Die südhessische Konjunktur im Jahresverlauf

Der Anfang des Jahres 2022 fing mit einer verhaltenen, aber insgesamt eher positiven Wachstumserwartung an. Und es endete mit der deutlichen Sorge vor einer herannahenden Rezession. Das zeigen die drei Konjunkturberichte für Südhessen der IHK Darmstadt Rhein Main Neckar.
Die Folgen der Corona-Pandemie machten Einzelhandel und Dienstleistungen Anfang 2022 immer noch zu schaffen. Ebenso waren noch Einschnitte durch gestörte Lieferketten zu spüren. Und die stark gestiegenen Industriepreise bereiteten den Unternehmen zunehmend Sorge, obwohl zum Umfragezeitraum im Januar 2022 noch kaum jemand einen andauernden Krieg in der Ukraine vorhersehen wollte. Der Geschäftsklimaindex lag Mitte Februar im ersten Konjunkturbericht des abgelaufenen Jahres bei +17 Punkten, also im Wachstumsbereich.
Vier Monate später ist die Stimmungslage der südhessischen Wirtschaft mit einem Indexwert von 98 Punkten zwei Punkte unter der Wachstumsgrenze. Beim Blick nach vorne gehen die Erwartungen der Wirtschaft deutlich nach unten. 33 Prozent sehen die Zukunft skeptisch und nur 16 Prozent positiv. „Noch geht es der Wirtschaft unserer Region gut, aber die Unternehmen haben zunehmend Gegenwind“, fasst IHK-Präsident Matthias Martiné den Konjunkturbericht Ende Mai zusammen. „Lieferkettenprobleme, Ukrainekrieg, Preisexplosion bei Energie und das Wiederaufflammen von Corona in China machen es den Unternehmen schwer. Der Stresslevel ist enorm“.
Von der Investitionsfreude, die zu Jahresbeginn noch zu sehen war, ist nicht mehr viel übrig. Vor allem die Industrie wollte zu Jahresbeginn noch durchstarten. „Coronakrise, Energiepreisschock, Lieferkettenprobleme, Ukrainekrieg, jetzt wieder Corona in China. Bei dieser Gemengelage wundert es nicht, dass viele Unternehmerinnen und Unternehmer bei Investitionen erstmal zurückhaltend sind“, sagte Martiné.
Das schlägt sich auch in der Beurteilung der Exportaussichten nieder. Der Saldo der Exporterwartungen beträgt minus 34 Prozentpunkte. Das ist der schlechteste Wert seit Ausbruch der Coronapandemie 2020.
Wie schon zu Jahresbeginn nennen die Unternehmen die Energie- und Rohstoffpreise als größtes Risiko für die weitere Entwicklung. Ende Mai teilen drei von vier Unternehmen diese Auffassung, zu Jahresbeginn waren es zwei von drei. Die üblen Erwartungen setzen sich fort. Im dritten Konjunkturbericht des Jahres im Herbst 2022 ist ein Tiefpunkt erreicht. Erstmals stehen die Zeichen auf eine Rezession. Die Unsicherheit, ob weiter genug Gas und andere Rohstoffe verfügbar sein werden und die bis dahin zögerliche Haltung der Bundesregierung zu einer Gas- und Strompreisbremse sorgen für eine maximale Verunsicherung in der südhessischen Wirtschaft. Die schlechtere Lage zeigt sich auch im IHK-Geschäftsklimaindex, in dem Lage und Erwartung der Unternehmen abgebildet werden. Er beträgt im Oktober 76 Punkte und liegt damit weit unter der Wachstumsschwelle von 100. Gegenüber Frühsommer 2022 verliert der IHK-Geschäftsklimaindex 22 Punkte, im Vergleich zum Jahresbeginn sogar 33. „Das zeigt nachdrücklich, wie sehr die Unternehmen durch die Gas- und Energiekrise, aber auch Materialknappheit und Lieferprobleme sowie steigende Zinsen belastet sind“, betont IHK-Präsident Matthias Martiné. Er warnt: „Wir stehen am Beginn einer handfesten Rezession. Explodierende Energiekosten, eine nachlassende Investitionsneigung der Unternehmen und schwindendes Verbrauchervertrauen sind eine toxische Mischung.“ Zum Glück hellte sich die Stimmung nach dem Jahreswechsel wieder auf, sodass zumindest von der Rezession keine Rede mehr war.
Weiterführende Informationen: Konjunkturberichte seit 2012