maximal akzeptable Kaufpreis für das Unternehmen mit einem Cashflow von 100.000 Euro bei 1.666.666 Euro. Bei einer unterstellten Verzinsung von zehn Prozent sinkt der Unternehmenswert auf 1.000.000 Euro.
Hier wird noch ein gewichtiges Argument für eine frühzeitige Planung der Nachfolge deutlich: Bei dem beschriebenen Verfahren bestimmt die Ertragserwartung für ein Unternehmen dessen Wert. Die Ertragserwartung für ein Unternehmen ist umso besser, je eher die Regelung der Nachfolge angegangen wird. Denn nur eine frühzeitige und umfassend geplante Nachfolge lässt Unsicherheiten bei Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und bei der Bank gar nicht erst entstehen, so dass die vorhandene Ertragskraft und damit der Unternehmenswert nicht gefährdet wird.

B) Substanzwertverfahren

Beim Substanzwertverfahren werden die Kosten addiert, die bei der Reproduktion des vorhandenen Unternehmens anfallen würden. Der Substanzwert bezeichnet den gegenwärtigen Verkehrswert aller materiellen, immateriellen, betriebsnotwendigen und nicht betriebsnotwendigen Vermögensgegenstände, abzüglich der Schulden und Verbindlichkeiten des Unternehmens. Die Substanz kann unter der Annahme der Fortführung (Substanzwert) oder der Liquidation (Liquidationswert) eines Unternehmens ermittelt werden.
Der Substanzwert wird bestimmt durch Anschaffungswert, Zustand, durchschnittliche technische Nutzungs- und Lebensdauer der zu veräußernden Wirtschaftsgüter, aber natürlich auch durch die Nachfrage nach diesen Gütern. Die Schwierigkeit, die immateriellen Werte zu berechnen, führt in der Praxis meist dazu, dass nur die materiellen Werte erfasst werden. Immobilien können vereidigte Gutachter schätzen. Bei der Schätzung des Substanzwertes der beweglichen Wirtschaftsgüter helfen ebenfalls vereidigte Sachverständige, Berater oder Verbände.
Beim Liquidationswert wird geschätzt, welche Verkaufserlöse die Wirtschaftsgüter erzielen können, wenn sie einzeln verkauft werden. Es ist offensichtlich, dass hierbei viele wertsteigernde Faktoren außer Acht gelassen werden. Angewendet wird das Verfahren nur bei chronisch unrentablen Betrieben. Der Liquidationswert stellt daher die absolute Wertuntergrenze des Unternehmens dar.

C) Marktwert

Dritter Ansatz zur Wertermittlung ist der Marktwert, der sich letztlich aus dem Spiel von Angebot und Nachfrage als Gleichgewichtspreis ergibt. Bei börsennotierten Unternehmen ist dies der Börsenwert. Bei anderen Unternehmen können börsennotierte Unternehmen oder in jüngster Vergangenheit übertragene Unternehmen der gleichen Branche und Größe Anhaltspunkte für die Wertermittlung geben.
Die Unternehmensbewertung hängt von vielen Faktoren ab und auch die Wahl des Verfahrens ist nicht immer eindeutig. Hilfestellung bei der Ermittlung des Unternehmenswertes bieten Ihnen die Kammern, Ihre Bank, Steuer- und Unternehmensberater und Wirtschaftsprüfer. Wichtig bei der Auswahl externer Berater für die Unternehmensbewertung ist sowohl die Erfahrung in Bewertungen als auch die Kenntnis über die Marktsituation von Unternehmen aus der Branche.

KMU-Rechner – kostenfreies Online-Tool

Am EMF-Institut der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin ist mit dem KMU-Rechner ein an der Praxis orientiertes wissenschaftliches Tool entwickelt worden. Der KMU-Rechner unterstützt bei der Berechnung eines individuellen Unternehmenswertes. Er ist frei zugänglich und vollständig kostenfrei. Es werden keine persönlichen Daten abgefragt, alle Eingaben sind anonym. Schon mit wenigen Angaben bekommt der User ein Ergebnis. Je detaillierter die Eingaben, desto genauer wird der Wert berechnet. Der KMU-Rechner verdeutlicht auch den Unterschied zwischen Wert und Preis und berechnet die Finanzierbarkeit eines Kaufpreises.

Webinaraufzeichnung Unternehmensbewertung

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