Die EU Taxonomie und Sustainable Finance

Der Begriff Sustainable Finance beschreibt die Umlenkung der Finanzströme in nachhaltige Unternehmen durch Finanzintermediäre, also vor allem Banken. Dabei geht das Konzept der Europäischen Kommission für "Nachhaltigkeit" deutlich über die Verringerung von CO2-Emissionen hinaus: Neben den klassischen Zielen im Umweltbereich sind langfristig auch Sozialstandards sowie Standards zur Unternehmensführung geplant. Alle diese Aspekte werden mit dem Begriff "ESG" (für Environment, Social, Governance) zusammengefasst.
Mit umfangreichen, verzahnten Regulierungsansätzen versucht die EU, das Finanzsystem dazu zu bewegen Investitionsströme in nachhaltige Projekte zu lenken und den Europäischen Green Deal umzusetzen. Dabei entsteht ein Regelungsgeflecht, das insbesondere für kleinere Betriebe kaum beherrschbar ist. Diese sollen zwar zunächst von unmittelbaren Berichtspflichten verschont bleiben, sind in der Praxis aber oft schon heute betroffen – sei es als Zulieferer berichtspflichtiger Unternehmen, sei es aufgrund schlechterer Finanzierungskonditionen.
Im Wesentlichen werden drei Instrumente eingesetzt:
  • Die seit 2022 geltende, aber noch im Ausbau befindliche "EU-Taxonomie" definiert ESG-Kriterien, die Wirtschaftstätigkeiten erfüllen müssen, um als nachhaltig eingestuft zu werden.
  • Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) erweitert die bestehenden Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung.
  • Schon heute verpflichtet die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) Finanzdienstleister dazu, die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsinformationen zu ihren Strategien, Prozessen und Produkten offenzulegen. Im Ergebnis soll die Nachhaltigkeit von Finanzmarktprodukten wie etwa Fonds für Investorinnen und Investoren klarerer erkennbar werden.
Derzeit ist erst ein kleiner Teil der geplanten Regulierungen in Kraft. Doch es zeigt sich bereits, dass die ESG-Daten auf dem Kapitalmarkt nachgefragt werden und Effekte haben. Indem sie Anlegern Informationen für ihre Entscheidungsfindung und Unternehmensbewertung zur Verfügung stellt, soll die ESG-Berichterstattung es ermöglichen, nachhaltige Investitionen besser zu identifizieren. Damit werden die Kosten legitimiert, die bei der Erhebung der Daten entstehen. In der betrieblichen Praxis sind die Unternehmen nun nicht mehr nur mit den Nachhaltigkeitsinvestitionen selbst, sondern auch mit dem enormen Bürokratieaufwand ihrer Kategorisierung beschäftigt.

Für wen ist die Taxonomie relevant?

Die Taxonomie dient zum einen der EU und den Mitgliedsstaaten zur Festlegung, ob Finanzprodukte, die als ökologisch nachhaltig angeboten werden, diesen Anforderungen genügen. Zum anderen betrifft sie Finanzmarktteilnehmer, die Finanzprodukte bereitstellen (wie Banken und Versicherungen) und Unternehmen. Für Unternehmen werden Berichtserfordernisse, die auf die Taxonomie zurückgehen, im Wesentlichen über die CSRD adressiert. Von dieser Berichtspflicht wird eine steigende Anzahl von Unternehmen in den kommenden Jahren betroffen sein.

