Kleinunternehmer bei Familienunternehmen

In einer aktuellen Entscheidung war das Finanzgericht Münster (Az. 5 K 2194/22 U) zugunsten einer Kleinunternehmerin der Auffassung, dass die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) separat möglich und nicht missbräuchlich sei, auch wenn die klagende Kleinunternehmerin und ihr Ehemann ähnliche Tätigkeiten ausübten und sich Infrastruktur teilten.

Eheleute mit zwei Einzelunternehmen

Die Klägerin hatte 2016 ein Einzelunternehmen für Grabpflege und -gestaltung gegründet. Einige Monate später meldete auch ihr Ehemann ein Gewerbe im Bereich der Grabpflege an. Beide arbeiteten zuvor in geringfügigen Beschäftigungen für dieselbe Kirchengemeinde. In den streitigen Geschäftsjahren blieben die von beiden jeweils erzielten Umsätze unter der Kleinunternehmergrenze und konnten so separat die umsatzsteuerliche Vereinfachung nutzen.
Im Rahmen einer späteren Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass es sich faktisch um ein einheitliches Unternehmen handele, das durch künstliche Aufspaltung von der Umsatzsteuerbefreiung profitiere. Argumentiert wurde u. a. mit der gemeinsamen Nutzung des Arbeitszimmers, des betrieblichen Anhängers des Ehemanns und gemeinsamer Kundendaten sowie inhaltlich stark überlappenden Leistungen. Das Finanzamt rechnete die erzielten Umsätze zusammen, sodass die Umsatzgrenze der Kleinunternehmerregelung überschritten wurde und versagte im Ergebnis dieser Prüfung daher rückwirkend die Kleinunternehmerregelung.

Kein einheitliches Unternehmen trotz Überschneidungen

Das Gericht gab der Klägerin recht. Es sah in der Klägerin eine eigenständige Unternehmerin – ebenso wie in ihrem Ehemann. Die getrennten Gewerbeanmeldungen, eigenen Kundenrechnungen und voneinander abweichenden Tätigkeitsschwerpunkte (Grabpflege vs. -gestaltung) seien Ausdruck jeweils selbstständiger wirtschaftlicher Betätigung.
Entscheidend: Auch wenn einzelne organisatorische Elemente (z. B. Arbeitsmittel, Werbematerial) gemeinsam genutzt wurden, reiche dies nicht aus, um einen Missbrauchstatbestand zu begründen. Der Zweck der Aufteilung – etwa zur besseren Vereinbarkeit mit familiären Pflichten – sei nachvollziehbar und nicht steuerlich motiviert.
Das Urteil stärkt die Rechtsposition von Familienbetrieben mit getrennten Einzelunternehmen. Die bloße Paralleltätigkeit von Ehegatten im selben Sektor führt nicht automatisch zu einem einheitlichen Unternehmen im umsatzsteuerlichen Sinne. Auch eine gemeinsame Nutzung von Ressourcen oder ein gemeinsamer Kundenstamm sind allein noch kein ausschlaggebendes Indiz für eine Gestaltung, die eine gemeinsame umsatzsteuerliche Bewertung rechtfertigt. Entscheidend bleibt die tatsächliche wirtschaftliche und rechtliche Selbstständigkeit der Beteiligten. Für Unternehmer bedeutet das: Solange eine arbeitsteilige Tätigkeit nachvollziehbar dokumentiert und wirtschaftlich eigenverantwortlich geführt wird, bleibt die jeweils eigenständige Anwendung der Kleinunternehmerregelung generell möglich.
IHK-Tipp:
In diesem Jahr sind einige Änderungen für umsatzsteuerliche Kleinunternehmer in Kraft getreten, seien es die Anhebung der Umsatzgrenzen oder Ausnahmen für die E-Rechnungspflicht. Einen Überblick dieser Änderungen erhalten Sie in unserem Beitrag Sonderregelungen für Kleinunternehmen.


Stand: 21. Mai 2025