Nachhaltig ohne Wenn und Aber

Mit stolzen 225 Jahren gehört die Oeding-Gruppe zu den ältesten Unternehmen in der Region Braunschweig. Überregional bekannt geworden ist der Druckdienstleister vor allem durch seine populären Verzeichnismedien „Das Örtliche“ und „Das Telefonbuch“, die gemeinsam mit der Deutsche Tele Medien GmbH herausgegeben und verlegt werden. Längst ist dieser Firmenzweig auch online sehr erfolgreich unterwegs und überhaupt hat die geschäftsführende Gesellschafterin Frauke Oeding-Blumenberg früher als viele die Weichen für eine gelingende Transformation in Richtung Digitalisierung und Nachhaltigkeit – 2021 wurde das Unternehmen im Rahmen der renommierten Druck & Medien Awards als „Umweltorientiertes Unternehmen des Jahres“ ausgezeichnet – zukunftsfest gestellt.
Auf den spätestens durch Fridays for Future in das kollektive gesellschaftliche Gedächtnis zurückgeholte Klimawandel und seine Folgen kommt die Firmenchefin dann auch immer wieder zu sprechen. Mit ihrem Unternehmen ein Teil der Lösung für die größte Herausforderung unserer Zeit zu werden, liegt ihr am Herzen. Seit Ende der Nullerjahre beschäftigt sich Oeding-Blumenberg intensiv mit der Thematik.

Die grüne Druckerei

Einen Meilenstein in diesem Kontext markierte 2013 die Verlegung des Produktionsstandortes auf die grüne Wiese nach Rautheim. Nachdem der altehrwürdige Firmensitz in der Wilhelmstraße für die Herstellung von Druckerzeugnissen ein „logistischer wie energetischer Albtraum“ geworden war, wurde mit der im Plusenergie-Standard gebauten Nullemissionsfabrik die Benchmark für eine ganze Branche geschaffen. „Damals musste man Lieferanten und Kunden von Umweltthemen noch sehr stark überzeugen. Ich bin dankbar, dass wir hier dann kompromisslos in diese Richtung gegangen sind, weil es sich gezeigt hat, dass es der absolut richtige Weg war, insbesondere für oeding print. Und da wir ihn so früh eingeschlagen haben, haben wir die Nase jetzt wirklich vorn“, skizziert Frauke Oeding-­Blumenberg, die auch früh damit begann, ihren Betrieb zertifizieren zu lassen. Heute sei das beinahe eine Selbstverständlichkeit, doch vor dreizehn Jahren – seither zertifiziert das Umweltberatungsunternehmen Agimus von IHK-Vollversammlungskollege Dr. Ralf Utermöhlen die Oeding-Gruppe – sah das noch anders aus.
Jährlich werde seither ein Umweltbericht nach EMAS III und eine Emissionsbilanz nach GHG-Protokoll erstellt. Das zeige jedes Mal die größten Emissionsquellen und neue Ansatzmöglichkeiten auf. „Wenn man sich dafür entschließt, nachhaltig zu produzieren, ist zunächst einmal ein Bewerten nötig: Wo habe ich die größten Effekte und wo ist mein größter ökologischer Fußabdruck. Das Bilanzieren und Auditieren hilft uns, unsere Umweltauswirkungen im Blick zu behalten und Einsparpotenziale zu identifizieren und auszunutzen. Das zu evaluieren ist für jede Branche respektive jedes Unternehmen unterschiedlich. In der Druck- und Medienbranche sind die Hauptthemen, die wir im Auge behalten müssen, der Ressourcenverbrauch, in erster Linie Papier. Der zweitgrößte Faktor ist, wenn ich mir die Ökobilanz anschaue, die eingesetzte Energie. Das sind die größten Stellschrauben, an denen wir drehen können“, erklärt Roland ­Makulla, bei Oeding verantwortlich für die Themen Nachhaltigkeit und Zertifizierungen. „Wir schauen aber auch genau, was wir an Druck- und Hilfsmittel einsetzen und an gefährlichen Abfällen produzieren und hinterfragen, wie wir dort substituieren können.“ Es werde möglichst viel Recyclingmaterial eingesetzt und mit Blick auf die erwünschte Kreislaufwirtschaft geschaut, dass die Stoffe möglichst komplett in die Verwertung zurückgeführt werden können.

