Mit Wasserstoff-Technologie auf Wachstumskurs

Seit 50 Jahren unterstützt die Firma Fest in Goslar Industrieunternehmen bei den Themen Prozessoptimierung, Automatisierung und Modernisierung. Zu den Kunden gehören namhafte Größen der Branchen wie die Salzgitter AG oder Thyssen Krupp. Doch der Grund, warum das Unternehmen in den Jahren stark expandieren und deshalb auch ein neues Betriebsgelände erschließen will, ist nicht in diesem traditionellen Geschäftsbereich zu suchen. Stattdessen ist Fest auf dem Weg, ein gewichtiger Player im Bereich der Wasserstofftechnologie zu werden.
Vor dem Unternehmensgebäude werden gerade Schaltschränke auf einen Lkw verladen. In der Fertigungshalle arbeiten Fachkräfte an deren Fertigstellung. Die jedoch lässt in vielen Fällen auf sich warten. Die Lieferschwierigkeiten auf dem asiatischen Markt wirken sich auch bis in den ehemaligen Hüttenort Oker aus, in dem die Firma 1948 gegründet wurde und ab 1972 von Peter Fest als Elektrotechnik-Spezialist etabliert wurde. „Bei manchen Komponenten werden die Liefer­zeiten mit 300 Werktagen angegeben“, sagt der kaufmännische Leiter Oliver Hennig. Oft fehlen nur einzelne Relays, ohne die eine Auslieferung zum Kunden jedoch nicht möglich ist.

Stabile Zahlen

Über Jahrzehnte hinweg hatte die Firma stets die Industrieanlagen seiner Kunden im Blick. Klassische, von manuellen Teilvorgängen geprägte Produktionslinien wurden durch skalierbare, digital vernetzte und ideal aufeinander abgestimmte Soft- und Hardwarelösungen zukunftsfähig gemacht. Die Fest-Mitarbeiter automatisierten Neuanlagen und modernisierten Altanlagen, um die Produktionsleistung und Ausfallsicherheit zu steigern. Zwischen 12 und 15 Millionen im Jahr setzt das Unternehmen mit diesen Leistungen auch heute noch um. „Wir gehen davon aus, dass diese Zahlen stabil bleiben werden“, sagt Hennig.
Stabil bleiben bedeutet: Es muss nicht weniger werden. Aber ein bedeutendes Steigerungspotenzial sieht die Geschäftsführung in diesem Bereich auch nicht. Deutlich positiver stellt sich die Lage in einem anderen Bereich dar: der Wasserstofftechnologie. Denn seit Mitte 2019 plant, entwickelt, fertigt und installiert Fest Wasserstoff-Elektrolyseanlagen und Versorgungssysteme für sogenannte Power-to-X-Anwendungen. Der Begriff bezeichnet Technologien zur Speicherung von Energie in Zeiten von Stromüberschüssen. Denn bläst der Wind stark und scheint die Sonne häufig, muss die Energie flexibel nutzbar gemacht werden. Die Erzeugung eines synthetischen Gases wie Wasserstoff spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Erfolgreich in der Nische

Fest setzt auf modulare Konzepte in Containerbauweise mit Kapa­zitäten von bis zu 30 Megawatt. „Es wird nicht unser Geschäft sein, Wasserstoff selbst herzustellen. Aber wir liefern die entsprechenden Geräte dafür“, betont Hennig. Mit Konzernen wie Siemens, Linde oder Uniper, die im Gigawatt-Bereich operierten, könne und wolle man nicht in Konkurrenz treten, so der kaufmännische Leiter. Doch die Container seien eine Nische. Kürzlich bekam das Unternehmen den Zuschlag für ein bedeutendes Projekt in Norwegen und bot dabei sogar einen einheimischen Konkurrenten aus. Hintergrund: In Norwegen dürfen ab 2026 keine Kreuzfahrtschiffe mit fossilem Antrieb mehr in die Fjorde fahren. Die Umrüstung der Flotte auf wasserstoffbasierte und somit emissionsfreie Antriebe wird deshalb mit Hochdruck und unter Einbezug staatlicher Fördermittel vorangetrieben.
Aber auch in anderen Verkehrsbereichen sieht Hennig viel Potenzial. „Die Stadt Wien will beispielsweise seine gesamte Busflotte möglichst schnell auf Wasserstoff-Antrieb umstellen“, erklärt der Fachmann. In der österreichischen Hauptstadt betreibt Fest eine Zweigniederlassung. Gemeinsam mit der ebenfalls zur Schmidt-Kranz-Gruppe gehörenden Maximator GmbH arbeitet Fest an entsprechenden Lösungen, denen auch im Lkw-Bereich die Zukunft gehören dürfte. „Nicht zu vergessen ist die Zugbetankung“, verweist Hennig auf ein weiteres Verkehrsmittel. Die Firma Alstom baut nicht weit entfernt von Goslar in Salzgitter Wasserstoffzüge.

Umzug ins Gewerbegebiet Goslar-Baßgeige geplant

Rund 30 Mitarbeiter beschäftigt Fest aktuell im Wasserstoffbereich, Tendenz steigend. Die aktuelle Gesamt-Beschäftigtenzahl von rund 100 soll zügig steigen. „Bis 2024 müssen wir auf 150 bis 170 kommen, um das angestrebte Volumen abwickeln zu können“, erklärt Oliver Hennig. Um die Fachkräfte zu locken, hat Fest inzwischen Büros in Düsseldorf und Dresden eröffnet – weil nicht jeder für einen Arbeitsplatz am Harzrand zu begeistern ist. Dort allerdings soll in Zukunft immer noch die Kernaufgabe erledigt werden: die Entwicklung der Wasserstoff-Elektrolyseure. In rund zwei Jahren will das Unternehmen ein deutlich größeres Areal im Gewerbegebiet Goslar-Baßgeige beziehen. Und natürlich will Fest seine eigene Energie dann ebenfalls auch aus grünen Quellen gewinnen. Solaranlagen, Geothermie und Luft-Wärmetauscher sind von Beginn an eingeplant.
ht