Urlaub

Berechnung des Urlaubsanspruchs bei Kündigung

Viele Arbeitsverhältnisse werden unterjährig, also im laufenden Kalenderjahr, beendet. Viele Betroffene auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite gehen davon aus, dass der Urlaubsanspruch dann nur anteilig besteht. Das ist nicht immer korrekt. Dieser Artikel stellt die aktuelle rechtliche Lage dar und gibt Tipps für Gestaltungsmöglichkeiten. Auch auf den Sonderfall der Krankheit bei Beendigung geht er ein.
Hinweis für Ratsuchende: Als Körperschaft des öffentlichen Rechts hat die IHK  die Aufgabe, die Interessen der gewerblichen Wirtschaft  zu vertreten und ihre Mitgliedsunternehmen zu beraten. Wenn Sie als Arbeitnehmer rechtliche Beratung benötigen, können Sie sich entweder an das Bürgertelefon des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Abteilung Arbeitsrecht, oder an den Verein „ArbeitnehmerHilfe wenden.
Stand: Mai 2023

Urlaubsanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Nach der gesetzlichen Regelung in Paragraf 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) hat ein Arbeitnehmer einen Mindesturlaubsanspruch von 20 Tagen bei einer FünfTage-Woche (von 24 Tagen bei einer Sechs-Tage-Woche). Dieser Mindesturlaubsanspruch ist unabdingbar. Dies bedeutet, dass eine anderweitige geringere arbeitsvertragliche Vereinbarung unwirksam wäre. Eine Vereinbarung, die einen höheren Urlaubsanspruch vorsieht, ist dagegen selbstverständlich möglich und häufig auch die Regel.
Wenn ein Arbeitnehmer im Laufe eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, ist zu unterscheiden zwischen einer Beendigung bis einschließlich 30. Juni oder zu einem späteren Zeitpunkt.

1. Bei einer Beendigung bis einschließlich 30. Juni

Scheidet der Arbeitnehmer innerhalb der ersten Jahreshälfte aus so hat er grundsätzlich Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses (Paragraf 5 Absatz 1 c, BUrlG). Scheidet der Arbeitnehmer also beispielsweise zum 31. Mai eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis aus, so hat er bei dem gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch von 20 Urlaubstagen für das gesamte Kalenderjahr, einen Urlaubsanspruch in Höhe von acht Urlaubstagen. Das Arbeitsverhältnis bestand in diesem Kalenderjahr nur fünf volle Monate (1. Januar bis einschließlich 31. Mai) und es ergibt sich folgende Berechnung:
  • 5 Monate / 12 Monate X 20 Urlaubstage = 8,33 Urlaubstage.
Bruchteile von Urlaubstagen, die weniger als einen halben Tag ergeben, sind dabei auf ganze Urlaubstage abzurunden, also in unserem Beispiel auf acht Urlaubstage.

2. Bei einer Beendigung zu einem Zeitpunkt nach dem 30. Juni

Bei einem Ausscheiden beispielsweise zum 31. Juli ist die Sachlage eine andere, jedenfalls wenn das Arbeitsverhältnis bereits seit dem 1. Januar eines Jahres bestand. Die Regelung zum Teilurlaub ist hier nicht heranzuziehen. Vielmehr hat der Arbeitnehmer immer einen Anspruch auf den vollen gesetzlichen Mindesturlaub, bei einer Fünftage-Woche also auf 20 Urlaubstage.
In welchem Umfang der darüber hinaus arbeitsvertraglich vereinbarte Zusatzurlaub in Anspruch genommen werden kann, hängt davon ab, ob im Arbeitsvertrag eine "pro rata temporis"-Regelung getroffen wurde (deutsch etwa „zeitanteilig”). Dies ist eine Klausel, nach welcher der Urlaub im Jahr des Eintritts in ein Unternehmen oder im Jahr des Ausscheidens der Urlaub nur anteilig gewährt werden soll. 
Formulierungsbeispiele finden Sie in unseren Musterarbeitsverträgen.
a) Ist eine solche zusätzliche Klausel im Arbeitsvertrag nicht enthalten,
  • hat der Arbeitnehmer Anspruch auf den vollen arbeitsvertraglich vereinbarten Urlaub. Sind beispielsweise 30 Urlaubstage vereinbart, so kann der Arbeitnehmer im Falle eines Ausscheidens nach dem 30. Juni auch 30 Urlaubstage in Anspruch nehmen.
b) Findet sich im Arbeitsvertrag eine solche "pro rata temporis"-Regelung wieder,
  • so hat der Arbeitnehmer hinsichtlich des Urlaubs, der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgeht, nur einen anteiligen Anspruch. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer bei einem unterjährigen Ausscheiden nach dem 30. Juni immer mindestens 20 Urlaubstage bei einer Fünf-Tage-Woche beanspruchen kann.

