Industriekaufmann / Industriekauffrau (NEU ab 01.08.2024)

Novellierung Industriekaufleute: Update für das Flaggschiff der industriellen Ausbildung

Die inhaltliche Modernisierung des Ausbildungsberufes „Industriekaufmann/-frau“ ist abgeschlossen: Der novellierte Beruf tritt zum 1. August 2024 in Kraft. Einer der vertragsstärksten und wichtigsten kaufmännischen Berufe der Industrie erfährt damit sein ‚Update‘, um die künftigen Kompetenzanforderungen der Wirtschaft und die aktuellen Standards der beruflichen Erstausbildung abzubilden. Zugleich wird Bewährtes fortgeführt – nicht zuletzt die Berufsbezeichnung. 

Industriekaufleute: Generalisten der Vielfalt

Die Grundausrichtung der Ausbildung wird mit der Neuordnung fortgeführt. Generalistisch formulierte Lernziele entlang der industriellen Wertschöpfungskette prägen daher auch künftig den Beruf. Die breit aufgestellten Kernkompetenzen werden über 30 Monate hinweg u. a. in folgenden Berufsbildpositionen erworben:
  • Leistungserstellung planen und koordinieren,
  • Logistik und Lagerprozesse planen und steuern,
  • Beschaffung planen und steuern,
  • Marketingmaßnahmen planen und umsetzen,
  • Vertriebsprozesse umsetzen,
  • Personalprozesse umsetzen,
  • kaufmännische Steuerung und Kontrolle
Um unter dem breiten Dach des Berufes die verschiedensten Branchen- und Unternehmensrealitäten abstrahieren und abbilden zu können, wurden die Lernziele technikoffen und generalistisch formuliert. Zu kleinschrittige Lernzielformulierungen und langatmige Schachtelsätze konnten weitestgehend vermieden werden, was auch die Verständlichkeit des Ausbildungsrahmenplans in der betrieblichen Praxis erhöht.
Hinweis zur Vertragsregistrierung: Für Ausbildungsverhältnisse, welche ab dem 1. August 2024 beginnen, gilt die neue Ausbildungsverordnung verbindlich. Bereits registrierte Ausbildungsverhältnisse mit Ausbildungsbeginn ab 1. August 2024 werden wir für Sie umschreiben. Hierüber erhalten Sie eine neue Eintragungsbestätigung.

Einsatzgebiete: Spezialisierung in der abschließenden Ausbildungsphase

Die ersten Ausbildungsjahre dienen der Orientierung und dem fundierten Kompetenzerwerb in den verschiedenen betrieblichen Teilbereichen und Abteilungen. Auf diese Kernkompetenzen (siehe oben) aufsetzend erfolgt die bewährte Spezialisierung in einem Einsatzgebiet.
Die Dauer des Einsatzgebietes ist idealtypisch mit einem zeitlichen Umfang von ca. 6 Monaten vorgesehen. Nicht selten trägt die Wahl des Einsatzgebietes den während der „Grundausbildung“ festgestellten individuellen Begabungen und Vorlieben der Auszubildenden Rechnung und kann perspektivisch auf eine Verantwortungsübernahme nach Ende der Ausbildung vorbereiten. Zugleich kann das Einsatzgebiet auch ein erster Fingerzeig in Richtung der beruflichen Weiterbildung nach Ende der Erstausbildung sein.
Die Neuordnung strafft die zur Auswahl stehenden Einsatzgebiete wie folgt:
  1. Vertrieb,
  2. Marketing,
  3. Beschaffung,
  4. Logistik,
  5. Personalwirtschaft,
  6. Leistungserstellung,
  7. kaufmännische Steuerung und Kontrolle
  8. […]
Wichtig: Von der Auflistung abweichende Einsatzgebiete können nach wie vor festgelegt werden, wenn in ihnen die notwendigen Kompetenzen gleichwertig vermittelt werden können. Mit Blick auf die derzeit übliche betriebliche Praxis decken die in der Verordnung genannten Einsatzgebiete den benötigten Bedarf bereits gut ab.

Neue Standardberufsbildpositionen

Wie alle modernisierten Ausbildungsordnungen werden auch die Industriekaufleute um neue, verbindliche Mindestanforderungen ergänzt. Diese sind wie nachfolgend aufgeführt während der gesamten Ausbildungszeit integrativ zu vermitteln:
  1. Organisation des Ausbildungsbetriebes Berufsbildung sowie Arbeits- und Tarifrecht
  2. Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit
  3. Umweltschutz und Nachhaltigkeit
  4. Digitalisierte Arbeitswelt
Über die bereits gesetzten Standardberufsbildpositionen hinaus formuliert der Beruf spezifische Inhalte zu den Themen
  1. digitale Geschäftsprozesse,
  2. Kommunikation und Zusammenarbeit,
  3. projektorientiertes Arbeiten sowie
  4. internationale Handlungskompetenz.

