Betriebliche Auslandserfahrung in der Berufsbildung fördern

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) geht davon aus, dass in Deutschland circa jeder vierte Arbeitsplatz direkt oder indirekt vom Export abhängt. Deshalb brauchen die Betriebe auslandserfahrene und fremdsprachenversierte Mitarbeiter und Nachwuchskräfte. Lern- und Arbeitserfahrungen – insbesondere junger Menschen – im Ausland sind vor diesem Hintergrund ein wichtiger Beitrag zur Fachkräftesicherung. Sie fördern nicht nur das Erlernen und Verstehen von Sprache und Kultur des Gastlandes, sondern auch die Persönlichkeitsentwicklung.
Deutschland verfehlt nationale Zielmarke für Auslandserfahrung in der Beruflichen Bildung...
Der Deutsche Bundestag hatte 2013 als nationales Ziel beschlossen, dass bis 2020 zehn Prozent der Absolventen der Beruflichen Bildung Auslandserfahrungen machen sollen. 2018 lag die nationale Mobilitätsquote schätzungsweise bei sechs Prozent. Das heißt: Deutschland wird sein nationales Mobilitätsziel voraussichtlich verfehlen. Aufgrund des Brexit und bürokratischer Hürden drohen die Zahlen künftig sogar eher wieder zu sinken. Denn das Vereinigte Königreich (UK) ist mit rund 7.600 ERASMUS+-Auslandsstipendien im Jahr 2018 das wichtigste Zielland für deutsche Auszubildende. Die bei einem Ausscheiden von UK aus ERASMUS+ wegfallenden deutschen Azubi-Auslandspraktika werden sich voraussichtlich nicht durch andere Länder auffangen lassen.
Berufliche Bildung in ERASMUS+ stärken
Während ein Auslandssemester im Studium schon fast selbstverständlich ist, sind Auslandsaufenthalte in der Berufsbildung eher noch die Ausnahme. Umso wichtiger, dass die Berufliche Bildung in den bildungspolitischen Initiativen der EU einen höheren Stellenwert erhält. Das greifen auch die Kommissionsvorschläge zur Weiterführung des EU-Bildungsprogrammes ERASMUS+ für den Zeitraum 2021-2027 auf. In Deutschland läuft etwa jeder zweite Auslandsaufenthalt in der Beruflichen Bildung über ERASMUS+. Die vom DIHK kritisierte „Hochschullastigkeit“ des Programms wurde zumindest finanziell zugunsten der Beruflichen Bildung relativiert. Dennoch sind für die Hochschulbildung im Zeitraum von 2017 bis 2027 künftig 8,6 Milliarden Euro für die Berufliche Bildung aber nur 5,2 Milliarden vorgesehen, um die grenzüberschreitende Mobilität in der Beruflichen Bildung europaweit zu stärken.

Rahmenbedingungen für Ausbildungsbetriebe verbessern und Beratung ausbauen

Gleichzeitig gilt es, Mobilitätshemmnisse weiter abzubauen. Um den betrieblichen Erfordernissen und auch den individuellen Möglichkeiten von Auszubildenden gerecht zu werden, sollte ERASMUS+ sowohl kurze als auch längere Aufenthalte im Ausland fördern. Die Antragstellung muss erleichtert werden und das ganze Jahr durchgängig möglich sein. Zudem sollte das neue EU-Bildungsprogramm auch sprachliche und interkulturelle Vorbereitungsmaßnahmen mit systematischer Lernbegleitung für Auszubildende fördern. Neben der Finanzierung dürfen aber auch unterstützende Informations- und Beratungsstrukturen im Bereich der Beruflichen Bildung nicht fehlen. Durch eine klare rechtliche Verankerung im Berufsbildungsgesetz haben sich die Rahmenbedingungen für Auslandsaufenthalte bereits verbessert. Außerdem bietet das Bundeswirtschaftsministerium mit dem Bundesprogramm „Berufsbildung ohne Grenzen“ seit 2009 auch bei den Kammern angesiedelte betriebliche Beratung und Unterstützung. Wichtig ist es, diese Strukturen aus Finanzierungsprogrammen und betrieblicher Begleitung zu stärken und enger zu verzahnen. Nur so kann mittelfristig eine in den Betrieben etablierte Mobilitätskultur dazu beitragen, Attraktivität wie auch auf Internationalisierung des nationalen Berufsbildungssystems voranzubringen.
DIHK plädiert für einen "Deutschen Beruflichen Austauschdienst (DBAD)" - Auslandserfahrung für Azubis und Betriebe ein Gewinn...
Da Auslandseinsätze hierzulande immer noch zu selten Bestandteil einer betrieblichen Ausbildung sind, plädiert der DIHK für die Einrichtung eines "Deutschen Beruflichen Austauschdienstes (DBAD)". Auslandaufenthalte machten die Berufliche Bildung nicht nur für Jugendliche attraktiv; umgekehrt könnten auch auslandsaktive Unternehmen von den Sprach- und Auslandserfahrungen ihres Nachwuchses profitieren. Aus Sicht des DIHK bräuchte es - vergleichbar mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) - zusätzlich einen "Deutschen Beruflichen Austauschdienst (DBAD), der aus Bundesmitteln unkompliziert Auslandsstipendien an Auszubildende, Ausbilder und Fachkräfte sowie Absolventen der Höheren Berufsbildung vergeben kann. 
Mit welchen Methoden können bremische Unternehmen dem Fachkräftemangel entgegenwirken?
Die Handelskammer Bremen möchte sich dem Thema annehmen und an dieser Stelle einige Instrumente vorstellen, mit denen Unternehmen versuchen können, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Duale Ausbildung

