Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle

Fast täglich erscheinen derzeit neue Studien und Berichte rund um die Digitalisierung von Unternehmen, Arbeitswelt und Geschäftsmodellen. In diesem Leitfaden finden Sie konkrete Methoden, Tipps und Beispiele für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle im Kontext der Digitalisierung.
Unter "Weitere Informationen" finden Sie zudem exemplarische Arbeitsvorlagen, wie sie häufig im Rahmen von Workshops rund um die Geschäftsmodellentwicklung beziehungsweise Geschäftsmodellinnovation eingesetzt werden.

Einleitung: Nutzen, Chancen und Risiken

Der Nutzen der Digitalisierung lässt sich auf einen einfachen Nenner bringen: Die Steigerung von Effizienz, Prozessqualität, Umsatz und weiteren Faktoren sowie die Senkung von Kosten, Fehlerquoten und weiteren Faktoren.
Bei genauerer Betrachtung finden sich jedoch differenzierte Gründe für Digitalisierungsstrategien: Je nach Branche und Ausrichtung wird beispielsweise die Erschließung neuer Märkte angestrebt oder es sollen innovative Services für bestehende Kunden angeboten werden. Ebenso wird häufig die Entwicklung vollkommen neuer Geschäftsmodelle angestrebt. Als zentrale Hürden für die Umsetzung konkreter Maßnahmen werden typischerweise eine unzureichende Breitbandversorgung, ein Mangel an Ressourcen oder Know-how oder Unsicherheiten hinsichtlich rechtlicher Vorgaben genannt.
Diese Beispiele zeigen jedoch bereits einen wichtigen Aspekt der Digitalisierung auf: Wie jeder Innovationsschritt bedarf auch die Digitalisierung von Geschäftsprozessen und -modellen einer fundierten Vorbereitung von der ersten Potenzialanalyse bis hin zur praktischen Umsetzung und fortlaufenden Weiterentwicklung. Die Handlungsfelder reichen von der Einbeziehung entsprechender Berater über die Auswahl oder Entwicklung von Software bis hin zu Fragen der Weiterbildung und Qualifizierung oder der IT-Sicherheit.
In den folgenden Abschnitten finden Sie eine Reihe von Anregungen für den Einstieg in den digitalen Wandel.