Informationen zur Prüfung

Neu eingeführt wird die „gestreckte Abschlussprüfung“. Das bedeutet, dass die Abschlussprüfung aus zwei zeitlich voneinander getrennten Teilen besteht:
  • Der erste Teil der Prüfung findet etwa nach der Hälfte der Ausbildungszeit (4. Ausbildungshalbjahr) statt. Das Ergebnis zählt für die Abschlussnote; die bisherige Zwischenprüfung entfällt ersatzlos. Wird die Ausbildungsdauer verkürzt, so soll Teil 1 spätestens drei Monate vor dem Zeitpunkt von Teil 2 stattfinden.
  • Der zweite Teil der Abschlussprüfung wird am Ende der Ausbildung durchgeführt. Das Endergebnis wird nach absolvieren der letzten Prüfungsleistung aus Teil 1 und Teil 2 gebildet.

Abschlussprüfung Teil 1

Teil 1 der Abschlussprüfung findet im Prüfungsbereich „Leistungserstellung, Logistik, Beschaffung und Buchhaltung“ statt. Die Prüfungszeit beträgt 90 Minuten.
Wichtig: Da das in der Abschlussprüfung Teil 1 erzielte Ergebnis bereits für die Abschlussnote zählt, müssen die Auszubildenden bereits frühzeitig in der ersten Ausbildungshälfte (betrieblich und schulisch) fit gemacht werden. Teil 1 ist zudem nicht separat wiederholbar: die erzielte Note bleibt stehen. Auf das Bestehen der Prüfung ist erst zu schauen, nachdem die letzte Prüfungsleistung aus Teil 2 abgelegt wurde.

Abschlussprüfung Teil 2

Teil 2 der Abschlussprüfung findet in den folgenden Prüfungsbereichen statt:
  1. „Marketing, Vertrieb, Personalwesen und kaufmännische Steuerung und Kontrolle“ (150 Minuten)
  2. „Fachaufgabe im Einsatzgebiet“ und
  3. „Wirtschafts- und Sozialkunde“ (60 Minuten).
Die Prüfungszeit beträgt 150 Minuten.

Fachaufgabe im Einsatzgebiet

Die zu prüfende Person hat zu dem zugrunde gelegten Einsatzgebiet nach § 4 Absatz 4 der Ausbildungsordnung eigenständig im Ausbildungsbetrieb eine Fachaufgabe durchzuführen. Folgende Einsatzgebiete stehen zur Auswahl:
  1. Vertrieb,
  2. Marketing,
  3. Beschaffung,
  4. Logistik,
  5. Personalwirtschaft,
  6. Leistungserstellung oder
  7. kaufmännische Steuerung und Kontrolle.
Über die Fachaufgabe hat die zu prüfende Person eine drei- bis fünfseitige Dokumentation sowie eine Präsentation zu erstellen und ein sich daran anschließendes fallbezogenes Fachgespräch zu führen. Vor der Durchführung hat die zu prüfende Person dem Prüfungsausschuss einen Antrag zur Genehmigung der Fachaufgabe im Einsatzgebiet vorzulegen. Der Antrag muss eine Kurzbeschreibung der Aufgabenstellung, der Zielsetzung sowie der dabei zu berücksichtigenden Prozesse enthalten. Dies muss in unserem IHK-Online-Portal spätestens am ersten Tag von Teil 2 der Abschlussprüfung hochgeladen werden.
Die Prüfungszeit für die Erstellung der Dokumentation, für die Präsentation und für das fallbezogene Fachgespräch beträgt insgesamt 24 Stunden und 30 Minuten. Für die Erstellung der Dokumentation soll die zu prüfende Person 16 Stunden und für die Erstellung der Präsentation 8 Stunden nicht überschreiten. Die Prüfungszeit für die Durchführung der Präsentation und das fallbezogene Fachgespräch beträgt insgesamt 30 Minuten. Die Durchführung der Präsentation soll eine Dauer von 10 Minuten nicht überschreiten.
Bei der Ermittlung des Ergebnisses für den Prüfungsbereich “Fachaufgabe im Einsatzbereich” sind die Bewertungen wie folgt zu gewichten:
  1. die Bewertung für die Dokumentation mit 10 Prozent,
  2. die Bewertung für die Präsentation mit 20 Prozent und
  3. die Bewertung für das fallbezogene Fachgespräch mit 70 Prozent.
Die Bewertungen der einzelnen Prüfungsbereiche sind wie folgt zu gewichten:
Prüfungs­bereich
Dauer
Prüfungs­instrument
Gewichtung
Teil 1
„Leistungs­erstellung, Logistik, Beschaffung und Buchhaltung“
90
Schriftliche Prüfung
25 %

Teil 2

Marketing, Vertrieb, Personalwesen und kaufmännische Steuerung und Kontrolle
150
Schriftliche Prüfung
35 %
Fachaufgabe im Einsatzgebiet
30
Dokumentation, Präsentation, Fachgespräch
30 %
Wirtschafts- und Sozialkunde
60
Schriftliche Prüfung
10 %
Die Abschlussprüfung ist bestanden, wenn die Prüfungsleistungen – auch unter Berücksichtigung einer mündlichen Ergänzungsprüfung nach § 15 – wie folgt bewertet worden sind:
  1. im Gesamtergebnis von Teil 1 und Teil 2 mit mindestens „ausreichend“,
  2. im Ergebnis von Teil 2 mit mindestens „ausreichend“,
  3. in mindestens zwei Prüfungsbereichen von Teil 2 mit mindestens „ausreichend“ und
  4. in keinem Prüfungsbereich von Teil 2 mit „ungenügend“.

