IHK-Region Ulm, Frühjahr 2023

Wirtschaft weiter in schwierigem Fahrwasser

Die leichte Skepsis der Unternehmen der IHK-Region Ulm vom Jahresbeginn 2023 hat sich im Frühjahr bestätigt. Sowohl ihre Zufriedenheit mit ihrer aktuellen Situation als auch ihr Blick nach vorn fallen aktuell etwas ungünstiger aus als zuvor. Das IHK-Konjunkturklima, das Lage und Erwartungen in einem Wert zusammenfasst, ist von 114 Punkten im Januar 2023 auf knapp 108 Punkte im Mai zurückgegangen. Die regionale Wirtschaft ist zwar bislang besser als befürchtet durch die Energiekrise gekommen. Gesunkene, aber immer noch zu hohe Energiepreise, die weiterhin stark steigenden Verbraucherpreise sowie die zu erwartende kräftige Zunahme der Arbeitskosten zehren jedoch an der internationalen Wettbewerbsfähigkeit hiesiger Unternehmen und Standorte. Die nach oben geschnellten Finanzierungskosten bremsen zusätzlich Investitionen in Bauten und Anlagen. Eine Konjunkturbelebung ist jedoch vorerst nicht in Sicht.
Kaum noch steigende Umsätze und eine sich weiter abschwächende Auftragseingangstendenz bei anhaltendem inflationsgetriebenen Kostendruck trüben die Stimmung vieler Unternehmen in der IHK-Region Ulm. Die besonders betroffenen Betriebe schätzen in der Folge ihre momentane Lage ungünstiger ein als zu Beginn dieses Jahres. Die Zahl der Betriebe mit gut laufenden Geschäften ist um sieben Prozentpunkte zurückgegangen, die Zahl der Unternehmen in befriedigender Lage nahm entsprechend zu. Nahezu unverändert geht es jedem achten Unternehmen schlecht.
Das gilt insbesondere für die Industrie angesichts einer rückläufigen Nachfrage aus dem In- und Ausland. Damit sich ihre bislang gut gefüllten Auftragsbücher nicht zu schnell leeren wurde die Produktion gedrosselt. Die Kapazitätsauslastung hat sich dadurch von 86 auf 81 Prozent verringert. Steigende Kosten bei stagnierenden Umsätzen drücken auf die Erträge. Somit reicht es bei der Lagebewertung immer häufiger nur noch für ein befriedigend.
Auch die Dienstleister sind unzufriedener als noch Jahresbeginn, insbesondere die industrie- und baunahen Betriebe. Die in kurzer Zeit stark gestiegenen Finanzierungskosten haben zu einem Einbruch im privaten Wohnungsbau geführt. Der Großhandel hat seine Ertragssituation und damit seine Lage verbessert. Von einem niedrigen Lageniveau aus ist es für viele Einzelhändler bergauf gegangen.

Zahlreiche Risiken dämpfen die Stimmung

Trotz der eher verhaltenen Perspektiven wird der Fachkräftemangel erneut von allen Geschäftsrisiken am häufigsten genannt. Inzwischen sehen fast drei von vier Unternehmen wachsende Personalengpässe auf sich zukommen, die zu eine Beschränkung ihrer wirtschaftlichen Aktivität führen könnten. Kaum entspannt hat sich auch der Blick der Wirtschaft auf die Energiepreise. Zwar haben sich die Energiemärkte erst einmal beruhigt, jedoch nagen die im Vergleich zu vor der Krise weiterhin zu hohen Preise für Gas und Strom weiterhin an der Wettbewerbsfähigkeit vieler hiesiger Unternehmen.
Angesicht der jüngsten Tarifabschlüsse und der laufenden Tarifverhandlungen in einigen Branchen wächst die Sorge über steigende Arbeitskosten, der Anteil der betroffenen Unternehmen stieg von 43 Prozent zu Jahresbeginn auf aktuell 61 Prozent. Für vier von zehn Betrieben bleibt die Entwicklung der Rohstoffkosten von Bedeutung. Ein Viertel der Unternehmen wird durch die anhaltenden geopolitischen Spannungen verunsichert. In der Industrie befürchten 45 Prozent der Unternehmen erneute Störungen ihrer Lieferketten. Im Einzelhandel machen sich 47 Prozent der Betriebe über neuerliche Lieferengpässe Sorgen.