Fokus Kunde: Geschäftsmodelle

Bereits mit dem Begriff fangen die Herausforderungen an: Zwar besteht in der Literatur breiter Konsens, dass die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle von grundlegender Bedeutung für eine erfolgreiche Positionierung im Zuge der digitalen Transformation ist. Allerdings gehen die Definitionen, welche Bestandteile ein Geschäftsmodell konkret ausmachen, stark auseinander. Dennoch lassen sich einige Grundgedanken zusammenfassen: Im Kern wird ein Geschäftsmodell anhand von Unternehmensstrategie und Geschäftsidee abgeleitet und umfasst eine Reihe verschiedener Elemente sowie eine entsprechende Architektur, auf deren Grundlage schließlich Geld verdient wird. Typische Elemente sind hierbei unter anderem Kundensegmente, die Kostenstruktur, Vertriebskanäle, erforderliche Ressourcen und so weiter.
An diesen Elementen zeigen sich mögliche Ansatzpunkte zur Entwicklung neuer Geschäftsideen im Zuge der Digitalisierung. Während der Vertriebskanal "Onlineshop" offensichtlich ist, kann beispielsweise eine Segmentierung möglicher Zielgruppen und Märkte ganz neue Ideen bringen - sei es eine "digitale" Zusatzfunktion bei einem Produkt für pflegebedürftige Personen oder bei einer Maschine oder eine für sich genommen nicht umsatzwirksame App zur Bindung bestimmter Kundengruppen. Ein weiteres Beispiel wäre die Verknüpfung verschiedenster Daten (zum Beispiel Kunden, Bestände, Wetter, Verkehr, Produktinformationen) zwecks neuartiger Gestaltung von Service-Prozessen.
Folgende Tabelle zeigt eine komprimierte Auswahl möglicher "Suchfelder" in Zusammenhang mit der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle:
Kundensegmente
Zum Beispiel räumlich, Einkommen, Alter, Kultur, ...
Kanäle
Zum Beispiel hinsichtlich Marketing, Vertrieb, Kundenbindung, After-Sales-Betreuung, ...
Ressourcen
Zum Beispiel Personal, Kapital, Technologien, Wissen, Partner, ...
Aktivitäten
Zum Beispiel Produktion, Beratung, Plattform-Bereitstellung, ...
Umsatzgenerierung
Zum Beispiel einmaliger Verkauf, Zubehör, Dienstleistungen, Wartung, Vermietung, Abo, ...
Von entscheidender Bedeutung ist hierbei das Verständnis, dass "das eine" digitale Geschäftsmodell nicht existiert, sondern Geschäftsmodelle (unabhängig von der Digitalisierung) fortlaufend und unternehmensspezifisch mit Hilfe unterschiedlichster Methoden entweder neu entwickelt oder auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls differenziert beziehungsweise weiterentwickelt werden müssen. Gleichzeitig ist es sinnvoll, vorhandene Geschäftsmodelle Dritter zu betrachten und die Übertragung verschiedener Elemente auf das eigene Konzept zu diskutieren. Hieran zeigt sich eine wesentliche Herausforderung der Geschäftsmodell-Entwicklung: Würde sich diese auf das Übernehmen offensichtlicher Technologien oder Software-Produkte oder auf das Kopieren bestimmter Ideen beschränken, wären in kürzester Zeit alle Mitbewerber einer Branche auf demselben Stand. Anspruch und Potenzial der Geschäftsmodell-Entwicklung liegen daher gerade darin, diejenigen Ansätze und Kundenbedarfe zu erkennen, für die noch keine technischen Lösungen oder Geschäftsprozesse erdacht wurden.
Im Folgenden finden Sie eine Auswahl typischer Methoden in Zusammenhang mit der Geschäftsmodell-Entwicklung.

