Handel ist Wandel

Bald drei Jahre ist es her, dass Ulrike und Andreas Ring mit ihrem Summersby-Store den Sprung auf die auch flächenmäßig große Einzelhandelsbühne wagten. Betrieb das Paar zeitweilig sehr erfolgreich bis zu acht Geschäfte in Braunschweig und Wolfsburg, sollten fortan parallel zu ihren Läden in den Schloss-Arkaden und vor der Burg die Kräfte im runderneuerten Langerfeldt-Haus gebündelt werden. Die Verkündung des Lockdowns zwei Tage vor der geplanten Eröffnungsfeier mit 200 geladenen Gästen war dann ein großer Schock. „Es hat doch nie jemand damit gerechnet, dass wir mal eine Art Berufsverbot kriegen können, von heute auf morgen. Und dann hatten wir ja auch noch die besondere Situation, dass wir alles stornieren mussten“, erinnert sich Andreas Ring kopfschüttelnd. Vielleicht kann die große Sause von damals ja 2023 nachgeholt werden, dann sind die Rings 30 Jahre im Einzelhandelsbusiness dabei. Ein Grund zum Feiern wäre das in jedem Fall, ist dem Fashion-Duo der Erfolg doch bis heute treu geblieben – allen unerwarteten Herausforderungen zum Trotz.
Dabei sei im Zuge der Pandemie in Sachen Buchhaltung und Verwaltung schon ein Batzen Arbeit hinzugekommen. Ein zusätzlicher Zeitaufwand, der im Grunde bis heute zu leisten ist, wenn man an die Beantragung von Überbrückungshilfen und zu stellende Korrekturanträge denkt. „Ein Drittel mehr Bürokratie war das zeitweilig“, beziffert ­Andreas Ring, bei Summersby für den großen kaufmännischen Rahmen im Hintergrund zuständig. „Nicht eben wenig, wenn man bedenkt, dass wir für administrative Dinge nicht so großartig besetzt sind.“ Seine Frau und Geschäftspartnerin nickt: „Am Ende hat das natürlich Ängste ausgelöst. Ganz neuer Laden, ganz neue Ware, ganz neue Kredite. Die Sachen müssen ja bezahlt werden.“ Und letztlich übertrage sich jede Form der Unsicherheit naturgemäß irgendwann auch auf die Mitarbeitenden.

