IHK Berlin

Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Fachkräfte aus dem Ausland können in Zeiten des Fachkräftemangels eine Lösung sein. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz vom 1. März 2020 hat die Gesetzgebung neue Perspektiven für die Rekrutierung beruflich qualifizierter Fachkräfte aus dem Ausland geschaffen. Mit dem Gesetz und der Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung sollen zusätzlich neue und erleichterte Wege in die Erwerbsmigration eröffnet werden. Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz tritt gestaffelt in Kraft. Anbei folgen die wichtigsten Neuerungen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes im Überblick. 

Regelungen ab November 2023


1. Erweiterte Beschäftigungsmöglichkeiten für Fachkräfte
Fachkräfte im Sinne des deutschen Aufenthaltsrechts sind Drittstaatsangehörige mit einer qualifizierten Berufsausbildung (mindestens zwei Jahre Ausbildungsdauer) oder einem Hochschulabschluss. Ein ausländischer Abschluss muss in Deutschland anerkannt sein.
Seit dem 18.11.2023 können Fachkräfte jede qualifizierte Beschäftigung ausüben. Somit wird eine Beschäftigung auch in qualifikationsfremden, nicht-reglementierten Berufen möglich. Um eine qualifizierte Beschäftigung handelt es sich, wenn zu ihrer Ausübung Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind, die in einem Studium oder einer qualifizierten Berufsausbildung erworben werden. 

2. Neugestaltung der Erteilungsvoraussetzungen für eine Blaue Karte EU
Aufgrund europarechtlicher Vorgaben wurden die Voraussetzungen für die Erteilung einer Blauen Karte EU neugestaltet und erweitert. Die Gehaltsschwellen für eine Blaue Karte EU wurden sowohl für die Regel- als auch für Mangelberufe (2024: 45.300 EUR für Regelberufe / 41.041,80 EUR für Mangelberuf) deutlich gesenkt.
Der Kreis der berechtigten Personen ist um hochqualifizierte Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger, sowie IT-Spezialistinnen und IT- Spezialisten ohne förmlichen Ausbildungsabschluss, jedoch mit mindestens dreijähriger Berufserfahrung, ergänzt worden. Neue Antragungsberechtigung besteht nun auch für Fachkräfte, die ein tertiäres Bildungsprogramm (z.B. Betriebswirt/-in, Meisterausbildung) abgeschlossen haben, das mit einem Hochschulabschluss gleichwertig ist. 
Die Liste der Engpassberufe für die Blaue Karte EU wurde auf weitere Berufsgruppen ausgedehnt. Zudem brachte die Novellierung Erleichterungen im Bereich der lang- und kurzfristigen Mobilität innerhalb der Europäischen Union für Inhaber der Blauen Karte EU, sowie beim Familiennachzug aus anderen Mitgliedstaaten, mit sich. 
Während des ersten Beschäftigungsjahrs besteht lediglich eine Anzeigepflicht der Fachkraft hinsichtlich des Arbeitgeberwechsels. Die vorherige Einholung einer Erlaubnis der Ausländerbehörde ist damit entfallen. 
Mehr Informationen zur Blauen Karte EU sind auf unserer Website einsehbar.  

3. Beschäftigung von Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrern
Die Sonderregelung für Berufskraftfahrende wurde dahingehend modifiziert, dass die  Vorrangprüfung der Bundesagentur für Arbeit entfallen ist und keine Sprachkenntnisse mehr vorausgesetzt sind. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber die Prüfung der notwendigen berufsbezogenen Zulassungsvoraussetzungen, wie die EU- bzw. EWR-Fahrerlaubnis und die Grundqualifikation oder beschleunigte Grundqualifikation, auf die Unternehmen übertragen. Vorher prüfte die Bundesagentur für Arbeit, ob diese Voraussetzungen vorlagen.
Weitere Informationen zu den Regelungen für Berufskraftfahrende aus dem Ausland sind auf der Website Make it in Germany zu finden. 

Regelungen ab März 2024


1. Anerkennungspartnerschaft
Mit der der Anerkennungspartnerschaft besteht erstmalig die Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel zur Ausübung einer qualifizierten Beschäftigung zu erhalten und das erforderliche Anerkennungsverfahren begleitend erst nach der Einreise durchzuführen.
Kernvoraussetzungen hierfür sind das Vorliegen eines konkreten Arbeitsplatzangebots sowie eine Berufsqualifikation, die eine mindestens zweijährige Ausbildung oder einen Hochschulabschluss erfordert. Die ausländische Qualifikation muss vom jeweiligen Ausbildungsstaat anerkannt sein. 
Die Visumerteilung ist mit der Verpflichtung der potentiellen Fachkraft und des Unternehmens verbunden, nach der Einreise die Anerkennung zu beantragen und das Verfahren aktiv zu betreiben.