Die Berufsausbildung wird in Deutschland weitgehend im dualen System durch-geführt. Das bedeutet, dass die notwendigen Fertigkeiten und Kenntnisse einerseits in einem Ausbildungsbetrieb und andererseits in der Berufsschule erworben werden. Beide Ausbildungsträger „Betrieb“ und „Schule“ arbeiten dabei eng zusammen – mit dem Ziel, die Nachwuchsfachkräfte optimal auf ihre berufliche Zukunft vorzubereiten. In Deutschland betreuen und beraten die 79 deutschen Industrie- und Handels-kammern Unternehmen und Auszubildende; sie fördern und qualifizieren Ausbilder und Prüfer, sichern die Ausbildungsqualität von Betrieben und Ausbildern, organi-sieren die Prüfungen und stellen die öffentlich-rechtlichen Abschlusszeugnisse aus.
Nicht nur in Deutschland, auch in vielen anderen Ländern weltweit herrscht ein Fachkräftemangel, der oft in dem jeweiligen Bildungssystem begründet ist. Global tätige deutsche Unternehmen finden in Boom-Regionen immer seltener qualifizierte Mitarbeiter, was die Produktion und den Vertrieb hochwertiger Güter erschwert. Die Wettbewerbsfähigkeit dieser Betriebe steht und fällt mit den Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter. Die berufliche Ausbildung im Ausland ist deshalb auch ein Hauptschwerpunkt der Kammerorganisation im Zusammenspiel von DIHK, Industrie- und Handelskammern (IHKn) und den deutschen Auslandshandelskammern (AHKn). Ein Beschluss der DIHK-Vollversammlung von 2012 bekräftigt, dass Bildungs-export, die Qualifizierung von Fachkräften und die Förderung von dualer Ausbildung im Ausland wichtige Bestandteile der Außenwirtschaftsförderung sind. Inzwischen sind mehr als 45 deutsche AHKn mit Berufsbildungsprojekten aktiv, jährlich werden mehr als 10.000 AHK-/DIHK-Zertifikate ausgestellt. Über 2.000 deutsche Unternehmen beteiligen sich zudem bereits an Ausbildungsaktivitäten im Ausland. Die deutschen AHKn fungieren dabei in erster Linie als Berater, Organisatoren und Qualitätssicherer. Das Engagement der Wirtschaftsbeteiligten entwickelt sich sukzessive weiter und die Einzelprojekte werden zunehmend vergleichbar. So existiert inzwischen beispielsweise ein Handbuch zur AHK-Berufsausbildung, das Vorlagen, Vorgaben und Muster als Anleitung für duale Ausbildungsaktivitäten angebietet. Der Fokus der beruflichen Ausbildung im Ausland liegt bisher noch in Europa, Nord- und Südamerika sowie in Asien. Afrika, und hier zum Beispiel Südafrika, Kenia oder Tansania,  befinden sich derzeit jedoch bereits im Aufbau. 

Wechselseitige Auslandsaufenthalte – Stagen für Mitarbeiter & Auszubildende

Während des Studiums gehört ein Auslandssemester für viele Studierende einfach dazu. In der dualen Ausbildung hingegen nutzen bisher nur wenige die Gelegenheit, in der Ferne den beruflichen wie persönlichen Horizont zu erweitern. Dabei profitieren Betrieb und „Azubi“ gleichermaßen von der Auslandserfahrung. Die Auszubildenden verbessern nicht nur ihre Fremdsprachenkenntnis, sondern bringen auch neue Impulse, Arbeitsmethoden und -techniken mit ins heimische Unternehmen. Außerdem ist das Auslandspraktikum ein gutes Argument im Wettlauf um geeigneten Nachwuchs, mit dem Ausbildungsbetriebe für sich werben können. Wechselseitige Auslands-aufenthalte schaffen Akzeptanz für andere Kulturen und bieten die Möglichkeit, Arbeitskollegen und deren Geschäftsprozesse kennen zu lernen.

