TITEL - AUSGABE NOVEMBER 2023

In Bewegung - Mobilität und Verkehr in Oberfranken

Die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur ist essenzieller Bestandteil der Strukturpolitik in Oberfranken. Die Mobilität im Personen- und Güterverkehr ist eine zentrale Voraussetzung für stabile Lieferketten, Standortattraktivität und Fachkräftegewinnung. Zudem kommt dem Sektor Mobilität im Rahmen der Dekarbonisierung große Bedeutung zu. Wir beleuchten verschiedene Aspekte in unserem Schwerpunktthema.

Geplante Mauterhöhung trifft Wirtschaft hart

IHK-Präsident Dr. Waasner: Doppelbelastung beim CO2-Preis vermeiden

Die geplante Erhöhung der Lkw-Maut trifft die Transportbranche mit einer Mehrbelastung von deutschlandweit rund 7,6 Milliarden Euro nach Einschätzung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) extrem hart. Auch Dr. Michael Waasner, Präsident der IHK für Oberfranken Bayreuth, kritisiert, dass es im zu Redaktionsschluss dieser Ausgabe vorliegenden Gesetzentwurf zu einer Doppelbelastung beim CO2-Preis kommt.  Das sollte aber laut Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition vermieden werden.

Sorge, dass Unternehmen auf Mehrkosten sitzen bleiben
Statt der für die Wirtschaft derzeit so dringend erforderlichen Entlastung käme es zu einer erneuten Belastung. Für die betroffenen Unternehmen, die durch Fahrermangel und den oft mangelhaften Zustand der Verkehrswege ohnehin stark belastet sind, werde dies zu einer großen Herausforderung. Die Vergangenheit zeige, dass es extrem schwierig ist, diese Mehrkosten weiterzugeben. Häufig stehen zudem bestehende Verträge einer Weitergabe der Mehrbelastungen im Wege. „Selbst wenn dies gelingt, müssen die Transportunternehmen die Mehrkosten zunächst auslegen, was ihre Liquidität belastet. Es ist zudem zu befürchten, dass die Ermittlung der Kohlendioxid-Emissionsklassen in der Praxis einen erheblichen bürokratischen Aufwand verursachen wird“, so Dr. Waasner.
Das Transportgewerbe erfülle als Schlüsselbranche eine wichtige Funktion für die gesamte Wirtschaft. Daher sei es weit über die Branche hinaus relevant, dass der Güterkraftverkehr am Standort Deutschland und Oberfranken wettbewerbsfähig bleibe.

IHK-Präsident Dr. Michael Waasner

Elektrifizierung
Unter dem Begriff „Elektrifizierung“ versteht man die Ausrüstung von Gleisstrecken mit Oberleitungen zur Versorgung elektrisch betriebener Bahnen. Investitionen in die Elektrifizierung verbessern die Umweltbilanz des Schienenverkehrs. Eine Diesellok stößt im Güterverkehr pro Tonnenkilometer 1,5 Mal mehr CO2 aus als eine E-Lok. Ein einziger Güterzug ersetzt die Frachtmenge von rund 60 Lastwagen. Vorrangiges Ziel dieser Investitionen ist es also, künftig mit elektrischen Zügen umweltfreundlicher, wirtschaftlicher und auch schneller unterwegs zu sein. Quelle: Allianz Pro Schiene e.V.

„Jahrzehntelanger Stillstand muss ein Ende haben“

IHK erneuert Forderung nach Elektrifizierung des Schienennetzes

Überfüllte Straßen, ein eklatanter Fahrermangel im Straßengüterverkehr, aber nur sehr begrenzte Ausweichmöglichkeiten auf die Schiene aufgrund der infrastrukturellen Defizite – und das bei einem laut Prognosen weiter deutlich zunehmenden Güterverkehrsaufkommen. Zudem ist der Verkehrssektor ein wesentlicher Verursacher der CO2-Emissionen, weshalb die Politik bis 2030 ein Viertel des Güterverkehrs über die Schiene abwickeln will.

Eigentlich Gründe genug, das Schienennetz in Oberfranken endlich leistungsfähig auszubauen und optimal an den Fernverkehr anzubinden – „Forderungen, die die regionale Wirtschaft und Politik gebetsmühlenartig seit Jahrzehnten wiederholen. Doch leider sind wir immer wieder aufs Neue vertröstet worden“, so IHK-Hauptgeschäftsführer Wolfram Brehm. Die vollständige Elektrifizierung der Franken-Sachsen-Magistrale sei im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans verankert, die Planungen mussten jedoch gestoppt werden, da eine erneute Nutzen-Kosten-Untersuchung die Wirtschaftlichkeit nicht mehr belegen konnte. „Das Ergebnis ist jedoch umstritten, da streitbare Prämissen im Gutachten zu diesem Ergebnis geführt haben“, so Brehm. Derzeit werde auf vielen Ebenen daran gearbeitet, eine Weiterplanung politisch auf den Weg zu bringen, denn die Notwendigkeit der Elektrifizierung der Franken-Sachsen-Magistrale bleibe unbestritten. Schließlich handelt es sich um die am meisten frequentierte Dieselstrecke in Deutschland inmitten der größten Dieselinsel in Mitteleuropa. „Die Tatsache, dass wir über die notwendige Elektrifizierung und Ertüchtigung der Franken-Sachsen-Magistrale in Oberfranken inzwischen über 30 Jahre sprechen, ist ein Armutszeugnis. Unsere tschechischen Partner haben ihre Hausaufgabe gemacht: Seit 1996 gibt es einen Staatsvertrag über die Realisierung dieses Projekts. Tschechien hat geliefert, Deutschland steckt noch in der Vorplanung.“