Rapide beschleunigter Veränderungsprozess

In seiner langen Geschichte hat sich das Unternehmen entlang technischer, aber auch gesellschaftlicher und sozialer Standards immer wieder neu erfinden müssen. Die Geschwindigkeit des Veränderungsprozesses hat dabei rapide zugenommen. Die Herausforderungen seien heute größer denn je, glaubt Makulla. „Unternehmen werden immer kritischer, überlegen sehr genau, was überhaupt noch in Print produziert werden soll. Deshalb ist schon zu erkennen, dass die Auflagen vor allem bei Produkten rückläufig sind, die eine eher begrenzte Lebenszeit haben“, erklärt der Nachhaltigkeitsexperte. „Auf der anderen Seite achten Kunden aber darauf, dass das, was sie noch produzieren, hochwertig und nachhaltig ist. Sie sind zudem sehr bedacht, in ihrer eigenen Kommunikation und Außenwirkung das Thema zu spielen. Natürlich bezahlt uns niemand allein dafür, dass wir grün drucken, allerdings sind wir in einer recht guten Position, weil wir genau das anbieten können, tiefgehende Beratungsleistung inklusive. Von dieser Positionierung, die wir uns im gesamten deutschsprachigen Raum erarbeitet haben, profitieren wir. Es braucht im Vorfeld halt die Vision und den unternehmerischen Mut und die unternehmerische Verantwortung, in diese zu investieren.“ Das unterscheidet Oeding von einem Großteil der Mitbewerber in der Druckbranche. Von den knapp 7000 Druckereien, die es aktuell noch in Deutschland gibt, seien vielleicht 50 oder 100 wirklich nachhaltig. „Auf unserem Level fahren, wenn es hochkommt, fünf bis zehn“, schätzt Oeding-Blumenberg.

Mit technischen Mitteln dem Fachkräftemangel trotzen

Auch der deutlich spürbare Trend zu starken Nachhaltigkeitslabeln wie dem Blauen Engel oder komplett veganer Produktionsweise helfe dem Unternehmen Oeding im rückläufigen Marktumfeld. Hinzugekommene anspruchsvolle Kunden hätten Einbußen in anderen Bereichen gut kompensiert – nicht zuletzt in den zurückliegenden Krisenjahren.
So konnte der in der Vor-Coronazeit zwischen 13 und 15 Millionen Euro pendelnde Jahresumsatz in der Größenordnung gehalten werden. Auch die Belegschaft in der Oeding-Unternehmensgruppe sei stabil. Allerdings, so Roland Makulla, spüre man den Fachkräftemangel inzwischen auch in Braunschweig-Rautheim recht deutlich: „Wir haben angefangen, mit einer höheren Automatisierung gegenzusteuern, weil wir in einigen Bereichen überhaupt keine Mitarbeiter mehr finden konnten, obwohl wir sie lange gesucht haben. In der Weiterverarbeitung beispielsweise haben wir Roboter angeschafft. Das ist eine körperlich sehr anspruchsvolle Arbeit, und wer möchte die heute noch machen.“
In der Redaktion des Stadtmagazins „Subway“, welches die Oeding-Unternehmensgruppe vor rund sechs Jahren erworben hat, gab es zuletzt ebenfalls personelle Veränderungen. Übergangsweise haben hier freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter intensiver als sonst zur Feder gegriffen. Allerdings, betont Frauke Oeding-­Blumenberg, würden hier freie Stellen zeitnah nachbesetzt. Im „Sonderfall“ Verzeichnismedien, in diesem Geschäftszweig arbeiten IT-ler ausgesprochen eng mit Bürokräften zusammen, sei die Fachkräfte-Situation sehr gut. Genauer hinsehen möchte die Unternehmenschefin hingegen beim Vertrieb: „Hier müssen wir schauen, dass wir den digitalen Ausbau vorantreiben, womöglich auch mit eigenen Angestellten. Aktuell arbeiten wir in diesem Bereich ausschließlich mit freien Handelsvertretern und testen, wie viele andere Verlage auch, was der richtige Weg ist. Im Moment haben wir einen absoluten Arbeitnehmermarkt. Das ist für uns nicht immer schön, allerdings eine spannende Chance für junge Leute, die nachrücken – in allen Bereichen. Unsere neun Auszubildenden beispielsweise wollen interessante Themen und Projekte haben.“
Das wiederum könnten auch ganz unkonventionelle Projekte sein. Vor kurzem habe man damit begonnen, gemeinschaftlich den Garten am Firmensitz umzugestalten. „Blumen, Blühwiese und Hochbeete – das kommt gut an und ist ein Stück weit unser Rezept gegen die neue deutsche Unverbindlichkeit. Die Loyalität von Mitarbeitern zum Unternehmen wie man sie von früher kennt, wird es in der Form künftig immer weniger geben. Das ändert sich, weil die Menschen einen ganz anderen Lebensrhythmus und ganz andere Erwartungen haben. Da muss man sich als Unternehmen schon ein bisschen drauf einlassen. Wir arbeiten in einer Branche, die, was Gehälter anbelangt, nicht mit der Konzernwelt mithalten kann. Themen wie die Nachhaltigkeit können hier Verbindungen schaffen. Die Bewerber erkennen: Hier geht es um Dinge, die mich auch privat umtreiben.“