Jede Menge Erfahrung

Auch wenn man, seit inzwischen 30 ­Jahren in der Branche tätig und mit Höhen und Tiefen des Geschäfts vertraut, in der Retrospektive über nächtens verkündete und unverzüglich umzusetzende ­Konzepte und Verordnungen der Landesregierung oder nicht funktionierende Browser bei der NBank beinahe schon wieder schmunzeln könne und diese aufreibende Zeit letztlich mit Bravour gemeistert worden sei: damals habe die Situation durchaus für graue Haare gesorgt und mehr Nerven gekostet als jede andere Herausforderung in ihrer persönlichen Einzelhandelsgeschichte.
Diese startete 1993 am Burgplatz – Ecke vor der Burg/Papenstieg. Im ehemaligen Spielzeuggeschäft Tiebe entstand der erste Laends End Casual Store (nicht zu verwechseln mit dem Onlineshop Lands‘ End). In den folgenden Jahren kamen in den verwinkelten Räumen der historischen Häuser vor der Burg weitere Laends End Stores dazu. „Wir haben recht früh mit Franchise angefangen, mit Esprit oder S.Oliver. Das haben wir aber sukzessive abgelöst. Seit 2009 agieren wir ausschließlich als Multilabel unter dem Namen Summersby“, skizziert Ulrike Ring, die als gelernte Hotelkauffrau für die Präsentation der Waren und den Verkauf verantwortlich zeichnet. Der Name stehe für ein neues Lebensgefühl, für Freude, Kreativität und Spontanität.
Nach einer Phase mit zwischenzeitlich acht Geschäften, darunter zwei Franchisefilialen in der Wolfsburger Citygalerie, sei man zuletzt der Gesamtentwicklung des Einzelhandels gefolgt. „Die Multiplikation der Flächen ließ sich nicht mehr durchhalten. Wir haben etwas gesundgeschrumpft vor der Entscheidung gestanden, mit vier oder fünf Flächen weiterzumachen oder auf eine größere zu gehen. Wir haben das für uns durchgerechnet und beschlossen, dass die große Lösung Sinn ergibt, wenn wir eine geeignete Fläche finden“, erklärt Andreas Ring, der vor seiner Karriere im Handel ein Referendariat als Gymnasiallehrer für die Fächerkombination Deutsch und Sport abschloss. Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen habe dann doch eine gewisse Zeit in Anspruch genommen. „Wir hatten eigentlich schon länger den Wunsch, uns eine große Fläche zu suchen. Dass man in Fachwerkhäusern über zwei Etagen verkauft, das gibt es heute ja kaum noch. Wir wollten neben der kleinen sportlicheren Summersby-Filiale im Schloss und dem Marc Cain Shop vor der Burg eine große und moderne Fläche, die im Großstadt-Kontext konkurrenzfähig ist“, spezifiziert Ulrike Ring.
Vor fünf bis sechs Jahren habe sich schließlich das traditionsreiche Langerfeldt-Haus als Option aufgetan. Als man nach dem erfolgten Komplettumbau den Zuschlag erhielt, sei die Freude riesig gewesen. „Da die Intention, uns auf einer großen Fläche entsprechend darzustellen, schon länger da war, hat auch die Zusammenlegung der Teams zu einem großen Ganzen sehr gut funktioniert.“

„Alles so, wie es sein muss“

Sowohl Ulrike als auch Andreas Ring betonen, wie wichtig es für sie gewesen sei, in der Innenstadt zu bleiben. „Die lieben wir beide“, strahlt der Geschäftsführer und die Geschäftsführerin analysiert ­schwärmerisch: „In diesem Fall war einfach alles ideal. Der Umzug ging nur eine Straße weiter und auch das historische Ambiente mit neuem Style passt optimal. Hier ist alles so, wie es sein muss. In der Innenhof-Lounge können unsere Kunden im Sommer gemütlich Kaffee trinken und direkt gegenüber bietet das Mono mit zeitgenössischer japanischer Küche eine wirklich großartige Gastronomie. Das befruchtet sich schon, finde ich. Und wenn man dort draußen sitzt, hat das wirklich Großstadtflair.“
Auch auf den Umbau der Erdgeschossfläche haben die Rings Einfluss nehmen und sich mit Wünschen einbringen können: „Es gab mit Vajen und Partner ein Architektenbüro mit großen Visionen. Sie hatten einen tollen Blick für das Haus, das analog zu 1897 wieder aufgebaut worden ist. Das ging vorher über zwei Etagen. Am Anfang wurden wir gefragt, ob wir es in der Form mieten wollen. Wir haben aufgrund der Situation im stationären Einzelhandel allerdings gesagt, dass uns das Erdgeschoss für sich genommen ausreicht. Also wurden die Decken geschlossen. Eine sehr schöne Lösung.“
Jetzt misst die Verkaufsfläche etwa 800 Quadratmeter, insgesamt sind es mehr als 900. Die Kunden hätten den Schritt auf die große Einzelhandelsbühne gut angenommen, berichtet das Geschäftsführerpaar. „Dadurch, dass einige Mitarbeiterinnen 20 Jahre bei uns sind, haben wir einen großen, ganz tollen Kreis an Stammkunden, die uns treu geblieben sind, sich mit uns gefreut haben. Auf der großen Fläche kommen nun zusätzlich auch jene Kunden ins Geschäft, die einfach ungestört stöbern möchten“, berichtet Ulrike Ring, „trotzdem sind wir eben absolut serviceorientiert und bieten eine intensive Beratung.“

