Wohnungsnot und Baukrise – wie passt das zusammen?

Die Bauwirtschaft steckt nicht deshalb in der Krise, weil es keinen Bedarf gibt. Arbeit ist da: An der Wohnungsnot hat sich in den letzten Monaten genauso wenig geändert wie am mitleiderregenden Zustand der öffentlichen Infrastruktur. Den Unternehmen brechen die Aufträge nicht weg, weil die Kunden nicht bauen wollen, sondern weil sie nicht mehr bauen können. Die rasant gestiegenen Zinsen haben die Träume vieler Bauwilligen platzen lassen und die Kalkulationsgrundlagen von Investoren erschüttert. Aufträge werden deshalb reihenweise verschoben oder gestoppt. Was folgt, ist Stillstand – die Vollbremsung einer ganzen Branche aus vollem Lauf sozusagen. Die verschärften Dämmvorschriften, das Hickhack um das Heizungsgesetz und die von einem Tag auf den anderen umgestalteten Förderbedingungen haben die Misere noch verschärft. Die Politik hat die Krise auf diese Weise leider befördert, nicht abgeschwächt. Dass jetzt die gesamte Branche – die mit allen Verästelungen 2,5 Millionen Menschen beschäftigt, so viele wie keine andere – nach Berlin schaut, liegt in der Natur der Sache. Der Bund kann über Förderbedingungen, Abschreibungsmöglichkeiten und Steuererleichterungen die ärgsten Spitzen mildern. Vor allem aber – und darin liegt sogar eine Chance – kann er investieren. Neben Privaten und Unternehmen ist die öffentliche Hand schon immer der dritte große Auftraggeber der Bauwirtschaft. Und dass der Bedarf nach öffentlichen Bauleistungen nach wie vor groß ist, steht außer Frage.
Die Situation in unserer Region wird ähnlich eingeschätzt. Hohe Baupreise und Finanzierungskosten führen auch bei uns zur Zurückhaltung der Bauwilligen. Das neue Energiegebäudegesetz der Bundesregierung trägt auch nicht zur Beruhigung bei. Vielmehr wird dadurch der Altbestand an Wohnungen und Häusern massiv abgewertet. Wohnen wird damit immer mehr zu einer sozialen Frage. Zuwanderung und Flüchtlingsströme werden die absehbaren sozialen Spannungen beschleunigen. Schnelle Lösungen sind leider nicht in Sicht. Sollte die Situation sich jedoch nicht verbessern, droht der ganzen Baubranche der Verlust von Fachkräften, die nachhaltig abwandern und später nach einer etwaigen Erholung fehlen werden.
Wie können wir diesen schwierigen Rahmenbedingungen nun begegnen?
Die von der Bundesregierung anvisierten Sonderabschreibungen zeigen in die richtige Richtung. Diese sollten aber von dem immer wieder beschworenen Bürokratieabbau und mittels beschleunigter Genehmigungsverfahren flankiert werden. Gezielte Fördermaßnahmen insbesondere für Sozial­wohnungen würden Entlastungen bringen. Die Baukosten könnten zusätzlich über einen zeitlich befristeten Aufschub der Energiestandards für Neubauten spürbar gesenkt werden. Auf diese Weise könnten sich perspektivisch wieder mehr Menschen, ob als Mieter oder Eigentümer, Wohnraum leisten – ein wichtiger Baustein sozialer Ausgewogenheit.
7/2023