Fachkräfte finden

Licht am Ende des Tunnels

Der Fachkräftemangel macht vor Bahngesellschaften nicht halt. Doch die Personalsituation der Vias im Odenwald verbessert sich zunehmend. Ein niedrigschwelliger Weg der Fachkräftegewinnung, der sich vor allem an Geflüchtete richtet, macht's möglich. Entwickelt wurde er von Vias, dem Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft in Dieburg sowie der IHK Darmstadt. Vom regionalen Erfolgsmodell profitieren Bahngesellschaften bundesweit.
Text: Annabel Aulehla
Eine Rückkehr zum Regelfahrplan ist es zwar noch nicht, aber die Nachrichten der Vias lassen aufhorchen: Die Personaldecke verbessert sich. Grund dafür ist eine Methode der Fachkräftegewinnung, die das Unternehmen in Zusammenarbeit mit dem Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft (BWHW) in Dieburg sowie der IHK Darmstadt entwickelt hat: eine niedrigschwellige Einstiegsqualifizierung, die neuen Zielgruppen den Weg zur Ausbildung erleichtert.
Seit dem Projektstart im Jahr 2022 konnte die Vias so 24 Geflüchtete auf den Quereinstieg zum Lokführer vorbereiten. Acht von ihnen hätten die Führerscheinprüfung gemeistert und sechs weitere würden sie bald angehen, erklärt Betriebsratsvorsitzender Thomas Pfeifer. Zudem seien neun Teilnehmende im Anschluss zum Zugbegleiter ausgebildet worden. Das Unternehmen wirbt Interessenten gemeinsam mit dem BWHW in Dieburg an. Zwölf Monate lang erhalten sie berufsbezogenen Theorie- und Praxisunterricht.
Das Unternehmen ergänzt den Lehrplan außerdem mit Deutschkursen. »Die Idee der Vias und des BWHW, Geflüchtete anzusprechen, hat uns von Anfang an überzeugt«, sagt Dr. Marcel Walter, Geschäftsbereichsleiter Aus- und Weiterbildung der IHK Darmstadt. »Wir haben den Berufsbezug sowie die Praxisanteile des Lehrplans gemeinsam ausgebaut, damit alle Richtlinien erfüllt werden konnten. So ist zeitnah ein Konzept für ein realitätsnahes Vorbereitungsjahr entstanden.«
Davon profitiert die gesamte Branche, denn in Rücksprache mit der Deutschen Bahn und der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) entstand 2022 in der direkten Folge die erste Einstiegsqualifizierung für die Berufe »Eisenbahner im Betriebsdienst« und »Eisenbahner in der Zugverkehrssteuerung«. Sie ist bundesweit gültig und legt die Inhalte des Vorbereitungsjahres fest. Nach erfolgreichem Abschluss können die Teilnehmenden die Ausbildung verkürzen, sofern sie sich nicht ohnehin für den einjährigen Quereinstieg entscheiden.
Selbst für diesen Quereinstieg hat es laut Vias vor der Einstiegsqualifizierung an Interessenten gemangelt. »Gleichzeitig gibt es so viele Geflüchtete, die gerne arbeiten würden. Durch die Einstiegsqualifizierung haben sie ein Jahr Zeit, die Vokabeln zu lernen – mit hohem Berufsbezug und gegen Vergütung«, erklärt Pfeifer. Dies reduziere die Abbruchquote der Quereinsteiger*innen.
Wir sind auf die Einwanderung von Fachkräften angewiesen. Es ist wichtig, sie gemäß ihrer Qualifikation schnellstmöglich mit einem passenden Betrieb in der Region zu verbinden oder eine Ausbildung zu ermöglichen.

Dr. Marcel Walter, IHK-Geschäftsbereichsleiter Leiter Aus- und Weiterbildung

Der erfolgreiche Weg der Vias wird im Zuge des Projekts »Wirtschaft integriert« des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum gefördert.
»Wir freuen uns, dass die Einstiegsqualifizierung durch die positive Zusammenarbeit mit BWHW und IHK und die Förderung des Landes so schnell umgesetzt werden konnte. Allerdings begegnen wir bei der Einstellung von Geflüchteten hohen bürokratischen Hürden. Hier muss die Politik nachsteuern«, sagt Pfeifer.
Dr. Marcel Walter von der IHK Darmstadt stimmt zu: »Wir sind auf die Einwanderung von Fachkräften angewiesen. Es ist wichtig, sie gemäß ihrer Qualifikation schnellstmöglich mit einem passenden Betrieb in der Region zu verbinden oder eine Ausbildung zu ermöglichen. Dieses Arbeitskräftepotenzial auszuschöpfen, ist ein Baustein in der Fachkräftestrategie Südhessens.«
Dieser Artikel ist erstmals erschienen im IHK-Magazin “Wirtschaftsdialoge”, Ausgabe 6/2024. Sie möchten das gesamte Heft lesen? Die “Wirtschaftsdialoge” können Sie auch online als PDF-Datei herunterladen.
Patrick Körber
Geschäftsbereichsleiter, Pressesprecher
Bereich: Kommunikation und Marketing