ESG-Taxonomie: Kriterienkataloge für umweltfreundliches Handeln

Als Herzstück der Sustainable-Finance-Regulierung dient die sogenannte Taxonomie. Die EU-Taxonomie-Verordnung ist im Juli 2020 in Kraft getreten und wird derzeit ausgebaut.
Sie bietet Unternehmen und Investoren anhand von kleinteilig ausformulierten Kriterien Anhaltspunkte dafür, inwieweit ein Unternehmen mit seinen Produkten und Dienstleistungen zu den insgesamt sechs von der EU benannten ökologischen Nachhaltigkeitszielen beiträgt und wie die Aktivitäten unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zu bewerten sind. So soll Transparenz hergestellt und im Ergebnis die Finanzierung klima- und umweltfreundlichen Wirtschaftens begünstigt werden.
Konkret umfassen die sechs Ziele die Bereiche
  1. Klimaschutz
  2. Anpassung an den Klimawandel
  3. nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  5. Vermeidung von Umweltverschmutzung
  6. Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen.
Bisher hat die Kommission für die beiden Ziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel konkrete Inhalte formuliert – also beispielsweise für den Verkehr, die CO2-Abgasemissionen in der Gebäudeausrüstung, die Überwachung und Regulierung von Heizungsanlagen und vieles mehr.
Die Ausweitung der Taxonomie auf die übrigen vier Ziele steht bevor. Die DIHK hat sich an einer Konsultation hierzu beteiligt.
Generell gilt: Damit eine Maßnahme unter der EU-Taxonomie als nachhaltig gelten kann, muss sie drei Bedingungen erfüllen:
  1. Es wird ein wesentlicher Beitrag zu mindestens einem der sechs Klimaschutzziele geleistet.
  2. Durch die Maßnahme wird keinem anderen Ziel ein erheblicher Schaden zugefügt.
  3. Soziale Mindeststandards werden eingehalten.
Zweck der Taxonomie ist nicht, Unternehmen vorzuschreiben, welche Art der Investitionen sie tätigen sollen. Nicht-taxonomiekonforme Investitionen gelten nicht automatisch als "braun". Ebenso bewertet die Taxonomie weder die "Grünheit" eines Unternehmens noch die finanzielle Performance eines Investments.

Förderregeln könnten ebenfalls betroffen sein

Bei alldem zeichnet sich ab, dass die Taxonomie-Kriterien nicht wie ursprünglich geplant nur für den Finanzmarkt als Richtschur gelten werden, sondern unter anderem auch bei staatlichen Förderregeln zur Anwendung kommen und somit über eine Förderfähigkeit mitentscheiden.
Nicht zuletzt gilt in der Praxis: Banken und die aktuell bereits berichtspflichtigen Unternehmen reichen die an sie gestellten Anforderungen vielfach an ihre Kunden beziehungsweise Zulieferer weiter. Denn um Kennzahlen berechnen oder die eigene Taxonomie-Konformität umfassend beurteilen zu können, benötigen sie auch deren Daten. Das ist ein hoch komplexes Unterfangen – und wird sich unter anderem empfindlich auf die Kreditvergabe gerade an kleinere Betriebe auswirken.

Offene Fragen rund um Trennschärfe und Umsetzung

Aus heutiger Sicht kann nicht abschließend bewertet werden, inwieweit sich die angestrebten klima- und umweltpolitischen Effekte mithilfe der Sustainable-Finance-Regulierung erreichen lassen.
Unternehmen, die heute zum Beispiel noch viel CO2 ausstoßen, machen sich vielfach auf den Weg, ihre Produktionsverfahren und Energieversorgung umzustellen. Dieser Wandel hin zur Klimaneutralität sollte erleichtert werden, indem der Zugang zu Finanzierungen für die notwendigen Investitionen einfacher wird. Ob hier die Regulierung eine Verbesserung bringt, ist noch unklar.
Am Kapitalmarkt werden zunehmend "grüne Finanzierungsinstrumente" emittiert. In der Kreditfinanzierung gerade für kleine und mittlere Unternehmen überwiegen die kritischen Einschätzungen. Standardisierte "grüne Kredite" gibt es bisher praktisch nicht.

Gründliche Vorbereitung ist ratsam

Die Sustainable-Finance-Regulierung bildet ein lebendiges Regelwerk, das ständig weiterentwickelt und ausgeweitet werden soll. Die bereits heute hohe Komplexität wird also weiter zunehmen und für Betriebe aller Größenkategorien erheblichen Aufwand mit sich bringen.
Auch kleine und mittlere Unternehmen sollten sich nicht nur mit den betriebswirtschaftlichen Herausforderungen der Transformation beschäftigen, sondern müssen schon heute und künftig immer häufiger Daten zur eigenen Nachhaltigkeit gegenüber Geschäftspartnern und Banken offenlegen.
Sie sind daher gut beraten, sich möglichst frühzeitig mit der eigenen Klima- und Umweltbilanz zu beschäftigen – und sich bei einer Verbesserung dieser Bilanz stärker an den Umweltzielen der EU zu orientieren. Denn wie Betriebe mit Blick auf die Sustainable-Finance-Regulierung abschneiden, wird voraussichtlich in Zukunft auch über ihren Zugang zu Finanzierungen und deren Konditionen bestimmen.

Weitere Informationen

Die Bekanntmachung der Europäischen Kommission zu den relevanten Taxonomie-Verordnungen ist hier zu finden. Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Taxonomie sind hier in englischer Sprache zusammengefasst, ergänztv durch einen, ebenfalls englischsprachigen, Navigator. Ein Dossier mit hilfreichen Informationen hat die DIHK hier zusammengestellt.
Quellen: DIHK, IHK Berlin