Weiterbildungsmaßnahmen

- Entsendung von Ausbildern und erfahrenen Mitarbeitern zu Schulungszwecken ins Ausland / Kooperationen mit lokalen Ausbildungseinrichtungen und Trainingszentren
Durch Weiterbildungsmaßnahmen können sich Unternehmen ihre Führungskräfte selbst heranziehen. Unter der Marke "IHK. Die Weiterbildung" stellen die Industrie- und Handelskammern aktiv ein am tatsächlichen Bedarf der Unternehmen und der Beschäftigten ausgerichtetes Angebot zur beruflichen Qualifizierung bereit. Die breite Palette an bundesweit abgestimmten Zertifikats-Seminaren und an Lehrgängen zur Vorbereitung auf IHK-Prüfungen wird gemeinsam mit den IHK-Bildungszentren und Kooperationspartnern aus der Wirtschaft beziehungsweise Vertretern der Sozial-partner erarbeitet. Mittelpunkt ist stets die betriebliche Praxis. So können Fach- und Führungskräfte mithilfe von IHK-Abschlüssen der „Höheren Berufsbildung“ ihre besondere berufliche Qualifikation nachweisen. Insgesamt nehmen jährlich rund 350.000 Teilnehmer die Weiterbildungsangebote der IHK wahr. Die vorgenannten Maßnahmen können zwar nicht „eins zu eins“ auf ausländische Tochtergesellschaften und deren Belegschaft übertragen werden, bieten aber durchaus gute Instrumente, an denen man sich auch für die im Ausland beschäftigten Mitarbeiter orientieren kann.

Umschulungsmaßnahmen

- Entsendung von Ausbildern und erfahrenen Mitarbeitern zu Schulungszwecken ins Ausland / Kooperationen mit lokalen Umschulungseinrichtungen und Trainingszentren
Umschulungen werden in Deutschland meist immer dann angeboten, wenn man in seinem erlernten Ausbildungsberuf nicht mehr arbeiten kann. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Beruf langfristig aussterben wird und bereits jetzt kein Einkommen mehr sichert oder wenn man aus Krankheitsgründen nicht mehr in seinem Beruf tätig werden kann. In bestimmten Fällen übernimmt die Agentur für Arbeit oder eine andere staatliche Stelle die Kosten für eine überbetriebliche Umschulung bei einem Bildungs-träger. Die vorgenannten Umschulungsmaßnahmen können zwar - ähnlich wie die oben genannten Weiterbildungsmaßnahmen - nicht „eins zu eins“ auf ausländische Tochtergesellschaften und deren Belegschaft übertragen werden, können aber unter Umständen ebenfalls als Orientierungshilfe dienen.

Praktika

Längst hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es praktische Erfahrungen sind, die Schülern den besten Einblick in die Anforderungen des Berufslebens geben und sie bei der Berufswahl unterstützen. Was liegt da näher für Unternehmen, Schüler in die betrieblichen Arbeitsabläufe zu integrieren und sie die Luft des Berufslebens „schnuppern“ zu lassen? Auch der Betrieb hat etwas davon, wenn er Schülerpraktika für die eigene Nachwuchsgewinnung nutzt. Ein Praktikum ermöglicht es, schon vor Beginn einer Ausbildung zu prüfen, ob ein Jugendlicher zum Betrieb passt und „wie er sich im Arbeitsalltag macht“.

Arbeitserlaubnisse und Visa

Wer im Ausland arbeiten möchte, benötigt in der Regel ein entsprechendes Visum, welches die gewünschten beruflichen Tätigkeiten zulässt. Für ausländische Mit-arbeiter, die sich in Deutschland qualifizieren oder fortbilden möchten, gilt, der Aufenthalt in Deutschland ist für Ausländer grundsätzlich ebenso von einer Gestattung abhängig wie die Einreise selbst. Alle Ausländer, ausgenommen Staatsangehörigen der EU, die für die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland kein Visum benötigen, sind für Aufenthalte in Deutschland grundsätzlich visumpflichtig. Für die Visumerteilung sind die Botschaften und Generalkonsulate (Auslandsvertretungen) der Bundesrepublik Deutschland verantwortlich. 
Weitere Informationen zum Thema Aufenthaltserlaubnisse und Visa finden Sie auch unter der Kategorie Einreise und Aufenthalt