Beispiele: Design Thinking und Business Model Canvas

Wenngleich unzählige weitere Methoden existieren, finden Elemente des Design Thinking sowie das Business Model Canvas häufig auch bei der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle Anwendung. Diese werden im Folgenden am Beispiel eines Augmented Reality Konfigurators für die Beratungs- und Vertriebsunterstützung grob skizziert.
Das Design Thinking gliedert sich typischerweise in sieben Phasen:
  1. Identifikation relevanter Themenfelder. Beispiel: Effizienzsteigerung in Kundenberatung und Vertrieb, Digitalisierung von Abläufen.
  2. Verstehen der Aufgabenstellung durch Beobachtung von Kunden beziehungsweise Zielgruppen. Beispiel: Der Verkäufer präsentiert dem Kunden die Produkte auf einem Tablet. Auftragsparameter werden in einem Vordruck händisch erfasst. Anschließend werden mögliche Konfigurationen im Büro des Verkäufers mittels Planungs-Software am PC-Arbeitsplatz erarbeitet und dem Kunden per E-Mail zugeschickt.
  3. Nutzerprofile erstellen und Kundenbedarfe ableiten (Customer Empathy Map und Customer Journey Map). Beispiel: Der Verkäufer ist durch die Planung im Nachgang meist zeitlich überlastet. Der Kunde würde die Produkte gerne in der Einsatzumgebung betrachten.
  4. Ideen gewinnen und bewerten. Beispiel: 3D-Konfigurator-App. Augmented Reality Brille für den Einsatz beim Kunden. Holographische Darstellung der Objekte beim Kunden. Sprachbasierte Erfassung der Angebotsparameter im Dienstwagen des Verkäufers während der Rückreise.
  5. Prototyp entwickeln. Beispiel: Ein Mitarbeiter aus Forschung und Entwicklung spielt die sprachbasierte Erfassung während der Fahrt durch. Ergebnis: Nicht umsetzbar, da Kundentelefonate gestört werden. Nächster Schritt: Rudimentäre App, welche die Erfassung der Umgebungsbedingungen sowie die Darstellung der Produkte in einer virtuellen Umgebung ermöglicht. Kunden-Feedback: Darstellung zu abstrakt. Daher Umsetzung einer einfachen Augmented Reality Anwendung, welche dem Kunden die Produkte in der realen Umgebung darstellt. Ergebnis: Vielversprechend.
  6. Prototyp testen. Beispiel: Entwicklung eines anspruchsvolleren Augmented Reality Prototyps, anhand dessen erste Testkunden beraten werden. Ergebnis: Lösung geeignet. Während der Tests fragt ein Kunde, ob ihm hierbei auch Zubehörteile eingeblendet werden können. Hieraus entsteht die Idee, die Beratungsvorgänge mittels der Anwendung zu erfassen und durch Abgleich mit Auftragsparametern einen Empfehlungs-Algorithmus abzuleiten, welcher den Kunden sowohl im Online-Shop als auch in der Augmented Reality App Zubehörteile sowie häufig gewählte Alternativ-Produkte anzeigt. Für diesen Teilbereich erfolgt ein Einstieg in der oben genannten Phase Nummer 2.
  7. Festlegung eines Geschäftsmodells beziehungsweise Integration in ein Geschäftsmodell (siehe unten).
Die obigen Darstellungen sind deutlich vereinfacht und klammern insbesondere auch soziale und kreative Aspekte der Methoden aus. Für einen tiefergehenden Einstieg empfehlen wir die zahlreich verfügbare Literatur oder die Einbeziehung entsprechend spezialisierter Dienstleister.
Beim Business Model Canvas (Quelle: Strategyzer.com) handelt es sich um ein Instrument, anhand dessen die Bausteine eines Geschäftsmodells strukturiert und visualisiert werden. Entsprechende Arbeitsvorlagen sind in verschiedensten Onlinequellen verfügbar. Die Methodik eignet sich gleichermaßen zur Skizzierung eines neuen Geschäftsmodells wie auch für die Analyse bestehender Geschäftsmodelle. Anhand des obigen Beispiels werden - wiederum vereinfacht - die typischen Elemente skizziert:
  • Partner (zum Beispiel Entwickler der Augmented Reality Anwendung, Lieferant Datenbrillen, Schulungsanbieter, Entwickler Empfehlungs-Algorithmus und so weiter)
  • Aktivitäten (Direktvertrieb der Produkte im B2B-Bereich, Online-Shop für den B2C-Bereich)
  • Ressourcen (Schutzrechte, IT-Infrastruktur)
  • Nutzen (Automatische Erzeugung des Angebots, Kunde erhält Angebot schneller, Umsatzsteigerung durch Cross-Selling, Wahrnehmung als innovativer Anbieter)
  • Kundenbeziehung (besserer persönlicher Kontakt da Augmented Reality Erlebnis anstelle manueller Datenerfassung durch Verkäufer, Online-Einkauf)
  • Kanäle (Newsletter, TV-Werbung, Call Center, Direktvertrieb)
  • Kundenarten (Geschäftskunden klein/mittel/groß/IT-affin/IT-fern, Privatkunden Hausbesitzer/Mieter)
  • Einnahmequellen (Verkauf der Produkte, After Sales Leistungen)
  • Kosten (200.000 Euro FuE-Budget, Anschaffung Datenbrillen, Schulung Mitarbeiter, Marketing, Schnittstelle ERP-System)
Diese Darstellung ist wiederum deutlich vereinfacht und entspricht nicht annähernd einer vollständigen Erfassung eines Geschäftsmodells. Hieran lassen sich jedoch verschiedene weitergehende Ansätze darstellen.
Wie bereits angedeutet hätte man von vornherein die technischen Möglichkeiten screenen und sich möglicherweise auch auf die Augmented Reality Lösung festlegen können. Der oben skizzierte Prozess hat jedoch dazu geführt, dass unterschiedlichste Akteure sich intensiv mit Kundenbedarf sowie Lösungsmöglichkeiten befasst und typische Fragen oder Missverständnisse direkt in der gemeinsamen Findungsphase diskutiert haben. Aus anfänglichen Fehlern wurde gelernt und es wurden verschiedene Impulse für Verbesserungen sowie Ergänzungen abgeleitet. Bereits während der Testphase ist eine Idee für die Zusatz-Lösung Cross-Selling entstanden.
Nachdem hieraus mittels Business Model Canvas ein mögliches Geschäftsmodell skizziert wurde, kann für jeden erfassten Baustein hinterfragt werden, ob dieser beispielsweise
  • weitergehende Digitalisierungs-Ansätze bietet
  • durch Digitalisierung skalierbar ist
  • durch Wettbewerber oder andere Lösungen angreifbar ist
  • und so weiter
Für diesen Abgleich bieten sich verschiedene online verfügbare digitale Reifegradmodelle an. Vereinfacht zusammengefasst werden hierbei typischerweise verschiedene Ebenen betrachtet wie zum Beispiel
  • Konnektivität von Produkten
  • Informations- und Datenaustausch
  • Integration von Sensoren
  • Monitoring
  • Services / After-Sales
  • Art der Umsatzgenerierung
Auf jeder Ebene wird dann der angestrebte oder mögliche Digitialisierungsgrad beleuchtet, beispielsweise für das Thema Monitoring:
  • Kein Monitoring
  • Erkennung von Fehlern oder Ausfällen
  • Möglichkeit der Eigendiagnose
  • Fähigkeit zur Prognose
  • Fähigkeit zur Reaktion auf Basis von Diagnose und / oder Prognose
Hierzu einige Beispiele: In einer vereinfachten Herangehensweise könnten nun die im Kapitel Digitalisierung von Prozessen skizzierten Lösungen beziehungsweise Technologien mit allen im Canvas erfassten Bausteinen abgeglichen werden. Bei der Analyse der Kanäle kommt hinsichtlich des Newsletters die Frage auf, ob Marketing Automation hier nicht Potenziale bietet. Es wird festgelegt, zu analysieren, inwieweit anhand der aus dem geplanten Cross-Selling-Algorithmus erhaltenen Daten auch eine automatisierte Erstellung zielgruppenspezifischerer Newsletter möglich ist. Während der Analyse der Einnahmequellen kommt darüber hinaus die Idee auf, die Lösung auch auf andere Branchen zu übertragen und hierüber Lizenzeinnahmen zu generieren.
Aufgrund der Vielzahl an Methoden und unterschiedlichen Geschäftsmodellen kann dieses Beispiel naturgemäß nur ein erster Impuls für eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Thematik sein. Beziehen Sie im Rahmen einer tatsächlichen Umsetzung daher unbedingt weitere Informationsquellen, Methoden und bei Bedarf auch entsprechend spezialisierte Berater und Dienstleister ein.

