Kampf um die besten Köpfe

Bezahlbarer Wohnraum als Wettbewerbsvorteil

Die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt erschwert die Suche nach Fachkräften. Wenn kein bezahlbarer Wohnraum für die Beschäftigten zur Verfügung steht, drohen Arbeitsverträge zu platzen. Doch wenn ein Unternehmen beim Thema Wohnen Unterstützung bietet, hat es Vorteile im Wettbewerb um begehrte Arbeitskräfte. Zudem gibt es attraktive Fördermöglichkeiten.
Text: Stephan Köhnlein
Werkswohnungen waren in Deutschland schon einmal ein Erfolgsmodell. Im 19. und 20. Jahrhundert schufen Unternehmen im Zuge der Industrialisierung selbst neuen Wohnraum und siedelten ihre Mitarbeiter*innen in der Nähe ihrer Produktionsstätten an. Ab den 1970er-Jahren trennten sich viele Unternehmen jedoch von ihren Wohnungen, um sich auf ihr Kerngeschäft zu fokussieren und weil die Situation auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt relativ entspannt war. „Heute erlebt das Thema Mitarbeiterwohnen eine Renaissance“, sagt Simon Wieland, Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Forschungs- und Beratungsinstitut Regio Kontext aus Berlin.
Laut einer Studie des Beratungsunternehmens PwC wird der angespannte Wohnungsmarkt zunehmend zur Herausforderung für die Unternehmen: 82 Prozent der Befragten sind darin der Meinung, dass es wegen fehlender Wohnungen problematisch ist, Fachkräfte zu finden und zu halten. Das gilt besonders für Branchen, die traditionell eher niedrige Löhne zahlen, wie Gesundheitswesen, Gastronomie, Erziehung oder Handwerk, sowie für Menschen in der Ausbildung oder beim Berufseinstieg.

Wohnungen erleichtern das Recruiting

„Die Vorteile und Chancen des Mitarbeiterwohnens liegen auf der Hand“, sagt Wieland. „Unternehmen haben damit einen ziemlich einzigartigen Wettbewerbsvorteil im Kampf um die besten Köpfe. Sie erleichtern ihrer Personalabteilung das Recruiting und den neuen Mitarbeitenden den Einstieg.“ Allerdings hätten die Modelle heute nicht mehr viel mit den klassischen Werkssiedlungen von früher zu tun. Häufig gehe es auch um sogenannte Onboarding-Lösungen, also um temporären Wohnraum für die Dauer der Ausbildung oder den Einstieg in einen neuen Job.
Tatsächlich besteht hier aber auch noch Luft nach oben. Rund 80 Prozent der Unternehmen unterstützen ihre Mitarbeiter*innen beim Wohnen nicht, wie Annett Jura vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) sagt. Die Leiterin der Abteilung Wohnungswesen und Immobilienwirtschaft würde sich wünschen, dass „sich weitere Unternehmen auf den Weg machen, um an die Tradition des Werkswohnungsbaus in Deutschland anzuknüpfen“.
Die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen für ein Engagement im Wohnungsbau seien so gut wie lange nicht, sagt Jura. Die degressive Abschreibung für Abnutzung (AfA) liege aktuell bei fünf Prozent. Diese könne auch genutzt werden, wenn ein Unternehmen nicht selbst baue, sondern ein neu errichtetes Gebäude erwerbe. Zudem gebe es gerade eine lineare Sonderabschreibungsmöglichkeit im Mietwohnungsbau, die mit fünf Prozent über vier Jahre möglich sei. Hinzu kämen Kombinationsmöglichkeiten von linearer und degressiver AfA.

Die Fördertöpfe sind gefüllt

Das Bundesbauministerium stelle den Ländern pro Jahr 3,5 Milliarden Euro für sozialen Wohnungsbau zur Verfügung. Diese Mittel könnten auch von Unternehmerinnen und Unternehmern für den Mitarbeiterwohnungsbau in Anspruch genommen werden. Zudem würden die Länder in der Regel jeden Euro des Bundes nochmals mit einem eigenen Euro gegenfinanzieren. „Da ist also richtig viel Geld im Topf.“
Unternehmen könnten sich vielfach auf dem Wohnungsmarkt engagieren, etwa durch Vermietung von eigenem Bestand oder die Vermietung durch Partner, wenn Belegrechte erworben werden. Wer sich das finanziell nicht leisten kann oder möchte, der kann auf anderem Wege seiner Belegschaft signalisieren, dass ihm Mitarbeiterwohnen wichtig ist: etwa durch Tauschbörsen, die Beauftragung von Maklern oder finanzielle Zuschüsse.
Bezahlbaren Wohnraum für Leute zwischen 16 und 26 Jahren schaffen will das „Kolping Azubi- und Jugendwohnen“. Das Konzept des 2016 in Köln gestarteten Projekts umfasst mittlerweile 16 Häuser deutschlandweit, wie Bert Haushalter vom Dachverein Kolping Jugendwohnen sagt. Es ist zugleich Teil der Initiative „Auswärts Zuhause – Azubi- und Jugendwohnen“, die 365 Einrichtungen listet und deren Angebot deutschlandweit jährlich von mehr als 200.000 jungen Menschen genutzt wird.

Angebote für junge Menschen sind gefragt

Rund die Hälfte der jungen Menschen in den Häusern sind Azubis, die Berufsausbildungsbeihilfe mit pädagogischer Begleitung über die Bundesagentur für Arbeit erhalten. Hinzu kämen Blockschüler*innen, Belegungen durch das Jugendamt sowie als kleinster Anteil Selbstzahler*innen wie Praktikant*innen, Meisterschüler*innen oder Studierende in einem Praxissemester.
Keine Kosten kommen bei der Finanzierung durch das Jugendamt auf die Bewohner*innen zu. Wer Berufsausbildungsbeihilfe erhält, hat einen maximalen Eigenanteil von 350 Euro pro Monat. Blockschüler haben in der Regel keine Kosten, weil Betriebe, Kammern und Innungen die Kosten von rund 250 Euro für eine Schulwoche von Montag bis Freitag übernähmen. Das Besondere an dem Projekt sei, dass man auch eine pädagogische Begleitung biete.
Links zum Mitarbeiterwohnen

Netzwerk zum Mitarbeiterwohnen
www.mitarbeiterwohnen.de

Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen
www.bmwsb.bund.de

Forschungs- und Beratungsinstitut Regio Kontext (Berlin)
www.regiokontext.de

Kolping Jugendwohnen
www.kolping-jugendwohnen.de

Thema Beschäftigtenwohnen bei der DIHK
www.dihk-service-gmbh.de/de/unsere-projekte/zukunft-beschaeftigtenwohnen

Matthias Voigt
Bereich: Kommunikation und Marketing
Themen: IHK-Magazin, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit