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Verbote versus Innovation
Behindert ein zu enges Regelwerk den Erfindungsgeist?
Tobias Hoffmann, Präsident der IHK Braunschweig
© André Pause
Auf einer Delegationsreise vor 5 Jahren ins Silicon Valley staunte ich nicht schlecht. Selbstfahrende Autos, blitzschnelle 3-D-Großdrucker, künstliche Intelligenzen, die selbstlernend Wissen erarbeiten und vermitteln. Alles im Echtbetrieb und offenbar mit gesellschaftlicher und gesetzlicher Akzeptanz.
Warum ist so etwas in Kalifornien möglich, während hier skeptisch diskutiert wird? Hüben hemmen Bedenken und Regelwerke die Fantasie, drüben wird mit Wumms entwickelt und ausprobiert. Ist ein Produkt oder ein Service in Übersee erst einmal marktreif, findet das Angebot seine Nachfrage auch bei uns. Hiesige Anwender und Verbraucher freuen sich, aber Profit und Ertragsteuer bleiben in Amerika. Das war so bei der aufkommenden E-Mobilität, bei den meisten Social-Media-Plattformen und so wird es bei ChatGPT und seinen Ablegern sein. Milliardenerträge für Aktionäre und Schatzamt dort und nennenswerte Anbieter hier: Fehlanzeige.
Stehen wir uns bei Innovation selbst im Wege, weil Gesetze den Rahmen zu eng setzen? Regelwerke sind ein Ausdruck der gesellschaftlichen Mentalität. Hierzulande ist ein hohes Maß an kollektiver Sicherheit gewünscht. Diese kulturelle Dimension heißt Ambiguitätstoleranz, und die ist bei uns vergleichsweise niedrig. Andernorts führen Risikobereitschaft und eine pragmatische Hands-on-Mentalität.
Waymo, die Google-Tochter mit autonomen Fahrzeugen, ließ uns auf die Frage nach einer Versicherung damals kühl wissen, diese Frage stelle sich doch gar nicht. Im risikofreudigen Valley sei so viel Risiko(!)-kapital unterwegs, da zahle man jeden Crash konsequent aus der eigenen Kasse. Jeder Rückschlag, so schlimm er auch sei, würde sofort analysiert und Erkenntnisse unmittelbar in die Verbesserung zum Nutzen Aller eingehen. Rumms, das saß. So eine ängstliche Frage können nur brave Vollkaskomenschen aus der alten Welt stellen.
Mein Plädoyer: Schaffen wir doch regelärmere Freiräume auch bei uns, damit Entwicklung und Innovation Luft zum Atmen haben. Das Recht soll nicht beseitigt, sondern intelligenter angewendet werden. Mit einem klugen Rechtsrahmen könnten innovationsfreudige Spielwiesen definiert werden, die z. B. vorübergehend von einengendem Arbeits-, Steuer-, Genehmigungs- und Hochschulrecht befreit sind. Wer keine Spielwiese hat, spielt nicht. Oder gleich woanders und damit für die Heimat oft endgültig verloren. Und Regelwerke sind auch nicht starr, sie entwickeln sich mit den Realitäten weiter. Aber bitte doch erst dann, wenn neue Realitäten ein zielgerichtetes gesetzgeberisches Verfahren erfordern. Starre Rahmen engen Innovation ein. Und in starre Rahmen fließt auch Risikokapital nur ungern. Und das ist auch ein Teil der Antwort auf die Frage eingangs.