Erweiterung des Portfolios mit Weitsicht

Eine sinnvolle Ergänzung für das Dienstleistungsportfolio stellt die nach langer Zusammenarbeit gekaufte Lithoscan crossmedia. Seit April 2022 gehört die auf Dialogmarketing spezialisierte 15-Mitarbeiter-Firma aus dem Heidberg zur Oeding-Gruppe.
Grundsätzlich werde die Resilienz eines Unternehmens künftig in noch stärkerem Maße durch hohe Flexibilität und Schnelligkeit sowie eine gewisse Weitsicht in Bezug auf Diversifikation und Zukunftsmärkte bestimmt, glaubt Roland Makulla: „Durch den in den wilden Jahren noch befeuerten Transformationsprozess gilt es für alle, sich ein Stück weit zu finden; was möchte der Markt, was möchten die Kunden? Das wiederum erfordert die Bereitschaft, immer wieder neu zu lernen.“
Frauke Oeding-Blumenberg bringt die Weitsicht fürs Business als studierte Betriebswirtschaftlerin mit. Seit 1985 ist sie im Familienunternehmen, 1994 übernahm sie als Geschäftsführerin den Staffelstab von Vater Ernst Oeding. Als weitere Gesellschafterinnen zur Seite stehen ihr, in einer nach wie vor von Männern dominierten Branche durchaus eine Besonderheit, ihre beiden Schwestern und eine Cousine. Ob aus diesem familiären Kreis einmal die nächste Geschäftsführerin oder der nächste Geschäftsführer hervorgeht, steht derzeit noch in den Sternen. „Unsere Kinder befinden sich in der Schule oder im Studium. Sie werden selbst entscheiden, ob sie eine Mediengruppe in dem zur Zeit wirklich wildem Fahrwasser übernehmen möchten“, findet Oeding-Blumenberg, die sich irgendwann auch eine externe Nachfolgelösung mit Fremdgeschäftsführung vorstellen könnte. „Das finden wir gar nicht schlimm. Es bleibt ja trotzdem das Familienunternehmen, weil sich alle Gesellschafterinnen einig sind, dass sie Gesellschafterinnen bleiben. Anlässlich des 225-jährigen Jubiläums ist für mich nochmal stärker ins Bewusstsein gerückt, was die einzelnen Generationen im Unternehmen geleistet haben, gemeinsam mit den Mitarbeitern. Und es macht mich einfach stolz, sagen zu können: Uns gibt es immer noch. Für mich ist es ein Ansporn, dass die Unternehmensgruppe weiterlebt.“
pau