Fokus Unternehmen: Vom Prozess zur Digitalisierung

Hierbei ist ein Aspekt von großer Bedeutung: Nicht selten scheitert der erfolgreiche Einstieg in die Digitalisierung eines Prozesses an der Annahme, dass diese lediglich in der Anschaffung einer bestimmten Software besteht. Nachdem dann - überspitzt formuliert - mittels umfangreich begründeter Systematik eine Reihe möglicher Software-Produkte zur Auswahl gestellt wird, scheitert der weitere Vorgang an Vorbehalten der betroffenen Mitarbeiter oder der Erkenntnis, dass anstelle der Effizienz vor allem der Zeitaufwand durch Eingabe zusätzlicher Daten ansteigt. Abgesehen von offensichtlich benötigter Standard-Software besteht ein erster Schritt daher in der Regel in der Einbeziehung spezialisierter Anbieter, Berater beziehungsweise Dienstleister (oder entsprechender hausinterner Spezialisten), welche die genauen Anforderungen ermitteln, vorhandene (und gegebenenfalls optimierungsbedürftige) Prozesse erfassen und hinterfragen und auch intensiv die Anforderungen und Praxis-Erfahrungen der späteren Anwender einbeziehen.
Von großer Bedeutung ist häufig auch die Integration in die bestehende IT-Infrastruktur beziehungsweise Software-Produkte. Ein typisches Negativbeispiel ist eine zunehmende Fragmentierung der IT-Landschaft, indem Insellösungen für verschiedenste Teilaufgaben implementiert werden und Mitarbeiter zum Beispiel Kundendaten in fünf verschiedene Eingabemasken eintippen müssen.
Vereinfacht zusammengefasst kommt es somit darauf an, zunächst Prozesse zu identifizieren, die sinnvoll in eine Digitalisierungsstrategie integriert werden können. Diese werden anschließend im Detail beleuchtet und nach dem Grundsatz "Software dient dem Anwender / Prozess, nicht der Anwender der Software" angegangen.