2. Beschäftigung mit ausgeprägter Berufserfahrung 
Mit der Reglung zur qualifizierten Beschäftigung mit ausgeprägter Berufserfahrung wird eine Arbeitsaufnahme gestattet, ohne dass der ausländische Berufs- oder Hochschulabschluss in Deutschland formal anerkannt sein muss. 
Voraussetzung ist zum einen ein Berufs- oder Hochschulabschluss, der in dem Land, in dem er erworben wurde, staatlich anerkannt ist. Im Falle eines Berufsabschlusses ist eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren notwendig. Zum anderen muss eine in den letzten fünf Jahren erworbene, mindestens zweijährige, für die Beschäftigung befähigende Berufserfahrung nachgewiesen werden.
Des Weiteren fordert das Gesetz ein Arbeitsplatzangebot mit einem Bruttojahresgehalt von mindestens 45% der Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung (2024: 40.770 EUR). Tarifgebundene Unternehmen können von dieser Mindestgehaltsgrenze abweichen, wenn die Beschäftigten zu den für sie geltenden tariflichen Bedingungen angestellt sind. Ferner ist zu beachten, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über 45 Jahre ein Bruttojahresgehalt von mindestens 55% der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (Jahr 2024: 49.830 EUR) beziehen oder anderweitig eine angemessene Altersversorgung nachweisen müssen.
Besonderheiten bestehen weiterhin für IT-Spezialistinnen und -Spezialisten, bei denen gänzlich auf das Vorhandensein eines Berufs- oder Hochschulabschlusses verzichtet werden kann. Die notwendige einschlägige Berufserfahrung wird von drei auf zwei Jahre reduziert, die in den letzten fünf Jahren erreicht worden musste. 
Die Regelung für Beschäftigung mit ausgeprägter Berufserfahrung gilt nur für alle nicht-reglementierten Berufe. 

3. Kurzzeitige kontingentierte Beschäftigung
Im Rahmen der kurzzeitigen kontingentierten Beschäftigung können Unternehmen für Staatsangehörige bestimmter Länder selbst eine Arbeitserlaubnis oder eine Zustimmung zu einem Aufenthaltstitel für Beschäftigung beantragen. Mit der Neuerung wird auch eine qualifikationsunabhängige Beschäftigung möglich. 
Die Arbeitserlaubnis oder Zustimmung wird erteilt, wenn das Unternehmen tarifgebunden ist und die Arbeitskräfte nach den geltenden tariflichen Arbeitsbedingungen beschäftigt sind. Die geplante Beschäftigung der Arbeitskraft darf acht Monate innerhalb von 12 Monaten nicht überschreiten und die wöchentliche Arbeitszeit sollte mindestens 30 Stunden betragen. Zuletzt muss sich die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber verpflichten, die erforderlichen Reisekosten vollständig zu übernehmen. 
Die Regelung sieht ein Kontingent vor, das von der Bundesagentur für Arbeit festgesetzt wird. Für das Jahr 2024 hat die Bundesagentur für Arbeit ein Kontingent von 25.000 Zustimmungen für alle Branchen festgesetzt. Davon ausgenommen sind Erntehelfer in der Landwirtschaft.

4. Weitere unternehmensrelevante Regelungen 
Beschäftigung von Studierenden: Infolge der gesetzlichen Anpassung wird die Beschäftigungsberechtigung von drittstaatsangehörigen Studierenden von 120 auf 140 Arbeitstage im Kalenderjahr angehoben.
Teilzeitbeschäftigungen sind nun auch im Gleichlauf mit der sogenannten Werkstudierenden-Regelung möglich. Dabei können sich die Studierenden bei der Anrechnung der erlaubten Arbeitszeit eines Günstigkeitsprinzips bedienen (vgl. § 16 Abs. 3 S. 3 und 4 Aufenthaltsgesetz): 
  • Die Anrechnung kann entweder tagesgenau, wobei ein Arbeitstag mit bis zu vier Stunden als halber Arbeitstage gerechnet wird,
  • oder unabhängig von der Arbeitszeitverteilung (fiktiv) mit 2,5 Arbeitstagen pro Woche, erfolgen. Innerhalb der Vorlesungszeit darf die Wochenarbeitszeit der Studierenden maximal 20 Stunden betragen. Während der vorlesungsfreien Zeit können 2,5 Tage je Woche unabhängig von der geleisteten Arbeitszeit
    angerechnet werden. In der vorlesungsfreien Zeit besteht folglich für die
    Erwerbstätigkeit der Studierenden keine zeitliche Begrenzung.
Die Arbeitserlaubnis besteht unabhängig von der Art der Beschäftigung und der Höhe des Gehalts. Es wird nur die tatsächlich gearbeitete Arbeitszeit auf das Arbeitstagekonto angerechnet, womit z.B. Urlaubs- und Krankheitstage nicht mitgezählt werden. 