    Im Falle eines arbeitsvertraglich vereinbarten Urlaubsanspruches in Höhe von 30 Urlaubstagen (= 20 Tage gesetzlichen Mindesturlaub plus zehn Tage freiwilliger Zusatzurlaub) hätte der Arbeitnehmer beispielsweise bei einem Ausscheiden zum 30. September folgenden Urlaubsanspruch:

    9 Monate / 12 Monate x 30 Urlaubstage = 22,5 Urlaubstage, aufgerundet: 23 Urlaubstage.

    In diesem Fall würde eine arbeitsvertragliche Regelung über eine anteilige Kürzung also dazu führen, dass statt 30 Urlaubstagen nur 23 zu gewähren wären, also sieben Urlaubstage weniger.

Urlaubsabgeltung bei Arbeitsunfähigkeit

Nach aktueller Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) (Urteil vom 24. März 2009 – 9 AZR 983/07) hat der Arbeitnehmer auch dann einen Abgeltungsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz, wenn das Arbeitsverhältnis endet, bevor der Arbeitnehmer wieder arbeitsfähig wird. Dies betrifft zunächst nur den gesetzlichen Urlaubsanspruch. Darüberhinausgehender Jahresurlaub (vertraglicher oder tarifvertraglicher) verfällt, wenn dies vertraglich vereinbart ist. Ist hingegen für diesen Zusatzurlaub nichts vereinbart, hat der Arbeitnehmer auch hier einen Abgeltungsanspruch.
Anmerkung: In der Vergangenheit ging das BAG dagegen davon aus, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch nicht erfüllt zu werden braucht, wenn der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und danach bis zum Zeitpunkt des Anspruchsverfalls arbeitsunfähig ist.

Urlaub bei Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses

Es war lange Zeit umstritten, ob bei kurzfristigen Unterbrechungen der Arbeitsverhältnisse erneut eine Wartezeit von sechs Monaten für einen Urlaubsanspruch erforderlich ist. Nach der neuen Rechtsprechung des BAG ist das nicht mehr der Fall (Urteil vom 20. Oktober 2015, 9 AZR 224/14).
In dem zu entscheidenden Rechtsstreit vertrat der Kläger die Auffassung, dass ihm trotz einer kurzen Unterbrechung ein Anspruch auf ungekürzten Urlaub zustand. Der Kläger war seit dem 1. Januar 2009 bei der Beklagten beschäftigt. Nachdem der Kläger das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2012 kündigte, haben die beiden einen neuen Arbeitsvertrag ab dem 2. Juli 2012 geschlossen, in dem ein Urlaubsanspruch von 26 Tagen vereinbart wurde. Das Arbeitsverhältnis wurde dann aufgrund einer fristlosen Kündigung durch die Beklagte zum 12. Oktober 2012 beendet. Da die Beklagte dem Kläger nur einen Teilurlaub von drei Urlaubstagen gewährte, klagte der Kläger dagegen und vertrat die Auffassung, dass die Unterbrechung von einem Tag für den ungekürzten Vollurlaub unschädlich ist. Das BAG teilte seine Ansicht.
Laut BAG schied der Kläger nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Jahreshälfte des Kalenderjahres aus und hat somit die Wartezeit nach Paragraf 4 erfüllt. Wenn bereits vor Beendigung des ersten Arbeitsverhältnisses feststehe, dass es nur für kurze Zeit unterbrochen werde, habe der Arbeitnehmer einen Anspruch auf ungekürzten Urlaub, wenn das zweite Arbeitsverhältnis in der zweiten Jahreshälfte ende. Mit dieser Begründung hat das BAG dem Kläger den Anspruch auf Vollurlaub zugesprochen
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