IT-Architektur: Erfassen und entwickeln

Häufig ist die IT-Landschaft im Unternehmen über Jahre hinweg gewachsen und dadurch gar nicht ohne weiteres in einem Gesamtkontext darstellbar, welche Prozesse auf welche Anwendungen, Daten oder Infrastruktur zurückgreifen. Während ein Prozess aus Sicht einer einzelnen Abteilung optimal gestaltet sein kann, bestehen hinsichtlich der Nutzung von Anwendungen nicht selten Redundanzen, indem dieselbe Teilaufgabe in völlig unterschiedlicher Weise gelöst wird. Eine Vereinheitlichung ist auf den ersten Blick häufig nicht möglich, da jede Abteilung Vorteile aus spezifischen Funktionalitäten der Anwendungen zieht und die Weiterentwicklung hin zu einer gemeinsamen Lösung sehr kostspielig ist.
Unter dem Schlagwort Enterprise Architecture Management finden sich in diesem Zusammenhang zahlreiche Methoden, Arbeitshilfen und Tools, die ein strukturiertes Vorgehen bei der Weiterentwicklung von Bereichen wie der Geschäfts-, Anwendungs-, Informations- und Technologie-Architektur unterstützen. Hinsichtlich einer fundierten Einführung ist auf die sehr umfangreiche Literatur sowie entsprechend spezialisierte Dienstleister zu verweisen. In Hinblick auf eine erste oberflächliche Analyse der bestehenden IT-Landschaft kommen jedoch beispielsweise folgenden Methoden in Frage:
  • Zuordnungstabelle: Welche Anwendungen kommen in welchen Geschäftsprozessen zum Einsatz? Hieraus ergibt sich bei überschaubarem Aufwand meist ein recht gutes Bild von Redundanzen oder Synergiepotenzialen. Zudem führt bereits die übergreifende Erfassung (zum Beispiel in abteilungsweisen Workshops) zu einer internen Diffusion von Wissen über Prozesse, Anwendungen, Bedarfe und so weiter.
  • Anwendungslandkarte: Grafische Übersicht der wichtigsten Anwendungen sowie der jeweiligen Schnittstellen.
  • Darstellung in Clustern: Zusammenfassen von Anwendungen in Gruppen, sofern Ähnlichkeiten bei Funktionalität oder Zweck bestehen
Wenngleich für ein umfassendes Architekturmanagement deutlich umfangreichere Analysen erforderlich sind, ermöglicht bereits dieser vereinfachte Einstieg einen systematischen Überblick, anhand dessen oft erste Potenziale zur weitergehenden Digitalisierung identifiziert werden können. Wenn beispielsweise eine in einer Abteilung genutzte Anwendung oder Funktion in einer anderen Abteilung gar nicht bekannt war und nur deshalb andere Lösungen genutzt wurden, spricht häufig nichts gegen eine Vereinheitlichung. Wenn aufgrund unzureichender Funktionalität auf eine Anwendung verzichtet wurde, kann dies erkannt und die Anforderung in die Weiterentwicklung einbezogen werden.
Ein sehr großer Nutzen entsteht insbesondere hinsichtlich der Integration ganz neuer Anwendungen oder Technologien: Anhand der erstellten Übersichten ist es möglich, beispielsweise Auswirkungen, Vorteile oder Schnittstellenbedarfe der neuen Lösung systematisch zu identifizieren und erforderliche Anpassungen in anderen Anwendungen oder bei der Infrastruktur zu erkennen. Indem betroffene Prozesse leicht ermittelt werden können, ist es möglich, die entsprechenden Anwender frühzeitig einzubeziehen und deren Erfahrungen und Anforderungen in das Vorhaben einfließen zu lassen. Ebenso können erforderliche Schulungsmaßnahmen oder die interne Kommunikation festgelegt werden.