Ausbildung von Drittstaatsangehörigen: Im Rahmen des Zustimmungsverfahrens der Bundesagentur für Arbeit entfällt die sogenannte Vorrangprüfung. Damit wird nicht mehr unter allen gemeldeten Ausbildungsplatzsuchenden geprüft, ob inländische Bewerberinnen und Bewerber, sowie die ihnen gleichgestellten Bewerberinnen und Bewerber aus Ländern der EU bzw. des EWR, vorrangig berücksichtigt werden müssen. Unabhängig von der Berufsausbildung dürfen Auszubildende bis zu 20 Stunden pro Woche einer Nebenbeschäftigung nachgehen. 

Einreise zur Ausbildungsplatzsuche: Auch für die Ausbildungsplatzsuche gibt es Erleichterungen. Die Altersgrenze für potenzielle Bewerberinnen und Bewerber wird von 25 auf 35 Jahre angehoben, die Anforderungen an deutsche Sprachkenntnisse auf Niveau B1 (GER) abgesenkt. Darüber hinaus können Personen mit diesem Aufenthaltstitel eine Nebenbeschäftigung im Umfang von 20 Stunden in der Woche und Probebeschäftigungen von bis zu zwei Wochen ausüben. 

Arbeitsmarktzugang von Pflegehilfskräften: Drittstaatsangehörigen Personen mit einer Pflegeausbildung unterhalb der dreijährigen geregelten Fachkräfteausbildung können im Gesundheits- und Pflegebereich beschäftigt werden. Voraussetzung ist, dass diese Personen entweder eine entsprechende deutsche Berufsausbildung im Pflegebereich oder eine ausländische Pflegequalifikation, die in Deutschland anerkannt wurde, nachweisen können. 

Regelungen ab Juni 2024


1. Chancenkarte 
Die Chancenkarte ist eine punktebasierte Aufenthaltserlaubnis zur Suche nach einer Erwerbstätigkeit oder nach Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen (Such-Chancenkarte).
Diese kann erteilt werden, wenn eine Person entweder die Voraussetzungen einer Fachkraft erfüllt oder mindestens sechs Punkte gemäß vorgegebener Auswahlkriterien erreicht und der Lebensunterhalt gesichert ist. Zu den Auswahlkriterien gehören Qualifikation, Deutsch- und Englischkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug, Alter und das Potenzial mitziehender Lebens- oder Ehepartner/-innen. 
Der Aufenthaltstitel wird für maximal ein Jahr erteilt. Die Chancenkarte bietet Möglichkeiten zur Probearbeit von höchstens zwei Wochen und einer Nebenbeschäftigung von 20 Wochenstunden.
Erhalten die Suchenden ein Arbeitsplatzangebot oder einen Arbeitsvertrag, erfüllen aber noch nicht alle Voraussetzungen für einen anderen Aufenthaltstitel zur Beschäftigung, so kann die Chancenkarte einmalig um bis zu zwei Jahre zum Zwecke einer qualifizierten Beschäftigung verlängert werden (Folge-Chancenkarte).

2. Westbalkanregelung
Die Staatsangehörigen aus den Westbalkanstaaten können jede Art von Beschäftigung in nicht-reglementierten Berufen aufnehmen. Bereits zum Ende 2023 wurde die Regelung entfristet. Zum 01. Juni 2024 wird das Kontingent der Zustimmungen zu Aufenthaltserlaubnissen von derzeit 25.000 auf 50.000 angehoben. 

Weitere Informationen zu Änderungen im Kontext des Aufenthaltsrechts und der Erwerbstätigkeit finden Sie auf den Seiten von Make it in Germany und in den Anwendungshinweisen des Bundesministeriums des Innern und für Heimat

Die Veröffentlichung von Fachartikeln ist ein Service der IHK Berlin für ihre Mitgliedsunternehmen. Dabei handelt es sich um eine zusammenfassende Darstellung der rechtlichen Grundlagen, die erste Hinweise enthält und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Sie kann eine umfassende Prüfung und Beratung durch eine(n) Rechtsanwältin/Rechtsanwalt oder die zuständige Behörde im Einzelfall nicht ersetzen.