IHK-Sommerabend 2023 in Salzgitter - Ein starkes Signal für Innovation und Zusammenarbeit

Wenn der IHK-Sommerabend nahezu 600 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung auf dem Wasserstoffcampus in Salzgitter zusammenbringt, geht es weit über ein gesellschaftliches Ereignis hinaus. Der Abend wird zu einer Bühne, auf der offen und ehrlich geredet wird. IHK-Präsident Tobias Hoffmann nutzte die Gelegenheit, um seine Erwartungen bezüglich der Energiewende, des Fachkräftemangels und des Bürokratieabbaus direkt an Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil zu richten. Weil seinerseits äußerte, was er von den Unternehmerinnen und Unternehmern erwartet. Nicht nur die beiden Redner standen im Mittelpunkt, sondern auch der Veranstaltungsort – als Beleg für die Innovationskraft, die unsere Region repräsentiert.
Zu Beginn seiner Rede würdigte ­Tobias Hoffmann, dass Stephan Weil direkt nach seiner Wiederwahl zugesagt hatte, zum IHK-Sommerabend zu kommen. „Ich danke Ihnen für das damit ausgedrückte Interesse an unserer Arbeit und für die Wertschätzung zwischen Kammern und Landesregierung.“
Hoffmann unterstrich, dass viele Unternehmen mit Sorge in die Zukunft blicken, da die Unsicherheiten zugenommen haben. Dies sei nicht zuletzt auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine und die Gegensätze zwischen den USA und China zurückzuführen. Der IHK-Präsident betonte weiterhin, dass es an einem angemessenen Ausbau der Energienetze mangelt, um die Kapazitäten erneuerbarer Energien nutzen zu können. Unzureichende Planung und langwierige Genehmigungsprozesse hätten „gewaltige negative Effekte auf die Investitionsbereitschaft in Deutschland“.

Deutschland als attraktiven Standort für Fachkräfte positionieren

Darüber hinaus belastet der Mangel an Fachkräften und teilweise auch an Arbeitskräften die Wirtschaft stark. Hoffmann forderte die Politik auf, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um Deutschland als attraktiven Standort für Fachkräfte zu positionieren. Für Talente aus aller Welt sei unser Land „nicht besonders sexy“. Auch sollten wir darüber nachdenken, wie wir pensionierte Fachkräfte weiter einbinden und Quereinsteigern bessere Chancen eröffnen können – und das ohne unnötige bürokratische Hindernisse. „Die IHK ist offen für jede Diskussion und kann auch gute Vorschläge einbringen“, sagte er.
Das Lieferkettengesetz ist nach ­Hoffmann ein Beispiel für die zunehmenden bürokratischen Belastungen, denen kleine und mittlere Unternehmen ausgesetzt sind. Dabei zitierte er den DIHK-Präsidenten Peter Adrian, der die Auswirkungen folgendermaßen beschrieb: „Viele junge Leute erkennen offenbar immer weniger die Chancen eines eigenen Unternehmens, sondern fühlen sich durch Hemmnisse, Gängelei und Stolpersteine regelrecht abgeschreckt. Letzteres frustriert auch etablierte Unternehmerinnen und Unternehmer.“
Nachdem Hoffmann diese Besorgnisse deutlich dargestellt hatte, wandte er sich direkt an seinen Gast aus Hannover und schloss seine Rede mit den nachdrücklichen Worten: „Herr Ministerpräsident Weil, machen Sie Ihren Einfluss im Gesetzgebungsweg zu schnellerer Umsetzung, schlankeren Genehmigungsverfahren und angemessenerer Bürokratie geltend.“

„Es ist uns gelungen, die Wirtschafts-kraft in unserem Land zu erhalten“

Als Weil das Podium betrat, erklärte er, der Einladung der IHK Braunschweig mit Freude gefolgt zu sein und dass er in den vergangenen Jahren keine solche Gelegenheit ausgelassen habe. Der Ministerpräsident hob hervor, dass es noch nie eine Zeit gab, in der Politik und Wirtschaft in Niedersachsen so eng zusammengearbeitet haben. „Dies ist ein Grund dafür, dass wir trotz der riesigen Herausforderungen am Ende des Jahres 2022 sagen konnten: Es ist uns gelungen, die Wirtschaftskraft in unserem Land zu erhalten.“
Er betonte, dass die Zukunft Deutschlands maßgeblich von einer gut ausgebildeten Bevölkerung abhänge, einschließlich der Zuwanderung. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz habe man einen wichtigen Schritt unternommen, um die rechtlichen Rahmenbedingungen erheblich zu verbessern. Darüber hinaus sei es von großer Bedeutung, dass Menschen das Gefühl haben, am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Weil appellierte eindringlich an die Gäste, in ihren Unternehmen darüber nachzudenken, wie sie diese Willkommenskultur für Zuwandernde fördern können.
Im Hinblick auf erneuerbare Energien betonte Weil, dass neben den Risiken und Herausforderungen auch zahlreiche Chancen bestünden. Diese Chancen fasste er unter dem Begriff „Energieland Niedersachsen“ zusammen. Mit seinen geologischen Voraussetzungen für große Speicherkapazitäten, einem überdurchschnittlich gut entwickelten Energienetz und seiner Position als Tor für internationale Energie sei Niedersachsen nicht nur an der Küste, sondern auch im Binnenland ein Fundament für Wertschöpfung. Weil bekräftigte, dass es kein wichtigeres Projekt seitens der Politik gebe, „als Niedersachsen fit für die Energiewende und zum Energieland Nummer eins in Deutschland zu machen“.