Beispiele: Digitalisierung von Prozessen

Als erste Anregung für Ihre Vorüberlegungen finden Sie im Folgenden eine Übersicht von Themen, die Gegenstand einer Digitalisierungsstrategie sein können (einzeln, in Kombination oder im Rahmen neuer Geschäftsmodelle). Verstehen Sie diese lediglich als ersten Einstieg und beziehen Sie unbedingt weitere Informationsquellen sowie Ihre betriebsspezifischen Anforderungen ein.
Elektronische Rechnung
Seit Entfall der Signaturpflicht für elektronische Rechnungen ist die Einführung der E-Rechnung in der Regel ohne großen Zusatzaufwand möglich.
Dokumentenmanagement
Verschiedenste Dokumente sind heutzutage per se elektronisch verfügbar oder können durch Einscannen digitalisiert werden. Ein Dokumentenmanagementsystem kann zu deutlichen Effizienzgewinnen führen.
Groupware
Unzählige Collaboration Tools unterstützen die Zusammenarbeit in Teams sowohl vor Ort als auch über große Distanzen hinweg.
Vorlagenmanagement
Ob Corporate Design, Layout oder Textbausteine - ein Vorlagenmanagement beschleunigt die Erstellung von Dokumenten und vermeidet Fehler.
Mobile Business
Mobile Geschäftsprozesse sind deutlich mehr als die Abbildung bestehender Vorgänge in einer App. Häufig können Prozesse mit Hilfe neuer Technologien effizienter gestaltet und Fehlerquoten reduziert werden.
Cloud-Lösungen
In verschiedensten Szenarien können Cloud-Lösungen Kostenvorteile bringen oder bestimmte digitale Geschäftsprozesse erst ermöglichen.
Edge Computing und Fog Computing
Wo die Datenverarbeitung aufgrund Bandbreite oder Sicherheitsanforderungen nicht in der Cloud erfolgen soll, bietet möglicherweise Edge Computing Lösungen für eine vernetzte Produktion.
ERP-Systeme
In vielen Unternehmen längst selbstverständlich, bietet ein ERP-System vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen häufig noch viel Potenzial bei der Optimierung der Wertschöpfungsprozesse.
CRM-Systeme
Kundenbeziehung ist viel mehr als Marketing, Vertrieb und Auftragsabwicklung. Spezielle Systeme können das Kundenbeziehungsmanagement wirksam unterstützen.
Workflow-Management-Systeme
Viele Prozesse bestehen im Wesentlichen in der Weitergabe von Informationen oder Dokumenten. Ein Workflow-Management kann hierbei Medienbrüche verhindern, Durchlaufzeiten verringern und die Systematik steigern.
Marketing Automation
Marketing findet heutzutage über verschiedenste Kanäle statt, die manuell kaum noch gleichzeitig zu bedienen sind. Verschiedenste Lösungen unterstützen hierbei durch Automatisierung von Abläufen.
Digitale Produkte
Produkteinstellungen über das Smartphone vornehmen oder den Zustand einer Maschine aus der Ferne überwachen - die Möglichkeiten im Internet der Dinge sind schon jetzt nahezu unbegrenzt.
Augmented Reality
Nicht nur bei Wartung und Service können beispielsweise Datenbrillen nützlich sein, auch die Schulung von Mitarbeitern oder Methodentransfers über Standorte hinweg können hierdurch unterstützt werden.
Big Data Analytics
Die Analyse von Kennzahlen beschränkt sich vielfach noch auf strukturiert erfasste Daten. Mittels moderner Algorithmen können jedoch vielfach Muster oder Zusammenhänge in verschiedensten - häufig wenig beachteten - Daten erkannt werden.
Künstliche Intelligenz
Von der Kundenbindung oder intelligenten Chatbots über Fehlervermeidung in der Produktion bis zu autonomen Fahrzeugen bieten KI-Anwendungen Potenzial.
E-Commerce
Die Einrichtung einer Website oder eines Online-Shops ist mittlerweile nahezu Standard. Wie in vielen anderen Bereichen bestehen aber auch hier vielfach weitere Potenziale vom Content Marketing bis zur Verknüpfung mit anderen IT-Systemen.
IT-Sicherheit
Als zentrales Querschnittsthema zieht sich die IT-Sicherheit durch alle Handlungsfelder. Risiken und Anforderungen dürften eher noch steigen, das Thema sollte daher von Anfang an berücksichtigt werden.
Über diese exemplarische Auswahl hinaus bestehen zahlreiche weitere Ansatzpunkte, Software-Produkte oder auch Möglichkeiten zur Entwicklung von individueller Software - in Abhängigkeit von den verfügbaren Ressourcen sind die Möglichkeiten nahezu unbegrenzt. Mit jeder Lösung ist wiederum eine große Bandbreite rechtlicher Aspekte verbunden, die möglichst frühzeitig berücksichtigt werden sollten.