Gemeinsam mit der IHK Chemnitz, Regionalkammer Plauen, erneuert die IHK für Oberfranken Bayreuth daher in diesem Jahr die Forderung nach einer durchgehenden Elektrifizierung der Franken-Sachsen-Magistrale Nürnberg – Marktredwitz – Cheb – Pilsen – Prag / Dresden und eine elektrifizierte, zweigleisige Anbindung der Stadt Bayreuth. Die vollständige Elektrifizierung sei Grundvoraussetzung für einen leistungsfähigen, klimafreundlichen und zuverlässigen Personen- und Schienengüterverkehr zwischen den Industrieregionen Südwestsachsen, Nordostbayern und Tschechien.
Nürnberg-Prag/Dresden (Franken-Sachsen-Magistrale)
Die Schienenstrecke Nürnberg-Prag/Dresden ist Teil einer prioritären Verkehrs- und Entwicklungsachse im erweiterten Europa in Richtung Tschechien. Die aktuelle Verbindung ist aufgrund fehlender Elektrifizierung weder zeitgemäß noch gegenüber der Straße konkurrenzfähig.

Hof-Regensburg (Ostkorridor Süd)
Die Achse Hof-Marktredwitz-Regensburg (Forderung: Elektrifizierung und Zweigleisigkeit) stellt den notwendigen Lückenschluss für eine zweite Nord-Süd-Achse (von den Seehäfen durch Deutschland nach Süden) dar, welche die stark ausgelastete Strecke Hamburg-Hannover-Fulda-Würzburg-Nürnberg-Passau entlasten hilft.

Oberfrankenachse
Die Oberfrankenachse ist eine zentrale West-Ost Schienenverkehrsader durch den Regierungsbezirk Oberfranken, aber nicht elektrifiziert und teilweise nur eingleisig.

Klimaneutral bis 2045?

Herausforderungen für die Logistik

Nach der LNG-Misere für LKW-Betreiber besteht große Unsicherheit für Neuinvestitionen. Das Schlagwort „Technologieoffenheit“ allein gibt Unternehmen keine Entscheidungshilfen. Ob E-Fuels, batterieelektrische Antriebe, Wasserstoffantrieb oder Brennstoffzellentechnik – Logistiker müssen ihren Fuhrpark binnen der kommenden Jahre klimaneutral betreiben.

Erschwert werde die Situation dadurch, dass der Gesetzgeber keine verlässlichen Rahmenbedingungen für einen Markthochlauf des emissionsfreien Güterverkehrs bietet, erläutert Frank Lechner, bei der IHK zuständiger Referent für die Themen Umwelt und Energie.

Bundesverkehrswegeplan vs. Klimaschutzgesetz
Einen Widerspruch sieht Lechner zwischen dem Bundesverkehrswegeplan und dem Klimaschutzgesetz: Mit dem Bundesklimaschutzgesetz (KSG) wurden verbindliche Klimaschutzziele für den Verkehrssektor festgelegt. Die bisher im Bundesverkehrswegeplan 2030 vorgesehenen Infrastrukturprojekte seien insgesamt nicht darauf ausgerichtet, diese Klimaschutzziele zu erreichen. Insbesondere schafft der Bundesverkehrswegeplan 2030 keinen Schwerpunkt für die notwendige Verlagerungsinfrastruktur vor allem hin zur Schiene als klima- und umweltverträglicheren Verkehrsträger.

Neue Infrastruktur im Betrieb erforderlich
Die einzelnen Unternehmen müssen sich indes darauf einstellen, dass zur der Dekarbonisierung des Fuhrparks noch Kosten und Risiken im Umfeld entstehen:
  • Schulungen des Personals für die neue Technologie
  • Schnelladesäulen auf dem Betriebsgelände; eigene Erneuerbare Energien oder verstärkter Netzanschluss (wenn möglich), zuverlässige Wasserstoff-Versorgung?
  • Reparaturwerkstätten im Umfeld, Ersatzteilversorgung
  • Kein Gebraucht-LKW-Markt, Leasing?
  • Neue Technologie ist störanfälliger als die ausgereifte Dieseltechnik
IHK und Verkehr
Die IHK für Oberfranken Bayreuth vertritt gut 1.600 Unternehmen der Transport und Logistikbranche in Oberfranken mit insgesamt rund 22.600 Beschäftigten. Wir vermitteln Ihnen den Zugang zu Netzwerkpartnern der Region und sind gerne Ihr Ansprechpartner, wenn es darum geht, Sie in Ihren Anliegen zu unterstützen.
Frieder Hink
Prüfungswesen Weiterbildung - Verkehr