Dualer Partner Berufsschule: Rahmenlehrplan

Die betriebliche Ausbildung der Industriekaufleute wird durch einen qualitativ hochwertigen und anspruchsvollen Unterricht durch den „dualen Partner Berufsschule“ ergänzt. Grundlage ist der KMK-Rahmenlehrplan. Dieser liegt ebenfalls komplett überarbeitet vor und ist in 13 Lernfelder für den berufsbezogenen Unterricht gegliedert. Aufgrund der Bildungshoheit kann es zu landesspezifischen Anpassungen kommen – der KMK-Rahmenlehrplan ist jedoch als fachlicher und zeitlicher Mindestmaßstab zu betrachten.
Die schulischen Lernfelder (LF) für die IK-Ausbildung gliedern sich wie folgt:
  1. Das Unternehmen vorstellen und die eigene Rolle mitgestalten
  2. Projekte planen und durchführen
  3. Kundenaufträge bearbeiten und überwachen
  4. Beschaffungsprozesse planen und steuern
  5. Wertströme buchhalterisch dokumentieren und auswerten
  6. Leistungserstellung planen, steuern und kontrollieren
  7. Logistik- und Lagerprozesse koordinieren, umsetzen und überwachen
  8. Kosten- und Leistungsrechnung zur Vorbereitung untern. Entscheidungen durchführen
  9. Marketingkonzepte planen und umsetzen
  10. Jahresabschluss vorbereiten, auswerten und für Finanzierungsentscheidungen nutzen
  11. Geschäftsprozesse an gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen ausrichten
  12. Personalprozesse planen, steuern und kontrollieren
  13. Betriebliche Problemlösungsprozesse innovativ durchführen

Was müssen Unternehmen jetzt beachten?

Ausbildungsverhältnisse mit Ausbildungsstart bis 31.07.2024

Ausbildungsverhältnisse (reguläre und verkürzte Ausbildungszeit) mit Ausbildungsstart bis 31.07.2024 müssen nach alter Verordnung eingetragen und ausgebildet werden. Die Prüfungen finden nach den alten Prüfungsstrukturen (Zwischenprüfung/Abschlussprüfung) statt.  

Ausbildungsverhältnisse mit Ausbildungsstart ab 01.08.2024 (reguläre Ausbildungszeit – 36 Monate)

Neue Ausbildungsverhältnisse mit Ausbildungsstart ab dem 01.08.2024 müssen nach der neuen Verordnung eingetragen, ausgebildet und beschult werden. Die Prüfungen finden nach der neuen Prüfungsstruktur der Verordnung statt (gestreckte Abschlussprüfung). Die Zwischenprüfung entfällt und wird durch Teil 1 der Abschlussprüfung ersetzt. 

Ausbildungsverhältnisse mit Ausbildungsstart ab 01.08.2024 (mit verkürzter Ausbildungszeit)

Das Ausbildungsverhältnis muss in diesem Fall nach der neuen Verordnung eingetragen und ausgebildet werden. Wir geben jedoch an dieser Stelle den Hinweis, sollte der Wunsch bestehen, eine verkürzte Ausbildung innerhalb der neuen Verordnung abzubilden, dass eine vollumfängliche Beschulung nicht gewährleistet werden kann. Bei einer Verkürzung z.B. von einem Jahr, fehlt den Auszubildenden das elementare letzte Ausbildungsjahr mit dem Schwerpunkt des Einsatzgebietes. Zudem stehen den Auszubildenden keine alten Prüfungen zur Vorbereitung zur Verfügung, was das selbstständige Erlernen der Inhalte erschwert.
Alternativ kann das verkürzte Ausbildungsverhältnis nach alter Verordnung eingetragen werden, sofern der Ausbildungsstart bis zum 31.07.2024 datiert ist.

Ausbildungs­dauer:
3 Jahre
Ausbildungs­vergütung:
Die Ausbildungsvergütung richtet sich nach dem Wirtschaftszweig des Ausbildungsbetriebes.
Berufs­schulen:
Grund­lagen:
Informieren Sie sich über die sachliche und zeitliche Gliederung dieser Berufsausbildung in unserem IHK-Online-Portal. Die Ausbildungsverordnung und den Rahmenlehrplan erhalten Sie beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB).
Fortbildungs­möglichkeiten:
  • Geprüfte/r Industriefachwirt/-in
  • Geprüfte/-r Fachkaufmann/-frau
  • Geprüfte/-r Betriebswirt/-in (IHK)
Hinweise zur Prüfung:
Informieren Sie sich über die anstehenden Prüfungstermine.