Fokus Mitarbeiter: Qualifizierung, Weiterbildung, Arbeits- und Datenschutz

Die Qualifikation jedes einzelnen Mitarbeiters stellt einen wesentlichen Erfolgsfaktor für die Digitalisierung des Unternehmens dar. Naheliegend sind Schulungen bei Einführung einer neuen Software oder zur Auffrischung bereits vermittelter Kompetenzen.
Je nach Unternehmensgröße, Struktur und Branche geht der Qualifizierungsbedarf jedoch deutlich darüber hinaus. So senkt etwa ein hohes Qualifikationsniveau im Bereich IT-Sicherheit das Risiko durch Cyberangriffe auf das Unternehmen oder IoT-Produkte. Ein tiefergehendes Verständnis der Möglichkeiten von Software kann beispielsweise in der Entwicklungsabteilung zu neuen Produktideen führen oder in anderen Abteilungen Ideen für Effizienzsteigerungen generieren. Nicht zuletzt kann - unabhängig von einer komplexen Digitalisierungsstrategie - selbst die Kenntnis der wichtigsten Excel-Formeln und -Funktionen tagelange manuelle Arbeiten in Listen vermeiden. Digitale Kompetenzen sollten daher ein zentrales Element im Rahmen der verschiedenen Maßnahmen zur Personalentwicklung sein.
Ebenso sollten frühzeitig Anforderungen und Auswirkungen im Bereich Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit berücksichtigt und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen im Rahmen der Umsetzung einbezogen werden. Grundsätzlich sollten auch mögliche datenschutzrechtliche Anforderungen frühzeitig analysiert werden, beispielsweise in Fällen, in denen aus der Erfassung und Verarbeitung vermeintlich rein technischer Daten Leistungsprofile der Mitarbeiter abgeleitet werden könnten.