Die Basis: gute Beratung, echter Service

Die aktive Kundenpflege, den Aufbau einer echten Mitarbeiter-Kunden-Beziehung und die fachkundige Beratung – diesen Dreiklang empfinde sie mittlerweile als rares Gut. „Gerade die im Grunde einfachen Dinge wie Wasser für den Hund, Kaffee für die wartende Begleitung, eine barrierefreie Kundentoilette, Wickelkommode und Spielecke sind wichtig und werden von Kunden honoriert. In Warenhäusern kriegen Sie das nicht mehr unbedingt und selbst die Kassen müssen Sie suchen.“ Nicht zuletzt aufgrund des hierzulande kriselnden Handelsmodells „Warenhaus“ seien gute, die Quartiere lebendig haltende Mittelständler immens wichtig – für jede Stadt.
Sie seien es am Ende, die sich Dinge einfallen lassen, die den Einkauf zum Erlebnis werden lassen. Mikro-Events zum Beispiel. War es in der Coronazeit nicht möglich, so werde jetzt umso intensiver geschaut, was sich im Verbund mit anderen Firmen der Region kreativ so alles realisieren lässt. Erst kürzlich hätten beispielsweise die Eintracht-Profis Fabio Kaufmann, Michael Schultz und Jannis Nikolaou ihren Online-Shop für nachhaltige Produkte bei Summersby vorgestellt. Ein Trio mit Zugkraft insbesondere für junge Fans. Dabei sei die Kernzielgruppe des Modehauses durchaus eine ältere. „Mit unseren Einstiegspreisen bewegen wir uns ja nicht im Luxus aber doch im mittleren bis gehobenen Bereich. Unser Sortiment spricht Kunden ab 25 Jahren an, der Schwerpunkt liegt ab 40 Jahren aufwärts. Wobei der Einstiegspreis unseres Stores in den Schloss-Arkaden aufgrund der vermehrten Laufkundschaft eher niedriger sein muss“, erklärt Ulrike Ring.
Die Markenwelt, da unterscheidet sich Summersby wenig vom inzwischen gängigen Handelsmodell „Concept Store“, wird um ein Kernsortiment herum aufgebaut. Dabei ergänzen bestimmte Tendenzen und Trends bedienende Labels das Portfolio. So gebe es immer eine Hand voll Marken, die getestet werden, berichtet die Geschäftsführerin: „Wir hatten beispielsweise schon immer nachhaltige Brands im Programm, beobachten aber, dass seit zwei oder drei Jahren verstärkt danach gefragt wird. Da ist mehr Zug drin. Schlussendlich müssen wir uns da selbst immer wieder weiterentwickeln. Handel ist Wandel! Deshalb gibt es um die Stammlabel regelmäßig neue Marken, die eine bestimmte Geschichte erzählen und die Kunden abholen.“