Frühjahrsbelebung auf dem Arbeitsmarkt bleibt aus

Der konjunkturelle Seitwärtstrend schlägt sich auch auf dem Arbeitsmarkt in der IHK-Region Ulm nieder. Die Arbeitslosenquote verharrt im April 2023 bei 2,8 Prozent. Auch wenn dies natürlich nach wie vor ein hervorragender Wert ist - keine andere IHK-Region kann eine niedrigere Arbeitslosenquote vorweise - bleibt die übliche Frühjahrsbelebung durch die anziehende Nachfrage nach saisonalen Arbeitskräften bislang aus.
Dazu trägt auch die Arbeitskräfteknappheit bei. Denn Unternehmen, die Personal suchen, haben es weiterhin schwer, passende Fachkräfte zu finden. Fast drei von vier Betrieben bereiten das Sorgen. Der Arbeitsmarkt für qualifiziertes Personal ist so gut wie leergefegt und die Unternehmen wissen darum. Deshalb wollen die meisten Betriebe ihre Fachkräfte halten, so dass die leichte Stimmungseintrübung nicht gleich zu einem Stellenabbau führt. Der Arbeitsmarkt bleibt somit robust.

Investitionspläne senden positive Signale

Weiterhin eine gewisse Hoffnung auf eine konjunkturelle Belebung machen die Investitionsabsichten der regionalen Wirtschaft. Der Indikator für die Investitionspläne bleibt klar positiv. Über ein Drittel der Unternehmen plant seine Ausgaben für Inlandsinvestitionen gegenüber dem Vorjahr zu erhöhen, knapp 16 Prozent haben ihre Investitionsbudgets gekürzt. Jeder zweite Betrieb hält seine Investitionsbudget konstant.
Der Blick auf die Investitionsmotive lässt die Hoffnung auf eine Konjunkturbelebung durch steigende Investitionen jedoch wieder schwinden. Die gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise haben vor allem Investitionen in die Energieeffizienz und den Umweltschutz vorangetrieben. Auch Digitalisierungsinvestitionen genießen weiterhin Priorität. Die Unternehmen versuchen so, Kosten zu sparen und auf dem Weg zur Klimaneutralität voranzuschreiten. Investitionen zur Kapazitätserweiterung, die die wirtschaftliche Expansion beflügeln würden, spielen hingegen weiterhin eine untergeordnete Rolle.

Wirtschaft rechnet nicht mit baldiger Belebung

Insgesamt tritt die regionale Konjunktur tritt derzeit auf der Stelle. Die Geschäfte verlaufen in den meisten Branchen auf hohem Niveau, jedoch ohne Dynamik. Signale für eine baldige konjunkturelle Belebung sind derzeit nicht kaum zu erkennen. Es fehlen weiterhin frische Nachfrageimpulse. Die Industrie rechnet zwar mit steigenden Exporten nach Asien, jedoch schwächeln Europa und Nordamerika. Die von der hohen Inflation verursachten Kaufkraftverluste senken die Konsumnachfrage. Die zu ihrer Eindämmung erhöhten Zinssätze der EZB dämpfen kreditfinanzierte Käufe und Investitionen.
Insgesamt bleiben die Geschäftserwartungen deutlich freundlicher als im Krisenherbst, sie haben sich jedoch seit Jahresbeginn leicht eingetrübt. Ein Viertel der Betriebe befürchtet Rückschläge, 60 Prozent rechnen mit einer gleichbleibenden und 15 Prozent mit einer positiven Entwicklung. Angesichts der anhaltenden Risiken bleibt das Fahrwasser für die regionale Wirtschaft weiterhin schwierig. Statt Expansion droht Stagnation.

Die Konjunktur in den Branchen:

Der IHK-Konjunkturklimaindex (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 190 KB) spiegelt das Ergebnis der IHK-Konjunkturumfrage in einem Wert wider. Er ist ein Frühindikator für die konjunkturelle Entwicklung. Entscheidend für die Interpretation der konjunkturellen Entwicklung im Zeitablauf ist die Veränderung des Index’. Nimmt er zu, wird sich die Konjunktur tendenziell positiv entwickeln, nimmt er ab, verschlechtert sich hingegen tendenziell die wirtschaftliche Entwicklung.
IHK-Saldenindikatoren (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 209 KB) werden als Saldo der positiven und negativen Antworten zu den jeweiligen Fragen ermittelt und können demnach zwischen -100 und +100 Prozentpunkten liegen. Ein Indikator von Null zeigt an, dass sich die positiven und negativen Antworten genau die Waage halten.
Zum Ausweis der Arbeitslosenquote wird im Konjunkturbericht der IHK Ulm auf die Daten der Bundesagentur für Arbeit zurückgegriffen. Die zugrundeliegende Berechnungsmethodik beruht auf dem Verhältnis der Arbeitslosen zu allen zivilen Erwerbspersonen.
Der Konjunkturbericht der IHK Ulm erscheint tertialsweise. Der aktuelle Bericht basiert auf der Umfrage zum 1. Tertial 2023. Von über 38.000 Mitgliedern der IHK Ulm wurde ein repräsentativer Ausschnitt von 369 Unternehmen befragt, von denen sich 133 (36 Prozent) an der Umfrage beteiligt haben.
Anmerkung:
Die IHKs in Baden-Württemberg haben zum Jahr 2007 den Modus für ihre Konjunkturumfragen umgestellt. Statt vier Umfragen werden nun nur noch drei Umfragen jährlich durchgeführt.