Beispiel: Change Management

Mit Digitalisierungs-Maßnahmen sind in der Regel nicht zu unterschätzende Veränderungen in Abläufen sowie hinsichtlich der Aufgaben und Arbeitsweisen der betroffenen Personen verbunden. Hierbei sollte stets bedacht werden, dass Geschäftsführung, Management, Mitarbeiter, Zulieferer und Kunden sich in ganz unterschiedlichen Phasen des Veränderungsprozesses befinden können. Während beispielsweise das Management bereits gedanklich in der Umsetzung angekommen ist, könnte die beiläufige Ankündigung eines Projekts bei einem betroffenen Mitarbeiter Existenzängste auslösen. Um in diesem Zusammenhang Konflikten und Sorgen proaktiv zu begegnen, eignen sich beispielsweise Elemente des Change Managements. Nicht immer stehen jedoch ausreichend Ressourcen für eine umfangreiche Umsetzungsbegleitung zur Verfügung, daher werden im Folgenden einige Ansätze vereinfacht vorgestellt.
  • Einen pragmatischen Einstieg ermöglicht beispielsweise die Erstellung einer Stakeholder Map. Anhand eines einfachen Diagramms werden (zum Beispiel mittels Haftnotizen auf einem Flipchart) alle betroffenen Akteure danach klassifiziert, wie hoch ihre Einsicht in die Veränderung und wie hoch ihr Einfluss auf das Geschehen ist.
  • Im nächsten Schritt werden Maßnahmen entwickelt, wie diese Akteure "mitgenommen" werden können beziehungsweise zum Erfolg des Projekts beitragen können. Diese reichen von naheliegenden persönlichen Gesprächen oder einer Information im Rahmen von Meetings bis hin zu Maßnahmen wie beispielsweise Kundenbefragungen, Gewinnspielen, Fortbildungen, Kollegen-Akademien und vielem mehr.
  • Diese Maßnahmen werden anschließend klassifiziert in die Bereiche Information/Kommunikation, Mobilisierung, Qualifizierung und Alignment.
  • Gleichzeitig erfolgt eine zeitliche Strukturierung in Verbindung mit der Festlegung von Monitoring-Maßnahmen.
Wenngleich das Bilden von Koalitionen im Alltag ebenso üblich ist wie das persönliche Gespräch mit möglichen Blockierern, liefert dieses Vorgehen in der Regel mit sehr überschaubarem Zeitaufwand Ideen, die nicht nur das "Mitnehmen und Überzeugen" unterstützen, sondern beispielsweise Qualifizierungsbedarf früher erkennen lassen oder Ansätze für Vertriebs- und Marketingaktionen mit sich bringen.
Eine umfangreiche Übersicht verschiedenster Chancen und Risiken im Kontext der “Arbeit 4.0” bietet beispielsweise eine im Rahmen der Offensive Mittelstand erstellte Umsetzungshilfe.

Förderprogramme für die Digitalisierung

Unabhängig von der aktuellen Dynamik rund um die Digitalisierung bieten verschiedenste Förderprogramme nicht rückzahlbare Zuschüsse bei der Entwicklung innovativer Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen stehen vergleichsweise niederschwellig zu beantragende FuE-Förderprogramme zur Verfügung. Exemplarisch zu nennen sind die Innovationsgutscheine Baden-Württemberg oder das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand. Hinsichtlich des im Kapitel Geschäftsmodellentwicklung skizzierten Beispiels könnten sich derartige Programme beispielsweise für die Entwicklung einer neuartigen Augmented Reality Anwendung eignen.
Für reine Digitalisierungsmaßnahmen oder die damit verbundene Qualifizierung von Beschäftigten stehen die Digitalisierungsprämie Plus des Landes Baden-Württemberg sowie das Bundesprogramm Digital Jetzt zur Verfügung, über welche kleinere und mittelgroße Unternehmen - einen signifikanten Digitalisierungsschritt vorausgesetzt - einen Zuschuss erhalten können. Darüber hinaus bietet die L-Bank mit der Innovationsfinanzierung 4.0 ein Förderdarlehen zur Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen beziehungsweise digitalen Innovationen.
Beratungsleistungen rund um die Digitalisierung werden durch das Programm go-digital unterstützt. Bestimmte Beratungen zur Gestaltung der digitalen Transformation in Form eines beteiligungsorientierten Prozesses können zudem über das Programm unternehmensWert:Mensch plus bezuschusst werden, die Förderquote beträgt hier (Stand September 2020) sogar 80 Prozent.

Weiterführende Informationen und IHK-Unterstützung

Rund um Digitalisierung, rechtliche Grundlagen, Innovation, Förderprogramme oder die Vermittlung von Anbietern, Experten und Dienstleistern bieten wir Ihnen als IHK-Mitglied eine große Bandbreite an Unterstützung. Neben der Einbeziehung von Anbietern, Beratern und Dienstleistern können auch Hochschulkooperationen den Einstieg in eine Digitalisierungs-Strategie unterstützen. Gerne helfen wir Ihnen durch Vermittlung von Kooperationspartnern aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Nutzen Sie für die Suche nach unseren weiteren Unterstützungsangeboten auch die Suchfunktion oben auf dieser Website oder folgen Sie den verschiedenen Menüpunkten.
Gerne stehen wir für Anfragen von Unternehmen aus der Region Bodensee-Oberschwaben auch persönlich zur Verfügung. Verwenden Sie hierfür bitte unser Kontaktformular.