„Wir müssen unser Land schneller, einfacher und zukunftsfähiger machen“

Weil erkannte an, dass sich der Prozess der Überregulierung und Überbürokratisierung negativ auf verschiedene gesellschaftliche Bereiche auswirkt. Er verwies jedoch auch auf positive Beispiele wie den Bau des LNG-Terminals in Wilhelmshaven und betonte, dass solche Beschleunigungsmaßnahmen zum Standard für Infrastrukturprojekte werden sollten. Fristen für Einsprüche sollen verkürzt und Verfahren digitalisiert werden. Weil unterstrich: „Wir müssen unser Land schneller, einfacher und zukunftsfähiger machen.“
Zum Abschluss seiner Rede erinnerte Weil noch einmal an den Beginn und betonte die stets gute Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft. Selbst bei unterschiedlichen Meinungen sei es immer gelungen, diese konstruktiv auszutragen und ein reibungsloses Miteinander zu gewährleisten. Er äußerte seine Vorfreude auf weitere gute Erfahrungen mit der regionalen Wirtschaft und schlussendlich den Wunsch: „Die Region möge wachsen und gedeihen – denn dann geht es auch Niedersachsen gut.“

Auf dem Wasserstoffcampus werden innovative Lösungen und Technologien entwickelt

Salzgitter trägt maßgeblich zur Blüte bei und wurde von Weil als „Hauptstadt der Transformation“ bezeichnet. Auf dem Wasserstoffcampus werden innovative Lösungen und Technologien entwickelt und umgesetzt, um die industrielle Produktion zu verändern und Ökonomie und Ökologie miteinander in Einklang zu bringen. Prof. Dr.-Ing. Sabrina Zellmer, Abteilungsleiterin Verfahrens- und Fertigungstechnik für nachhaltige Energiespeicher am Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST, ermutigte die Gäste dazu, den Wasserstoffcampus und sein starkes Bündnis aus Industrie, Politik und Wissenschaft zu nutzen und sich selbst zu Wasserstoffexperten zu machen.
Im Anschluss wurde deutlich, welches Potenzial dieser Zusammenschluss hat und welche Akteure sich dafür engagieren. Vertreter von sechs Unternehmen, die gleichzeitig die Sponsoren des IHK-Sommerabends waren, betraten das Podium und gaben Einblick in ihre Bemühungen zur Stärkung des Campus und zur Entwicklung von grünem Wasserstoff. Zu den Unternehmen gehörten Robert Bosch Elektronik, die Allianz für die Region, Salzgitter Flachstahl, Alstom, MAN Truck & Bus und Avacon Netz.
Michael Gensicke, Geschäftsführer von Robert Bosch Elektronik, bezeichnete den Wasserstoffcampus als „Kristallisationspunkt“, an dem die Expertise und die Ideen von vielen Beteiligten zusammenfließen. Auf dem Campus konnte ein Lkw von MAN begutachtet werden, der mit Brennstoffzellentechnologie von Bosch und Wasserstoff im Tank ausgestattet ist. Gerd Kubin, Standortleiter von MAN Truck & Bus, verkündete, dass bereits fünf Pilotkunden für das Jahr 2025 mit 200 Fahrzeugen versorgt werden wollen.
„Für uns ist es ein Glücksfall, auf dem Campus so starke Mitstreiter zu haben“, sagte Alstom-­Geschäftsführer Dr. ­Christian ­Bieniek, der mit seinem Mitarbeiterteam den weltweit ersten mit einer Wasserstoff-Brennstoffzelle betriebenen Personenzug auf die Schiene gebracht hat. „Für diese Region ist es ganz wichtig, in solchen Zukunftsthemen vorneweg zu sein.“
An der Spitze dieser Bewegung steht die Salzgitter AG, die zur Dekarbonisierung der Stahlproduktion auf grünen Wasserstoff setzt. Gerd Baresch, Technischer Geschäftsführer von Salzgitter Flachstahl, unterstrich: „Wir graben praktisch das ganze Werksgelände um und bauen hier eine neue Stahlindustrie auf.“ Er fügte hinzu, dass der grüne Stahl aus dem ersten Produktionsjahr bereits verkauft ist.

IHK-Sommerabend unter dem Motto „Starke Region: Starke Zukunft“

Der Sommerabend fand unter dem Motto „Starke Region: Starke Zukunft“ statt, wobei die IHK Braunschweig als direkte Verbindung zu den Unternehmen eine maßgebliche Rolle für die Entwicklung der Region spielt. IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Florian Löbermann wies auf die Veranstaltungsreihe „IHK vor Ort“ hin, bei der sein Team mit Unternehmerinnen und Unternehmern zusammenkommt, um deren Bedürfnisse und Anliegen aufzugreifen und zu vertreten.
Löbermann hob auch den vor einem Jahr von der IHK gegründeten Regionalen Wirtschaftsausschuss Salzgitter hervor, der Impulse für die Weiterentwicklung des Standortes setzt. Auch das Thema Ausbildung nimmt einen hohen Stellenwert ein. Er erwähnte die Qualifizierungsmaßnahme, bei der Auszubildende zu Energie-Scouts werden, um in ihren Unternehmen Einsparpotenziale zu erkennen und Verbesserungen anzustoßen. Diese neue Initiative der IHK sei so erfolgreich gewesen, „dass wir jetzt in die zweite Runde gehen werden“.
Eine Neuauflage erfährt auch der Sommerabend, der im kommenden Jahr bereits frühzeitig zum IHK-Frühlingsabend wird und in Wolfenbüttel stattfindet. Ministerpräsident Weil hatte sich die Lessing-Stadt als Gastgeber gewünscht und IHK-Präsident Hoffmann mit seinem überdimensionalen Dartpfeil auf der Regions-Scheibe das Ziel sicher getroffen – ein gelungenes Zusammenspiel von Politik und Wirtschaft.
boy
5/2023