Das richtige Produkt zur richtigen Zeit – und Persönlichkeit

Insbesondere bei modisch ausgerichteten Sortimenten wie dem von Summersby bergen Lieferschwierigkeiten ein beträchtliches Risiko. Engpässe bei der Warenbeschaffung könne es noch eine ganze Weile geben, machen sich die Rings keiner Illusion hin. Zumindest ließe sich in diesem Punkt nicht zweifelsfrei sagen, wohin die Reise geht. Deshalb müsse der Fokus auch darauf gerichtet sein, bestimmte Produkte wirklich immer vorrätig zu haben. „Wir brauchen Marken, die leistungs- und lieferfähig sind. Das richtige Produkt zur richtigen Zeit: Farbe, Material, Mode. Auch die Nachhaltigkeit ist viel wichtiger geworden“, fasst Ulrike Ring zusammen, die darüber hinaus fest daran glaubt, dass trotz der an Bedeutung zunehmenden digitalen Kanäle die Persönlichkeit im Einzelhandel künftig noch wichtiger wird. „Kunden können den Klick zwar jederzeit ins Internet geben, begeistern kann ich sie jedoch nur auf der Fläche und das ist ein Teil unseres Profils. Wir wollen den Kunden auf der Fläche glücklich machen!“
Zwischen vier und acht Mitarbeitende seien immer im Verkauf. 30 Beschäftigte hat das Unternehmen insgesamt. Etwa 60 Prozent seien Vollzeitkräfte oder „annähernd Vollzeit“. Vier Teilzeitmitarbeiterinnen kümmern sich inzwischen auch um das Online-Geschäft, das in der Pandemie wie überall deutlich zugenommen habe. 2020 habe der Anteil zwölf bis 13 Prozent des Gesamtumsatzes ausgemacht, aktuell sei er etwas rückläufig. Langfristig strebe man 15 Prozent an. Wobei die Abhängigkeit von den großen Marktplätzen, hohe Stornoquoten inklusive, und die Konkurrenz durch den Selbstvertrieb der Hersteller nicht ohne Tücken sei.
„Das ist ein Aspekt, den die Politik noch nicht in Gänze verstanden hat. Die meisten wissen nichts über die Prozesse, die dahinterstehen, übersehen, dass die Renditen für den Handel zum Teil wirklich minimal sind“, ärgert sich Ulrike Ring. „Es hieß zuletzt nur immer: Ihr müsst Euch online aufstellen. Dass die großen gegenüber kleinen Playern Möglichkeiten-technisch klar im Vorteil sind, wird gerne übersehen. Noch viel wichtiger wäre allerdings, dass sich die politischen Akteure endlich Gedanken machen, wie die Rahmenbedingungen des stationären Handels im Sinne einer Chancengleichheit im Wettbewerb mit dem Onlinehandel verbessert werden können.“

Schnelles Lernen im Lockdown

Grundsätzlich komme man um ein adäquates Warenangebot im Netz jedoch nicht umhin. „Wir waren Gott sei Dank schon vor dem Lockdown so weit, dass wir uns digital breiter aufgestellt haben. In den heißen Sommern wie 2018 haben wir gemerkt, dass die Stadt total leer ist, weil bei 40 Grad kein Mensch in die Stadt kommt. Da haben wir uns gesagt, dass wir da zumindest ein bisschen partizipieren wollen, wenn die Leute im Gartenstuhl online einkaufen. Wir müssen unsere Produkte in einem eigenen Shop digital abbilden und dem Kunden die Möglichkeit bieten, die Produkte online kaufen zu können. Zum Glück waren wir Anfang 2020 bereit, das auszurollen“, schildert ­Andreas Ring. „Durch den Lockdown wurde das alles natürlich beschleunigt. Das Ankoppeln an Online-Marktplätze war für uns zwar neu. Wir haben schnell gelernt, wie man pickt, packt und verpackt.“ Jetzt laufe beides in friedlicher Koexistenz nebeneinander. Langfristig müsse freilich immer wieder geschaut werden, wie die strategische Ausrichtung sein soll.
Für dieses Jahr streben Ulrike und ­Andreas Ring mit Summersby, die beiden weiteren Filialen im Schloss und vor der Burg mit einbezogen, die Umsatzmarke von 4 Millionen Euro an. Ohne Krisen, schätzen beide, wären sie wohl schon eine halbe Million weiter. Mittelfristig sei die 5 Millionengrenze das Ziel. „2020 lagen wir unter den Planungen, 2021 allerdings zum Teil schon darüber. Jetzt gibt es trotz aller Herausforderungen durch die gestiegenen Energiepreise und die Inflation wieder eine Steigerung. Trotz der permanenten Krise, der wir uns von Beginn an hier ausgesetzt sahen, sind wir also bis heute im Großen und Ganzen erfreulicherweise im ursprünglichen Plan“, sagt Andreas Ring. Auch wenn die Glaskugel für die weitere Entwicklung im Einzelhandel noch gesucht werde: für die Zukunft fühle man sich bestens aufgestellt.
pau