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Wer ist eigentlich Tatjana Biallas?
„Es soll nicht albern klingen, aber die Zeit hier hat mich noch mal ein wenig erwachsener gemacht, weil ich hier mit Thematiken und Altersstrukturen konfrontiert bin, die ich davor in meinem Berufsleben nicht hatte“, sagt Tatjana Biallas, seit Mitte April Geschäftsführerin der Funke Medien Niedersachsen.
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Klarer regionaler Fokus
Neu war für die gebürtige Ravensburgerin auch das Sujet „Print“ und vor allem der klare regionale Fokus im Job. Bei ihrer Tätigkeit für die auf weibliche Lifestylethemen spezialisierte Online-Plattform GoFeminin in Köln, die seit diesem Jahr zum Funke-Konzern gehört, sei das komplett anders gewesen. „Meine persönliche Relevanz vor Ort und die des Hauses beziehungsweise der Marke in der Region war aufgrund der national definierten Zielgruppe nicht einmal annähernd so stark wie hier mit der Braunschweiger Zeitung.“ In der Konsequenz erfordert dieser Umstand ein sehr viel höheres Maß der Beteiligung am gesellschaftlichen Geschehen, was Biallas wiederum eine Herzensangelegenheit ist.
Es gebe wahnsinnig viele Stakeholder in der Region, wohl deshalb, weil es mit Braunschweig und Wolfsburg gleich zwei starke Städte mit doch sehr unterschiedlichen Bedürfnisprofilen gebe. Sie selbst sei von Anfang proaktiv in den Austausch gegangen. „Wenn man den Menschen hier offen begegnet, kriegt man unfassbar viel. Wobei es in meinem Fall sicher auch der Rolle geschuldet ist, dass es ein solch großes Interesse gibt“, erzählt die 35-jährige Verlagschefin lächelnd: „Ich falle diesbezüglich ja ein bisschen aus dem Raster: Meine Vorgänger waren alle männlich und immer deutlich älter als ich. Insofern besteht insbesondere bei Vertretern aus Wirtschaft und Politik schon eine gewisse Neugier: Warum ist da jetzt so eine junge Frau, wie denkt die denn und wie können wir mit der zusammenarbeiten.“ Dieses Setting habe ihr geholfen anzukommen.
In Braunschweig fühle sie sich wohl, betont Tatjana Biallas, die mit Mann und Hund in fußläufiger Distanz zum Pressehaus ein Zuhause gefunden hat. „Ich finde es lebenswert hier. Deshalb bin ich selbst etwas erschrocken, dass ich die Stadt an sich gar nicht richtig kannte und teste jetzt in meinem Netzwerk immer wieder, ob das an mir lag oder daran, dass wir so wenig drüber sprechen.“ Dass es einen recht ausgeprägten Lokalpatriotismus gebe, sei ihr bereits aufgefallen, nur wüssten republikweit eben noch zu wenige um die Qualitäten unserer Region.
„Durch meine Verbindungen beispielsweise zur Allianz für die Region registriere ich das Entstehen verschiedener Initiativen, aber insgesamt müssen wir national einfach mehr trommeln! Das mag anders sein, wenn man in der Automobilbranche arbeitet, aber wäre Funke nicht auf mich zugekommen, hätte ich hier nicht aktiv nach einem Job gesucht“, skizziert die Geschäftsführerin, die sich wünscht, dass insbesondere Medienleute die Region künftig in größerer Zahl auf dem Zettel haben. „Wir wollen wachsen und brauchen dringend Menschen mit journalistischem Background, aber auch Marketingleute und Kreativschaffende müssen wir hier herkriegen.“
Eine Ideenministerin für die Transformation
Berufen wurde Tatjana Biallas, um die digitale Strategie des Funke-Standorts weiter auszubauen und das Potenzial der regionalen Marken noch besser auszuschöpfen. Ihre langjährige Expertise im Sales-Bereich sowie im Business Development, gesammelt in Köln und London, kommen ihr bei der Gestaltung des Transformationsprozesses zupass. „Der absolute Fokus liegt bei uns auf ‚digital first‘. Es geht allerdings nicht darum, dass wir von heute auf morgen keine Zeitung mehr machen. Im Gegenteil, das ist ja unser Herzstück. Zudem finanzieren uns die Printmedien aktuell den Wandel“, skizziert die Managerin. „Glücklicherweise glaubt man in diesem Haus wirklich an den Journalismus und investiert entsprechend, was uns hilft, auch mal durch schwierige Zeiten zu gehen, um mittel- bis langfristig ein transformiertes Medienhaus zu haben – das hier weiterhin Platzhirsch ist.“
Das Bündel der Ansätze und Maßnahmen zur Zielerreichung ist vielfältig und größtenteils bereits in der Umsetzung. Dazu gehören unter anderem die Festlegung einer klaren Paid-Strategie, Kooperationen mit der verlagseigenen Markenwelt, gezielte Zukäufe von Produkten bei gleichzeitiger Konsolidierung auf die Key-Marken, die Gründung von Thementeams zum Generieren passgenauer Inhalte für verschiedenste Publikumsschichten, die Entwicklung einer zeitgemäßen News-App sowie der beherzte Ausbau der Audio- und Videostrategie.
Die rasant gestiegene Zahl der Funke-Podcast gehören neben den elektronischen Ausgaben der Braunschweiger Zeitung, der Zeit und der New York Times nicht zuletzt auch zu Tatjana Biallas‘ festem morgendlichen Medienmix. In den vor wenigen Wochen gestarteten TikTok-Kanal ihrer Zeitungsredaktion schaue sie ebenfalls gerne mal rein. Das angesagte Videoportal ist nur ein Beispiel, wie dem veränderten Medienkonsumverhalten insbesondere junger Menschen unter ihrer Führung Rechnung getragen wird. „Ich werde oft als eine Art Ideenministerin beschrieben und habe bislang wohl auch deshalb viel erreicht, weil ich mir vorstellen kann, dass Dinge möglich sind“, sagt sie.
„Manche mögen das als Tagträumerei abtun, ich weiß aber, dass, wenn man an einen Traum glaubt, man vieles wirklich schaffen kann. So bin ich hier angetreten: Ich glaube an den Traum, dass wir rein digital finanzierbar sein können.“
pau